Sie schließen mit einem Appell für lebendige Demokratie und gelebte Freiheit, engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie
starke Kommunen. Auch wenn die Regierungserklärung nur wenig zu diesen Themen enthält, möchte ich doch aus bündnisgrüner Sicht zu einigen innenpolitischen und sozialpolitischen Themen Stellung nehmen.
Lassen Sie mich vorab erklären, dass wir zwar die kleinste Oppositionsfraktion darstellen und nach 15 Jahren Abstinenz mit hohem Engagement auf der parlamentarischen Bühne wieder mitwirken wollen. Wir sind aber keinesfalls auf Krawall gebürstet. Wir wollen eine kritische und unbequeme, aber auch eine differenzierte und konstruktive Opposition sein. Sie sagen, Sie seien offen für gute Ideen, woher sie auch kämen, und suchten die Kooperation mit allen, die zu solcher Kooperation willens seien. Nun, wir haben die guten Ideen, und wir kooperieren gern, wo es inhaltlich möglich ist.
In diesem Sinne möchte ich hervorheben, dass einige Punkte in dem Koalitionsvertrag und Ihrem Regierungshandeln aus unserer Sicht durchaus positiv gesehen werden, unter anderem die Aufhebung der Residenzpflicht, die Ermöglichung von Bürgerhaushalten und Bürgerkommunen, die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Wir freuen uns auch, dass Sie „die bestehenden demokratischen Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte der Bürgerinnen und Bürger ausbauen und damit dem Trend zunehmender Politikverdrossenheit entgegenwirken“ wollen. Nur, warum fangen Sie mit diesem löblichen Vorhaben nicht durch Benennung konkreter Ziele und Vorhaben an?
In Ihrer Regierungserklärung und im Koalitionsvertrag finden sich klare und erfrischende Ansagen immer dann, wenn die Zuständigkeit auf Bundesebene angesiedelt ist, aber wenig Konkretes, wenn es darum geht, landespolitischen Gestaltungsspielraum auszunutzen.
Warum stellen Sie, wenn Sie von der Novellierung des Volksabstimmungsgesetzes sprechen, mit dem Ziel, die Zugangsbedingungen für Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, nicht Erleichterungen bei der Durchführung von Volksbegehren in Aussicht? Warum kann man im Stadtstaat Berlin Unterschriften für Volksbegehren in der Kneipe, auf dem U-Bahnhof oder an einer Currywurstbude sammeln, während im Flächenland Brandenburg eine weit entfernt liegende Meldestelle aufgesucht werden muss?
Wir fordern, dass die Hürden für alle Formen der direkten Demokratie gesenkt werden. Damit ist sowohl die Absenkung des Unterschriftenquorums für die Einleitung von Bürger- und Volksbegehren, die Anwendung des Mehrheitsprinzips ohne Quorum bei einfachen Volksentscheiden als auch die Möglichkeit, Unterschriften für Volksbegehren frei zu sammeln, gemeint.
Dass es nicht mehr zeitgemäß ist, dass nicht über finanzrelevante Tatbestände abgestimmt werden darf, bezeugt ein Blick auf das angedrohte Kita-Volksbegehren im Nachbarland Berlin.
- Vielleicht können Sie sich noch einen ganz kleinen Moment disziplinieren. Meine Redezeit ist leider sowieso gleich zu Ende.
Bezüglich der 2010 endlich erstmals in Direktwahl stattfindenden Landratswahlen kündigen Sie umgehend die nächste Prüfung an. Nachdem der widerstrebende Tanker Sozialdemokratie vom alten Koalitionspartner in Richtung Direktwahl gedrängt worden war, konnten wir in der zweiten Jahreshälfte 2009 in mehreren Landkreisen beobachten, durch welche Allianzen mögliche Direktwahlen umgangen worden sind. Auch die glühenden Befürworter der direkten Wahlen haben ihre Ideale sehr schnell machtpolitischen Erwägungen geopfert. Kollege Dombrowski weiß als Kreistagsabgeordneter im Havelland, wovon ich spreche. Jetzt kündigen Sie an, aus den 2010 erstmals stattfindenden Direktwahlen müssten Schlussfolgerungen und Konsequenzen gezogen werden. Da auf die schlechte Wahlbeteiligung in Brandenburg regelmäßig Verlass ist, kündigt sich hier schon der Ausstieg aus einer ungeliebten Reform an.
Beim Thema Landräte könnten Sie übrigens das von Ihnen angeführte Querschnittsthema Gleichberechtigung gleich einmal erproben, haben wir doch in Brandenburg nicht eine einzige Landrätin.
Auch bei der Regierungsbildung sind Sie mit drei Ministerinnen doch deutlich hinter Ihrem eigenen Anspruch zurückgeblieben. Quotierung und Frauenförderung, meine Damen und Herren, das können wir Grünen besser.
Die von Ihnen angekündigte Evaluierung der Kommunalverfassung bis zum 31. Dezember 2011 werden wir aufmerksam verfolgen und auf Rücknahme der Paragrafen drängen, die die Mitwirkung von Minderheiten erschweren und sie über den Entzug des Fraktionsstatus in ihren Rechten benachteiligen.
Ein weiterer Punkt, an dem die Landesregierung prüft statt zu handeln, ist das Wahlrecht mit 16. Wohlgemerkt, es wird allein das kommunale Wahlrecht geprüft. Vor gut zwei Wochen hat das Land Bremen als erstes Bundesland die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 bei Landtagswahlen beschlossen.
In fünf deutschen Bundesländern dürfen 16- und 17-Jährige schon an Kommunalwahlen teilnehmen. Einer Landesregierung, die sich „Aufbruch und Erneuerung“ auf die Fahne geschrieben hat, täte es gut, das Wahlrecht für Jugendliche konkret einzuführen, statt Prüfauftrag an Prüfauftrag zu reihen.
Als Partei der Bürgerrechte appellieren wir eindringlich an die Regierung, demokratische Grund- und Freiheitsrechte konsequent zu schützen und zu beachten und der Tendenz, Bürger
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Dafür ist es gut, dass Sie auf Bundesebene nicht mehr regieren! Da haben Sie in den letzten Jahren eine Menge hingenommen!)
Bezüglich der von Ihnen angekündigten Evaluierung der Maßnahmen des Brandenburgischen Polizeigesetzes wie Telekommunikationsüberwachung und Rasterfahndung fordern wir Sie auf, rechtsstaatlich bedenkliche Verfahren nicht über 2011 hinaus zu verlängern.
13 Jahre nach dem in Brandenburg gescheiterten Volksentscheid wäre es dringend an der Zeit, ein konkretes Szenario vorzulegen. Wurde im Jahr 2001 noch eine Fusion bis zum Ende der Dekade diskutiert und im Dezember 2004 ein Fahrplan für die Fusion bis 2013 vorgelegt, so hat die neue Regierung das Thema von der Tagesordnung genommen. Kooperation und Zusammenlegung auf Verwaltungsebene ersetzen nicht ein werbendes und zielgerechtes Eintreten für ein gemeinsames Bundesland.
Das Konservieren von Ressentiments hat nichts mit zukunftsfähiger Politik zu tun. Berechtigte Ängste der Bevölkerung in berlinfernen Regionen müssen thematisiert und diskutiert werden. Aber es muss auch offen für eine Länderfusion geworben werden. Wenn im Koalitionsvertrag das Wort Länderfusion nicht ein einziges Mal auftaucht,
dafür aber der komplette Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin bis 2019 als wichtiger Beitrag zur inneren Einheit thematisiert wird, dann nimmt die Realitätsverkennung skurrile Züge an.
Ich komme zum Ende. Auch im Bereich Innen- und Kommunalpolitik, Bürgerrechte und Demokratisierung wird viel evaluiert und wenig gestaltet. Die Politik der rot-schwarzen Vorgängerregierung wird weitgehend fortgesetzt. Erneuerung für Brandenburg oder sogar ein Politikwechsel sind nicht auszumachen. Es bleibt dabei: Im Osten kaum Neues.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 1 und tausche den Platz mit der Vizepräsidentin.
Gesetz über die elektronische Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Ausferti- gungs- und Verkündungsgesetz - BbgAusfVerkG)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat am 2. Juli 2009 nach 3. Lesung mit großer Mehrheit eine Änderung der Verfassung beschlossen, die es ermöglicht, nach Maßgabe eines Gesetzes die Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen fortan in elektronischer Form vorzunehmen. Dieses Gesetz, das Brandenburgische Ausfertigungs- und Verkündungsgesetz, ist vom Landtag am gleichen Tag mit einer ebenfalls deutlichen Mehrheit verabschiedet worden. Ich will daran erinnern, dass diese breite Zustimmung unter anderem deshalb möglich war, weil der Gesetzentwurf der Landesregierung sehr intensiv beraten worden ist und im Zuge der Ausschussbehandlungen Änderungen erfahren hat, mit denen Bedenken im Hinblick auf die elektronische Archivierung und die Zugänglichkeit für den Bürger aufgegriffen und gute Lösungen gefunden wurden.
Unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1972 sind später Zweifel an der Wirksamkeit dieses Gesetzes geäußert worden, da dieses am gleichen Tag mit der Verfassungsänderung ausgefertigt und verkündet wurde. Allein ein gestaffeltes Inkrafttreten sei hier nicht ausreichend. Bei dem damals entschiedenen Fall war die Ausgangslage eine andere. Dort musste eine Zuständigkeit des Bundes zum Erlass des strittigen Gesetzes erst durch eine Grundgesetzänderung geschaffen werden. Dagegen war hier die Gesetzgebungskompetenz des Landes von Anfang an gegeben. Auch liegen in Brandenburg anders als im Bund Ausfertigung und Verkündung der Gesetze in einer Hand, nämlich in der des Landtagspräsidenten.
Um jedoch sicherzugehen, dass alle auf Basis dieses Gesetzes ausgefertigten und verkündeten Gesetze und Verordnungen auf einer soliden rechtlichen Grundlage stehen, wollen wir jeden möglichen Zweifel ausräumen. Daher liegt Ihnen heute mit Drucksache 5/29 in 1. Lesung ein inhaltlich unveränderter Gesetzentwurf vor. Lediglich die Übergangs- und Inkrafttretensvorschriften wurden an die aktuelle Situation angepasst.
In den letzten Tagen wurden erneut Zweifel laut. Infrage gestellt wird jetzt, ob der von Ihnen gewählte Präsident der Mitte des Landtages zuzurechnen sei und damit einen Gesetzentwurf einbringen darf. Letztlich steht damit § 40 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf dem Prüfstand; denn der sieht das ausdrücklich vor. Einmal abgesehen davon, dass ich mich sehr wohl der Mitte des Landtages zugehörig fühle,
kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie Gesetzentwürfen des Präsidenten Fritsch ein größeres Gewicht als jenen des Abgeordneten Fritsch beimessen. Im Übrigen fände ich es auch merkwürdig, wenn die Rechte, die ein Abgeordneter hat, einem Präsidenten nicht zustehen sollten. Aber das mögen Juristen entscheiden. Wir haben demnächst Gelegenheit, die Geschäftsordnung zu überarbeiten, und können das dann so klarstellen, dass es in Zukunft keine Missverständnisse mehr gibt.