Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

Solange das aber nicht der Fall ist, haben wir nicht die geringste Veranlassung, hier vor Ort erneut eine generelle Überprüfung der Richterinnen und Richter vorzunehmen. Solange das passiert, so wie wir uns hier verhalten, solange wir gemeinsam sagen: „Nur bei konkreten Einzelfällen“, so lange bin ich überzeugt, dass wir in unserem gemeinsamen Deutschland andere Themen haben werden. Ich hoffe, dass wir die Debatte endlich auf eine sachliche und moralisch fundierte Grundlage zurückführen können und nicht diese Pseudomoral predigen, die wir von einigen leider immer wieder hören. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis dafür, dass eigentlich jeder reden möchte, bitte ich Sie, in Zukunft die Redezeiten, die Sie hier angezeigt bekommen, auch einzuhalten.

Wir haben jetzt eine nächste Kurzintervention - Frau Blechinger wird sprechen - mit der Möglichkeit für Herrn Holzschuher, darauf anschließend zu reagieren, aber jeweils nur drei Minuten.

Ich werde meine Zeit einhalten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Holzschuher, da Sie mich namentlich angesprochen haben,

(Holzschuher [SPD]: Ich habe Sie begrüßt!)

möchte ich reagieren. Sie wissen genau, warum Sie mich angesprochen haben. Sie haben uns ja das moralische Recht abgesprochen, uns überhaupt in dieser Sache

(Zurufe von der SPD: In der Sache schon, aber nicht in dieser Form!)

oder in dieser Weise zu äußern.

Die moralische Bewertung ist nicht Ihre Sache. Da Sie in der Zeit, in der ich für die CDU Verantwortung getragen habe, Vorsitzender des Rechtsausschusses waren, wissen Sie, dass es dort keinen Stasi-Fall gab und dass wir uns zu dieser Zeit mit dem Thema Stasi nicht befassen mussten, weil es da keine Erkenntnisse gab, die eine solche Befassung notwendig gemacht hätte.

(Unruhe bei SPD und DIE LINKE - Zuruf der Abgeord- neten Kaiser [DIE LINKE])

Sie wissen auch, Herr Holzschuher, dass wir damals ein anderes Thema hatten, nämlich das Thema Trennungsgeld. Dabei wurden auch alle Richter überprüft. In diesem Sinne gab es auch einen Generalverdacht; es wurden alle überprüft, nur weil es einige Trennungsgeldfälle gegeben hat. Insofern ist das eine andere Ausgangssituation. Wenn es einzelne Fälle gibt, die bekannt geworden sind, die vorher nicht bekannt waren,

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Es gibt jetzt auch keine!)

denn eine entsprechende Anfrage ist von dem Ministerium anders beantwortet worden; also hatte man dort offenbar andere

Erkenntnisse... Wenn diese Fälle nicht bekannt waren, gab es auch keine Notwendigkeit zu reagieren.

(Krause [DIE LINKE]: Das sind Ihre Zahlen!)

Einen Generalverdacht bei einer Überprüfung kann ich nicht erkennen, denn wenn sich die Abgeordneten des Landtages überprüfen lassen, heißt das nicht, dass das ein Generalverdacht gegen alle Abgeordneten des Landtages ist.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Herr Holzschuher, wünschen Sie zu reagieren?

Ja. - Vielen Dank, Frau Blechinger, ich freue mich, dass Sie meinen Gruß verstanden haben - allerdings nicht die Thematik.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE - Heiterkeit beim Abge- ordneten Görke [DIE LINKE])

Sie haben zumindest nicht aufgepasst, Sie haben damals vielleicht auch nicht nachgefragt; das will ich Ihnen gar nicht absprechen. Aber das, was heute auf dem Tisch liegt an Informationen über stasibelastete Mitarbeiter in der Justiz, ist seit langem, seit vielen, vielen Jahren - sicherlich schon vor Ihrer Amtszeit - bekannt gewesen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: So ist es!)

Deswegen, da geben Sie mir doch offensichtlich Recht, gibt es heute eben gerade keinen Anlass,

(Beifall SPD und DIE LINKE)

so wie es für Sie keinen Anlass gab, neu zu überprüfen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wie angekündigt setzen wir mit dem Beitrag des Abgeordneten Dombrowski fort. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Zwei Jahrzehnte nach dem revolutionären Umbruch in der DDR müssen wir in Deutschland endlich anfangen, es mit dem überfälligen Prozess der Versöhnung wirklich ernst zu meinen.“

So Ministerpräsident Platzeck vor längerer Zeit.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Fälle, aber auch vor dem Hintergrund dessen, was hier zum Teil vorgetragen wurde, klingt dieser Satz für die Opfer wie Hohn.

Ich bin ja schon dankbar, Herr Kollege Holzschuher, dass Sie dem Ministerpräsidenten insofern auf die Sprünge geholfen

haben, als Sie festgestellt haben, dass erstens das Stasi-Unterlagen-Gesetz kein Gesetz ausschließlich für die Ostdeutschen ist, zweitens, dass eine Überprüfung auch bayerischer Richter selbstverständlich möglich ist, und drittens möchte ich an der Stelle daran erinnern, dass die SPD in diesem Lande und in diesem Landtag einen Koalitionsvertrag geschlossen hat, der auch von zwei ehemaligen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit unterzeichnet worden ist. Auch das spricht vielleicht Bände oder lässt Aussagen zu,

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Aber es ist überall bekannt!)

was von der Versöhnung zu halten ist.

Es stellt sich in Brandenburg mehr denn je die Frage: Wie sollen die Opfer, deren Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder Eigentum aufgrund politischer Verfolgungen in der DDR verletzt wurden, auch nur im Ansatz zur Versöhnung bereit sein, wenn die Peiniger von damals heute auf gut dotierten Stellen bei der Polizei, in der Justiz und in anderen Behörden und öffentlichen Einrichtungen sitzen? Zur Realität gehört eben auch - das wissen Sie -, dass ein ehemaliger Stasioffizier heute beim LKA ist, der damals dafür verantwortlich gewesen ist, dass ein junger Mann, der an den Bahnhof in Potsdam geschrieben hat „Ich bin sauer auf die Mauer“, zu acht Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Jetzt ist er im Dienst. Sie wissen, dass es eine Richterin gibt, die zu DDR-Zeiten politische Urteile verfasst hat, die bis vor wenigen Wochen für Rehabilitationsverfahren von politischen Opfern der SED zuständig war. Und Sie wissen auch, dass im Landesversorgungsamt Cottbus ein Mitarbeiter sitzt, ein ehemaliger Wärter des Zuchthauses Cottbus, der dort einem ehemaligen Häftling, Herrn von der Heide, gegenübersaß, der dort Rehabilitierungsanträge gestellt hat. Auch das ist Realität in Brandenburg. Bitte, meine Damen und Herren, blenden Sie im Interesse der Opfer und auch der gesellschaftlichen Hygiene diese Realität nicht aus!

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Die Opfer erwarten kein Mitleid, sie erwarten Respekt. Sie erwarten Respekt vor ihrem Schicksal, und sie erwarten die Anerkennung ihrer Lebensleistung. Während der Herr Ministerpräsident und auch der Kollege Kuhnert und andere immer eine zweite Chance für die Täter einfordern, warten viele Opfer immer noch auf ihre erste Chance, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Der mehr als rücksichtsvolle Umgang mit den Tätern ist eine tägliche Verhöhnung derer, die unter der SED-Herrschaft in besonderer Weise zu leiden hatten. Und es ist gut, dass dieses Thema nach zwei viel zu stillen Jahrzehnten öffentlich aufgerufen wird. Es ist auch gut, dass insbesondere Jüngere Fragen stellen - Frau Teuteberg hat es gesagt - und auch nicht lockerlassen. Dass darüber gesprochen wird, ist wichtig. Martin Luther King hat auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung in den USA einmal ausgeführt: Wir werden die Worte unserer Gegner bald vergessen, das Schweigen unserer Freunde werden wir nie vergessen. - Der Mann hatte Recht.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. - Es gibt vielleicht wichtigere Themen im Land. Aber wer darf eigentlich bestimmen, was wichtig ist? Ist Aufrichtigkeit wichtig oder unwichtig? Ist es ein Zeichen von Aufrichtigkeit, wenn Repräsentanten des öffentlichen Lebens und der Verfassungs

organe die Bürger über ihre dunkle Vergangenheit im Unklaren lassen und nicht einmal Bedauern äußern? Kann man das Ausspionieren und Denunzieren von Nachbarn, Kollegen und Freunden als Privatangelegenheit betrachten? Ich denke, nein. Ich bin mir auch sicher, dass sich viele ehemalige IMs nicht besonders wohlfühlen und nicht besonders stolz sind auf das, was sie getan haben. Das ändert aber nichts daran, dass sie auch die Chance nutzen sollten, sich dazu zu bekennen. Das tun sie eben nicht.

Frau Kaiser, Sie haben früher mit Inbrunst das Lied gesungen „Sag' mir, wo du stehst“.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Habe ich nie gesungen!)

Heute müssen Sie eigentlich singen:

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Habe ich nie gesungen!)

Sag' mir, wer du bist! Denn die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf zu wissen, wer in diesem Land das Gewaltmonopol ausübt. Sie haben einen Anspruch darauf zu wissen, wer hier im Lande im Namen des Volkes Recht spricht. Danke schön.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Frau Kaiser spricht für die Linksfraktion.