Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Baer, eines von dem, was Sie gesagt haben, habe ich eben nicht
verstanden, nämlich, als es um die Senkung des Mindesteinkommens auf 40 000 Euro ging. Sie haben gesagt, es sei kontraproduktiv, was die Bundesregierung diesbezüglich berate. Da würde ich gern noch einmal einsteigen:
Zurzeit muss ein Hochqualifizierter für eine Niederlassungserlaubnis in der Regel mindestens 66 000 Euro verdienen. Gerade mittelständische Unternehmen können bei einer derart hohen Hürde nicht in den Wettbewerb um die klügsten Köpfe eintreten. Diese Hürde stellt deswegen einen echten Wettbewerbsnachteil dar. Aus diesem Grund ist eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis für Hochqualifizierte mit einem Mindesteinkommen von 40 000 Euro künftig dann zu erteilen, wenn der Bedarf festgestellt ist und der Betreffende eine entsprechende Qualifikation mitbringt. Und bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und bei entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache ist eine anschließende Umwandlung in eine Niederlassungserlaubnis vorzusehen. Es ist im Prinzip also vor allem eine aufenthaltsrechtliche Frage, die dort geklärt wird, und hat nichts mit dem zu tun, was Sie gerade gesagt haben. Ich glaube, das ist ein Stück weit nicht korrekt.
Lassen Sie mich zum Bericht der Landesregierung kommen, zur Fachkräftesicherung: Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass wir uns hier zur Fachkräftesicherung unterhalten. Wir haben das Thema schon oft erörtert, kennen auch unsere unterschiedlichen Positionen. Jetzt liegt uns ein 31 Seiten starker Bericht zu den Potenzialen der Fachkräftesicherung vor. Die ersten 19 Seiten liefern eine reine Ist-Beschreibung. Sie sind durch andere Publikationen schon bekannt gewesen, zum Beispiel durch Arbeitsmarktberichte der Regionaldirektion der Bundesagentur oder durch den Ausbildungsreport des DGB. Selbst beim Ministerium für Arbeit und Soziales konnten wir dies schon lesen. Die Problemlagen auf dem Brandenburger Arbeitsmarkt sind seit langem bekannt. Was fehlt, sind letztlich die konkreten Handlungskonzepte, welche aber auch in diesem Bericht leider nicht so aufgezeichnet worden sind, wie wir sie uns vorstellen.
Die entscheidenden Punkte, die wir für den Dreiklang, den ich immer wieder hier angesprochen habe, brauchen, sind zum einen die Bildung. Frau Kollegin Schier hat es völlig richtig ausgeführt. Ich kann mich dem nur anschließen und könnte jetzt sagen: Frau Schier hat alles gesagt. - Ich will trotzdem noch einmal auf einen Punkt eingehen:
Natürlich trifft es zu, dass der Bund mit dem Gesetz zur Berufseinstiegsbegleitung etwas Richtiges vorlegt. Aber es ist natürlich auch Aufgabe der Brandenburger Landesregierung, dafür zu sorgen, dass wir gute Schulabgänger haben, die wir so qualifiziert haben, dass sie in die Unternehmen gehen können. Denn es ist für die Unternehmen - gerade für die kleinen und Kleinstunternehmen in diesem Land - nicht leistbar, Schulabgänger aufzunehmen, die nicht über eine gute Bildungsgrundlage verfügen. Darauf beziehen sich die Klagen, die wir aus der Wirtschaft hören. Das denken wir uns ja nicht aus oder suchen irgendetwas, was wir der Landesregierung vorwerfen könnten, sondern das wird uns vonseiten der Unternehmer gesagt. Das heißt, Bildung ist elementarer Bestandteil des Aufbaus eines vernünftigen Fachkräftestamms.
Der zweite Bereich ist die Weiterbildung. Ich will hier auch einmal ein Lob aussprechen, denn Brandenburg ist eines von nur zwei Bundesländern, in denen es auf der Grundlage des
Weiterbildungsgesetzes einen gesetzlichen Anspruch auf die Freistellung zu Zwecken beruflicher Weiterbildung gibt. Das ist lobenswert, und das ist gut, das ist auch richtig so. Das heißt, wir müssen auch die Möglichkeiten, die es in der Weiterbildung gibt, deutlich stärker nutzen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch besser in ihrem Beruf qualifizieren zu können.
Fortbildung ist aber nicht nur ein Recht, sie ist auch eine Pflicht; sich fortzubilden ist die Pflicht eines jeden Einzelnen. So wie Bildung Bürgerrecht ist, so ist sie auch Aufgabe jedes Schülers und auch Aufgabe jedes Beschäftigten. In Brandenburg verließen 2009 10,1 % der Schüler allgemeinbildender Schulen diese ohne Hauptschulabschluss. Diese Dimension ist in der Tat skandalös, und wir müssen daran arbeiten, dass wir genau das abstellen, denn das wird kein Fundament für den mittelfristigen Aufbau eines Fachkräftestamms sein.
Ein dritter Punkt ist die Zuwanderung. Zum Thema Zuwanderung lesen wir in Ihrem Bericht sehr wenig, obwohl es auf Seite 21 heißt: Brandenburger Fachkräfte bilden, halten und für Brandenburg gewinnen. - Das heißt doch, dass wir ein Konzept brauchen, wie wir Zuwanderung nach Brandenburg bekommen. Was ich auch schade finde, ist, dass in diesem Bericht nun das, was ich anfänglich - ich gebe es ja zu, liebe Freunde von der CDU - auch ein Stück weit als nette Idee apostrophiert habe - nämlich diejenigen, die aus Brandenburg weggegangen sind, wieder zurückzuholen -, fehlt. Der Ansatz fehlt gänzlich. Der müsste aber in ein - ich lasse mich da von den Freunden von der CDU auch belehren - ganzheitliches Konzept aufgenommen werden, und das ist in dem Bericht leider nicht enthalten.
Wir nehmen den Bericht zur Kenntnis, wie wir die anderen zur Kenntnis nehmen, und wissen, dass wir noch eine große Aufgabe vor uns haben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der wachsende Fachkräftebedarf in vielen Berufen und Wirtschaftsbereichen ist uns hinreichend bekannt. Wir brauchen im Land aber nicht nur Ärzte und Ingenieure. Genauso wichtig sind unter anderem Altenpfleger und Handwerker.
Wir müssen die Fachkräftepotenziale für das Land Brandenburg nutzen und Menschen hier, in unserer Region, eine zufriedenstellende und bessere berufliche Perspektive aufzeigen. Um die Fachkräftesituation zu verbessern, benötigen wir insbesondere die jungen Menschen, die Schüler und die Studenten, hier aus Brandenburg. Es muss uns gelingen, diese zu halten, damit sie gar nicht erst das Land verlassen. Und genauso brauchen wir die Menschen, die Brandenburg bereits vor Jahren verlassen haben und gern ins Land zurückkehren möchten. Dazu hatten wir uns schon in der letzten Plenarsitzung und auch in der Anhörung ausführlich verständigt und in der letzten Plenarsitzung auch einen Antrag verabschiedet und hier klare Aufgaben mit der Landesregierung verabredet.
Aber um genau diese Menschen zu erreichen, benötigen wir nicht nur Arbeitsplätze. Nein, wir müssen diesen Men
schen auch finanzielle, soziale und infrastrukturelle Rahmenbedingungen bieten. In einem vor kurzem bei einer Jugendagora geführten Gespräch mit jungen Menschen, die sich Gedanken über ihre zukünftige Berufswelt gemacht haben, wurden unter anderem folgende Anforderungen genannt: Sichere und unbefristete Arbeitsplätze, eine gute Arbeitsatmosphäre und - das haben die jungen Menschen ganz klar und deutlich gesagt - ein Mindestlohn in Höhe von 10 Euro. Nehmen wir diese Punkte der jungen Menschen ernst. Das sind, wie gesagt, Punkte, die junge Menschen in einem Workshop ausdiskutiert haben, den sie eine Woche lang durchgeführt haben.
Ja, Berlin und Brandenburg bilden einen gemeinsamen Arbeitsmarkt. Viele Brandenburger haben so die Chance, in Brandenburg zu leben und in Berlin zu arbeiten. Immerhin ist das Lohnniveau in Berlin in vielen Bereichen höher. Dies führt aber genau dazu, dass uns in Brandenburg die Fachkräfte fehlen. Fachkräftesicherung - das ist heute mehrmals deutlich gesagt worden - ist eine gemeinsame Aufgabe, eine gemeinsame Aufgabe von Betrieben, Wirtschaftsverbänden, Kammern, Gewerkschaften und natürlich auch von uns, der Politik. Hier ist auch die Frankfurter Erklärung, die vor kurzem auf den Weg gebracht wurde, als Vorbild zu nennen.
Auch die deutsch-polnische Grenzregion ist für den Fachkräftemarkt hier in Brandenburg eine Chance. In den vergangenen Jahren wurden im Bereich der grenzüberschreitenden Ausbildung von Fachkräften viele gute Erfahrungen gesammelt. Es gibt erfolgreiche Modellprojekte, die aber leider nicht immer die notwendige Nachhaltigkeit für die Region haben. Was Brandenburg unter dem Gesichtspunkt eines gemeinsamen deutschpolnischen Arbeitsmarkts braucht, sind solide Konzepte dafür, wie Jugendliche aus Polen und Brandenburg die notwendigen Voraussetzungen für eine Arbeit eben genau auf diesem Arbeitsmarkt in der grenznahen gemeinsamen Region auch tatsächlich vorfinden können.
Ein anderer Punkt aus dem Bericht, der mich auch sehr nachdenklich macht, ist: In Brandenburg haben 56 % der Betriebe eine Ausbildungsberechtigung, jedoch bilden nur 32 % dieser Betriebe aus. Gerade einmal jedes vierte Unternehmen in Brandenburg ist Ausbildungsbetrieb.
Die Anzahl zu erhöhen muss unser gemeinsames Ziel und unsere gemeinsame Aufgabe sein. Hier haben die größeren Betriebe und insbesondere die öffentlichen Einrichtungen eine besondere Verantwortung. Die rot-rote Landesregierung nimmt sich dieser Verantwortung an und hat jetzt die Zahl ihrer Anwärterstellen gegenüber dem Jahr 2010 um 233 Stellen erhöht.
Ja, es ist für mich nachvollziehbar, dass kleinere Familienbetriebe nicht jedes Jahr einzeln ausbilden können und gar nicht die Kapazität dafür haben. Damit unsere Kleinbetriebe ausbildungsfähig bleiben, ist es wichtig, die gute Tradition von Ausbildungsverbünden und Ausbildungskooperationen in Brandenburg fortzusetzen und auszubauen.
Ein weiterer und letzter wichtiger Aspekt ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Trotz einer Erhöhung der Quote in den letzten Jahren liegen hier noch Potenziale. Erfolgversprechend ist dabei vor allem eine Strategie, die dem Wunsch vieler Frauen nach einer Vollzeittätigkeit entspricht. Wir haben leider eine Entwicklung in immer mehr Teilzeitbeschäftigung und in immer mehr prekäre Beschäftigung erlebt.
Lassen Sie uns die Aufgabe gemeinsam anpacken und das Fachkräftepotenzial in Brandenburg tatsächlich nutzen! - Danke schön.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste aus der Uckermark und aus Oberhavel! Endlich mal wieder ein Bericht - scherzt der Minister. Der Bericht ist aber wirklich sehr interessant, und Fachkräftesicherung ist - wie wir an dem Gipfeltreffen in Meseberg sehen - das Thema im Moment.
Die Fachkräfteentwicklung ist von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig; das zeigt dieser Bericht sehr schön auf. Vorrangig ist das die Bevölkerungsentwicklung selbst, die durch eine auf niedrigem Niveau stabilisierte Geburtenrate und eine weiterhin steigende Lebenserwartung charakterisiert wird. Das sind das Arbeitsvolumen und das Erwerbsverhalten, hier insbesondere die Erwerbsbeteiligung von Frauen und der Verbleib von Älteren im Arbeitsmarkt. Ferner spielen die Mobilität Stichworte sind Pendler und Wanderungsbewegungen, auch Zuwanderung - ebenso eine Rolle wie die Konjunktur, die Ausbildungsanforderungen und die Anzahl der Arbeitslosen und Geringqualifizierten als Potenzial für Qualifizierungsmaßnahmen.
Wir haben über die hoch selektiven Wanderungsverluste in der Gruppe der jungen Erwachsenen - 18 bis 30 Jahre - im Rahmen der Rückkehrerförderung gesprochen. Wir haben über das beträchtliche Beschäftigungspotenzial unserer gut ausgebildeten Frauen, die unfreiwillig in Teilzeitbeschäftigung verharren, im Rahmen des gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms gesprochen. Die dringende Notwendigkeit, die Erwerbsbeteiligung Älterer zu erhöhen, ist im letzten Monat hier in der Debatte zur Seniorenpolitik gewürdigt worden.
Ich möchte das Thema Fachkräftesicherung diesmal unter dem Blickwinkel der Bildungspolitik betrachten. Heute ist hier ja Bildungstag.
Wir alle wissen: Bildungsabschlüsse bestimmen die Arbeitsmarktchancen. Da sich der Arbeitsmarkt und der Ausbildungsmarkt demografisch bedingt entspannen, ist in Zukunft bei schmalen Schülerjahrgängen mit einem Mangel an Bewerbern für Ausbildungsberufe zu rechnen, insbesondere an solchen, die schulisch ausreichend vorgebildet sind.
Jugendliche ohne Hauptschulabschluss respektive ohne Bildungsreife haben so gut wie keine Chance auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz. Nach dem Bildungsbericht von Berlin-Brandenburg von 2010 haben im Jahr 2009 11,9 % der Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Diese Zahlen sind 2010 leicht rückläufig, liegen aber immer noch über 10 %.
Zwei Drittel dieser Jugendlichen ohne Abschluss sind Förderschüler. Im Umkehrschluss haben über 95 % unserer Förderschüler keinen allgemeinbildenden Schulabschluss; dieser ist
in der Regel nicht einmal vorgesehen. Solche Schulen fördern nicht, sondern sie vernichten schon im frühen Alter Lebenschancen. Sie sind nicht nur unter dem Blickwinkel der UNKonvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen problematisch, sondern sie sind auch ein Schlag gegen das Konzept des vorsorgenden Sozialstaates.
Jugendliche mit mangelnder Ausbildungsreife, meist festgemacht am fehlenden Schulabschluss, landen im sogenannten Übergangssystem - ob nun in einem Berufsgrundbildungsjahr oder in Berufsvorbereitungsmaßnahmen oder in sonstigen Maßnahmen zur Einstiegsqualifizierung. Selbst wenn sie es schaffen, in diesem Rahmen einen Schulabschluss nachzuholen, sind ihre Chancen auf einen regulären Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz schlecht.
Junge Menschen mit Ausbildungshindernissen werden im Übergangssystem der Berufsorientierung und der berufsvorbereitenden Maßnahmen „geparkt“, um die Defizite zu kompensieren, die die Schule hinterlassen hat. Die Kosten beim Übergang zur Ausbildung werden auf 10 000 Euro pro Kopf und Jahr geschätzt. Die indirekten gesellschaftlichen Folgekosten durch höhere Arbeitslosigkeit, geringere Erwerbsbeteiligung und entgangene Wertschöpfung sind noch viel höher, und sie kumulieren im Laufe der gesamten Erwerbsbiografie.
In dem Bericht steht: Verantwortlich für die Fachkräftesicherung sind originär die Betriebe. Das ist nicht falsch. Sicherlich ist es richtig, dass die Zeit der Rosinenpickerei generell vorbei ist und sich Betriebe damit abfinden müssen, dass sie auch schwächere Schulabgänger auszubilden haben. Unsere Aufgabe vonseiten der Landespolitik ist es, unser Bildungssystem endlich so aufzustellen, dass nicht 10 % eines Jahrgangs von der Schulbank in den lebenslangen Sozialtransfer rutschen.
In unserer postindustriellen Wissensgesellschaft werden bald nur noch Fachkräfte nachgefragt werden. Das heißt: Ohne Ausbildung keine Arbeit! Unser Beitrag auf Landesebene zur Fachkräftesicherung muss ein Quantensprung im Schulsystem und in der frühkindlichen Bildung sein.
Vielen Dank Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Baaske, möchten Sie noch einmal reden? - Herr Minister Baaske kündigt Verzicht an. Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt. Der Bericht der Landesregierung, Drucksache 5/3366, Neudruck, ist damit zur Kenntnis genommen. - Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich schließe Tagesordnungspunkt 8.