Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 39 Tage vor der Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg ha
ben 24 000 von 25 500 Haushalten im Umfeld des Flughafens keine Schallschutzmaßnahmen erhalten. Die 1 500 Haushalte, die ihren Schallschutz tatsächlich verwirklicht bekommen haben, haben diesen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so bekommen, wie es ihnen zusteht. Die Flughafengesellschaft verbaut derzeit Schallschutzmaßnahmen, bei denen der Maximalpegel im Rauminneren bis zu sechsmal überschritten werden kann, im Planfeststellungsbeschluss steht dazu eindeutig: keinmal.
Die Flughafengesellschaft und ihr Aufsichtsrat, dem Ministerpräsident Platzeck, Finanzminister Markov und Wirtschaftsminister Christoffers - immerhin drei Mitglieder dieser Landesregierung - angehören, hat wie angekündigt am 19. April beim Verkehrsministerium einen Klarstellungsantrag gestellt. Damit soll die Rechtsposition der Flughafengesellschaft und damit ein niedrigeres Schallschutzniveau durchgesetzt werden, und dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
Das Grundanliegen des CDU-Antrags für Lärmrente ist: Wer unverschuldet nicht rechtzeitig mit dem korrekten Schallschutzmaßnahmen versorgt werden kann, hat einen Anspruch auf eine Entschädigungszahlung bzw. Lärmrente. Damit soll unserer Meinung nach in erster Linie nicht das Leid der Betroffenen vergoldet, sondern ein Anreiz für die Flughafengesellschaft gesetzt werden, die Schallschutzmaßnahmen zeitnah und im Zweifel zugunsten der Betroffenen umzusetzen.
In der Anhörung des Ausschusses wurde deutlich, dass es schwierig ist, den Begriff „unverschuldet“ zu definieren. Ein Kriterium wäre das Vorliegen einer beidseitig unterschriebenen Kostenerstattungsvereinbarung. Viele Bürger haben aber die Kostenerstattungsvereinbarung nicht unterschrieben, da sie kein Vertrauen in die erhobenen Daten der Ingenieurbüros, die im Auftrag des Flughafens arbeiten, haben und sie mit einer sogenannten Abgeltungsklausel auf jegliche spätere Ansprüche verzichten sollten. Die Diskussion um den nun eingereichten Klarstellungsantrag durch die Flughafengesellschaft zeigt, dass dieser Vertrauensverlust durchaus nachvollziehbar ist.
Die CDU-Fraktion hat in ihrem Antrag zur Lösung dieser Problematik eine unabhängige Koordinierungsstelle vorgeschlagen. Sollte diese Koordinierungsstelle zu der Erkenntnis gelangen, dass die Kostenerstattungsvereinbarung ungenügend ist, bestünde auch ohne das Vorliegen einer beidseitig unterschriebenen Kostenerstattungsvereinbarung ein Anspruch auf Entschädigungszahlung - das ist unser Vorschlag.
Nach unserem Änderungsantrag kommen Sie zumindest unserer Forderung nach einer unabhängigen Koordinierungsstelle nach. Das begrüße ich erst einmal, denn diese Stelle - bei Ihnen heißt sie Schlichtungsstelle - kann durchaus viel bewirken. Jedoch verzichten Sie auf eine darüber hinausgehende konkrete Sanktionierung in Form einer Entschädigungszahlung bzw. Lärmrente. Wir denken, dass diese Drohkulisse jedoch notwendig und hilfreich wäre, um die Qualität und die zeitnahe Umsetzung des Schallschutzprogramms zu forcieren.
Ihre Begründung, dass der Landtag die Zahlung einer Lärmrente nicht beschließen könne, ist eine reine Schutzbehauptung. In unserem Antrag heißt es ganz klar:
„Die Landesregierung soll sich als Gesellschafter der FBB für die Zahlung einer Lärmrente einsetzen.“
Diesen Weg über die Gesellschafterversammlung hat auch das Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes nicht negiert. Nur wenn man offensichtlich keine Entschädigungszahlung leisten möchte, kommt man zu der von Ihnen vertretenen Schlussfolgerung. Wir sehen aber gerade durch die zahlreichen Zuschriften der Bürger zum Schallschutzprogramm, welche konkreten Probleme vorhanden sind. Das sind nicht nur Probleme in Bezug auf die Deckenhöhen, Wintergärten und Wohnküchen, sondern eben auch, dass viele Bürger - Sie alle haben diese Zuschriften in Ihren Briefkästen gehabt - bezüglich der Probleme über Monate, teilweise über Jahre hinweg keine Antwort, eine ungenügende Antwort, ein Hinausschieben der Flughafengesellschaft und der Landesregierung erhalten haben.
Sie schreiben nun in Ihrem Antrag, dass die Landesregierung darauf hinwirken soll, dass ausreichend Handwerksbetriebe vorhanden sind, um die Schallschutzmaßnahmen umzusetzen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist entweder arrogant, spaßig gemeint oder zeigt die gesamte Hilflosigkeit. Ich bin gespannt, wie die Landesregierung diese Aufforderung auch nur annähernd umsetzen will. Denn genau hier wäre die Wirkung einer Lärmrente angesichts der schleppenden Umsätze sinnvoll. Denn was können die Bürger dafür, wenn so wenige Handwerksbetriebe, wie Sie es hier sagen, im Unternehmenspool sind? Ich denke, der Hintergrund, dass wir nicht genügend Handwerker haben, liegt im Leistungsverzeichnis an sich. Das heißt: Selbst wenn Sie einen bearbeiteten Antrag haben und eine Finanzierungszusage von der Flughafengesellschaft erhalten haben, werden Sie für den Preis, der dort drin steht, außerhalb der Firmen, die im Leistungsverzeichnis eingetragen sind, keine einzige Firma finden, die diese Leistungen tatsächlich erbringen könnte - das wäre der Ruin dieser Firma.
Ansonsten bleibt Ihr Antrag insgesamt, wie ich meine, ohne Substanz. Eine ganze Seite lang zählen Sie auf, was der Landtag alles schon beschlossen hat. Dass diese Beschlüsse bzw. Ergebnisse ausnahmslos der Arbeit der Opposition zu verdanken sind, verschweigen Sie natürlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen es, dass die rot-rote Landesregierung und der Flughafen beim Schallschutz in Zukunft die Lebensrealitäten der Bürger besser berücksichtigen möchten und dass das würdelose Geschachere um Wohnküchen, Deckenhöhen und Wintergärten endlich beendet wird. Jedoch weise ich darauf hin, dass dieses Anliegen vollständig durch das Anliegen des nun eingereichten Klarstellungsauftrags konterkariert werden könnte. Wir fordern Sie, insbesondere den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg - er ist immerhin stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender - auf, insoweit im Sinne der Bürger einzuschreiten. Eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses 39 Tage vor Eröffnung des Flughafens ist für uns nicht nur inakzeptabel, sondern auch mit uns nicht verhandelbar. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 3. Juni soll, nein, wird der neue Hauptstadtflughafen Willy Brandt in Schönefeld seinen Betrieb aufnehmen. Nach den großformatigen Plakatierungen der Flughafengesellschaft zu diesem Thema in den vergangenen Wochen dürfte dieser Termin bei allen Brandenburgern als gesetzt gelten.
Es ist ein Großflughafen, dessen Kapazitäten die Abfertigung von 27 bis 30 Millionen Fluggästen im Jahr zulassen; die Kapazitäten können aber auf bis zu 45 Millionen Flugreisende aufgestockt werden, je nachdem, wie sich das Passagieraufkommen entwickelt. Es ist im vergangenen Jahr erstmals über die 24-Millionen-Marke gestiegen. Der Luftverkehr in Brandenburg hat sich damit im neunten Jahr in Folge besser entwickelt als der Durchschnitt der internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland. Die positiven wirtschaftlichen Prognosen bestätigen sich.
Auch wenn das leidige Thema Lärmschutz noch lange nicht vom Tisch ist - der dritte Platz unter den Verkehrsflughäfen Deutschlands ist ein Beleg für einen gesunden Luftverkehrsmarkt in der Hauptstadtregion, wie die steigende Auslastung der Flugzeuge beweist. Positive Verkehrs- und Geschäftszahlen also in den verbleibenden Wochen vor der Eröffnung.
Dass bei den positiven Nachrichten selbstverständlich das Thema Lärmschutz nicht ins Hintertreffen geraten darf, ist uns allen klar, zumal sich die Flughafengesellschaft in der jüngsten Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, was das Thema anbetrifft. Man kann sogar sagen: Sie hat verbrannte Erde hinterlassen und so gut wie kein Fettnäpfchen ausgelassen.
Umso erfreulicher finde ich es daher, dass nunmehr auch die Flughafengesellschaft nach ihrer lange abwehrenden und hinhaltenden Haltung neue, zusätzliche Mittel für den Lärmschutz in Höhe von 17 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird. Das ist deshalb so wichtig, weil schlicht abzusehen ist, was uns schon allen bekannt ist: dass der neue Berliner Flughafen bis zu seiner Eröffnung am 3. Juni dieses Jahres nicht alle betroffenen Bürger vor Lärm/Schall schützen kann. Zudem hat die Mehrheit der Beteiligten in der Anhörung im Infrastrukturausschuss eher in Richtung Lärmschutz tendiert, und auch eine Lärmrente stellt keine zufriedenstellende Lösung dar. Passiver Schallschutz ist in jedem Fall sinnvoller.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle wissen: Ab dem 3. Juni wir die Zahl der dauerhaft von erheblichem Fluglärm Betroffenen kaum mehr als ein Viertel dessen betragen, was wir bisher an Betroffenen hatten. Aber wir haben von Anfang an gesagt, dass wir den Betroffenen so gut wie möglich helfen wollen, mit dem Lärm zu leben. Das machen wir! Alle nach § 99 der Geschäftsordnung im Landtag auflaufenden Zuschriften von betroffenen Brandenburgern mit dem Betreff „Kein oder schlecht realisierter Schallschutz für die vom Fluglärm betroffenen Bürger“ werden unverzüglich an die FBB weitergeleitet. Nicht nur das - die Unterzeichner werden persönlich informiert.
Noch ein paar gute Nachrichten: Künftig werden von Schallschutz auch Anwohner profitieren können, die bisher außen vor blieben, zum Beispiel Bürger mit Wintergarten, kleiner Wohnkü
che oder Räumlichkeiten, deren Höhen unterhalb der Vorgaben der Bauordnung liegen. Das hat der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft in seiner Sitzung am vergangenen Freitag beschlossen. Damit ist - sozusagen vorfristig - eine wesentliche Forderung aus den Beschlussempfehlungen des Ausschusses zum Antrag der CDU-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN umgesetzt worden, bezüglich über Raumhöhen, Küchengrößen und Wintergärten unbürokratisch zu entscheiden. Das ist ein wichtiger Schritt, um das verlorengegangene Vertrauen und das Gefühl des Übervorteiltwerdens seitens der Betroffenen wenn schon nicht ganz, so doch wenigstens teilweise zurückzugewinnen. Die verklausulierten Kostenerstattungsvereinbarungen wurden auf dieser Sitzung von der FBBGeschäftsführung ersatzlos gestrichen. Auch das bedeutet die vorweggenommene Umsetzung einer wesentlichen Forderung aus der uns vorliegenden Beschlussempfehlung zu den Anträgen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sie sehen: Der Beginn eines konstruktiven Miteinanders zwischen Flughafengesellschaft und Anrainern wurde gemacht. Es liegt in der Hand der Flughafengesellschaft, wie es damit weitergeht, das heißt zum Beispiel, ob und wenn ja, auf welche Art und Weise sie ihren Antrag auf Klarstellung des Planfeststellungsbeschlusses weiterverfolgt, ob es ein Fall für die Gerichte wird oder ob die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger bei der Abwägung von wirtschaftlichen Interessen eine Rolle spielt. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin Kircheis, herzlichen Dank für Ihre heutige Rede; sie hat mich positiv überrascht.
Sie haben festgestellt, dass die Flughafengesellschaft verbrannte Erde hinterlassen und kein Fettnäpfchen ausgelassen habe. Genau das ist richtig. Ich freue mich, dass diese Erkenntnis mittlerweile auch in der Regierungskoalition so angenommen und öffentlich dargestellt wird. Das war nicht immer so. Ich erinnere daran, dass es bisher anders dargestellt worden ist. Insofern noch einmal herzlichen Dank dafür!
Frau Kircheis, falsch ist aber Ihre Aussage, die FBB habe nicht vor Schall schützen können. Sie kann es jetzt nicht mehr, weil sie verbrannte Erde hinterlassen und kein Fettnäpfchen ausgelassen hat. Sie hat zum Beispiel Abgeltungsvereinbarungen vorgelegt, die die Flughafenanrainer gar nicht unterzeichnen konnten, um sich nicht ihrer Ansprüche zu begeben. Das ist ein wichtiger Grund für die Einschätzung: Die schaffen es nicht mehr. Aber diese Situation hat die Flughafengesellschaft FBB selbst verschuldet. Deswegen haben wir im Umfeld des Flughafens heute mit diesen besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Die Koalition hat einen Antrag vorgelegt, der zunächst einmal Kollege Genilke hat es schon gesagt - vieles von dem aufführt, was schon gemacht worden ist - im Wesentlichen auf Anträge der Opposition hin. Dann wird in drei Punkten dargelegt, was die Landesregierung noch tun solle. Im Klartext: Sie fordern zunächst, die Landesregierung möge bei ihrer Haltung bleiben,
bitten sie aber in den drei folgenden Punkten, das Gegenteil dessen zu tun, was sie bisher getan hat. Manchmal habe ich den Eindruck: Wenn der Ministerpräsident „Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit“ sagt, dann ist das eine Auffassung, die er bei sich führt, wenn er zu Fluglärmgegnern fährt. Wenn er wegfährt, verstaut er sie im Handschuhfach seines Dienstwagens, um sie bei nächster Gelegenheit wieder herauszuholen.
Aber ich erkenne an, dass Sie mit der Umkehrung der Abgeltungsklausel eine neue Haltung einnehmen. Ich freue mich, dass dem so ist.
Brandaktuell ist, dass die Flughafengesellschaft - Sie haben es angesprochen - den Lärmschutz in Wohnräumen aufweichen möchte. Das darf auf keinen Fall geschehen. Aus diesem Grunde haben Kollege Schulze und ich Ihnen, meine Damen und Herren, einen Änderungsantrag vorgelegt. Dieser zielt darauf ab, den Ziffern 1 bis 3 des Antrags der Koalition eine Ziffer 4 hinzuzufügen, die ausdrücklich vorsieht, bei der bisherigen Regelung - 55 dB/A dürfen nicht überschritten werden - zu bleiben. Ausnahmen darf es nur für ganz wenige Fälle geben. Das haben sowohl Herr Bretschneider als auch Herr Vogelsänger im Ausschuss erörtert. Ich finde, wenn in den anderen Punkten gefordert wird, bei dem zu bleiben, was ist, dann sollte dieser wichtige Punkt noch explizit aufgeführt werden. Insofern bitte ich auch zu dem Änderungsantrag von Kollegen Schulze und mir um Ihre Zustimmung. - Herzlichen Dank.
Dann setzen wir mit dem Beitrag des Abgeordneten Jungclaus fort. Er spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Viel Papier, wenig Inhalt - so lautet unser Resümee der bisher von Rot-Rot beschlossenen Anträge zum Flughafen BER.
In dem vorliegenden Änderungsantrag listen Sie sage und schreibe sieben Anträge als Beleg für Ihre Geschäftigkeit auf. Die Initiative für die Behandlung der Themen im Landtag kam allerdings leider kein einziges Mal von der SPD oder der Linken.