Das ist aber nicht zu verwechseln mit der AGnES, die wir in Brandenburg bereits vor vielen Jahren entwickelt und aufgebaut haben. Hier erfolgt die Entlastung des Arztes durch die Delegation ärztlicher Leistungen auf entsprechend qualifizierte, nicht ärztliche Fachkräfte. Die AGnES-Fachkraft führt die delegierten ärztlichen Leistungen in der Häuslichkeit der Patientinnen und Patienten durch.
AGnES 2 dagegen hilft beim Ausfüllen von Formularen, bei der Koordinierung von Terminen, vermittelt Kontakte und betreut Patienten darüber hinaus in deren Häuslichkeit - zwei ganz unterschiedliche Ansätze, die aber voll und ganz ihre Daseinsberechtigung haben.
Die Aktuelle Stunde möchten wir mit einem Entschließungsantrag bestärken und untermauern. Uns ist wichtig, dass die künftige Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg auf der politischen Agenda bleibt. Das dem Fachausschuss am 26.01.2011 vorgelegte Konzept ist eine gute und solide Grundlage dafür. Allerdings fordern wir die Landesregierung auf, dem Fachausschuss über die Weiterentwicklung aller dort aufgeführten Maßnahmen im Dezember zu berichten.
Wir verbinden mit unserem Entschließungsantrag auch einen Prüfauftrag an die Landesregierung, nämlich zu prüfen, inwieweit es Möglichkeiten gibt, mit der Krankenhausplanung einzelnen Krankenhäusern mehr Planungssicherheit zu geben. Ich verhehle nicht, dass wir dabei gerade auch kleine Krankenhäuser im Blick haben, denn sie werden bei der künftigen Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg eine wichtige Rolle spielen.
Meine Damen und Herren! Gesundheitspolitik ohne bundespolitische Betrachtung geht nicht. Vorgaben und Rahmenbedingungen in der Gesundheitsversorgung werden weitestgehend von der Bundespolitik gesetzt. Insofern stellen wir im Entschließungsantrag natürlich auch auf die Bundespolitik ab.
- Herr Senftleben, ganz ruhig bleiben! - Ganz ausdrücklich begrüßen wir das Eckpunktepapier der Bund-Länder-Kommission zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Deutschland vom 6. April 2011.
- Der kann nicht hören, was? - Die Flexibilisierung der Bedarfsplanung zur ärztlichen Versorgung, die Beteiligungsrechte der Länder und die sektorenübergreifende Betrachtungsweise bei der Planung von Versorgungsstrukturen sind nur einige Vorschläge aus dem Eckpunktepapier, Vorschläge, die längst überfällig sind und schnellstmöglich Gesetzeskraft erlangen müssen.
Auch die Veränderung der Auswahlkriterien für die Zulassung zum Medizinstudium, die Landarztquote ganz allgemein im Studium sowie die Stärkung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung sind wichtige Maßnahmen, dem Fachkräftemangel in diesem Bereich entgegenzuwirken.
Das unterstützt noch einmal unseren Entschließungsantrag, dass die Landesregierung alles dafür tun möge, die Bundesregierung zu ermahnen - das ist noch ganz diplomatisch formuliert -, nun sehr schnell das Versorgungsgesetz auf den Weg zu bringen. Herr Rösler hat bei der Vorstellung dieses Eckpunkte
papiers zwar viel versprochen, hat aber als künftiger Vorsitzender der FDP kein Verhandlungsmandat für die Koalition. Er kann also problemlos zurückgepfiffen werden. Seine Zusagen sind irrelevant.
Mit unserem Entschließungsantrag möchten wir auch Herrn Rösler ganz politisch den Rücken stärken. - Danke schön.
(Beifall SPD und DIE LINKE - Bischoff [SPD]: Das hat er auch nötig! - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Genau!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte es an diesem Aprilmorgen eigentlich wissen müssen: Die Aktuelle Stunde und das Wetter verfolgen die gleiche Strategie: Man male einen bewölkten, regnerischen Himmel an den Tag, hoffe, dass das Land in Depression verfällt, und dann ist man zufrieden. - Aber keine Angst, Frau Kollegin Wöllert, ich bin weiterhin gut drauf. Ihnen ist das nicht gelungen, und dem Wetter ist es heute früh auch nicht gelungen.
- Na klar, wir haben doch eben gehört, wie schlimm alles ist. Es ist gar nicht so schlimm. Also, liebe Kollegin, wunderbar: Die Aktuelle Stunde wird etwas lebhafter, dann hat es sich doch schon gelohnt.
Dass insbesondere die antragstellende Fraktion ein Problem mit den Inhalten des von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunktepapiers hat, ist nicht verwunderlich. Als ich den Antrag gelesen habe, war ich schon ein wenig verwundert, wie hoch die Latte an dieses Versorgungsgesetz gelegt wird. Man hat den Eindruck, es müsste nur ein Gesetz gemacht werden und dann sind alle Probleme erledigt. - So einfach ist es natürlich nicht, und ich denke, wir wissen beide, Frau Kollegin Wöllert, dass dem nicht so ist.
Aber in der Tat kann durch das geplante Versorgungsgesetz ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden, der Mediziner durch Anreize zur Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit in ländlichen Regionen animieren kann. Der Bundesgesundheitsminister geht damit die Probleme eben nicht nur oberflächlich an, sondern kümmert sich auch um strukturelle Veränderungen in der Lehre, der Vergütung und der Niederlassung von Ärzten - übrigens allesamt Reformen, bei denen sich die Vorgänger von Philipp Rösler eher äußerst bedeckt gehalten haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren der Linken! Wenn Sie eines der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesgesundheitsminister, nicht vorwerfen können, dann, dass er untätig wäre. Ich hoffe, darin sind wir uns wenigstens einig. Neben der Neuordnung des Arzneimittelmarktes, der Stärkung der Finanzgrundlage im Gesundheitswesen und dem Einstieg in eine breite Debatte zur Zukunft der Pflege ist das Versorgungsgesetz bzw. dessen Eckpunkte, um es ganz konkret zu sagen,
bereits das vierte Projekt, bei dem FDP und CDU nicht nur von Strukturreformen reden, sondern sie entschlossen angehen.
Lassen Sie mich daher die wesentlichsten Kernpunkte in dem Eckpunktepapier, das seit der vorigen Woche vorliegt, benennen.
Erstens: Es war, ist und wird auch in Zukunft nicht Aufgabe der Politik sein, Medizinern zu sagen, wo sie sich niederzulassen haben.
Zweitens: Wer künftig für einige Jahre eine Landpraxis übernimmt, wird zukünftig bevorzugt, sollte er sich später um einen lukrativen Arztsitz in der Stadt bewerben.
Drittens: Ärzte müssen künftig nicht mehr dort wohnen, wo sie praktizieren. Dies erleichtert es ihnen, auf dem Land zu arbeiten, aber in der Stadt zu wohnen.
Viertens: Es ist ein FDP-Gesundheitsminister, der die starren Zulassungsregeln zum Medizinstudium flexibilisiert und die Zulassung zum Medizinstudium erleichtert. Die Abiturnote wird zukünftig nicht mehr das alleinige bzw. wesentliche Kriterium sein.
Fünftens: Studenten, die schon zu Beginn des Studiums zusagen, später als Landärzte zu arbeiten, müssen nicht mehr auf einen Studienplatz warten.
Sechstens: Kommunen dürfen weiterhin einen Mediziner einstellen, wenn ein Landarzt keinen Nachfolger findet.
Siebtens: Bei ihrer Entlassung aus einer Klinik bekommen Patienten von dieser künftig einen abgestimmten Plan für die Weiterbehandlung mit auf den Weg. Damit wird vermieden, dass Patienten nach einer Operation zwischen Klinik, Hausarzt, Fachärzten und Reha-Einrichtungen hin- und hergeschoben werden.
Achtens: Für die Behandlungen schwerer Erkrankungen werden die Qualitäts- und Vergütungsregeln angeglichen, damit die Versorgung des Patienten im Mittelpunkt steht und nicht die Frage, ob dessen Versorgung im Krankenhaus oder später in einer Arztpraxis stattfindet.
Neuntens und letztens können Patienten, die sich an ein bestimmtes Medikament gewöhnt haben, dieses auf Wunsch auch dann weiterhin bekommen, wenn es eine preisgünstige Alternative am Markt gibt. Damit beseitigen wir einen Missstand, der für viele Patienten in den vergangenen Jahren leider zur Praxis geworden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jetzt vorgelegten Eckpunkte können natürlich nicht alle Defizite der medizinischen Versorgung abstellen. Dies kann keine einzelne Reform, weswegen wir auch in Zukunft auf Landesebene mit flankierenden Maßnahmen unterstützend tätig werden müssen.
Dank der Arbeit des Bundesgesundheitsministers wird dies in Zukunft aber leichter möglich sein und, liebe Kolleginnen und
Kollegen, da mich weder das Wetter noch Frau Wöllert daran gehindert haben, eine gute Stimmung zu haben, stimmen wir sogar dem Entschließungsantrag der beiden Regierungsfraktionen zu, wobei ich ausdrücklich sage: Wir verbinden das natürlich mit dem genauen Hinschauen, ob es mehr als ein Papier ist und wirklich - flankierend zu den Bundesinitiativen - Umsetzungen im Land Brandenburg zu beobachten sind. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Ein Gespenst geht um in Deutschland: der sogenannte Ärztemangel. Zur Einordnung des Problems erinnere ich zu Beginn noch einmal an die Tatsachen:
Die Zahl der ambulant tätigen Ärzte ist von 92 200 im Jahr 1990 auf 139 600 im Jahre 2009 gestiegen.
Die Arztdichte in Deutschland liegt bei 371 Ärzten pro 100 000 Einwohner und ist damit im internationalen Vergleich sehr hoch deutlich höher als zum Beispiel in den skandinavischen Ländern und in Japan, die in puncto Gesundheitsversorgung und Lebenserwartung führend sind. Die zum Stichtag 31.12.1990 bundesweit geschaffenen Planungsbezirke für die kassenärztliche Versorgung weisen in 89 % eine Überversorgung und in weniger als 1 % eine bestehende oder drohende Unterversorgung auf.
Der Grad der Überversorgung ist zum Teil grotesk. In Starnberg in Bayern beispielsweise beträgt er für Fachinternisten 510 %, in Garmisch-Partenkirchen 403 %. Damit kommen wir zum eigentlichen Problem: Noch nie gab es in Deutschland so viele Ärzte wie momentan, aber sie lassen sich bevorzugt in attraktiven städtischen Regionen mit hohem Privatpatientenanteil nieder. Trotz der bundesweit eher bestehenden Überversorgung fehlen in strukturschwachen ländlichen Gebieten in Ostdeutschland - in jüngster Zeit durchaus auch in Westdeutschland - Ärzte, ebenso wie in einigen Großstadtbezirken, die durch hohe Arbeitslosigkeit und hohen Migrantenanteil, also durch Armut gekennzeichnet sind. Auch dort machen sich niedergelassene Ärzte rar. Wir haben in Deutschland keinen Ärztemangel, sondern eine gravierende Fehlverteilung von Ärzten zuungunsten strukturschwacher Gebiete.
Eine gleichmäßige regionale Verteilung von Ärzten konnte mit der bisherigen Bedarfsplanung aus den frühen 90er Jahren mit ihren bundeseinheitlichen Verhältniszahlen für die Planungsbereiche nicht erreicht werden.
Die Bedarfsplanung muss dringend reformiert werden. Dies soll jetzt mit einem vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Versorgungsgesetz geschehen. Eine grundlegende Erkenntnis vor jeder Neuorientierung muss aber berücksichtigt