Protokoll der Sitzung vom 29.09.2011

- Ich freue mich, wenn Sie sich freuen, Frau Wöllert. Es ist notwendig, dass die Rahmenbedingungen der Kommunen und der Träger, wie unter dem Punkt II genannt, so verbessert werden, dass sich die Träger besser an den beruflichen Realitäten der Eltern orientieren können.

Der Unterrichtsausfall ist in Brandenburg immer noch hoch. Außerdem beenden Eltern ihre Arbeit oftmals erst am Abend. Daher ist es wichtig zu wissen, welche Möglichkeiten die Kinder nach Schulschluss haben und wo sie betreut werden. Dann kann man auch über eine deutlich engere Vernetzungen - ich komme wieder auf die Vernetzung zurück - zwischen Schule, Hort und Jugendeinrichtung in den Kommunen nachdenken. Für Eltern ist es meist eine große Herausforderung, ihre Kinder in den Ferien unterzubringen, wenn sie arbeiten müssen.

Das Thema frühkindliche Bildung und Kinderbetreuung ist eines der wichtigsten Themen, über die wir uns hier in diesem Landtag unterhalten können. Leider vermisse ich die Initiativen der Landesregierung oder der sie tragenden Fraktionen. Denn die Anträge, die zur Kinderbetreuung und zur frühkindlichen Bildung eingebracht wurden, sind im letzten Jahr hier in diesem Parlament ausschließlich von den Oppositionsfraktionen vorgelegt worden.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Die Anhebung des Personalschlüssels im letzten Jahr reicht nicht aus. Darum darf die Landesregierung nicht die Hände in den Schoß legen und sagen, sie habe ihre Aufgabe schon längst erledigt. Unser gemeinsames Ziel muss eine stetige Verbesserung sein, sodass Kinder unter besten Bedingungen aufwachsen und Bildung erfahren. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Die Abgeordnete Lieske setzt für die SPD-Fraktion fort. - Unser Zeitplan scheint etwas durcheinandergekommen zu sein. Liebe Gäste, sind Sie aus Drebkau?

(Zurufe der Gäste: Ja!)

Dann begrüße ich recht herzlich unsere Besuchergruppe aus der Stadtverwaltung Drebkau. Sind Sie schon begrüßt worden?

(Zurufe der Gäste: Ja!)

Dann sind Sie zweimal begrüßt worden, wunderbar.

(Allgemeiner Beifall)

Hier steht nämlich: ab 15 Uhr. Sie sind vorfristig da. - Jetzt hat Frau Lieske das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Gäste! Werte antragstellende Fraktion der FDP, recht herzlichen Dank, dass frühkindliche Bildung regelmäßig hier im Plenum aufgerufen wird. Sie verdient, den entsprechenden Stellenwert eingeräumt zu bekommen. Ich möchte gleich zu Beginn klarstellen, lieber Andreas Büttner: Wir werden dem Antrag der FDP-Fraktion nicht folgen.

(Oh, oh! bei der FDP)

Ich werde versuchen, das in Kürze zu begründen. Aus den Antworten auf die Fragen, so detailliert sie auch ausfallen würden, wenn sie gegeben werden, würden sich aus unserer Sicht von der Qualität her für den Handlungsrahmen der Landesregierung oder für uns als Parlament, so unterschiedlich wie unser Land Brandenburg gestrickt ist, keine ganz konkreten Handlungsanweisungen entwickeln.

Ich möchte zum Schluss sagen, wo ich bestimmte Handlungsschwerpunkte sehe, die im Bereich der frühkindlichen Bildung und in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sehen sind. Sonst könnte ich mir hier jetzt sparen, § 1 Kita-Gesetz zu zitieren, der als Rechtsanspruch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Vordergrund stellt, aber gleichberechtigt auch das Kindeswohl nennt. Das ist das Nächste, was dabei zu berücksichtigen ist.

Das Thema, das hier infrage gestellt wird: Was passiert mit der Einrichtung, wenn keine ausreichende Anzahl von Kindererzieherinnen oder Kindererziehern vorhanden ist? Ich sage: Dann gibt es keine Betriebserlaubnis. Die Einrichtung darf ihre Aufgabe nicht weiter oder nur in beschränktem Umfang erfüllen.

Es gibt die Fragen zu den Betreuungszeiten und zu den alternativen Angeboten. Wir haben gerade gestern hier im Plenum das Kinder- und Familienmaßnahmenpaket des Landes Brandenburg in seiner Fortschreibung - in „1. Lesung“ sage ich einmal diskutiert und an den Ausschuss überwiesen. Ich glaube, da gibt es auch noch Mitberatungsmöglichkeiten, die wir im Bildungsausschuss nutzen können. Da steht eine ganze Menge zu dem Thema Kinder und Familien und zu der Möglichkeit für Familien, ihrer Beschäftigung nachzugehen. Das heißt natürlich nicht, dass wir schon die Sternstunden in der Kinderbetreuung erreicht haben. Aber wir loben sie und beziehen uns ganz oft in dieser Frage auf die wissenschaftliche Betreuung der Bertelsmann Stiftung. Sie macht im Ländervergleich ziemlich deutlich: Wo stehen die Länder in der frühkindlichen Bildung? Das Thema vom dritten Lebensjahr bis zur sechsten Klasse wird da immer ganz gut beleuchtet.

Da stehen gerade die ostdeutschen Bundesländer an der Spitze. Bei Ganztagsangeboten hat Brandenburg einen Anteil von 57,1 %, während ein „Musterländle“ wie Baden-Württemberg auf nur 13,6 % kommt. Da gibt es doch deutlichen Nachholbedarf bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch wenn wir noch lange nicht alles erreicht haben.

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

Ich will ja nicht immer alles infrage stellen, aber ich will natürlich nachher darauf eingehen, wo wir noch Möglichkeiten haben, etwas zu tun. Es ist auch so, dass die Länder diesen Betreuungsanspruch ganz unterschiedlich in ihren Gesetzgebungen definieren. Wir haben ihn definiert für Kinder ab drei Jahren; zuvor ist der Anspruch eingeschränkt. Wenn Eltern arbeiten gehen, gibt es einen uneingeschränkten Anspruch, also immer angepasst an die entsprechende Arbeitssituation der Eltern. Die Bedarfsorientierung haben die Träger der freien Jugendhilfe sicherzustellen; das sind in erster Linie die Landkreise und kreisfreien Städte.

Es ist das nächste Paket in der frühkindlichen Bildung, dass wir eine geteilte Verantwortung haben. Wir haben das Land, wir haben die Landkreise, wir haben die Kommunen, und wir haben noch eine breite Trägerlandschaft - glücklicherweise, denn das macht auch die Angebote und auch die Alternativen wesentlich interessanter. Wir haben Lokale Bündnisse für Familie. Die Erfolge, die dabei in den letzten Jahren erzielt worden sind, dürfen wir hier nicht infrage stellen, sondern diese haben viel zur Unterstützung beizutragen.

Jetzt komme ich auf den Punkt, wo ich glaube, dass wir da noch eine ganze Menge bundesrechtlich bewerkstelligen müssen - da werbe ich jetzt einmal um die Unterstützung der FDP und natürlich auch der CDU -, denn im Jahr 2013 wird der Rechtsanspruch für Kinder ab einem Jahr zur Geltung und zur Entfaltung kommen. Im Vorfeld sollten wir die Möglichkeit nutzen, die regierungstragenden Koalitionsparteien auch auf Bundesebene dazu zu animieren, eine ordentliche Bedarfsprognose anzustellen und daraus eventuell bundesweit ein Programm zu entwickeln, mit dem dem Bedarf dann auch entsprochen werden kann. Ob Brandenburg dann ganz viel daran partizipiert, bleibt abzuwarten.

Dann ist auch noch die Frage zu beantworten, ob wir nach dem Rechtsanspruch, der jetzt definiert ist, nicht auch einen Ganztagsanspruch definieren sollten. Damit würden wir der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wesentlich näher kommen und das auch unabhängig davon machen, inwieweit Eltern tatsächlich arbeitsrechtlich eingebunden sind. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Hoffmann spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Betreuungsmöglichkeiten und Öffnungszeiten von Kindertagesstätten und Einrichtungen zur Tagespflege, aber auch die Elternbeiträge sind ganz wesentliche Themen, die junge Familien in unserem Land bewegen. Dabei steht aber auch die Frage im

Mittelpunkt: Wie kann ich die Betreuung meines Kindes so organisieren, dass sie mit meinem Arbeitsplatz und den heutigen Anforderungen des Berufslebens vereinbar ist? Das hat natürlich auch der Gesetzgeber erkannt; Frau Lieske hat es ja gesagt. Es ist festgelegt, dass die Öffnungszeiten bedarfsgerecht sein sollen, aber sich auch am Kindeswohl orientieren müssen. Das ist tatsächlich in manchen Fällen ein zunehmend schwieriger werdender Spagat. Dabei müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, wie man diesem Spagat in den Betreuungseinrichtungen begegnet, wie man aber auch die Einrichtungen in die Lage versetzen kann, auf die Realitäten im Land entsprechend zu reagieren. Aus diesem Grund freue ich mich auch über das Anliegen der FDP, das sie in diesem Antrag deutlich machen will.

Weitere Fragen, die sich junge Eltern stellen, sind: Wie kann ich sicherstellen, dass mein Kind eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung und Förderung erhält? Welche Angebote gibt es hierfür? Neben den Öffnungszeiten spielen dann natürlich auch das Konzept der Einrichtung, die Betreuungsquote, die Qualität der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher bzw. Tagesmütter eine wichtige Rolle. Aus meiner Sicht ist es daher ganz wichtig, dass man die frühkindliche Bildung im Gesamtkontext all dieser Faktoren betrachtet und die Qualität der frühkindlichen Bildungseinrichtungen auch über die Frage der Betreuungszeit hinausgehen lässt.

In Bezug auf diesen Antrag bin ich grundsätzlich der Meinung, dass die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung in den Kommunen erfolgen muss. Nur wenn deutlich wird, dass die Rahmenbedingungen des Landes nicht mehr mit den Entwicklungen vor Ort konform gehen, bestünde aus meiner Sicht Handlungsbedarf. Ich glaube, im Grunde könnte man den Antrag der FDP auch genau so verstehen. Vielleicht geht es ihr auch genau darum, zu eruieren, ob die gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen denn noch genügend Raum zur bedarfsorientierten Ausgestaltung der Betreuung vor Ort bieten. Das wäre durchaus auch eine Zielstellung, die wir unterstützen könnten. Leider ist das nicht so ganz klar aus dem Antrag herauszulesen, weshalb wir uns enthalten werden. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Abgeordneten Große für die Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Kollege Büttner von der selbsternannten Bildungspartei FDP, Sie haben uns heute Morgen vorgeworfen, dass wir als Linke noch auf einer Art Selbstfindungstrip seien. Ich muss feststellen, Sie sind das sehr viel mehr als wir. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass ich mit Ihnen mit der FDP wohlgemerkt - einmal zu einer Debatte komme, die so stark nach dem Staat ruft, dass Sie für alles - nicht nur für Kinder in Kindertagesstätten, sondern auch für Kinder in Schulen, für Kinder, die krank sind usw. - staatliche Lösungen haben möchten. Der zweite Teil Ihres Antrages liest sich so, als wollten Sie, dass wir heute beschließen, die Rahmenbedingungen für die Kommunen so zu verbessern, dass es ihnen ermög

licht wird, sich besser an den beruflichen Realitäten von Familien und Lebenspartnerschaften zu orientieren. Sie wollen also, dass wir heute schon beschließen, dass der Staat bzw. in diesem Falle das Land das zu organisieren hat.

Sie setzen dabei voraus, das sei ein Erfordernis der modernen Arbeitswelt. Da frage ich Sie jetzt einmal: Ist das wirklich die moderne Arbeitswelt, die wir uns hier alle vorstellen? Wollen wir, dass die Kinder immer, auch wenn sie krank sind, zu allen Tages-, Nacht- und Ferienzeiten von staatlicher Seite aus betreut werden? Ich will das nicht, Herr Büttner, und es ist merkwürdig, dass ich das hier heute sagen muss, ich, der als Linken immer unterstellt wird, wir wollten die Kinder verstaatlichen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie wollen das heute mit Ihrem Antrag tun. Ich sage Ihnen: Denken Sie, die Sie so gute Beziehungen zur Wirtschaft haben und da Sie neben der Bildungspartei, die Sie sind, ja auch die Wirtschaftspartei sind, doch bitte einmal darüber nach, was die Wirtschaft, was die größeren Firmen und möglicherweise auch das Handwerk leisten müssten, damit Menschen dort zu menschenwürdigen Bedingungen arbeiten können, sodass sie auch ihre Kinder noch selbst betreuen können - zu den Zeiten, die üblich sind. Auch darüber sollten gerade Sie in der FDP einmal nachdenken.

(Beifall DIE LINKE)

Nun haben Sie das an Kitas festgemacht. Bei dem, was Sie eigentlich wollen, frage ich mich, was der Betreuungsschlüssel damit zu tun hat. Ich frage mich auch, was wir alle davon haben, wenn, wie Sie im Bericht einfordern, von 1 600 Kitas - so viele haben wir ja etwa - erfragt wird, wie dort mit den Öffnungszeiten, mit den Gebühren, mit der Gebührenstaffelung umgegangen wird. Wir waren doch alle froh darüber, dass es eine kommunale Selbstverwaltung gibt

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

und dass Kommunen für sich festlegen können: Wir möchten hier eine Kindertagesstätte mit längeren Öffnungszeiten haben, denn es gibt im Ort ein größeres Unternehmen, wo im Schichtbetrieb gearbeitet wird. - Das geschieht ja alles schon; lassen Sie das doch vor Ort entscheiden. Warum möchten Sie gern, dass wir hier regulierend eingreifen, Herr Büttner? Sie von der FDP - ich verstehe das ehrlich gesagt nicht mehr. Ich mache mir auch langsam ein wenig Sorgen, wohin Sie sich in Ihrer Partei noch entwickeln wollen.

(Lachen des Abgeordneten Büttner [FDP])

Ich müsste mir die nicht machen, aber angesichts dieser Anfrage ist das schon etwas schwierig.

Ich finde es ja schon interessant, dass Sie auch gern wissen möchten, welche Betreuungsmöglichkeiten es in betrieblich organisierten Kindertagesstätten gibt. Auch da gibt es ja ganz weniges und aus unserer Sicht zu wenig. Ich bin ganz sicher, dass angesichts der Fachkräftesituation die Firmen, die Betriebe, zumindest die größeren, sehr wohl dahin kommen werden, zu sagen: Wenn wir jungen Familien, Vätern und Müttern, die Möglichkeit geben wollen, in unserer Firma auch zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten zu arbeiten, dann haben wir auch die

Verpflichtung, etwas für die Kindertagesbetreuung zu tun. - Ich glaube, so dramatisch es ist mit dem Fachkräftemangel, gerade der wird dazu führen, dass ganz andere Menschen auch darüber nachdenken. Die Kommunen und die Träger tun das in ausreichendem Maße.

Wenn Sie uns von hinten durch die Brust noch einmal aus unserem Wahlprogramm vorhalten wollten, Herr Kollege Büttner, dass wir uns vorgenommen haben, ein Stufenprogramm vorzulegen und etwas für den Betreuungsschlüssel zu tun, dann sage ich: Wir haben geliefert - das ist ja Ihr Spruch -,

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD - Frau Lehmann [SPD]: Genau! Anders als Herr Rösler!)

und wir sind damit nicht am Ende. Auch das will ich Ihnen hier noch einmal ganz deutlich sagen. Sie dürfen gespannt sein. Auf das, was Sie hier vorhaben bzw. auf Ihre Anträge bezüglich des Haushalts, den wir demnächst beschließen werden, bin ich schon sehr gespannt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete von Halem setzt die Aussprache für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.