Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

Dabei sind passiver Lärmschutz und das bislang leider unzureichend ausgestaltete Gesundheitsmonitoring wichtige Begleitmaßnahmen zur Errichtung dieses Großflughafens. Das Entscheidende aber, meine Damen und Herren, ist und bleibt, das Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ernstzunehmen. Es bleibt ein Lippenbekenntnis, solange Sie sich nicht zu dem eigentlichen und aktiven Lärmschutz bekennen. Dieser kann nur durch ein umfassendes Nachtflugverbot wirksam umgesetzt werden.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Mit der Zerschneidung der Nacht in sogenannte Zeitscheiben und mit der Festlegung auf sogenannte Flugbewegskontingente in den Kernrandzeiten - mit all diesen verklausulierten Begriffen - wird letztendlich nur der berechtigte Anspruch auf einen ruhigen Schlaf konterkariert.

Die Nachtruhe ist nun einmal in den Landesimmissionsschutzgesetzen von 22 bis 6 Uhr gesetzlich definiert. Sie verbieten „Betätigungen, die geeignet sind, die Nachtruhe zu stören.“ Ich denke, ein startender A 380 gehört definitiv dazu. Daran ändern auch keine irreführenden Wortschöpfungen wie „Nachtrandzeiten“ etwas. Nicht umsonst gibt es diesbezüglich bereits Bewerbungen zum Unwort des Jahres.

Noch kurz zu unserem Entschließungsantrag, der 1:1 Ihre Formulierung übernimmt, eine Bundesratsinitiative zu unterstützen. Sie wollen darauf warten, dass jemand anders die Initiative auf Bundesebene ergreift. Sie wünschen, dass sich die Betroffenen mit ein wenig mehr Kommunikation zufrieden geben. Hoffen und Wünschen passen zwar zum anstehenden Weihnachtsfest, nicht aber zu unseren Erwartungen an politische Entscheidungsträger.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir sagen deshalb: Wenn Sie nachher schon nicht einem landesweiten Nachtflugverbot zustimmen, gehen Sie wenigstens den selbst aufgezeigten Weg auf Bundesebene und warten Sie nicht auf das, was andere Bundesländer eventuell vorhaben. Daher bitte ich Sie ausdrücklich um Zustimmung zu unserem Antrag und dem vorliegenden Entschließungsantrag - der Bedeutung für die betroffenen Menschen angemessen, hoffentlich frei von gelben Zetteln, Fraktions- und Parteidisziplin. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU und FDP)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Gregor-Ness hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Vertreter der Bürgerinitiativen! Der Respekt und die Anerkennung des gesamten Hauses gehören Ihnen - Ihnen, die diese Volksinitiative gestartet und erfolgreich durchgeführt haben.

Es gibt kein Thema in diesem Landtag, das uns in der letzten Zeit so sehr bewegt hat, das die Fachausschüsse, die Fraktionen, das Haus so oft thematisiert haben. Deshalb gilt Ihnen unser Respekt.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Dennoch und nach intensiver, kontroverser und sehr emotional geführter Debatte werden wir Ihre Volksinitiative heute ablehnen.

Unser Flughafen Berlin Brandenburg International - und ich sage ganz bewusst: unser Flughafen - ist ein Flughafen, der durch die öffentliche Hand mit Steuermitteln finanziert ist und das wichtigste Infrastrukturprojekt für die Gesamtregion Berlin-Brandenburg darstellt.

Wir als politisch Verantwortliche haben eine Abwägung der berechtigten Interessen der Flughafenanrainer, also Ihrer Interessen, und den Belangen der Gesamtregion und des Flughafens vorzunehmen. Der Flughafen Berlin Brandenburg International

war die bewusste Entscheidung für die Konzentration der drei vorhandenen Flughäfen der Gesamtregion auf einen Flughafenstandort. In Verantwortung für die Entwicklung der Gesamtregion müssen wir jetzt versuchen, die Belastungen für die Betroffenen im unmittelbaren Flughafenumfeld, also die Belastung vor allem unserer Brandenburgerinnen und Brandenburger, so gering wie möglich zu halten. Aber wir müssen auch anerkennen, dass für Sie, die Sie jetzt neu und stärker betroffen werden, die Argumentation einer Nettoentlastung für den Gesamtraum nicht verfängt. Dennoch ist diese Nettoentlastung der Betroffenheiten nicht zu leugnen. Die Anzahl der vom Fluglärm Betroffenen wird in der Gesamtregion Berlin und Brandenburg deutlich abnehmen. Wir erwarten, dass sich die Zahl der Überflüge über die Hauptstadt Berlin halbiert. Dennoch gilt es, die direkt im Umfeld gelegenen Kommunen, ihre Bürgerinnen und Bürger durch entsprechenden Lärmschutz stärker zu schützen.

Damit bin ich auch schon beim Lärmschutzprogramm. Uns ist sehr wohl bewusst, dass dieses Lärmschutzprogramm von Anfang an fehlerhaft gestartet wurde, dass es auch fehlerhafte Einzelentscheidungen gab. Wir haben dementsprechend reagiert und im Landtag im letzten Jahr folgende Beschlüsse gefasst, um genau diesem Schutzziel entsprechen zu können und die Flughafengesellschaft auch aufzufordern, aktiver in dieses Geschehen einzugreifen:

Wir haben erstens die Drucksache „Lärmkartierung zum Flughafen unverzüglich vorlegen!“ beschlossen, weiterhin die Drucksache „Daten auf den Tisch - Lärmschutz sichern!“, wir haben „Lärmschutz für Bürger ernst nehmen - Flugrouten müssen optimiert werden“ beschlossen, und wir haben „Lärmschutz zügig umsetzen und durch Gesundheitsmonitoring begleiten“ ebenfalls beschlossen.

All diese Initiativen dienen dazu, das Schutzniveau entsprechend dem Planfeststellungsbeschluss darüber hinausgehend zu sichern und nach Möglichkeit so viel Lärmschutz wie möglich bis zur Inbetriebnahme zu erreichen. Dazu ist allerdings auch die aktive Mitarbeit jedes einzelnen Betroffenen erforderlich.

Bei den Standards für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg International setzen wir Maßstäbe. Diese Maßstäbe verdeutlichen sich zum Beispiel im Planergänzungsfeststellungsbeschluss, durch die Skalierung und Kontingentierung der Flüge in den Randzeiten. Auch haben wir mit dem Planergänzungsbeschluss die Festlegung getroffen, dass die Entschädigung für die Nutzungseinschränkungen im Außenwohnbereich bereits ab einem Dauerschallpegel von 62 dB (A) gelten; dafür waren vorher 65 dB (A) vorgesehen. Auch muss der Anspruch auf baulichen Schallschutz bei Schlafräumen bestehen, wenn in der Nacht durch den Fluglärm im Außenbereich ein Dauerschallpegel von 50 dB (A) überschritten wird.

Wir haben bei den Entgelten für die Fluglinien Emissionen und auch Lärm als Faktoren einbezogen. Das ist beispielgebend in Deutschland und nicht üblich. Wenn wir diesen Flughafen in unserer Metropolregion betreiben, dann wollen wir ihn unter den gleichen Rahmenbedingen wie bei jedem anderen vergleichbaren Flughafen in Deutschland und in Europa betreiben, denn nur das kann unser Maßstab sein. Wenn wir ihn unter den gleichen Bedingungen betreiben wollen, dann heißt das: Wir brauchen einheitliche Maßstäbe in Deutschland und, wenn es geht, in ganz Europa. Denn Wettbewerb erfordert

gleiche Rahmenbedingungen; nur so kann fairer Wettbewerb entstehen.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wir als Fraktion haben von meinem Kollegen Schulze die Aufforderung bekommen, eine andere Flughafenpolitik zu machen.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Politik bedeutet immer Interessenausgleich. Es bedeutet auch das Zusammenführen von Initiativen und den Ausgleich dieser Initiativen. Aber Politik erfordert eben auch einen Kompromiss. Der Planergänzungsfeststellungsbeschluss ist ein solcher Kompromiss.

Der BBI ist nämlich nicht nur ein Flughafen für Brandenburg, er ist ein Flughafen für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. Er ist unser Eingangstor; er ist unsere Visitenkarte. Wenn ich jetzt in Schönefeld ankomme, frage ich mich immer: Was ist das, bitte schön? Ein Flughafen im 70er-Jahre-Style? Es ist eher ein Provinzflughafen denn ein wirklicher Flughafen für eine Hauptstadtregion.

Ich glaube, wir sind uns in der überwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung auch darüber einig, dass über 80 % - wenn man der Forsa-Umfrage folgen will - diesen Flughafen begrüßen und sich wünschen. Wenn wir einen Interessenausgleich in der Region vornehmen, dann heißt das auch, Interessen anderer Partner der Region abzuwägen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich denke da vor allem an die Berlin-Brandenburg Aerospace Allianz mit ihren 100 Mitgliedsunternehmen. Sie beschäftigen bereits jetzt 5 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und 22 000 weitere sind direkt davon abhängig.

Ich denke auch an die Kommunen in der Region, die sehr wohl aktiv werben, auch mit dem Anschluss an den Flughafen Berlin Brandenburg International. Ich zitiere einmal aus Texten auf den Homepages folgender Städte:

„Mit Königs Wusterhausen verbinden die meisten in erster Linie Kultur und Natur: das Schloss und die Geschichte Preußens, die vielen Seen und Waldgebiete. Die wirtschaftliche Bedeutung Königs Wusterhausens ist weniger bekannt. Königs Wusterhausen ist jedoch eine Stadt, die aufgrund der hervorragenden Verkehrsanbindungen (direkten Anschluss an zwei Autobahnen, Schie- nenanbindung, Hafen und unmittelbare Nähe zum künfti- gen Flughafen) auf dem Gebiet der Logistik über besondere Kompetenz verfügt und diese auch noch weiter ausbauen wird.“

Schulzendorf selbst wirbt mit dem Slogan „Gartenstadt am Rande Berlins“:

„Der gestresste Mensch findet hier Ausgleich von der Hektik des Alltags.“

Daneben prangt ein Button: „In 15 Minuten am Flughafen Schönefeld.“

Auf der Homepage von Zeuthen befindet sich der Satz:

„Zeuthen ist ein Wohnort mit hervorragendem Erholungscharakter am Rande der Hauptstadt Berlin.“

Daneben steht: „Gute Infrastruktur - zum Flughafen Schönefeld in 20 Minuten.“

Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Ich frage Sie: Diese Interessen alle miteinander ins Gleichgewicht zu bringen, ist das nicht unsere Aufgabe? Das ist Aufgabe von Politik.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Als ich 1994 in diesen Landtag gewählt worden bin, war eines der ersten Problemfelder, mit denen wir uns befasst haben, die Aufstellung eines Landesentwicklungsplanes. 1994 haben wir Ministerpräsident Platzeck war damals verantwortlich - versucht, einen Landesentwicklungsplan aufzustellen, der auch den Ausgleich für die Randregionen herstellt. Wir wollten die Siedlungsbeschränkungen dort einführen, vor allem vor dem Hintergrund, dass uns bewusst war: Wir wollen nicht eine solche Megacity haben, wie sie zum Beispiel Paris darstellt. Wir wollten nicht diese ausufernde Wohnbebauung haben. Jeder Bürgermeister, jede Gemeindevertretung hat damals gesagt: Das könnt ihr vergessen, wir lassen uns unsere Entwicklung nicht beschneiden!

Jetzt haben wir die Entwicklung, wir haben den Flughafen Berlin Brandenburg International, wir haben einen planfestgestellten Flughafen und eine höchstrichterliche Entscheidung. Mehr Demokratie, mehr Öffentlichkeit und mehr juristisch feste Beschlüsse kann man nicht haben. Ich bitte um Akzeptanz dieser Gefechtslage. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD und vereinzelt Die LINKE)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Genilke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Flughafen Berlin Brandenburg ist wohl das mit Abstand wichtigste politische Debattenthema in den letzten zwölf Monaten gewesen - seit Einbringung des Antrages der drei Protagonisten, die heute schon von Herrn Jungclaus genannt worden sind.

Die emotionale und intensive Diskussion um diesen Flughafen da bin ich mir ganz sicher - wird mit dem heutigen Tag nicht enden. Ich denke, es ist auch gut so, dass wir uns mit der Inbetriebnahme, aber natürlich auch mit dem Weiterführen all dessen, was mit dem Flughafen zu tun hat, auch in Zukunft noch auseinandersetzen werden.

Es geht dennoch um eine Lebensqualität, die angemahnt wird, nicht nur von der Volksinitiative, sondern auch in den Anträgen, die wir mittlerweile im Plenum behandelt haben und sicherlich auch noch behandeln werden.

Worum geht es? Wir haben einen Flughafen in Schönefeld errichtet, und dieser Flughafen wird im Juni nächsten Jahres in

Betrieb gehen, in nicht einmal mehr einem halben Jahr. Mit diesem Flughafen verbinden wir Hoffnungen: Hoffnungen auf Wohlstand, Hoffnungen auf eine tragfähige Infrastruktur, die ja mehr ist als der Flughafen an sich. Denken Sie an die Schienenzuführungen und an die Straßenzuführungen! Dazu sind auch einige Landesstraßen mit nicht ganz wenig Geld des Landes errichtet worden. Das heißt, das alles ist eine gesamtverkehrliche Konzeption; als solche muss man diesen Flughafen auch betrachten.

Dennoch gibt es einige Dinge, die ich anmerken will und muss. Natürlich war es nicht optimal, ich meine, sogar falsch, in Anbetracht der Planungen, die gemacht worden sind, die Flugrouten so einzuzeichnen, wie sie auf jeden Fall nicht möglich waren. Das war der grundsätzliche Ansatz, dass dieser Flughafen und dessen Planung in Misskredit gekommen sind. Das heißt, denjenigen, die nachgefragt haben, bewusst das getan haben, was man zum Beispiel von einem verantwortungsvollen Bauherrn verlangt, dass er zum Flughafen geht, dass er sich erkundigt, wo der Flieger in Zukunft entlangfliegt, hat man dann für das betreffende Grundstück gesagt: „Dort kannst du bauen.“ Oder: „Dort ist es vielleicht nicht so günstig.“ Wenn die Entscheidung im Anschluss daran revidiert werden muss, weil man sagt: „Wir wussten nicht, dass die Flugzeuge parallel abfliegen“, dann war das alles andere als optimal. Denn die gesetzlichen Bestimmungen der ICAO haben sich im Grunde nicht geändert. Das war der falsche Ansatz.

(Beifall CDU)