Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

„Polizeibeamtinnen und -beamte müssen akzeptieren, dass im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat jeder, der von polizeilichen Maßnahmen betroffen ist, grundsätzlich einen Anspruch darauf hat, zu wissen, wer in seine Rechte eingreift. Gefahren, denen Polizistinnen und Polizisten durch Rechtsbrecher ausgesetzt sind, erhöhen sich nicht dadurch, dass sie einen Namen an der Uniform tragen. Für den, der das trotzdem befürchtet, ist es gut, wenn er zwischen Namen und Dienstnummer wählen kann.“

Dieser klaren Bewertung ist aus unserer Sicht kaum etwas hinzuzufügen. Die grüne Fraktion hatte deshalb nach der Anhörung den Änderungsantrag eingebracht, die Kennzeichnungspflicht nur für uniformierte Kräfte zu regeln und der Beamtin bzw. dem Beamten die Wahlfreiheit zwischen Namensschild und kurzer Ziffernkombination anheimzustellen. Damit wären sämtliche umständliche Ausnahmeregelungen hinfällig geworden und die Akzeptanz durch einsatzbezogene Wahlfreiheit der Beamtinnen und Beamten erhöht worden.

(Beifall der Abgeordneten Vogel und Frau von Halem [GRÜNE/B90])

Leider ist dieser anwenderfreundliche Antrag auf wenig Gegenliebe gestoßen. Stattdessen wurden wieder Ausnahmen und Einschränkungen eingebaut, die das Gesetz so löchrig wie ein Schweizer Käse und so interpretationsfest wie das Orakel von Delphi machen.

(Frau Stark [SPD]: Nur im Einzelfall!)

Nachfragen im Innenausschuss haben sofort bestätigt, dass es Interpretationsschwierigkeiten gab.

Besonders die Formulierung „Die Legitimationspflicht und die namentliche Kennzeichnung gelten nicht, soweit... überwiegende schutzwürdige Belange des Polizeivollzugsbediensteten dadurch beeinträchtigt werden“, ist so dehnbar wie ein Kaugummi.

Die Liste von Ausnahmetatbeständen, die der Innenminister gemeinsam mit den widerstrebenden Polizeigewerkschaften in seine Verwaltungsvorschrift aufnehmen wird, dürfte recht lang werden. Dass das Gesetz dann auch erst zum 01.01.2013 in Kraft treten soll, kann eigentlich nur als Lachnummer verbucht werden. Ein Jahr nach Einbringung wird ein Gesetz beschlossen, das eineinhalb Jahre zur Nichtbeachtung einlädt. Dies finden wir ausgesprochen bedauerlich.

Das Land Brandenburg hat die Chance, durch eine klare und eindeutige gesetzlich geregelte Kennzeichnungspflicht rechtsstaatliche Maßstäbe zu setzen und eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Deshalb werbe ich für unseren Änderungsantrag, der für die in § 9 Abs. 3 verfügten Ausnahmen von der namentlichen Kennzeichnung wenigstens eine zur nachträglichen Identifizierung geeignete alternative Kennzeichnung vorsieht. Außerdem möchten wir, dass die Ausnahmen wenigstens auf die im Gesetz genannten beschränkt bleiben und nicht noch durch

weitere Ausnahmeregelungen durch Verwaltungsvorschrift ergänzt werden können. Last, not least beantragen wir natürlich ein Inkrafttreten zum nächsten Jahr.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ihrem Entschließungsantrag werden wir zustimmen. Auch wenn wir - wie schon dargelegt - nicht möchten, dass weitere Ausnahmeregelungen per Verwaltungsakt eingeführt werden, so ist doch die Beteiligung der Betroffenen an der Umsetzung der Kennzeichnungspflicht eine Selbstverständlichkeit. Den Bericht über die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz nebst Verwaltungsvorschriften müssen ja dann leider unsere Nachfolger in der nächsten Wahlperiode entgegennehmen, da das Gesetz so spät in Kraft tritt. - Danke schön.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir setzen nunmehr die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Woidke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Transparenz und Offenheit - das sind zwei Dinge, die zu einer bürgernahen und bürgerorientierten Polizei gehören. Beidem trägt eine namentliche Kennzeichnung von Polizeibediensteten Rechnung. Ich bin sehr froh, dass wir hier - bis auf eine Fraktion; Herr Goetz, Ihrer hätte ich das am allerwenigsten zugetraut - doch fraktionsübergreifend Übereinstimmung erzielt haben.

Frau Nonnemacher ist auf die Behauptung eingegangen, dass die Landesregierung bzw. der Landtag zu zögerlich mit dieser Frage umgehe und dass die Frist bis zum Inkrafttreten am 1. Januar 2013 viel zu lang sei. Es gibt dafür Gründe, Frau Nonnemacher. Wir haben im Innenausschuss schon darüber gesprochen. Auch die Landesregierung möchte diese Regelung so schnell wie möglich umsetzen; allerdings sollte sie gemeinsam mit den Beschäftigten umgesetzt werden. Sie haben vorhin in Ihrer Rede formuliert, die Ablehnung komme „nur“ von der GdP, der DPolG und dem BDK, also „nur“ von den berufsständischen Vertretungen der Polizeibeamten. Dieses „nur“ ist die Vertretung von knapp 8 000 Polizistinnen und Polizisten in diesem Land Brandenburg! Es ist auch nicht so, dass die Gewerkschaften hier auf einer Gewerkschaftsposition stehen und die Beschäftigten in der Polizei dies wesentlich anders sehen.

Es gibt - das möchte ich hier noch einmal sagen - innerhalb der Polizei große Vorbehalte, und es gibt auch begründete und - aus meiner Sicht - weitgehend unbegründete Befürchtungen, die sich mit dieser Neuregelung verbinden. Deswegen ist es nicht nur eine Frage der technischen Umsetzung. Das könnte man schneller machen; man muss dann aber auch wissen, dass man zusätzliches Geld braucht, weil wir andere Uniformen brauchen. Noch wichtiger ist für mich, die Phase der Freiwilligkeit und der stufenweisen Einführung zu nutzen, um im Konsens mit den Beschäftigten die Kennzeichnungspflicht umzusetzen, das heißt, die Kolleginnen und Kollegen in der Polizei in diesem Prozess sozusagen mitzunehmen. Da hier immer von den

Ausnahmen geredet wird - Herr Goetz hat vorhin auch einige Dinge genannt -, sage ich ganz klar und deutlich, dass sich der Landtag hinter den Innenminister stellt, wenn er die Ausnahmen regelt. Ich als Innenminister muss in der Lage sein, Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei zu schützen, wenn es schützenswerte Belange in ihrer Privatsphäre gibt. Wenn die Beamten selbst oder ihre Familien Bedrohungen direkter oder anderer Art ausgesetzt sind, muss ich zu deren Schutz in der Lage sein.

Ich finde sehr gut, was im Entschließungsantrag steht. Es geht um einen Diskussionsprozess mit den berufsständischen Vertretungen mit dem Ziel, Konsens in der Frage der Ausnahmen zu finden, damit der Schutz, den die Kolleginnen und Kollegen vom Dienstherren erwarten dürfen und erwarten müssen, tatsächlich gewährleistet ist.

Herr Minister Dr. Woidke, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Genilke zu?

Bitte.

Bitte, Herr Genilke.

Herr Minister, vielen Dank. Ich konnte Ihren Ausführungen so schnell gar nicht folgen, bitte sehen Sie es mir nach. Aber Sie sagten in einem Passus ganz kurz vorher...

Das muss nicht nur daran liegen, dass ich schnell rede.

(Heiterkeit bei der SPD)

... um die Namensschilder zu bestellen bzw. sie irgendwann 2013 einzuführen, brauchten Sie neue Uniformen. Da stellt sich für mich prinzipiell die Frage: Warum ist es nicht möglich, solch ein Schild an den alten Uniformen anzubringen?

Weil sich die Brandenburger Uniformen von der Berliner Uniform beispielsweise in einem Punkt unterscheiden. Die Berliner haben - das ist dort schon damals, als man auf die neue, blaue Uniform umgestellt hat, vorgesehen worden - einen Knopf an der Uniform, an dem man ohne Weiteres ein Namensschild befestigen kann. An den Brandenburger Polizeiuniformen haben wir diesen Knopf an dieser Stelle derzeit nicht.

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Genilke, Sie können das jetzt ganz lustig finden, aber wir haben eine Polizei und die Polizei steckt in einer Uniform. Es sollte vermieden werden, dass sich jeder Polizist sein Namens

schild selbst zu basteln hat, damit die Regelung am 01.01.2012 in Kraft treten kann. Dann rennt der eine mit einem solchen Schild herum, der andere mit einem anderen. Es gibt natürlich auch Lösungen mit Magneten oder anderen Dingen. Aber Herr Goetz hat es vorhin eindringlich geschildert - ein Polizist kann nicht wissen, zu welchem Einsatz er muss. Die Kleidung von Polizisten, besonders von Polizisten, die sich in Einsatzsituationen befinden, wird besonders strapaziert. Deshalb ist sicherzustellen, dass das Namensschild nicht schon am Anfang eines Einsatzes verlorengeht und der Polizist dann den Einsatz nicht mehr leisten darf, weil er nicht mehr den Vorschriften des Brandenburger Polizeigesetzes genügt. Deshalb bitte sehr genau prüfen. Auch die technischen Fragen müssen eindeutig geklärt werden.

Wir sollten der Empfehlung des Innenausschusses folgen, die ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2013 vorsieht. Das schließt nicht aus, dass die Kennzeichnung vorher schon - das ist heute schon der Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren; Herr Goetz hat das sicherlich festgestellt, als er zu den Polizeiwachen gefahren ist - auf freiwilliger Basis Schritt für Schritt von den Kolleginnen und Kollegen eingeführt wird, sie sich also schon freiwillig mit Namensschildern versehen.

Wir werden die von Herrn Scharfenberg angesprochene Verwaltungsvorschrift dem Landtag, der Öffentlichkeit und natürlich auch den Polizeibediensteten vorstellen und auch weiterhin Gespräche über diese Punkte führen. Auch das gehört zu Offenheit und Transparenz. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag in Drucksache 5/3182 ab, eingebracht durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ergänzung in § 9 Abs. 3, Änderung in § 9 Abs. 4 und Änderung in Artikel 2. Wer diesem Änderungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einer deutlichen Anzahl von Enthaltungen ist dieser Antrag dennoch abgelehnt.

Ich komme zur Beschlussempfehlung, Drucksache 5/3175, eingebracht durch den Ausschuss für Inneres, Siebentes Änderungsgesetz des Brandenburgischen Polizeigesetzes. Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung und einer deutlichen Zahl von Zustimmungen ist die Beschlussempfehlung angenommen und damit das Gesetz in 2. Lesung verabschiedet.

Ich komme zur dritten Abstimmung: Entschließungsantrag, Drucksache 5/3241, eingebracht durch die Fraktionen SPD und DIE LINKE „Kennzeichnungspflicht für Polizeivollzugsbedienstete“. Wer diesem Entschließungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? Enthaltungen? - Bei einer deutlichen Anzahl von Enthaltungen und einer Mehrheit der Zustimmungen ist dieser Antrag angenommen.

Der Abgeordnete Maresch von der Fraktion DIE LINKE hat nach § 70 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten angekündigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe allen drei Anträgen nicht zugestimmt. Sie wissen, dass ich von 1990 bis 2009 Polizeibeamter war. Ich bin einer derjenigen, die genau von diesen Bedrohungen betroffen sind. Es war im Rahmen einer ganz normalen Kontrolle im Jahr 2000, in der ich mich selbstverständlich mit meinem Namen vorgestellt habe, wie das übrigens jeder Polizeibeamte machen muss. Was ich danach über ein halbes Jahr an Verfolgungen, an psychischen Ausnahmesituationen auch für meine Familie und einer Nichtunterstützung durch meinen Dienstherren erlebt habe, war für mich Anlass, die jetzige Beschlussfassung zu hinterfragen.

Für mich war auch ganz klar - da ich nur drei Minuten habe, möchte ich Ihnen das auch so sagen -, dass ich mich vollinhaltlich den Forderungen bzw. der Stellungnahme der GdP anschließe, weil das nämlich genau die Praxis ist. Darüber reden wir.

Als ich in der Führungshierarchie aufgestiegen war und als „Höherer“ hinter dem Schreibtisch saß, habe ich das Namensschild selbstverständlich auch getragen. Das macht einem auch gar nichts aus; denn dann hat man keinen unmittelbaren Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern. Es ist ganz anders, wenn man Kontrollstreifenbeamter ist und nicht weiß, was einen erwartet, und dann solche Erlebnisse hat. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die diese Erlebnisse hatten und sie auch schildern. Insoweit bin ich nicht in der Lage, diesen Anträgen bzw. diesem Gesetzentwurf zu folgen. - Danke.

(Beifall des Abgeordneten Goetz [FDP])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Maresch. - Damit sind wir am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz zu dem Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehn- ter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/3022

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 5/3195

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Wichmann hat das Wort.