Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen von der CDU-Fraktion, Sie könnten einmal in Richtung Bayern auf Ihre Schwesterpartei CSU schauen, denn die müssten Sie vor schweren politischen Fehlern bewahren. Wie ich Ihre Erörterungen auch zu den Sie störenden Windrädern hier vernommen habe, kann ich Ihnen nur sagen: Im letzten Jahr hat man in Bayern einen Windkrafterlass verabschiedet. Nun sollen Windkraftanlagen innerhalb von drei statt - wie vorher - von zehn Monaten bewilligt werden. Und um Anreize für einen größtmöglichen Abstand zur Wohnbebauung zu setzen, ist bei einem Abstand von 1 000 Metern kein Lärmgutachten mehr nötig, beim Naturschutz wird das Verfahren vereinfacht und bisher geschützte Flächen werden verplant. Ich kann Ihnen nur sagen: So gehen wir hier nicht vor! Während alle anderen Bundesländer sich auf den Weg machen, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, ist das, was ich von Ihnen gehört habe, verehrte Kollegin, eine Vollbremsung. Aber Respekt: Die Katze ist jetzt aus dem Sack, Brandenburgerinnen und Brandenburger haben gehört, was energiepolitisch von der CDU zu erwarten ist.
In Ihrer Stellungnahme zur Anhörung zum Entwurf der Energiestrategie fordern Sie von der Landesregierung die Zerschlagung des Gordischen Knotens. Darin hieß es:
„Die vielen bemerkenswerten Anregungen, Hinweise und Vorschläge der Experten sollen aufgegriffen und in den Entwurf der Energiestrategie eingearbeitet werden.“
Wer das Protokoll über die Anhörung gelesen hat oder wer dort war, weiß aber, dass die Spannbreite der Vorschläge von Expertinnen und Experten in der Anhörung
- aber ich kann lesen, Herr Kollege; das sagte ich gerade - von einem sofortigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis
zu einer Weiterführung über das Jahr 2050 hinaus reichte. Die einen sagen, das gehe sofort, die anderen sagen, wir könnten Braunkohle über 2050 hinaus weiter verstromen. Da sage ich Ihnen: Das ist doch einmal ein klarer Handlungsauftrag!
Mit Ihrer Forderung nach einem Neubau von Braunkohlekraftwerken - selbst ohne CCS-Technologie - haben Sie übrigens wieder einmal ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Im wahrsten Sinne des Wortes: Damit stehen Sie ganz allein im Land.
„Mit der vorgelegten Energiestrategie 2030 setzt das Land Brandenburg seinen Weg in Richtung Vollversorgung mit erneuerbaren Energien konsequent fort.“
Das sagt nicht die Linke, sondern das sagt der DIW-Wochenbericht vom 14. März 2012. Ich zitiere weiter:
„Die weitgehende Umsetzung der Ziele der Energiestrategie 2020 sowie die rasch zunehmende Projektentwicklung, insbesondere in der Wind- und Solarenergie, deuten auf das große Potenzial in Brandenburg hin.... Der auslaufende Kraftwerkstandort Jänschwalde kann problemlos aus den vorhandenen Braunkohletagebauen versorgt werden, wodurch sich der Aufschluss der Tagesbaue Jänschwalde-Nord und Welzow-Süd II erübrigt. Wichtig für die Umsetzung der Energiestrategie ist eine faire Aufteilung von Nutzen und Lasten der betroffenen Regionen,“
Eine Energiestrategie, Herr Kollege, ist nicht möglich, indem man schwarz-weiß denkt. Sie ist nicht möglich durch EntwederOder-Entscheidungen. Energiepolitik eignet sich nicht für populistische, ideologische Parteipolitik. Sie eignet sich auch nicht für Kirchturmdenken, sondern sie muss über Partikularinteressen hinweggehen. Die vorliegende Energiestrategie tut das, und deshalb ist sie zukunftsfähig. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kaiser. - Bevor wir die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fortsetzen, begrüße ich zu unserer Debatte Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Oberschule Schwanebeck sehr herzlich. Seien Sie willkommen!
Das Wort erhält nunmehr der Abgeordnete Vogel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Vogel, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die Sonnenenergie, die in dieser Sekunde, in dieser Minute, in dieser Stunde, an diesem Tag auf die Erde einstrahlt, ist um ein Fünfzehntausendfaches höher als all die Energie, die die Menschheit zu ihrer Versorgung braucht. Weniger als ein Zehntausendstel der auf die Erde einstrahlenden Sonnenenergie reichen also aus, um die gesamte Menschheit auf dem heutigen Niveau mit Wärme, Elektrizitäts- und Antriebsenergie zu versorgen. Diese nach menschlichem Ermessen unerschöpfliche Energie steht für uns bereit. Stattdessen sind wir aber seit 200 Jahren dabei, die in Jahrmillionen entstandenen Lagerstätten fossiler Energieträger - das ist gespeicherte Sonnenenergie - innerhalb einer geologischen Sekunde auszubeuten und nebenbei das Erdklima nachhaltig zu verändern.
Wenn wir mit dem Freisetzen der geologisch gebundenen Treibhausgase wie bisher fortfahren, wird sich die Weltdurchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 6 Grad Celsius erwärmen, mit verheerenden Konsequenzen für die biologische Vielfalt, die Bewohnerinnen und Bewohner dicht besiedelter Küstenregionen und die Ernährungsbasis von Milliarden Menschen. Das ist der Rahmen unserer heutigen Diskussion. Die Zielvariablen sind sehr einfach: Schnellstmögliche CO2-Reduktion und Umstieg auf erneuerbare Energien.
Oder ganz konkret: eine möglichst schnelle Halbierung des weltweiten CO2-Ausstoßes auf weniger als 2 Tonnen pro Person - das bedeutet für Brandenburg mit 23 Tonnen pro Person und Jahr eine Reduzierung um 90 % - und ein vollständiger Umstieg unserer Energieerzeugung auf 100 % erneuerbare Energien. Daran, wie wir mit dieser Erkenntnis umgehen, ob wir nachhaltige Lösungen vorantreiben, vor der Größe der Aufgabe versagen oder - noch schlimmer - aus einer beschränkten Kirchturmperspektive gar die Probleme verschärfen, bemisst sich die Qualität von Politik und Politikern heute.
Der Umstieg auf erneuerbare Energien erfordert einen radikalen Umbau unserer Stromversorgung. Statt zentraler Großanlagen zur Verfeuerung fossiler Energieträger fern der Verbraucherinnen und Verbraucher auf der grünen Wiese und ohne Nutzung der entstehenden Abwärme wird das Stromsystem unserer Zukunft dezentral aufgebaut sein. Dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energien bedeutet aber nicht Windenergie von schottischen Küsten, Solaranlagen in der algerischen Wüste, Geothermie aus Süditalien und Strom aus Biogasanlagen in der Ukraine, transportiert mit 380-kV-Höchstspannungsleitungen oder 1 000-kV-Gleichstromleitungen kreuz und quer durch Europa, sondern dezentrale Stromerzeugung aus Erneuerbaren bedeutet zunächst, dass jede Region den Strom, den sie verbraucht, selbst erzeugen soll.
Diese Region ist für uns zunächst Berlin-Brandenburg, da Berlin voraussichtlich immer nur Energieverbraucher, aber nur in
untergeordnetem Ausmaß Energieproduzent sein wird. Eine gemeinsame Energiestrategie für Berlin und Brandenburg ist daher überfällig, wird uns aber heute nicht vorgelegt.
Die Stromerzeugung wird sich zukünftig vollständig an den Ansprüchen der schwankenden erneuerbaren Energien nach Zuspeisung von Regelenergie aus schnell anspringenden Ergänzungskraftwerken ausrichten müssen statt am Bedürfnis der Großkonzerne, für den kontinuierlichen Stromfluss aus ihren Grundlastkraftwerken den Absatz zu sichern. Aufgrund der häufigen Lastwechsel sind insbesondere Braunkohlekraftwerke für diese Art der Energieerzeugung konstruktionsbedingt nicht geeignet. Übergangsweise wird die erforderliche Regelenergie zum Ausgleich von Windflauten noch in konventionellen Kraftwerken aus Erdgas und selbstverständlich - solange sie noch nicht abgeschaltet sind - auch aus Kohle erzeugt werden. Dieser Anteil des Stroms aus fossilen Energieträgern wird sich aber in dem Maße zunehmend verringern, wie Speicherkapazitäten für Strom aus Erneuerbaren aufgebaut werden.
Da auch mehrwöchige Windflauten überbrückt werden müssen, zeichnet sich bereits ab, dass Batterien, Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher nicht die Lösung sein werden. Nach derzeitiger Kenntnis wird nur die Umwandlung überschüssigen Stroms in Wasserstoff und Methan, das heißt, die Produktion von künstlichem Erdgas aus Wasser und CO2 im Verbund mit den bereits vorhandenen Gasspeichern, in der Lage sein, die erforderliche Versorgungssicherheit herzustellen. So würden rund 10 % der Kapazität des vorhandenen Berliner Gasspeichers unter dem Grunewald ausreichen, um eine mehrwöchige Windflaute zu überbrücken.
Das ist in der Tat eine Revolution, und wie bei jeder Revolution gibt es Sieger und Verlierer. Es wird - mit den Worten von Vattenfall - „industriepolitische Brüche“ geben. Gewinner sind die Unternehmen und Beschäftigten in der Branche der erneuerbaren Energien wie Enertrag, die Windenergie und Elektrolyseure für die Wasserstoffgewinnung herstellen. Verlierer werden die alten Monopolisten sein, die sich nicht an die neuen Zeiten anpassen können.
Natürlich ist es eine legitime Frage, wie die Lasten verteilt werden sollen und wie der mittelfristige Abbau von Arbeitsplätzen in der Braunkohle sozialverträglich gestaltet werden kann. Da jedoch die Braunkohle noch mindestens zwei Jahrzehnte aus den genehmigten Tagebauen zur Verstromung ansteht, ist das kein unlösbares Problem, sondern ein Problem, für das das DIW - Frau Kaiser hat es dargestellt - bereits Vorschläge ausgearbeitet hat.
Die zentrale Frage für uns ist, ob man als Landesregierung für Modernisierung und Entwicklung steht oder als Modernisierungsbremse versucht, die vorhandenen Strukturen zu konservieren und so lange wie möglich zu verteidigen. Im Fall der zukünftigen Stromversorgung wird es bald kein Sowohl-alsauch, kein Nebeneinander von Grundlastkraftwerken und Hybridkraftwerken, kein Zusammenspiel von Braunkohle und erneuerbaren Energien mehr geben, sondern nur ein Entwederoder: Braunkohle oder erneuerbare Energien. Denn: Die Absicherung der bisherigen Strukturen verlangsamt nicht nur, sondern verhindert geradezu auf absehbare Zeit den vollständigen Umstieg in ein dezentrales, erneuerbares Energiesystem.
Die Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien könnte für Brandenburg - das wurde von Herrn Holzschuher nicht, aber von Frau Kaiser dargestellt - schon vor dem Jahr 2020 und für die Region Berlin-Brandenburg nach der Energiestrategie 2030 bis 2030 rein rechnerisch zu 100 % gesichert sein. Hervorragend! Nur: Rechnerische 100 % reichen nicht. Wir Grünen Frau Kaiser hat es dankenswerterweise zitiert - wollen bis 2030 eine faktische Versorgung von Berlin und Brandenburg rund um die Uhr, jede Minute, jede Sekunde. Das ist ambitioniert, wäre aber möglich, wie das von uns in Auftrag gegebene Gutachten des Lemoine-Instituts belegt. Dafür müssten wir auch nicht mehr als die bislang von der Landesregierung geplanten 2 % der Landesfläche für Windenergie in Anspruch nehmen. Es ist jedoch erforderlich, mit Energieeinsparungen und Steigerung der Energieeffizienz ernst zu machen. Es erfordert die gesamte Kraft, es erfordert alle im Energiebereich verfügbaren Mittel in den Ausbau von Windenergie und Fotovoltaik und in die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von Wasserstoff und Methan und deren Einspeisung und Speicherung in die großteils bereits vorhandene Erdgasinfrastruktur zu stecken.
Es erfordert die Errichtung einer neuen Generation von hocheffizienten Gasturbinenkraftwerken, die in der Übergangszeit mit Erdgas und später mit dem künstlich gewonnenen Methan befeuert werden.
Unser Vorbild ist das „Man to the moon“-Projekt. Das war das Projekt, einen Menschen auf den Mond zu bringen, wie es Kennedy damals in den USA propagiert hatte. Unser „Man to the moon“-Projekt besteht darin, Brandenburg und Berlin bis zum Jahr 2030 vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Wenn wir den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien in unserem Bundesland Brandenburg und in unserer Industrienation Deutschland schaffen, sind wir ein Vorbild für alle Nationen, die jetzt noch auf Atomenergie und Kohle setzen.
Die Frage ist: Wollen wir das? Wenn ja, dann muss sich dies auch in der Energiestrategie des Landes widerspiegeln. Dieses Ziel hat dann nicht nur Konsequenzen für Vattenfall und die Politik, sondern für alle Bewohnerinnen und Bewohner Brandenburgs. Das ist bereits angesprochen worden.
Die Frage, die wir in der heutigen Debatte deswegen stellen müssen, ist, ob die Grundlagen, Ziele und Maßnahmen der Energiestrategie 2030 richtig bestimmt sind. Dazu lohnt es sich, die letzten Energiestrategien Revue passieren zu lassen, denn die Energiestrategie 2030 ist nicht die erste. Die erste Energiestrategie kam 1996 und hieß Energiestrategie 2010. Damals schien Brandenburg tatsächlich die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Auch wenn die damaligen Ziele, einen Anteil von 5 % erneuerbarer Energien am primären Energieverbrauch zu erreichen, aus heutiger Sicht als wenig ambitioniert gelten können, stellten sie doch einen großen Fortschritt dar. Erstmals wurden Klimaschutz und Energiepolitik zusammengebracht.
Nach der Energiestrategie 2010 sollten die CO2-Emissionen von 54 Millionen Tonnen im Jahr 1995 bis zum Jahr 2010 auf 53 Millionen Tonnen begrenzt werden. Aber es ging ab 1996 bergauf. Trotz des Baus von Windenergieanlagen ging es auch mit dem CO2-Ausstoß bergauf - bis auf 64 Millionen Tonnen in den Jahren 2001 und 2002. Als sich 2007 abzeichnete, dass dank des Zubaus von Windenergieanlagen zwar die Ausbauziele
bei den erneuerbaren Energien erreicht werden können, die CO2-Minderungsziele jedoch weit verfehlt werden, zog Schwarz-Rot die Notbremse und verschob die CO2-Minderungsziele um zehn Jahre nach hinten. Nunmehr sollte der CO2-Ausstoß erst bis 2020 auf 54,6 Millionen Tonnen reduziert werden. Ich erinnere daran: Das wären 2020 immer noch mehr CO2Emissionen, als 1995 in Brandenburg ausgestoßen wurden. Um nicht mit völlig leeren Händen dazustehen, sollten nunmehr bis 2030 die energiebedingten CO2-Emissionen auf 22,8 Millionen Tonnen sinken.
Jetzt kommt Rot-Rot mit dem nächsten Rückschritt. Gemeinsam mit ihrem neuen Koalitionspartner hat die SPD eine neue Energiestrategie vorgelegt, die die energie- und klimapolitische Glaubwürdigkeit des Landes vollständig untergräbt.
Statt auf ein Auslaufen der Braunkohleverstromung zu setzen, setzen SPD und Linke auf neue Tagebaue und ein neues Braunkohlekraftwerk mit einer Leistung von 2 000 Megawatt. Sie schreiben damit die zentralisierte Nutzung fossiler Braunkohle in Großkraftwerken bis 2070 fort. Die CO2-Minderungsziele für 2030 werden zurückgefahren. Statt 22,8 Millionen Tonnen sollen 2030 25 Millionen Tonnen CO2 in die Erdatmosphäre abgegeben werden. 1996 zum Sprung ansetzend - 2010 Zielverfehlung - 2012 Rückschritt: Das ist der beklagenswerte Dreisprung in der Brandenburger Energiepolitik der letzten Jahre.
Der Ministerpräsident redet heute davon, dass wir Spitze beim Klimaschutz bleiben. Nur, wie erklärt er, dass der Brandenburger CO2-Ausstoß aktuell 23 Tonnen, in Deutschland 10,2 Tonnen, in China 4,5 Tonnen und in Indien 2 Tonnen pro Einwohner beträgt?