Protokoll der Sitzung vom 24.02.2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Holzschuher hat einiges von meiner Rede vorweggenommen. Er hat sicher in meine Rede geguckt.

(Zurufe von der SPD: Diebstahl! Plagiat! - Allgemeine Heiterkeit)

Sie werden erstaunt sein: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Festsetzung von Mindestlöhnen, bessere Arbeitsbedingungen, besserer Mutter- und Kinderschutz und das Frauenwahlrecht waren die Forderungen vor 100 Jahren.

Was wurde erreicht? - Bleiben wir einmal bei der ersten Forderung der Frauen von damals - gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Fakt ist: Die Ungleichbehandlung und Ungleichbezahlung von Frauen und Männern besteht noch heute. Im Bundesdurchschnitt verdienen Frauen etwa 23 % weniger als Männer - und das bei gleicher Arbeit. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber man könnte sie beseitigen, wenn man es denn wollte. Auch in Brandenburg - das müssen wir ehrlicherweise sagen - verdienen Männer in der Regel mehr als Frauen.

Tatsache ist, dass es Frauen sind, die überwiegend in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten, und ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, erinnern - das kann ich Ihnen, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nicht ganz schenken -: Der Niedriglohnsektor, besonders für Frauen, ist mit der Hartz-IVGesetzgebung in Ihrer Regierungsverantwortung deutlich angewachsen.

Herr Vogel, Sie wissen auch, dass besonders seit dieser Zeit Frauen in diesem Niedriglohnsektor beschäftigt sind. Wir kennen seit dieser Zeit Ein-Euro-Jobs, Minijobs, Aufstockerinnen und all die Begriffe, die wir vor einiger Zeit vielleicht noch nicht kannten. Sie wissen alle: Das reicht nicht zum Leben und nicht zum Sterben, sagt der Volksmund. Wir erleben Kinderarmut, wir erleben Frauenarmut; und hier, denke ich, sollten wir gemeinsam gegensteuern. Die SPD und die Linke führen deshalb seit Jahren einen Kampf um diesen gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohn. Es bleibt für uns ein Ziel, jede Form der Diskriminierung von Frauen im Beruf und Arbeitsleben zu bekämpfen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ein anderes Thema - damit möchte ich auf den zweiten Teil der damaligen Forderung zurückkommen: die Rosen - heißt für mich, für unsere Partei: Das Lebensumfeld muss stimmen. Dazu zähle ich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, flexible Arbeitszeiten, ausreichende Kita-Plätze, gute Bildungsangebote, eine familiengerechte Infrastruktur, Netzwerke und lokale Bündnisse. Hier können wir voller Stolz sagen: Wir sind im Land Brandenburg ein gutes Stück vorangekommen.

(Beifall der Abgeordneten Lehmann [SPD])

In diesem Zusammenhang noch einige Bemerkungen zu der Debatte um eine Frauenquote in Führungsgremien und Aufsichtsräten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schlägt eine stufenweise Anhebung vor, und zwar des Frauenanteils in Vorständen auf ca. 40 %. Nur die Bundesregierung, auch die Bundesfrauenministerin, setzt weiter auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft. Das wird nicht passieren.

Die Position der Brandenburger Landesregierung ist hinlänglich bekannt: Eine Frauenquote von 40 % ist anzustreben. Aus unserer Sicht gibt es mindestens drei Gründe, warum Frauen stärker in Politik und Wirtschaft einbezogen werden müssen:

Erstens ist es schlicht undemokratisch und steht im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgesetz des Grundgesetzes, wenn Frauen nicht die gleichen Chancen haben.

Zweitens verschwenden wir Kompetenzen der Mehrheit der Bevölkerung. Ich erinnere: Wir haben immerhin noch 52 % Frauenmehrheit.

Drittens ist es ökonomisch kontraproduktiv. Internationale Studien belegen nämlich - und es wird in anderen Ländern auch praktiziert -, dass Unternehmen wirtschaftlich umso erfolgreicher sind, je mehr Frauen in Führungspositionen vertreten sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im 5. Landesgleichstellungsbericht wird festgestellt, dass es überall Gleichstellungsbeauftragte gibt und Gleichstellungspläne in vielen Verwaltungen des Landes vorliegen. Auch in zahlreichen Kommunen gibt es Gleichstellungsbeauftragte. Aber die Funktion an sich und auch der Plan ändern noch nichts an der wirklichen Lebenssituation der Frauen und Mädchen. Ich denke, die Arbeit der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten ist besonders wichtig, weil gerade vor Ort die Betroffenheit, die Probleme des Alltags zu meistern sind, und es wird nicht einfacher in den nächsten Jahren, allein durch den demografischen Wandel und die Realisierung der Daseinsvorsorge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frau und Mann sprechen, muss ich noch ein Thema ansprechen, das wir gerade auch in diesem Jahr besonders beachtet haben. Jede siebente Frau ist von strafrechtlich relevanter sexueller Gewalt betroffen, jede vierte Frau hat körperliche und/oder sexuelle Übergriffe erlebt. Gewalt gegen Frauen muss von der Gesellschaft geächtet und mit aller Konsequenz strafrechtlich verfolgt werden.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Neben der Härte des Gesetzes gegen die Täter ist die Betreuung der Opfer für uns eine wichtige Aufgabe. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle - auch namens meiner Fraktion - bei den vielen ehrenamtlich und hauptamtlich tätigen Frauen bedanken, die in Frauenhäusern eine unverzichtbare Arbeit leisten.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Dies anerkennend werden wir uns für die weitere Förderung der Arbeit in den Frauenhäusern engagieren. An dieser Stelle eine Bitte an die CDU und die FDP: Machen Sie sich bitte in Ihren Bundestagsfraktionen für eine Bundesfinanzierung der

Frauenhäuser stark, weil es weder ein lokales noch ein kommunales Problem ist, sondern ein gesellschaftliches!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als Koalition haben erkannt, dass es neben den Fortschritten bei dem Thema Gleichstellung noch eine Menge zu tun gibt. Dies können Sie im Koalitionsvertrag nachlesen. Der kommende 8. März ist bestens dafür geeignet, unser gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm für das Land zu verabschieden, in dem konkrete Aussagen und Maßnahmen festgeschrieben sind, verbunden mit der Aussage, dass das Land Brandenburg im Sinne einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter weiter vorankommt.

Das Jahr 2011 steht europaweit unter dem Motto „Gleicher Zugang zu Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Technik: Weg zu menschenwürdiger Arbeit“. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg, damit sich die Forderung der Frauen von damals nach „Brot und Rosen“ endlich erfüllt!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Eine Anmerkung noch: Meine Partei wird in diesem Jahr erstmalig den Clara-Zetkin-Preis ausloben, der in jedem Jahr am 8. März an Unternehmen vergeben wird, die sich besonders in der Frauenarbeit engagieren und prozentual viele Frauen einstellen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir setzen mit dem Beitrag der Abgeordneten Vogdt für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über den 100. Jahrestag des Weltfrauentages sprechen, so möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen zur Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern machen.

Die Frage der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist keine Frage, die erst vor hundert Jahren aufgeworfen wurde. Schon in der Zeit der Französischen Revolution ist die Erklärung der Rechte der Frauen und Bürgerinnen veröffentlicht worden, die die volle Gleichberechtigung forderte. Auch die Mitbegründerin der DDP, einer Vorgängerpartei der FDP, Helene Lange, setzte sich für die Rechte der Frauen ein. Die Geschichte der Gleichstellungspolitik ist also nicht von den linken Parteien erfunden worden. Es gibt deshalb auch keinen Alleinvertretungsanspruch,

(Beifall FDP und CDU)

auch wenn uns das manch Vertreter der linken Parteien immer wieder suggerieren möchte.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

- Frau Kaiser, kennen Sie eigentlich den Hamburger Fischmarkt?

(Heiterkeit und Beifall FDP und CDU)

Wir kritisieren völlig zu Recht, dass es immer noch erhebliche Unterschiede bei der Bezahlung von Frauen und Männern gibt, ebenso, wie wir völlig zu Recht kritisieren, dass Frauen in Führungspositionen noch immer unterrepräsentiert sind. Aber wir müssen uns doch über die Ursachen und Hintergründe dafür unterhalten und dürfen nicht in ein Rollenbild verfallen, welches den Mann als den bösen Chauvi sieht, der die Frauen ihrer Rechte berauben will.

(Heiterkeit der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Es geht auch nicht darum, dass wir den Familien in diesem Land vorschreiben, welches Rollenbild sie in ihren Partnerschaften vereinbaren.

(Beifall FDP und CDU)

Wenn sich Ehepaare darin einig sind, dass einer arbeiten geht und der andere zu Hause bleibt und die Kinder erzieht und versorgt, dann ist das genauso akzeptabel wie die Entscheidung, dass beide Partner Karriere machen wollen und dabei auf Kinder verzichten.

(Beifall FDP und der Abgeordneten Dr. Ludwig [CDU])

Beides kann man kritisieren, aber beides muss man auch akzeptieren und den Partnern bei ihren individuellen Lebensentwürfen die freie Wahl lassen.

Die Ursachen der noch immer vorhandenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind oftmals die nicht vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, insbesondere auch 24-Stunden-Kitas, die es allen Partnern erlauben, ihre Karriere mit dem Kinderwunsch zu vereinbaren.

(Frau Kircheis [SPD]: Thema verfehlt!)

Teilzeitarbeit ist in der Regel weiblich. Daran hat auch das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz - allein schon dieser Name! -, mit dem die Große Koalition mehr Männer zu Teilzeitarbeit motivieren wollte, nichts geändert. 32 % der weiblichen Beschäftigten arbeiten Teilzeit, ein Drittel davon, weil sie keine Kinderbetreuung für den ganzen Tag bekommen. Alleinerziehende Frauen beziehen, statistisch betrachtet, am häufigsten Arbeitslosengeld II.

Es gibt drei Punkte, die ursächlich zu Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern führen:

Erstens: Viele junge Mädchen entscheiden sich noch immer für traditionell als weiblich geltende Berufe. Viele dieser Berufe sind eine Einbahnstraße, weil es so gut wie keine Aufstiegsmöglichkeiten gibt.

Zweitens: Wenn sich Frauen der Familie zuliebe für mehrere Jahre aus dem Beruf ausklinken, haben sie später häufig schlechte Karten; denn da sie weniger Berufserfahrung haben, verdienen sie weniger als männliche Kollegen.

(Frau Alter [SPD]: Genau!)

Drittens: Es gibt Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Probleme sind oft der Grund, warum Frauen in Teilzeit arbeiten.

(Bischoff [SPD]: Noch nicht mal Mindestlöhne!)