Protokoll der Sitzung vom 29.09.2011

Es ist eine Kurzintervention durch den Abgeordneten Goetz von der FDP-Fraktion angemeldet worden. Bitte, Herr Goetz.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Die Redezeiten, die wir haben, sind begrenzt. Wenn man nur 5 Minuten hat - Sie haben 6 Minuten ohne Zwischenfrage gesprochen -, dann reichen diese 5 Minuten möglicherweise nicht aus, die ganze Wahrheit zu sagen. Vielleicht reichen fünf Minuten für die Dreiviertelwahrheit, die Zweidrittelwahrheit, vielleicht auch nur für die halbe Wahrheit.

Sie sind auf die Frage einer dritten Landebahn eingegangen und haben auf die Frage 49 der Fraktion GRÜNE/B90, ob eine dritte Landebahn geplant ist, mit Nein geantwortet. Diese Antwort ist zweifelsohne richtig. Aber wenn Sie vorige Woche „rbb aktuell“ gesehen haben, das Interview der Herren von Gerkan und Paap, den Architekten des BBI, dann konnten Sie auch feststellen, dass dort gesagt wurde: „Das ist zwar bisher

nicht geplant, aber eine dritte Landebahn ist vorgesehen.“ Sie haben auf den Plänen genau gezeigt, wo südlich des Flughafens BBI/BER diese dritte Landebahn vorgesehen ist.

Genau das ist das Problem, vor dem wir hier stehen. Es werden halbe Antworten gegeben auf Fragen, die möglicherweise damit beantwortet sind, wenn man es förmlich sieht; aber es wird die Intention der Frage nicht aufgenommen. Deshalb haben wir das Problem, dass Ihnen die Leute nicht glauben, was Sie hier sagen. Als die Grünen fragten, ob eine weitere Landebahn geplant ist, wäre es doch leicht gewesen, darüber hinauszugehen und zu sagen: Es gibt zwar keine Planung, aber es besteht diese Möglichkeit, und wir werden zu einem späteren Zeitpunkt darüber nachdenken, ob sie möglicherweise nötig wird. - Genau das tun Sie nicht, und nur deshalb entsteht dieser Konflikt, nur deswegen glauben die Leute im Umfeld des Flughafens BBI/BER Ihnen nicht, was Sie hier sagen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Der rbb-Beitrag ist auf YouTube einsehbar, eingestellt von chillerjunge87, und ich kann nur anregen, dieses Interview der Architekten von Gerkan und Paap zum Flughafen BBI/BER zur Kenntnis zu nehmen. Dort finden Sie deren Aussagen und den Konflikt, den wir hier eben haben.

Es wurden viele Versprechen gegeben, unter anderem: Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit! Das hat der Ministerpräsident erklärt. Ich möchte nur sagen: Wir als Anlieger dieses Flughafens, als Umlandgemeinden warten nach wie vor auf die Einlösung dieses Versprechens. - Ich danke Ihnen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir sind jetzt in der Situation, dass der Abgeordnete Schulze von der SPD-Fraktion darum gebeten hat, weder im Rahmen einer Kurzintervention noch im Rahmen einer Erklärung seines Abstimmungsverhaltens als Abgeordneter Stellung zu nehmen. Er beruft sich dabei auf die Verfassung des Landes Brandenburg. Unsere Geschäftsordnung gibt dies nicht her, da die Redezeit der Fraktion der SPD ausgeschöpft ist.

Ich lasse aufgrund der Absicht, dass Herr Abgeordneter Christoph Schulze dies verfassungsrechtlich prüfen lassen möchte, diesen Redebeitrag in dieser Ausnahmesituation zu. Wir werden darüber im Präsidium noch einmal beraten. Es steht ihm frei, dies verfassungsrechtlich prüfen zu lassen. Herr Schulze, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Ich möchte das noch etwas klarstellen. Die Landesverfassung Artikel 56 gibt jedem Abgeordneten sui generis - so steht es wortwörtlich darin - das Recht, zu jedem Tagesordnungspunkt das Wort zu ergreifen. Das ist nach Artikel 5 der Landesverfassung - Sie können es gern nachlesen das unverzichtbare Recht, und das ist auch gar nicht auslegungsfähig; das ist eine Versteinerungsklausel. Insofern möchte ich einfach nur deutlich machen: Jeder von uns hat dieses Recht.

Meine Damen und Herren, ich hatte eigentlich gar nicht vor, in dieser Form in die Debatte einzugreifen, ich wollte abwarten.

Aber es hat mich in gewisser Weise entsetzt, was ich hier zum Teil gehört habe; es hat mir das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die Standortfrage ist entschieden, hat Minister Christoffers gesagt. Diese Aussage ist zweifellos richtig. Aber was nicht geklärt ist, ist die Frage, wie wir gemeinsam damit umgehen. Die Proteste, die wir hier aktuell zur Kenntnis nehmen, sind ja letztlich nur ein Ausfluss dessen, dass dort viele Menschen sagen: Wir fühlen uns nicht mitgenommen, und wir fühlen uns über den Tisch gezogen.

Meine Damen und Herren, wissenden und sehenden Auges hat diese Landesregierung wie auch alle Vorgängerregierungen - es ist ja so, dass es immer eine gewisse Kontinuität gibt - seit über zehn Jahren diesen Standort verfolgt und durchgekämpft. Dieser Landtag hat dabei mitgemacht, hat auch das Recht gesetzt und hat dann, wenn es nicht geklappt hat - ich sage nur Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) zum LEP-SF und LEP-eV und wie die Regelungen alle hießen - das Recht immer wieder passend hingebogen. Deswegen ist es auch gar nicht verwunderlich, dass Gerichte zu der Auffassung kommen, das sei rechtmäßig. Dafür haben alle Beteiligten schon erfolgreich gesorgt, weil man das ja auch so wollte, unabhängig davon, ob der Standort vernünftig und sinnvoll ist oder was auch immer.

Meine Damen und Herren, von den Problemen, die der Standort hatte, haben Sie alle gewusst, da kann sich keiner herausreden; sie sind von Anfang an benannt worden. Jetzt aber so zu tun, als ob diese Probleme dadurch gelöst werden könnten oder müssten, dass die Betroffenen zurückstecken, kann nicht der richtige Weg sein. Das werden die betroffenen Bürger auch nicht akzeptieren.

Was mich bewogen hat, jetzt hier noch einmal kurz das Wort zu ergreifen, ist Folgendes: Ich habe in den allermeisten Redebeiträgen hier nur gehört: Wirtschaftlichkeit, Geld, Wirtschaftlichkeit, Geld. Die Menschen fragen sich: Entschuldigung, wir wohnen da, wir leben da, wo bleiben eigentlich wir?

Ich hätte mir gewünscht und eigentlich auch gehofft, dass hier von Rednerinnen und Rednern gesagt würde: Wir gehen auf die Leute zu und werden einen Kompromiss finden, mit dem alle Beteiligten leben können. - Aber nein, da werden schon wieder Riegel vorgeschoben: Dies, das und jenes kommt überhaupt nicht infrage. Aber woher wissen Sie das?

Herr Homeyer, Sie direkt angesprochen, denn Sie haben mich provoziert: Sie haben deutlich gemacht, dass ein Nachtflugverbot definitiv nicht infrage kommt. Entschuldigung, in Tegel ist um 23 Uhr Schluss, Ende im Gelände, und zwar bis 6 Uhr, die haben ein Nachtflugverbot, und trotzdem ist Tegel die CashKuh des bestehenden Flughafensystems. Der Vertreter von Air Berlin hat bei der Anhörung am 7. April 2011 gesagt, einmal im Monat weiche man von Tegel nach Schönefeld wegen eines durchzuführenden Nachtfluges aus. Was soll aber kommen? 107 Nachtflüge sollen genehmigt werden. Und das ist die Unverhältnismäßigkeit, dass man allen, die ein wirtschaftliches Argument anbringen, sofort den roten Teppich ausrollt, aber den Menschen, den Bürgern eben nicht.

(Lebhafter Beifall GRÜNE/B90 und Beifall des Abge- ordneten Goetz [FDP])

Herr Abgeordneter Schulze, Ihre Redezeit ist nunmehr zu Ende.

Ich möchte an Sie appellieren: Verfassungsgegenstand ist nicht die Wirtschaft, das werden Sie nirgendwo in der Landesverfassung finden; Verfassungssubjekt ist der Mensch. In unserer Landesverfassung Artikel 39 steht, dass jeder das Recht auf Schutz seiner Gesundheit hat. Das ist das, worum die Leute bangen.

(Die Präsidentin schaltet das Mikrofon ab und entzieht dem Abgeordneten das Wort. - Lebhafter Beifall GRÜNE/ B90 und Beifall des Abgeordneten Goetz [FDP])

Die Aussprache ist beendet. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 13, Drucksache 5/3819, ist zur Kenntnis genommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 5/4086, eingebracht von der Fraktion GRÜNE/B90, „Businessplan des Flughafens ,Willy Brandt‘ BER zukunftssicher gestalten und Privatisierungsverfahren einleiten“. Wer diesem Entschließungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist diesem Antrag nicht entsprochen worden.

Damit ist Tagesordnungspunkt 4 geschlossen und ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Kinderbetreuung bedarfsgerecht gestalten - Eltern bzw. Erziehungsberechtigten gleichmäßige Teilhabe am Erwerbsleben ermöglichen

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 5/4052

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einbringenden Fraktion. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern: Es geht mir gut. Nachdem mich so viele Kollegen aus den unterschiedlichen Fraktionen vorhin gefragt haben, ob sich mein Blutdruck wieder normalisiert hat, kann ich Ihnen sagen: Ja, hat er. Es ist also alles ruhig. Wir können das jetzt ganz ruhig machen.

(Zuruf von der SPD: Sie können das ganz entspannt an- gehen!)

- Genau. Eltern brauchen aus unserer Sicht endlich mehr Planungssicherheit im Beruf, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Starre Öffnungszeiten von Kindertagesstätten machen für viele junge Eltern das Vereinbaren von Beruf und Familie unmöglich. Eltern, die zum Beispiel im Einzelhandel oder in der Gastronomie arbeiten, medizinisches Personal oder Polizistinnen und Polizisten sollten trotz ungewöhnlicher Arbeitszeiten nicht auf ein gutes pädagogisches Konzept verzichten müssen.

Wie ist das ganz offensichtlich in Brandenburg? Wir haben ein System, das in der Regel Öffnungszeiten in Kindertagesstätten bis maximal 17 Uhr anbietet. Sie alle wissen: Die Arbeitszeiten werden immer länger. Immer mehr arbeiten im Schichtsystem. Kinder werden krank. Die Großeltern sind aber nicht immer verfügbar. Nachbarn, Freunde sind auch nicht immer verfügbar. Das heißt: Wir brauchen eine Kinderbetreuung, die bedarfsgerecht gestaltet wird.

Deswegen haben wir Ihnen diesen Antrag vorgelegt. Ich möchte Ihnen auch sagen: Wir haben gegenwärtig gar keine ausreichenden Datengrundlagen im Land. Wir haben, wie Frau Ministerin Dr. Münch gestern Abend beim Parlamentarischen Abend des Landesjugendrings sagte, zu wenige Vernetzungen zwischen dem, was im Land passiert, zwischen dem, was in den Kommunen passiert, und dem, was bei den Trägern passiert. Wir brauchen mehr Vernetzung. Wir müssen aber auch die notwendige Datengrundlage dazu haben. Bedarfsgerechte Kinderbetreuung heißt, dass sie den Anforderungen des Berufslebens gerecht wird.

Ein weiterer Punkt ist, dass Brandenburg ein Flächenland ist und Eltern weite Fahrtwege haben, wodurch sich die schon langen Arbeitszeiten deutlich verlängern. Ein gutes Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten ist daher ein sehr wichtiger Standortfaktor. Wenn Eltern nicht wissen, wo sie ihre Kinder unterbringen können, verstärken wir am Ende sogar noch die Abwanderung. Dementsprechend müssen Träger von Kinderbetreuung ihre Angebote und Öffnungszeiten an die Bedürfnisse von Eltern anpassen.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Das Land darf nicht alles auf die Kommunen oder auf die Träger abschieben, wie es in der Beantwortung unserer Großen Anfrage zum Ausdruck kam. Auf die Frage, ob die Landesregierung Maßnahmen plane, die Öffnungszeiten der Einrichtungen im Personalschlüssel zu berücksichtigen, hieß es:

„Es sind landesseitig keine Maßnahmen geplant, die unterschiedlichen Öffnungszeiten von Einrichtungen in die Berechnung der Personalschlüssel einzubeziehen. Es soll den im Grundsatz verantwortlichen Trägern der Einrichtung und den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe überlassen bleiben, auf die konkreten Bedarfe zu reagieren.“

Das ist mir zu wenig. Das widerspricht im Übrigen auch dem Wahlprogramm der Sozialdemokraten. Sie sehen, ich lese nicht nur Wahlprogramme der Linken. Im Wahlprogramm der Sozialdemokraten schreiben Sie auf Seite 18 Ihres Regierungsprogrammes 2009 bis 2014

(Zuruf der Abgeordneten Lehmann [SPD])

- ja, vielleicht andere Druckausgaben, Frau Lehmann:

„Außerdem werden wir die Qualität der Kitas weiter verbessern, beispielsweise durch mehr Betreuungszeiten.“

Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, haben wir bisher dazu hier nichts gesehen. Sie tragen die Verbesserung der Betreuungsrelation in einem ersten Schritt quasi wie eine Monstranz vor sich her.

Da komme ich einmal auf die Kolleginnen und Kollegen von den Linken zu sprechen, die schreiben:

„In dieser Legislaturperiode streben wir für die 3- bis 6-Jährigen einen Betreuungsschlüssel 1:10 an. Es wird mit uns einen Stufenplan zur Verbesserung der Leitungsfreistellung und zur Anerkennung der wirklich geleisteten Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher geben.“

Allein Sie lehnen die Anträge hier im Parlament ab, wenn sie von der Opposition vorgelegt werden.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Das ist etwas, was wir so nicht akzeptieren können. Deswegen haben wir gesagt: Das Land muss mehr tun.

(Heiterkeit der Abgeordneten Wöllert [DIE LINKE])

- Ich freue mich, wenn Sie sich freuen, Frau Wöllert. Es ist notwendig, dass die Rahmenbedingungen der Kommunen und der Träger, wie unter dem Punkt II genannt, so verbessert werden, dass sich die Träger besser an den beruflichen Realitäten der Eltern orientieren können.