- Ich habe es gesehen. - Es gilt, hier im Lande noch deutlich mehr für eine bessere Kinder- und Jugendbeteiligung zu tun. Die Große Anfrage darf nicht nur zur Kenntnis genommen werden, sondern sie soll Grundlage für weiteres Arbeiten sein. Ein Gremium, welches dies hervorragend kann, ist der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Muhß hat das Wort.
„Wer junge Menschen beim Umgang mit unserer Demokratie unterstützen und sie vor demokratiefeindlichen Ansätzen schützen will, der ist gut beraten, ihnen die politische Artikulation zu erleichtern, Raum und Zeit für politische Aktivitäten einzuräumen und bestehende Hemmnisse abzubauen.“
So lautet einer der Kernsätze der Großen Anfrage zur Kinderund Jugendbeteiligung. Dieser Satz ist absolut richtig, und wie wir diese drei Ziele erreichen können, das gilt es zu ermitteln. Daher freue ich mich, dass die Antwort auf unsere Anfrage nun vorliegt und wir heute zu diesem wichtigen Thema debattieren können.
Die Fraktionen von SPD und DIE LINKE haben dieses Thema für ihre Anfrage ganz bewusst gewählt. Wir werden durch die Geburt zwar Teil unserer Gesellschaft, aber die Fähigkeit, für die eigenen Belange einzustehen, will in einem langen Prozess erlernt und eingeübt sein. Dies zählt zu den Erziehungsaufgaben des Elternhauses, aber auch der Kitas und Schulen und überhaupt aller Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche lernen, leben und einen Teil ihrer Freizeit verbringen. Dort können wir sie auch am besten erreichen.
Werte Kollegen, die Landesregierung stellt fest, dass umfassende Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen heute Gradmesser für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft sind und zum Standard des Erziehungs- und Bildungsauftrages gehören. Das würde wohl jeder von uns unterschreiben. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? - Oft scheitert es schon an der einfachen praktischen Umsetzung. Wer kann nicht aus seiner Heimatkommune ein Beispiel nennen, bei dem Jugendliche bis zur Realisierung des Zieles ihres Engagements - in meiner Heimatstadt war es zum Beispiel eine Skaterbahn - schon lange erwachsen waren und den Ort verlassen hatten?
Nehmen wir auch die Interessenvertretungen von Kindern und Jugendlichen in der Schule. Das Brandenburgische Schulgesetz - das wurde hier bereits mehrfach gesagt - bietet umfangreiche Möglichkeiten. Wenn diese Möglichkeiten der Interessenvertretung dennoch nur wenig genutzt werden, kommen wir eventuell zu dem Ergebnis, dass bestimmte Instrumente für sich genommen nicht ausreichen, dass wir andere und bessere
Ergebnisse erzielen würden, wenn sie besser flankiert würden bzw. wenn die Rahmenbedingungen andere wären.
Insofern bin ich ganz nah bei der Landesstelle für Demokratische Jugendbeteiligung, die, wie bereits mehrfach erwähnt wurde, eine sehr gute Stellungnahme verfasst hat und in dieser anregt, den Begriff der Beteiligung öffentlich intensiv zu diskutieren und Qualitätsstandards zur Umsetzung von Beteiligungsprozessen in Kita, Schule, Jugendhilfe und im kommunalen Raum unter größtmöglicher Beteiligung aller Akteure zu erarbeiten und zu veröffentlichen. Also: den Begriff der Beteiligung öffentlich intensiv diskutieren und Qualitätsstandards erarbeiten.
Wie notwendig es ist, den Jugendlichen attraktive Angebote zu unterbreiten, zeigt die Anfrage auch bei den Zahlen zu den Jugendbeiräten, Jugendparlamenten und Jugendvertretungen. Wenn nur 16 davon als aktiv eingeschätzt werden, so wird hier ein großer Handlungsbedarf deutlich. Natürlich liegt eine hohe Fluktuation und Unbeständigkeit in der Natur der Sache. Das kann man den jungen Menschen nicht zum Vorwurf machen, auch wenn die vielen Rentner in meinem heimatlichen Stadtparlament dazu neigen zu sagen: Die waren nur einmal oder höchstens zweimal hier. Wo bleiben sie denn? Das ist ihnen wohl nicht ernst genug. - Das kennen wir doch.
Ein Wechsel der Lebensumstände oder der Interessen ist eine natürliche Begleiterscheinung des Erwachsenwerdens; bitte erinnern Sie sich. Darum halte ich es auch für unabdingbar, dass wir in allen Systemen attraktive Beteiligungsformen sowie feste Ansprechpartner und stabile Strukturen bereithalten, in die unsere jungen Menschen hineinschlüpfen können, wenn das Interesse an demokratischer Beteiligung erwacht, und dass nicht jeder Jahrgang wieder bei Null anfangen und sich neu erarbeiten muss, wie Teilhabe zu erringen ist, dass sie dann aber auch - wie etwa bei der Wahrnehmung eines früheren Wahlrechtes - in die Pflicht genommen werden.
Insgesamt - ich schließe mich meinen Vorrednern an - stehen wir nicht am Ende eines Diskussionsprozesses, sondern eher am Anfang. Mit der vorliegenden Antwort der Landesregierung haben wir eine gute Grundlage für die Arbeit und Diskussion in der nächsten Zeit. Packen wir es an! - Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Muhß. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Hoffmann erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen von der Regierungskoalition! Ich hätte natürlich gern von Ihnen gehört, was aus dieser Antwort für Sie hervorgeht und was daraus für Sie folgt, was Sie anzustoßen gedenken und was in diesem Bereich noch umgesetzt werden soll.
Trotz der korrekten Wiedergabe aller Zahlen und Fakten, die darin stehen, Frau Muhß, war hier davon nicht viel zu hören.
Die Regierungskoalition schreibt sich politisch auf die Fahnen, sich mehr für Jugendbeteiligung einzusetzen. Die Frage ist nur: Was geschieht in der Realität? - Da sieht es ein wenig anders aus. Nehmen wir nur einmal das Thema „Wahlalter 16“ als Beispiel, das auch Herr Büttner angesprochen hat. Seit mehr als einem Jahr wird dieses Thema von der Koalition und auch von den Oppositionsfraktionen intensiv diskutiert. Die Anhörung dazu fand bereits vor sechs Monaten statt. Aber noch immer gibt es keine Einigung. Vielmehr schiebt die Regierungskoalition zum x-ten Mal die Beschlussfassung im Innenausschuss hinaus. Seit der Anhörung gab es planmäßig vier Sitzungen, jedoch keine Beschlussfassung.
Ich will nicht sagen, dass dies für uns sehr schlimm ist, weil wir stets gesagt haben, dass wir diesem Thema kritisch gegenüberstehen. Dennoch kann ich mich hier des Eindrucks nicht erwehren, dass die Koalition es nicht ganz so ernst nimmt, wie sie es öffentlich immer behauptet.
Nun wurde von Ihnen selbst die Große Anfrage zur Jugendbeteiligung in Auftrag gegeben, und man muss sich schon fragen, was Sie damit erreichen wollen. Außer, dass Sie die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit offen zutage treten lassen - das war Ihnen vorher bereits bekannt -, ist eigentlich nicht viel dabei herausgekommen. Dafür bedarf es auch nicht einer Antwort der Landesregierung oder des im Bildungsausschuss geführten Gesprächs.
Die Antwort der Landesregierung verdeutlicht, dass aus ihrer Sicht die Instrumente der Kinder- und Jugendbeteiligung ausgeschöpft sind - etwa zur Frage, ob das Landesschulgesetz eine ausreichende Grundlage für eine wirksame Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen im Lebensraum Schule gewährt. Die Landesregierung antwortet darauf klar mit Ja und führt dann aus:
„Es kann nicht darauf ankommen, Möglichkeiten der Interessenvertretung zu erweitern, sondern es geht darum, dass die bereits vorhandenen Möglichkeiten umfangreich tatsächlich genutzt werden.“
Da frage ich Sie einfach noch einmal: Was wollen Sie mit dieser Anfrage erreichen, außer, dass dort schwarz auf weiß steht, dass Jugendbeteiligung nicht in dem Maß in Brandenburg existiert, wie Sie es gern hätten?
Was sind Beteiligungsrechte, die dann nicht mit Leben gefüllt und aktiv genutzt werden, wert? Was ist Ihnen die Kinder- und Jugendbeteiligung wert? Was planen Sie, damit sich etwas verbessert? - Dazu war nicht viel zu hören, und dazu wird, denke ich, auch nicht mehr viel zu hören sein; denn schließlich hat Frau Große selbst im Bildungsausschuss die Frage gestellt, was Sie noch tun können und welche Hürden noch ausgeräumt werden müssen, damit Jugendbeteiligung im Land flächendeckend und aktiv gelingt.
Das Problem ist aber, dass die Anregungen der Fachleute am Ende auch Geld kosten werden. Bislang habe ich von Ihnen nicht gehört, dass Sie planen, dafür zusätzliche Mittel bereitzu
stellen. Nicht umsonst standen heute die Mitglieder vom Landesjugendring vor dem Landtag und forderten für die Jugendarbeit mehr Geld von der Landesregierung.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, diese Anfrage bestätigt noch einmal das, was wir bereits wussten. Wir können einen Haken dahinter machen und sagen danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion GRÜNE/B90 fort. Frau Abgeordnete von Halem erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Gesellschaftswissenschaftler und Juristen ist es immer wieder spannend, zu sehen, wenn sich Werte und Einstellungen in der Gesellschaft verändern, wenn diese über einen längeren Zeitraum diskutiert und dann in Gesetze gegossen werden. In der Regel dauert es nicht einmal eine Generation, bis das, was in diesen Gesetzen dann steht, selbstverständlich ist: unter anderem Frauenwahlrecht und Abschaffung der Todesstrafe. Dazu fällt uns allen sicher noch viel ein. Meines Erachtens wird es bei der Jugendbeteiligung genauso sein.
Am Wahlalter 16 - das wurde bereits mehrfach kritisiert - basteln wir. Dies ist schwierig, und wir wollen ein wenig mehr als das, was die FDP uns vorgeschlagen hat.
Auch wird sich in der Einstellung etwas verändern. Gegenwärtig sind wir von der strukturellen Verankerung der Jugendbeteiligung noch relativ weit entfernt. Das wird in dem Bericht kritisiert und wurde schon mehrfach erwähnt. Auf kommunaler Ebene gibt es wunderbare Beispiele, wie mit Jugendbeteiligung experimentiert wird. Dennoch ist sie insgesamt noch ziemlich holprig.
Meines Erachtens ist es wichtig, dass in den verschiedenen Kommunen selbst versucht wird - je nachdem, wie die Kommunen gestrickt und wie die Interessenlagen sind -, mit diesem Instrument zu experimentieren und eigene Wege zu gehen. Ich denke, das muss nicht auf Landesebene vorgeschrieben werden.
Was ich mir dagegen gut vorstellen könnte und was ich auch befürworte, ist die Forderung, dass Jugendliche in sie betreffende kommunale Planungsprozesse eingebunden werden müssen. Kinder und Jugendliche kritisieren bei den kommunalen Beteiligungen oft, dass ihnen die Logistik fehlt. Zudem bemängeln sie häufig, sie würden nicht ernst genommen. Diesbezüglich gibt es zwei Hürden, die in der Struktur der Sache liegen.
Erstens: Jugendliche leben schneller. Natürlich interessiert es die Jugendlichen nicht, sich an der Planung eines Freigeländes zu beteiligen, wenn das Freigelände erst dann fertig ist, wenn sie längst ihren Berufsabschluss haben.
Zweitens: Jugendliche finden es auch nicht besonders prickelnd, wenn ein in langen und für sie immer besonders mühselig empfundenen Runden zustande gekommenes Ergebnis bei den kommunalen Entscheidungsträgern nur im Papierkorb landet. Auch das geschieht leider noch viel zu häufig.
In der Schule sind wir von einer echten Beteiligungskultur noch relativ weit entfernt. Ich habe in der Stellungnahme gelesen, dass die Curricula teilweise wirklich hervorragend und beispielgebend sind. Aber es besteht immer noch ein Unterschied zwischen dem, was in den Curricula steht, und dem Leben in der Wirklichkeit. Ich weiß sehr genau - auch aus der Erfahrung der Schulzeit meiner eigenen Kinder -, dass es wichtig ist, dass Kinder in der Schule und vor allem auch in der Kindertagesstätte schon lernen, mit ihren eigenen Wünschen, Vorstellungen und Ideen ernst genommen zu werden.
Schülervertretungen bemängeln oft, dass sie zur Organisation eines Sommerfestes oder - wie es in dem Bericht der Landesstelle so schön heißt - als „Hilfsmittel zur Stabilisierung eines reibungslosen Schulalltags“ herangezogen werden. Wir würden es deshalb begrüßen, wenn - erstens - die Anregung der Landesstelle für Demokratische Jugendbeteiligung aufgenommen würde und Qualitätsstandards für Jugendbeteiligung diskutiert und umgesetzt würden; das habe ich bei den Redebeiträgen der SPD und der Linken auch herausgehört.
Wir würden aber gern noch einen Schritt weitergehen; vielleicht höre ich noch von den Koalitionsfraktionen, was aus ihrer Sicht dagegen spricht: Wir würden gern dem SchleswigHolsteiner Beispiel folgen und einen Passus in die Kommunalverfassung aufnehmen, der genau das verpflichtend vorschreibt: dass die Jugendlichen beteiligt werden müssen. Denn was im Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz steht, ist aus unserer Sicht nicht ausreichend; dort steht nämlich „sollen“ und nicht „müssen“. Die Kommunalverfassung ist aus unserer Sicht der richtige Ort. Da muss das hin. Das würden wir gern umsetzen.
Warum finden wir das so wichtig? Zum einen, weil auch wir gern etwas gegen Abwanderung tun wollen. Wir denken, dass es ein interessantes Mittel ist, wenn Jugendliche sich beteiligen und gestalten können; dann wandern sie nicht so schnell ab. Zweitens halten wir es für wichtig, dass in einer Gesellschaft, die zunehmend allein von der Masse her von Älteren bestimmt wird, Jugendliche ein stärkeres Gewicht bekommen. Drittens lernen Jugendliche auf diese Art und Weise - wenn sie beteiligt werden - schon sehr viel früher, gegenseitige Interessen abzuwägen, die Kultur der Vielfalt zu schätzen und auch zu sehen, dass jede Stimme zählt, auch wenn sie eben unterschiedlich sind und dass demokratische Prozesse eben schwierig sind. Deshalb sind wir - resümierend - der Meinung, dass wir, wenn wir uns dafür einsetzen, nichts Besseres tun können, um unser demokratisches System zu stärken.