Auch wir Bündnisgrünen haben in den Haushaltsverhandlungen erfolglos beantragt, den Hochschulen die 10 Millionen Euro zurückzuerstatten. Neue Ministerinnen ändern aber in der Regel wenig an zurückliegenden Beschlüssen. Wenn dem so wäre, hätten wir das alle längst erfahren. Ohne unsere Kritik an diesem massiven Vertrauensbruch gegenüber den Hochschulen im Mindesten schmälern zu wollen, sind wir doch der Meinung, dass wir selbst aus der Niederlage heraus unsere eigenen Beschlüsse ernst nehmen sollten.
Wenn Ihr Argument, lieber Kollege Lipsdorf, Sie würden das Thema deshalb erneut hier beantragen, weil sich noch nichts geändert habe, ausreichen würde, dann wäre es auch für uns vernünftig, bei jeder Landtagssitzung erneut den Antrag auf Ausstieg aus CCS zu stellen. Das tun wir auch nicht. Nein, oh
Unser Schwerpunkt sollte weiter oben liegen als beim Stehaufmännchen, nämlich möglichst nah am Kopf.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Das Wort erhält die Landesregierung. Frau Ministerin Prof. Dr. Dr. Kunst, bitte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen noch einmal, wie jetzt schon mehrfach angerissen, zu einem Stehaufmännchen in diesem Hohen Hause, was die Diskussion der Entnahme der Rücklagen bei den Hochschulen im letzten Jahr betrifft.
Die Landesregierung hat sich durch die damals zuständige Ministerin Frau Dr. Münch und auch durch den Staatssekretär in neun Monaten hier im Parlament dreimal zum Thema Entnahme der Hochschulrücklagen und einmal dezidiert zum Thema der Hochschulverträge geäußert, sodass - wie sich auch aus den Beiträgen ergab - die Gesamtsituation, auch all das, was es an aufgeregten und berechtigten Diskussionen dazu gegeben hat, hier dargestellt worden ist und somit auch - das ist das Positive an der damaligen Auseinandersetzung - die Sensibilität für den Eingriff in Hochschulhaushalte sicherlich deutlich gewachsen ist.
Ich persönlich - Sie werden verstehen, dass ich heute keine andere Meinung dazu habe als in der Vergangenheit - war über die Maßnahme an sich, über die Tatsache, dass es so war, nicht glücklich; das ist klar. Aber es bringt nichts, jetzt noch einmal über Schnee von gestern zu diskutieren. Der Haushalt ist vom Parlament beschlossen worden. Die Hochschulen haben sich darauf eingestellt, und sie haben sich auch darauf einstellen müssen. Von der Entnahme bei den Hochschulen waren ausschließlich die Landesmittelrücklagen betroffen. Es ist mir wichtig, dies an dieser Stelle noch einmal von der Definition her auseinanderzuhalten. Denn all das, was sonst noch in irgendeiner Form mit Rücklagen in Verbindung gebracht werden könnte, aus anderen Quellen und nicht denen des Landeszuschusses, sind Drittmittel, die für die Hochschulen reine Durchlaufposten sind. Es sind die wettbewerblich eingeworbenen Gelder für Forschung und für eine ganz zweckgebundene Verwendung, sodass sie auch aus Haushaltssicht reine Durchlaufposten sind. Hingegen sind die Landesmittelrücklagen - das muss man einfach wissen und auch sehen - über die Jahre aufgewachsen, in Brandenburg im Vergleich zu allen anderen Bundesländern sehr moderat. Sie wurden 2009 um beinahe 40 % gekürzt. Den Hochschulen verblieben aber überjährig zu verwendende Haushaltsmittel in der Größenordnung von 14,2 Millionen Euro. Das ist im Verhältnis zu anderen Bundesländern eine als marginale Rücklage zu bezeichnende Größenordnung.
Durch eine leicht verbesserte Finanzsituation hat sich diese überjährige Verwendung von Landesmitteln von 900 000 Euro
im Jahre 2003 auf die jetzt noch vorhandenen 14,2 Millionen Euro entwickelt, eine Summe, die durchaus wissenschaftsadäquat und überall üblich ist.
In den Verhandlungen über die Fortsetzung des brandenburgischen Hochschulpaktes werde ich anregen, dass konkrete Regelungen bezüglich Höhe und Verwendung der sogenannten Rücklagen aufgenommen werden und dass eine überjährige Verwendung von Haushaltsmitteln weiterhin möglich ist. Die Größenordnung in Brandenburg liegt bei 6 %, üblich sind 10 % und mehr.
Eine Ergänzung zu den Äußerungen von Herrn Jürgens: Über die Fortsetzung des Hochschulpaktes ist noch keine Entscheidung getroffen worden. Das, was Sie angesprochen haben, bezieht sich auf die Vereinbarung zwischen dem Ministerium und den Hochschulen zur Verwendung der Bundesmittel, die im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 zusätzlich fließen. Die darüber getroffene Vereinbarung hat mit der grundsätzlichen Planungssicherheit für die Hochschulen - in Fortsetzung des eigentlichen Hochschulpaktes, der auch in dem Antrag angesprochen wird - nichts zu tun. Grundsätzlich und über das bisher Gesagte hinausgehend müsste man darüber diskutieren, wie es zur Garantie einer nachhaltigen Haushaltsführung in den kommenden Jahren kommen kann.
So übel die Sachlage bezüglich der Entnahme der sogenannten Rücklage bei den Hochschulen ist, bleibt dennoch festzuhalten: Wenn zwei Partner eine Vereinbarung treffen, geschieht dies auf einer Geschäftsgrundlage, die in einem bestimmten Moment gilt; in einem anderen Moment kann sie leider anders aussehen. Ich glaube, das war auch den Hochschulen von vornherein klar. Es handelte sich also nicht um eine Willkürhandlung, sondern um eine Anpassung an die sich ändernde Haushaltssituation des Landes. Der Punkt, der tatsächlich sehr große Schwierigkeiten bereitet hat, betraf die Kommunikation, das heißt die Vermittlung dieses Inhalts zwischen den Partnern. Das ist mittlerweile ausgeräumt.
Mit Blick auf die in Zukunft zu erwartende Haushaltslage wird es ein Gebot jeglicher Maßnahmen meines Hauses und von mir persönlich sein, die Hochschulen frühzeitig in die Suche nach Lösungen einzubinden. Sie können versichert sein, dass ich mich um einen weiteren Pakt, um eine intensive Kommunikation und um eine weiterhin vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Hochschulen des Landes bemühen werde. Dafür stehe ich. - Danke.
Vielen Dank, Frau Ministerin Prof. Dr. Dr. Kunst. - Das Wort erhält noch einmal die einbringende Fraktion. Herr Abgeordneter Lipsdorf, Sie haben das Wort. Da die Landesregierung ihre Redezeit um knapp zwei Minuten überschritten hat, erhalten Sie zu Ihren regulären fünf Minuten zwei Minuten dazu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Prof. Kunst, Sie haben gerade bewiesen, dass die Anschuldigung, wir hätten Sie vorführen wollen, völlig falsch ist. Wir ha
Ich muss sagen: Mit Ihrer Antwort bin ich sehr zufrieden. Sie hat gezeigt, dass Herr Jürgens nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist, was verschiedene Dinge betrifft. So ist uns allen ein „Hochschulpakt III“ unbekannt.
Was ist bundespolitisch los? Ich sage nur: In die Kohlenstoffforschung fließen 1,5 Millionen Euro, aus dem Qualitätspakt 200 Millionen Euro. Der Bund tut also durchaus etwas für die Wissenschaft.
(Jürgens [DIE LINKE]: Es geht um die wissenschaftspo- litischen Vorschläge der FDP, nicht um die Forschung!)
Zu der offenbarten Geisteshaltung zu CCS sage ich: Alles gut und schön. Ich habe immer noch die gleiche Geisteshaltung. Ich freue mich, dass wir insoweit zwar kontrovers diskutieren, aber doch nah beieinander sind. Das Problem ist: Für CCS fehlen uns die Forschungsmittel. Daran müssen wir aber forschen. Wir haben heute den ganzen Vormittag über die Energiepolitik debattiert. Für Forschung braucht man Geld. Natürlich muss man ehrlich sagen: Nicht alle Ideen, die wir heute haben, sind zielführend.
Frau Prof. Kunst, ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihre Bereitschaft, darüber mit uns weiter zu diskutieren. Damit haben Sie in Ihrer Rede im Grunde genau das gesagt, was wir fordern: im Ausschuss noch einmal darüber zu reden, was wir, Parlament und Landesregierung, tun können, um das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft wieder so erstrahlen zu lassen, dass man zu der Erkenntnis kommt: Brandenburg ist tatsächlich wieder der Wissenschaftsstandort.
Meine Damen und Herren von der Koalition, auch wenn Sie unseren Antrag ablehnen, sind wir doch generell auf einer Linie, wenn es darum geht, dass wir noch etwas tun müssen. Das hat die Ministerin gerade gesagt. - Ich bedanke mich.
Gibt es vonseiten der anderen Fraktionen das Bedürfnis, die zwei Minuten zusätzlicher Redezeit zu nutzen? - Das ist nicht der Fall.
Die FDP-Fraktion beantragt zunächst die Überweisung des Antrags „Griff in die Hochschulrücklagen zurücknehmen - Autonomie der Hochschulen wahren“, Drucksache 5/2788, an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Wer diesem Überweisungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? Ich sehe eine Stimmenthaltung. Bei einer deutlichen Überzahl der Gegenstimmen ist der Überweisung des Antrags nicht Folge geleistet worden.
Demzufolge kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in der Sache. Ich nenne noch einmal den Titel: „Griff in die Hochschulrücklagen zurücknehmen - Autonomie der Hochschulen wahren“. Der Antrag liegt Ihnen in der Drucksache 5/2788 vor und ist von der FDP-Fraktion eingebracht worden. Wer dem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen und einer deutlichen Mehrheit der ablehnenden Stimmen ist der Antrag abgelehnt worden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fehlende Arbeitskräfte auf der einen Seite, eine relativ konstant bleibende Zahl Arbeitsloser auf der anderen Seite man sollte annehmen, dass dieses Problem leicht zu lösen sei. Weit gefehlt!
In der Region Berlin-Brandenburg fehlen bereits heute 140 000 Fachkräfte. Wir alle wissen, dass diese Zahl in den nächsten fünf bis zehn Jahren dramatisch zunehmen wird. Dem standen im Februar 2011 163 172 Arbeitslose in Brandenburg gegenüber. Was können wir tun, vor allen Dingen, was müssen wir tun? Es gibt unterschiedliche Ansatzpunkte.
Was wir zunächst brauchen, ist eine wissenschaftlich fundierte Potenzialanalyse, wie viele und welche Arbeitskräfte wo benötigt werden. Diese Übersicht wird ansatzweise durch die LASA erstellt; sie muss aber laufend angepasst und erweitert werden. Oft ist den Chefs von kleineren Unternehmen überhaupt nicht bewusst - das sagt auch die Arbeitsagentur -, was sie für eine Altersstruktur in ihren Firmen haben. Wenn sie dann hören, dass fünf Arbeitnehmer zwischen 55 und 60 Jahre alt sind, fängt es bei ihnen zu rattern an, und sie sagen: „Ich muss mich ja um Nachwuchs kümmern!“
Wir müssen aber nicht nur genau wissen, welche Arbeitskräfte wir benötigen; wir benötigen auch eine genaue Analyse des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials.
Ferner müssen wir wissen, wie sinnvoll einzelne arbeitsmarktpolitische Maßnahmen tatsächlich sind. Es lässt sich nämlich immer wieder feststellen, dass eine Vielzahl arbeitsmarktpolitischer Instrumente das angestrebte Ziel nicht erreicht. Es hilft nicht, Umschulungen zu finanzieren, wenn am Arbeitsmarkt vorbei umgeschult wird. Es hilft auch nicht, Menschen im wahrsten Sinne des Wortes nur zu beschäftigen.
Sie können es heute in der Zeitung lesen: Arbeit für Brandenburg - eine geringe Annahme. Ich erinnere mich noch genau, dass damals die Vorsitzende des Landesarbeitslosenverbandes im RBB gesagt hat: Wir haben kein Geld und keine Zeit für
Alle bisherigen Maßnahmen und Programme im Land Brandenburg gehören auf den Prüfstand; denn insgesamt geben wir mehr als 100 Millionen Euro dafür aus. Künftig müssen sich diese Programme an der Nachfragesituation auf dem Arbeitsmarkt orientieren. Qualifizierung und Arbeitsmarktpolitik können nur das Ziel haben, in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln.
Ein zweiter Ansatz: Circa 10 % der jungen Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss und noch einmal so viele brechen ihre Lehre ab. Das muss man sich einmal vorstellen: 10 % unserer Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss! Vor einigen Jahren hatten wir noch das Problem, dass viele Jugendliche keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen haben. Da gab es Bewerbungen 1:100, in manchen Firmen 1:500. Zwischenzeitlich hat sich die Situation grundlegend geändert. In einigen Regionen werden die Auszubildenden schon in der Schule von den Firmen umworben. Deshalb stehen wir vor der Herausforderung, die jungen Menschen in der Schule fit zu machen für eine Ausbildung, um sie mit der Ausbildung fit zu machen für den Arbeitsmarkt. Wir müssen auch dafür werben, dass die Schulabgänger sich mit dem breiten Angebot von Ausbildungsplätzen bekannt machen. Es kann eben nicht sein, dass die Leute, wenn es für die zehn beliebtesten Berufe, die im Raume stehen, keine Lehrstelle gibt, sagen: „Dann bin ich eben ein Altbewerber und setze ein Jahr aus.“ Die Menschen müssen begreifen, gerade unsere jungen Menschen, dass es in der heutigen Zeit um lebenslanges Lernen geht. In einer Firma lernen und dann in dieser Firma bis zur Rente arbeiten - wie wir es vielleicht noch von unseren Eltern kennen -, die Zeiten sind vorbei.
Ein weiterer Ansatz: Es kann nicht sein, dass sich unter 25-Jährige im Arbeitslosengeld-II-Bezug einrichten, während sich der Arbeitskräftemangel zuspitzt. Im Februar 2011 waren beispielsweise 15 720 Jüngere - im Alter von 15 bis unter 25 Jahren - ohne Arbeit. 15 720! Das sind in doppelter Hinsicht vergeudete Ressourcen. Wir alle wissen, dass die finanziellen Mittel knapper werden. Deshalb ist es wichtig, das Geld wirklich sinnvoll und passgenau einzusetzen.