Protokoll der Sitzung vom 31.08.2011

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Sie machen ein Gesetz, das für 1 % aller öffentlichen Aufträge anwendbar ist. Für 1 %!

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Schauen Sie doch hinein, das sind die Fakten.

(Bischoff [SPD]: Macht doch ein Bundesgesetz!)

Es ist unpraktikabel. Für die Unternehmen, Herr Görke, bedeutet das, wenn sie sich um öffentliche Aufträge bewerben, Mehrarbeit. Sie müssen mehr Bürokratie aufwenden als bisher. Für Unternehmen wie das Reinigungsgewerbe bedeutet das, zwei Lohnbuchhaltungen führen zu müssen; vom sozialen Frieden in einem Unternehmen, wenn eine Mitarbeiterin 8 Euro und eine andere Mitarbeiterin nur 7 Euro bekommt, weil es bei den Reinigungsunternehmen eben Tariflohn ist, ganz zu schweigen. Das ist Ihnen völlig egal. Macht ja nichts. Hauptsache Augen zu und durch!

Meine Damen und Herren, wirklich bemerkenswert - ich hatte gesagt, das Gesetz ist rechtlich bedenklich - ist folgende Tatsache: Die Spitzenverbände haben in der Anhörung im Plenarsaal, bei der wir alle, die daran Interesse hatten, anwesend waren, gesagt, dass das Gesetz unpraktikabel und ihrer Ansicht nach gesetzwidrig sei. Okay, Spitzenverbände vertreten eine bestimmte Klientel, da kann man sagen: Ist vielleicht nicht ganz so relevant.

(Lachen der Abgeordneten Dellmann und Baer [SPD])

Aber dann hat uns Prof. Dr. Dombert, ehemaliger Verfassungsrichter - ich glaube, wir alle sind uns einig, dass Herr Dombert nicht irgendein Verfassungsrichter in diesem Land war, wer etwas länger dabei ist, weiß, dass er in Brandenburg einen guten Namen hat - erklärt:

„Wird dieser Gesetzesentwurf wirksam und wird er Gesetz, habe ich keinen Zweifel, dass er verfassungswidrig ist, gegen die Bestimmungen der Verfassung verstößt und in der Jägerallee kassiert wird. Der Umstand, dass die Mindestlöhne als konnexitätsrelevante Regelung nicht in den Kostenausgleich einbezogen werden, reicht dazu aus. Bleibt es bei diesem Gesetzentwurf, dann ist er verfassungswidrig.“

Das haben Sie völlig ignoriert, macht ja nix, es geht ja auch um einen Parteiauftrag, und man kann ja mal abwarten, also was soll's?

Es bleibt also am Ende nur eines: Es geht bei dem Gesetz, das Sie heute vorgelegt haben, um nichts anderes als um ein Parteiauftragserfüllungsgesetz; denn Sie missachten alle Hinweise von Fachleuten, die etwas davon verstehen.

(Beifall CDU)

Ich sage Ihnen jetzt schon eines voraus: Sie sollten sich den Weg von der Alleestraße zur Jägerallee in Potsdam merken, das sind etwa zehn Minuten zu Fuß.

(Domres [DIE LINKE]: Den kennen Sie ganz gut!)

In der Alleestraße sind ja Ihre beiden Parteizentralen, und da hat der Kollege Ness dann einen ziemlich kurzen Weg zum Verfassungsgericht. Ich kann Ihnen versprechen, dass Sie mit Ihrem Gesetz dort landen werden. Wenn Sie dann dort verloren haben, werden Sie uns sagen: Ja, nun ist Recht gesprochen worden, nun wissen wir Bescheid, und nun schauen wir mal, wie wir ein neues Gesetz machen.

Ich muss ganz ehrlich sagen, meine Damen und Herren: Sie haben das Vergabegesetz gemacht, und Sie erzählen überall in der Öffentlichkeit, was das für ein großer Wurf für das Land Brandenburg sein soll. Unterm Strich kann ich nur sagen: Der Elefant kreißte und gebar ein Mäuslein. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU und FDP - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das Bild ist schief, es war nicht der Elefant, Herr Homeyer!)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Dellmann hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Ralf Holzschuher, ich habe von dir gestern „Gesammelte Landtagsreden Reinhold Dellmann 1999 bis 2011“ bekommen. Manchmal würde ich mir wünschen, dass solche rhetorisch guten, aber nicht inhaltlich guten Reden, lieber Dierk, auch einmal mit vorkommen würden. Ich hoffe, dass es bei mir zumindest so war und auch heute so bleibt, dass sie rhetorisch ganz passabel, aber vor allen Dingen inhaltlich sehr gut sind.

Ich glaube, das, was uns vorliegt und was wir sehr stark im parlamentarischen Verfahren mitgeprägt haben, ist ein tragfähiger Kompromiss. Sicher sind nicht alle Wünsche erfüllt worden. Gesetze sind im Regelfall Kompromisse. Aber die Zeit wird zeigen, ob das, was wir gemacht haben, tatsächlich tragfähig ist. Es gibt nur wenige Gesetze, die im parlamentarischen Verfahren noch so stark geändert worden sind. Für mich ist es übrigens nicht ein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke, wenn der Landtag gemeinsam mit der Landesregierung um gute Lösungen ringt.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich würde auch für die Zukunft empfehlen, dass sich der Landtag Zeit nimmt, bestimmte Dinge zu diskutieren, auch mit vielen Fachleuten, egal, ob aus dem Bereich der Wirtschaft oder aus dem Bereich der Gewerkschaften, und mit den kommunalen Spitzenverbänden, damit man tatsächlich überlegt: Was ist gut für dieses Land Brandenburg? Wie ist es denn eigentlich mit den Löhnen und vor allem mit den Dumpinglöhnen? Die Dumpinglöhne sind sicher nicht die Lösung, sondern die Dumpinglöhne sind das Problem, und das gilt es anzugehen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die 8 Euro sind ein Kompromiss. Es ist aber auch richtig, dass diese Kommission eingesetzt wird, die ihre Arbeit auch sehr zeitnah beginnen wird. Ich lese auch immer ausgesprochen interessiert den „Pressespiegel“ der Landesregierung, auch das „Handelsblatt“. Daraus kann man einmal zitieren; ich zitiere auch gern Kollegen der CDU, nämlich einen sehr erfahrenen Kollegen der CDU, der Chef der CDU-Sozialausschüsse ist. Ich gehe davon aus, dass Sie das gelesen haben.

(Zurufe)

Ich lese das einmal vor.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das ist ein großer Ideologe!)

In manchen Punkten hat er wirklich Recht.

„Die vorhandenen gesetzlichen Instrumente für Branchenmindestlöhne greifen nicht“,

urteilt Karl-Josef Laumann. Notwendig sei eine generelle Auffanglinie als „Bollwerk gegen unwürdige Niedriglöhne“. Das sei nur die konsequente Fortsetzung der Politik der Koalition damit ist CDU/FDP gemeint - gegen Dumpinglöhne.

Ursula von der Leyen sagt:

„Man ist auf dem richtigen Weg.“

Wir bräuchten keine Regelung zum Mindestlohn, wenn der Bund das endlich auch gemacht hätte.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Deshalb danke, liebe Kollegen der CDU, dass wir dieses Gesetz vielleicht sehr zeitnah evaluieren und die entsprechenden Paragrafen bei uns herausnehmen können, weil wir dann eine einheitliche Regelung in Deutschland haben.

Etwas, was auch nicht stimmt, betrifft die Klientelpolitik, so wie du, Dierk, das gemeint hast. Wir hatten hier die Anhörung. Viele von uns haben sicher sehr genau nachgelesen, was denn gerade die Wirtschaftsverbände gefordert haben. Ich gebe dir Recht: In vielen Punkten sind wir da den Vorschlägen gefolgt, beispielsweise bei der Veränderung der Wertung unangemessen niedriger Angebote. Denn nach wie vor haben wir ein großes Problem, dass öffentliche Auftraggeber manchmal jemandem den Zuschlag erteilen, der 15 oder 20 % niedriger liegt, billiger, aber nicht günstiger ist als vielleicht das zweite Angebot, weil man nicht vertiefend prüft oder nicht beachtet, dass auch jede Vergabeentscheidung zu begründen ist oder dass die Präkombinationsverfahren verstärkt werden. Das alles sind Forderungen, die nicht von Gewerkschaften, sondern von Wirtschaftsvertretern gekommen sind. Natürlich bedeutet es, wenn wir das umsetzen, was wir vorhaben, auch ein Stück erhöhten Aufwand in öffentlichen Verwaltungen. Aber das ist guter öffentlicher Mehraufwand, der betrieben wird, weil es letztlich auch etwas ist, um mittelständische Unternehmen zu unterstützen und zu fördern.

Ich sage auch eines ganz deutlich: Dieses Gesetz ist ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Schwarzarbeit. Ich habe gestern in einer Veröffentlichung der IHK Berlin gelesen diese Zahlen muss man sich einmal vor Augen führen -, dass es in Deutschland geschätzt einen jährlichen Umfang der Schwarzarbeit von 345 Milliarden Euro gibt, davon rund 130 Milliarden Euro im Bau. Wenn man das einmal, wie es die Kollegen der IHK gemacht haben, in Vollzeit-Inlandsschwarzarbeitsstellen - so lautet der richtige Begriff - umrechnet, sind das immerhin 7,7 Millionen Arbeitsstellen. Wenn wir mit unseren Gesetzen einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass diese Zahl abgesenkt wird, ist das sicherlich ein guter Beitrag. Das Thema Schwarzarbeit müssen wir noch viel stärker im Land und auch im brandenburgischen Landtag bewegen; denn dabei ziehen mittelständische Unternehmen, Handwerksbetriebe, Gewerkschaften, öffentliche Unternehmen und Kommunen an einem Strang. Bei diesem Thema können wir mehr tun.

Lassen Sie mich zum Schluss einen Satz zum Thema Konnexität sagen. Ich finde es etwas schade, wenn Spitzenverbände Städte- und Gemeindebund, Landkreistag - einseitig über Mehrkosten reden und nicht darauf achten, dass auch die Kolleginnen und Kollegen, die in Arbeit sind und jetzt 8 Euro erhalten können, dadurch, dass sie eine anständig bezahlte Arbeit haben, eine Entlastung darstellen. Denn das ist eine Entlastung, das ist auch etwas für die Sicherung des sozialen Friedens in unseren Kommunen. Deshalb wünschte ich mir von unseren kommunalen Spitzenverbänden nicht die Einengung der Sicht, sondern einen etwas weiteren Blick. Denn das ist gut für Brandenburg und letztlich auch gut für die Kommunen in unserem Land.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ganz zum Schluss möchte ich Danke sagen für die wirklich gute Zusammenarbeit über Jahre hier im brandenburgischen Landtag. Landtagssitzungen waren nicht immer eine Freude, manchmal waren sie eine Last; ich will das ganz ehrlich zugeben. Aber sie sind notwendig, und Parlamentarismus hier in Brandenburg kann auch zukünftig durchaus stärkere Auseinandersetzungen brauchen. Ich werde Sie sicherlich alle, sowohl die Koalition als auch die Opposition, begleiten. Denn ich glaube, Sie alle brauchen auch außerhalb des Parlaments Men

schen, die mit Ihnen den Diskurs suchen, die mit Ihnen die Diskussion führen, manchmal Anregungen geben, manchmal aber auch Kritik üben.

In diesem Sinne auf weiterhin gute Zusammenarbeit! - Vielen herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dellmann, für diese quasi Abschiedsrede. Dennoch nicht für den Abschied, sondern für die weitere Begleitung unserer politischen Arbeit alles Gute auf dem weiteren Weg!

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Tomczak hat das Wort.

Frau Vorsitzende! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Dellmann, von meiner Seite an dieser Stelle bei dieser Gelegenheit herzlichen Dank für die zwei Jahre wunderbarer Zusammenarbeit im Wirtschaftsausschuss! Bis zum Schluss in Moskau haben wir nette Erlebnisse gehabt.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich bin auch gespannt auf Ihre Wertungen in den nächsten Monaten in der neuen Funktion zu verschiedenen Themen, die wir hier zu verhandeln haben. Dann wollen wir doch mal sehen, wie die andere Seite, Ihre Seite der Medaille, auch zu solchen Fragen wie dem Vergabegesetz aussieht.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Aber nach Moskau kommen Sie doch...?)

- Ja, genau. „Ach was!“ liebe Kerstin - kann ich dazu frei nach Loriot sagen.