Wir werden diesen Entwurf im Rechtsausschuss besprechen und dazu noch eine Anhörung beantragen. Ich glaube, dass wir dann hier auch noch einmal über die Strukturen sprechen können. - Vielen Dank.
Lieber Kollege Eichelbaum, die Justiz darf nicht das fünfte Rad am Wagen sein, da sprechen Sie mir aus dem Herzen. Als ich Landtagsabgeordneter wurde, hat mich in Cottbus als Allererstes ein Richter angerufen und mich gebeten, zum Amtsgericht Cottbus zu kommen, Strafrechtsabteilung Südeck 2.
Wenn Sie zu diesem Gebäude kommen - es ist 1990 von der Justiz, der Strafgerichtsbarkeit, bezogen worden und sollte eine Übergangslösung für fünf Jahre sein -, sehen Sie ein schweinchenrosa - sage ich in aller Deutlichkeit - Gebäude, das vor 1970/1980 gebaut wurde. Die Richter haben dort die unmöglichsten Bedingungen, haben einen Internetanschluss, also einen Computer. Sie haben in keiner Weise vernünftige Arbeitsbedingungen. Menschen mit Behinderungen kommen überhaupt nicht in das Gebäude, weil es keinen Fahrstuhl gibt, die Betreuungsabteilung liegt jedoch im obersten Stockwerk.
Die Trennung von Zeugen, von Teilnehmern an Gerichtsverhandlungen ist in Gänze nicht gewährleistet. Es gibt in höchstem Maße Sicherheitsbedenken. Das ist die Arbeit Ihrer Fraktion. Sie waren verantwortlich für diesen Zustand, und Sie reden hier davon, dass ein Justizminister der Linken, der sich dieser Problematik angenommen hat, schlechte Arbeit leiste?
Wenn man hört, was die Menschen in Cottbus dazu sagen - und wir sind ja nun Gott sei Dank in der Lage, wie der Justizminister deutlich gemacht hat, dass im nächsten Jahr ein angemessenes Gebäude bezogen wird -, dann halte ich Ihre Ausführungen hierzu für wirklich schwierig, auch im Zusammenhang mit Guben. Ich finde es ganz hervorragend, dass der Standort Guben derzeit noch erhalten wird. Wenn Sie in vernünftigem Tempo von Guben nach Cottbus fahren - als Präsident der Ver
kehrswacht muss ich sagen, ich hoffe, Sie tun dies -, brauchen Sie 45 Minuten bis 1 Stunde; das ist natürlich unendlich lange. Ich bin froh, dass dieser Standort erhalten wurde, und ich denke, dass der Justizminister - zumindest für das, was in Cottbus an mich herangetragen wurde - in Guben große Unterstützung genießt und man große Hoffnungen in ihn setzt. Was Sie hier darstellen, ist ganz einfach nicht die Widerspiegelung der Realität. - Danke.
Auf diese Kurzintervention haben Sie die Möglichkeit zu reagieren, wenn Sie wollen. - Sie verzichten; danke sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon gehört, dass wir 1993 - da saß ich schon im Landtag - eine erste Gerichtsreform hatten. 42 Kreisgerichte wurden zu 25 Amtsgerichten umgeformt und zurückgefahren. Vor sechs Jahren haben wir einen zweiten Versuch einer Gerichtsreform unternommen; der war - auch das haben wir schon gehört - finanziell motiviert: Wie könnten wir in dem Bereich Geld sparen? Lieber Herr Eichelbaum, wir beide - also Sie persönlich waren noch nicht dabei -, wir beiden Fraktionen - sollten da wirklich nicht mit Steinen werfen. Wir haben es in den vier oder fünf Jahren der letzten Legislatur nicht zustande gebracht, diese Gerichtsreform zum Ende zu bringen. Das finde ich nicht gut, das war kein Ruhmesblatt. Ich bin manchmal nahe daran, mich bei den Betroffenen, die das, wie wir schon hörten, zu erleiden hatten, zu entschuldigen.
Aber die Dinge hier mit billiger Polemik so darzustellen, als sei Rot-Rot daran schuld - das stimmt nicht mit den Tatsachen überein, und die Menschen vor Ort wissen das auch.
Damals standen sieben Gerichte auf dem Prüfstand: das Amtsgericht Zossen, Königs Wusterhausen, Luckenwalde und andere. Da sollten 21,4 Millionen Euro eingespart werden; der Weiterbetrieb hätte 23 Millionen Euro gekostet. Da wurde deutlich: Es geht nicht nur um Geld. - Bei dem Versuch dieser kleinen Einsparung, die bei der Unsicherheit solcher Schätzungen sowieso nicht genau festzustellen ist, wurde deutlich, dass es natürlich nicht nur um Geld gehen kann, sondern um eine - das haben wir schon vom Minister gehört - qualitativ hochwertige Rechtsprechung vor Ort, eine bürgernahe Rechtsprechung und -betreuung vor Ort. 2009 haben wir einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet; da sollten 13 Millionen Euro gespart werden. Die Gegenrechnung damals - übrigens auch von Kollegen der CDU-Fraktion - ergab aber etwas anderes, sodass wir darauf verzichtet haben. Dadurch hat es sich hingezogen.
Jetzt sind wir endlich so weit. Ich hatte diesen Punkt erst mit der Überschrift „Ende gut, alles gut“ versehen. Wir sind jetzt wirklich bei einem Gesetz, und es freut mich, dass wir in dem Punkt konform gehen, was ein gutes Gesetz ausmacht. Insofern
ist es wieder gut, dass wir so lange gewartet haben. Es wäre schlechter, wenn wir eine schnelle Entscheidung getroffen hätten, die aber falsch gewesen wäre.
Wir werden es so handhaben - ich nenne das immer so -, dass wir eine Reform fahren, die das Leben schreibt. Da, wo die Fallzahlen zurückgehen - wir haben die Beispiele aus Guben und Senftenberg im Amtsgerichts- und Arbeitsgerichtsbereich gehört -, werden Außenstellen eingerichtet. Wenn die Fallzahlen nicht mehr ausreichen, könnte man darüber nachdenken, ob im Einzelfall Gerichtstage abgehalten werden. Wenn die Fallzahlen - was wir ja alle wünschen - so weit zurückgehen, dass sich ein Gerichtsstandort wirklich nicht mehr lohnt, schließt sich das Gericht sozusagen von selbst.
Sie sagen, im Gesetz fehlten Angaben darüber, ab wann ein Gericht arbeitsfähig ist und ab wann nicht. Sie als Jurist wissen das viel besser als ich. Wenn man sich anschaut - ich habe mir das im Internet einmal angesehen -, wie der Pensenschlüssel berechnet wird, stellt man fest: Bei jedem Gerichtsverfahren, bei jedem Fall ist das anders; es ist genau in Minuten vorgegeben. Das kann man gar nicht so dezidiert und detailliert berechnen, um festzulegen: Ab so und so viel Fällen ist das Gericht nicht mehr arbeitsfähig. - Man könnte eventuell sagen: Solange die Arbeit für drei Richter ausreicht, ist es auf jeden Fall arbeitsfähig.
Wir wollten - das hatten wir uns fest vorgenommen - die Landkreisgrenzen an die Gerichts- und Polizeigrenzen und eben auch die Landgerichtsbezirksgrenzen an die Polizeidirektionsgrenzen anpassen. Das sah für ganz kurze Zeit gut aus, hat dann aber aus Gründen, die uns die Innenpolitiker einmal darstellen werden, doch nicht ganz geklappt. Das wird wohl der Knackpunkt sein, dazu liegen uns allen die Petitionen der Menschen auf dem Tisch, die an der Oder entlang oder andererseits in Oberhavel oder Neuruppin wohnen. Hier ist abzuwägen, was nun wichtiger ist: dass die Polizei eine Staatsanwaltschaft als Ansprechpartner hat oder dass ein arbeitsfähiges Landgericht entsteht? Vor dieser Entscheidung stand die Regierung; sie hat so entschieden, wie es im Gesetz steht. Wir werden das noch einmal abzuwägen und dann unsere Entscheidung zu fällen haben.
Ich hoffe, dass wir uns endlich einmal wieder im Rechtsausschuss um unsere ureigenste Sache kümmern und wirklich Rechtspolitik betreiben können. - Vielen Dank.
Bis die Abgeordnete Teuteberg für die FDP-Fraktion fortsetzt, begrüße ich unsere Gäste vom SPD-Ortsverein Bernau. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg und gute Unterhaltung!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Justizstrukturen hält uns schon seit längerer
Zeit in Atem und nicht nur das, sie hat Justizbedienstete ebenso wie Bürgerinnen und Bürger verunsichert. Sinn und Zweck einer Neuordnung der Land-, Amts- und Arbeitsgerichtsbezirke sind dabei immer mehr aus dem Blickfeld geraten. Da war zunächst die lange Auseinandersetzung um den Erhalt der Amtsgerichte. Die Schließung von Standorten ist zwar im Augenblick vom Tisch - zumindest solange die Fallzahlen den Betrieb eines eigenen Amtsgerichtes oder seiner Außenstelle rechtfertigen -, langfristig wird uns dieses Thema aber weiterhin beschäftigen.
Wichtig dabei ist: Die Gewährung bürgernahen Rechtsschutzes darf nicht gefährdet werden. Die bloße Schließung von Standorten wäre da der falsche Weg. Auch kleine Einheiten sind sinnvoll, wenn sie denn effizient arbeiten. Hier müssen wir die Weichen für die Zukunft richtig stellen, und zwar nicht im Hauruckverfahren, sondern indem wir die Bürgerinnen und Bürger im Land mitnehmen. Sie brauchen weiterhin einen Ansprechpartner vor Ort, müssen sich aber auch auf neue Formen der Kommunikation, auf die elektronische Datenübermittlung einstellen. Die Betreuung in der Fläche ist und bleibt in Brandenburg ein wichtiger Punkt, damit die dritte Gewalt ihrem Auftrag in Rechtsprechung und Strafvollzug gerecht werden kann.
Wir stehen vor der großen Herausforderung, die Justizstrukturen in Brandenburg zukunftsfähig und zukunftsfest zu machen. Wir brauchen keine zermürbenden Standortdebatten und kein Hin und Her um den Neuzuschnitt von Bezirken zwischen den Ressorts Innen und Justiz. Wir brauchen Antworten auf die Frage, wie wir Haushaltskonsolidierung und die Handlungsfähigkeit des Staates sinnvoll mit einer starken dritten Gewalt verbinden können. Da geht es um die Zukunftsfähigkeit des Landes, und es geht um Überschaubarkeit und praktische Umsetzbarkeit. Gegen eine Neuordnung, die zu einer ausgewogenen Verteilung zwischen den Standorten, einer Entlastung der größeren und einer Stärkung der kleineren Standorte führt, ist dem Grunde nach nichts einzuwenden. Nur ergeben sich durch den vorliegenden Gesetzesentwurf im Hinblick auf die Neuordnung der Landgerichtsbezirke mehr Fragen als Antworten.
Die ursprünglich angeführte Begründung einer Einräumigkeit der Verwaltung ist durch das von Innenminister Woidke geänderte Konzept zur Polizeistrukturreform zur Disposition gestellt worden. Durch die Zuständigkeit der Polizeidirektion Ost für die Uckermark und die Zuordnung des Amtsgerichtes Schwedt zum Landgerichtsbezirk Neuruppin wurde hier das Prinzip der Einräumigkeit aufgegeben. Da zeigt sich deutlich, dass Einräumigkeit kein Selbstzweck sein darf und kann.
Folgenreiche Reformen der Gerichtsstruktur dürfen nicht vorwiegend an den Strukturen der Polizei und den Standorten der Staatsanwaltschaften ausgerichtet werden. Der Deutsche Richterbund hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Strafrecht weniger als 20 % des Arbeitsanfalls der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Landes ausmacht. 80 % des Arbeitsanfalls stehen also in keinerlei Bezug zur Arbeit der Staatsanwaltschaften und der Polizei. Es ist also schwer nachvollziehbar, dass die Gerichtsstrukturen danach ausgerichtet werden.
Weitere Kritikpunkte sind die zu erwartenden Mehrkosten durch notwendige Investitionen in Baumaßnahmen, erforder
liche Personalverschiebungen und schließlich zeit- und kostenintensive längere Wege. Die Justiz ist Kernaufgabe des Staates, und sie steht für uns Liberale daher nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Doch rechtfertigt eine Reform, bei der Nutzen und Mehrwert nicht erkennbar sind, nicht die zu erwartenden Kosten und den Aufwand.
Zudem haben Sie, Herr Minister Schöneburg, die Kosten für die geplante Reform bisher insgesamt nicht beziffern können. Auf die Anfragen von allen drei Oppositionsfraktionen sind Sie die aussagekräftigen Antworten noch schuldig geblieben. Es ist unverantwortlich, Justizbedienstete sowie Bürgerinnen und Bürger mit solch ungenauen Angaben zu verunsichern, zumal wir immer von dem zu erwartenden Mehraufwand und neuen Kosten sprechen. - Sinnvolle Einsparungen müssten das Ziel sein.
Sehr geehrter Herr Minister Schöneburg, angesichts dieser Bedenken fordern wir Sie auf, die Reform der Landgerichtsbezirke noch zurückzustellen. Sie sollte so lange zurückgestellt werden, bis die Reform der Kommunalstrukturen klare Züge angenommen hat, denn wer Einräumigkeit will,
müsste bei veränderten Zuschnitten der Landkreise dann ja auch die Gerichtsbezirke wieder neu anpassen; das erzeugte Anpassungskosten.
Mit den vorliegenden Plänen werden die Ergebnisse der eingesetzten Enquetekommission zur Verwaltungsstruktur vorweggenommen. Der Freud'sche Versprecher des Kollegen Kuhnert, man wolle die Landkreisgrenzen an die Gerichts- und Polizeigrenzen anpassen, hat das illustriert. Durch langfristig angelegte Maßnahmen wie Umbauarbeiten und Personalverschiebungen wird heute zementiert, was morgen schon wieder auf dem Prüfstand stehen könnte. Politik mit Augenmaß sieht anders aus. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war am Beginn der Rede meiner Vorrednerin etwas verwirrt und überlegte krampfhaft: Stammten die Ausführungen aus der Vorlage des Ministers persönlich? So viel Lob für die Arbeit des Ministers war ich von der FDP gar nicht gewohnt. Ich hatte Ihre Presseerklärung vor mir liegen und dachte: Hier stimmt etwas nicht überein, Frau Teuteberg, jedenfalls stimmt Ihr Lob für die Arbeit des Ministers nicht mit Ihrer Presseerklärung überein. Schließlich haben Sie im letzten Viertel oder Achtel Ihrer Rede dann doch noch darauf abgehoben, das, was Sie am Anfang gesagt haben, wieder infrage zu stellen. Sie sagten nämlich am Anfang, sie kritisierten gleichfalls - wie Ihr Kollege aus der CDU -, dass das alles schon sehr lange dauere, um anschließend zu sagen: Aber eigentlich müssen wir jetzt warten, bis wir noch andere Reformen durchgeführt haben. Das fand ich wirklich spannend: Bewegen wir uns nicht! - Das
(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Holzschuher [SPD] - Jürgens [DIE LINKE]: Das verstehen Sie nicht? Das ist FDP-Dialektik!)