Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Wir haben Ihnen auch schon signalisiert, dass wir diesen Antrag in den Ausschuss verweisen werden, weil wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mittendrin sind in der Diskussion über das Brandenburger Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr, das zum 1. Januar 2013 novelliert wird, und über die Fortschreibung des Landesnahverkehrsplanes für die Jahre 2013 bis 2017.

Verehrte Kollegen Jungclaus und Genilke, verehrte Kollegin Kircheis, während wir uns auf einer Beratung mit unserem Verkehrsminister am 6. Dezember 2011 noch ziemlich sicher fühlten, als uns die Eckpunkte für den Landesnahverkehr vorgestellt wurden, die damals ohne Stilllegungen und Abbestellungen referiert wurden, gab es für uns ziemlich schnell - mit der RBB-Sendung am 2. April 2012 - das böse Erwachen.

Ich denke, dass mit der ersten Regionalkonferenz am Montag zur Vorstellung der Eckpunkte des Landesnahverkehrsplans diese Abbestellungen vom Tisch sind, und das ist auch gut so.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Beyer hat in der Presse vermittelt, es gäbe ein Abknicken von Herrn Vogelsänger gegenüber der Linken für den Kompromiss, Linien auszudünnen, um Linien nicht abzubestellen. Für beides steht die Linke nicht, möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen. Beides verbindet sich nicht mit unseren Vorstellungen von einer nachhaltigen Verkehrspolitik, der Verlagerung von Verkehr auf die Schiene und einem ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge, der den Schienenpersonennahverkehr als wesentliches Rückgrat begreift.

Und, Herr Jungclaus, Ihre Forderung an Rot-Rot hier in Brandenburg, auf Bundesebene hart zu verhandeln, möchte ich ein Stückchen erweitern, nämlich um alle Fraktionen, die hier im Landtag Brandenburg sitzen. Ich denke, an dieser Stelle auch für die Landesregierung sprechen zu dürfen, weil ich weiß, dass die sie unterstützenden Koalitionsfraktionen das gern aufnehmen und es auch verantwortungsbewusst tun werden. Denn, Herr Genilke: Bei den Finanzen sind wir an der entscheidenden Stelle. Dieser Zickzack- und Wirrwarrkurs, den Sie hier bezüglich der Finanzen bzw. der Mineralölsteuer beschreiben - ich denke, darauf wird Herr Vogelsänger noch einmal reagieren -, ist an dieser Stelle wirklich schwer nachzuvollziehen, denn Fakt ist doch, dass der Bund die Regionalisierungs- und Entflechtungsmittel nicht kürzen darf. Ja, mehr noch: Die Kostensteigerungen, die wir gegenwärtig zu verzeichnen haben und die ja auch Gegenstand einer Prognose des Verkehrsverbundes sind und uns jetzt ein Stückchen mehr in diesen nicht ganz angenehmen Prozess der Diskussion um Ausdünnung gebracht

haben, begründen sich zu 6 % auf Energie und Diesel und auf all jene Aufwendungen, die für Trassenentgelte und Stationspreise notwendig sind. Hier sind strukturelle Reformen auf Bundesebene zugunsten des Bahnverkehrs gefordert. Denn wenn die Zuwendungen des Bundes für den Regionalverkehr ebenso steigen würden wie die Gebühren für die Nutzung der Trassen und Bahnhöfe, wäre die Reduzierung im Bahnangebot des Landes Brandenburg nicht erforderlich, Herr Genilke. Sie wissen, dass zwei Drittel der anfallenden Kosten für Trassenentgelte, Stationspreise und Energie aufgewandt werden.

Spätestens hier schließt sich wieder der Kreis zur Deutschen Bahn und damit zur Bundesebene. Mit diesen Trassenentgelten und Stationspreisen erzielt die Deutsche Bahn hohe Gewinne. Sie wissen - das haben wir schon an anderer Stelle im vergangenen Jahr diskutiert -: Davon gehen 500 Millionen Euro an den Bundesfinanzminister, und mit dem guten Rest wird auf Shoppingtour ins Ausland gegangen.

Die Linke ist gegen eine Gewinnabführung aus Trassenentgelten und Stationspreisen und auch dagegen, dass die Regionalisierungsmittel nicht nur nicht auskömmlich sind, sondern dass auch noch der Bundeshaushalt zulasten des Bahnverkehrs in Brandenburg saniert wird.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wehlan. - Ich habe das Gefühl, hier geht schon das Licht aus. Aber das war wohl eine optische Täuschung.

Für die FDP-Fraktion wird nun Herr Abgeordneter Büttner die Aussprache fortsetzen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Jungclaus hat vorhin schon aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Ich will es auch noch einmal tun, aber ein Stück weiter vorn in diesem Koalitionsvertrag beginnen. Da liest man nämlich:

„Jede Brandenburger Region hat ihre Stärken und Besonderheiten, keine Region wird abgehängt oder gar aufgegeben.“

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau!)

Es heißt weiter:

„Der Schienenpersonennahverkehr... wird... auch künftig so gestaltet werden, dass der Regionalverkehr die grundlegende Raumerschließung in Brandenburg sichert. Die Koalition strebt eine Stärkung des Bahnverkehrs durch Erhalt, Lückenschluss und Ertüchtigung des Schienennetzes und Qualitätsverbesserungen in der Fläche an.“

Ich denke, es schadet nicht, hier immer mal wieder aus diesem rot-roten Koalitionsvertrag vorzutragen, denn dann, sehr geehrte Damen und Herren von SPD und Linken, erinnern Sie sich vielleicht wieder an Ihre eigenen Ziele. Wenn man sich anschaut, was Anfang dieser Woche auf der VBB-Konferenz prä

sentiert wurde, gewinnt man schon den Eindruck, dass Sie vergessen haben, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht. Angesichts dessen, was Sie sich hier leisten, meine Damen und Herren von der SPD, sollten Sie eigentlich neue Flyer drucken lassen. Statt Ihres Slogans „Versprochen und gehalten!“ wäre „Versprochen und gebrochen!“ realistisch.

(Beifall FDP und CDU)

Im Koalitionsvertrag ist auch zu lesen, dass es in dieser Legislatur keine Abbestellungen von Bahnstrecken geben wird.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau!)

Die wird es erst einmal nicht geben. Hier hat die rot-rote Landesregierung offensichtlich gerade noch einmal so die Kurve gekriegt - fürs Erste. Es ist zwar so, dass es laut Entwurf des Nahverkehrsplans 2013 bis 2017 keine Abbestellungen geben wird, aber es sollen Hunderte von Zugfahrten wegfallen.

Und, Frau Kollegin Wehlan, da haben Sie sich gerade einen schlanken Fuß gemacht, als Sie sagten, die Linke stehe nicht für Abbestellung und auch nicht für Ausdünnung. Nun gehe ich einmal davon aus, dass die Eckpunkte durch das Kabinett gegangen sind. Ich weiß ja nicht, wie Sie hier regieren, aber die Eckpunkte werden wohl im Kabinett besprochen worden sein. Da sitzen ja offensichtlich auch linke Minister. Das heißt also, der Kompromiss, Linien auszudünnen, ist wirkungslos und ändert rein gar nichts daran, dass wieder insbesondere der ländliche Raum abgehängt wird. Und ich erinnere noch einmal an Ihren Koalitionsvertrag. Darin steht nämlich genau, dass Sie das nicht machen wollen. Insofern: Versprochen - gebrochen!

Die Strecken, um die es hier geht, sind nur dann attraktiv, wenn sich die Fahrgäste auch auf regelmäßige Takte verlassen können. Ansonsten wird es nämlich sehr schwer, auf das Auto zu verzichten.

Herr Minister Vogelsänger, Sie haben gesagt, dass die beste Stabilisierung für den ÖPNV höhere Fahrgastzahlen sind. Völlig richtig! Mit der Ausdünnung bewirkt man das Gegenteil und destabilisiert den ÖPNV, weil damit natürlich die Fahrgastzahlen weiter sinken. Wir können uns doch alle vorstellen, wie das weitergeht: weniger Fahrgastzahlen, weniger Zugfahrten. Das ist der jetzige Stand. Das führt dann zu noch weniger Fahrgastzahlen, und im Ergebnis folgt die Abbestellung. In der Prignitz sind wir de facto schon so weit. Der Prignitz wurde noch eine Galgenfrist von zwei Jahren gewährt, denn in zwei Jahren werden die Verbindungen zwischen Neustadt (Dosse) und Pritzwalk sowie zwischen Pritzwald und Meyenburg nicht mehr bedient. Da wird dann der Bahnverkehr ganz eingestellt „versprochen - gebrochen!“

Herr Minister Vogelsänger, wir denken, dass Ihr Vorstoß, auf vermeintlich unwirtschaftliche Strecken mit weniger als 500 Fahrgästen pro Tag zu verzichten, im Grundsatz richtig ist. Das haben Sie im Übrigen auch im nächsten Satz des Koalitionsvertrages stehen: Da, wo das nicht möglich ist, setzen Sie auf Bürgerbusse, Rufbusse usw.

Herr Abgeordneter Büttner, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, jetzt nicht.

Dieser Vorschlag, diese Idee oder dieser Vorstoß hat zumindest etwas Gutes. Dadurch wird nämlich mehr als deutlich, dass der ÖPNV und der gesamte Verkehrsbereich des Landes Brandenburg schlichtweg unterfinanziert sind, und das wirft die Frage auf, ob in dieser Landesregierung die Etatansätze über die Ressorts hinweg richtig gewichtet und verteilt sind.

(Beifall FDP und CDU)

Der Verkehrsbereich ist unterfinanziert, während in anderen Ressorts schlichtweg Geld verschwendet wird. Statt aus dieser Erkenntnis aber zukunftsweisende Etatentscheidungen abzuleiten, begnügt man sich mit faulen Kompromissen. Dann wird zwar der Koalitionsfrieden erhalten, aber für Brandenburg ist das eine schlechte Entscheidung.

Herr Vorgelsänger, wir haben Sie in unsere Fraktion eingeladen,

(Minister Vogelsänger: Ich komme gern!)

damit Sie uns Ihren Nahverkehrsplan noch mal genauer vorstellen und wir miteinander darüber reden können. Darauf freuen wir uns. Genauso freuen wir uns auf die Befassung mit dem Landesnahverkehrsplan im Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft. Zwar wird der Landesnahverkehrsplan ohnehin in der zweiten Jahreshälfte im Ausschuss behandelt werden, aber es schadet eben auch nicht, hier im Landtag schon vorher damit zu beginnen. Deswegen stimmen wir auch der Überweisung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu und sind schon sehr gespannt auf die kommenden Diskussionen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Es gibt das Begehr einer Kurzintervention. Frau Abgeordnete Wehlan hat das Wort.

Verehrter Herr Kollege Büttner, nur damit Sie sich nicht in allzu großer Sicherheit wiegen: Sie haben mich sehr verkürzt wiedergegeben. Außerdem steht nicht nur die Linke für Abbestellung und Ausdünnung, sondern auch die SPD. Aber - hier schließt sich der Kreis, das wollte ich an der Stelle noch einmal deutlich unterstreichen, da haben Sie mir leider nicht mehr zugehört - das ist natürlich von finanziellen Gegebenheiten abhängig. Deswegen habe ich hier sehr deutlich und offen über die finanziellen Zwänge gesprochen, die maßgeblich durch den Bund befördert sind und die sich in der Nichtausfinanzierung des Bahnverkehrs in Brandenburg widerspiegeln,

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

wenn die Regionalisierungs- und die Entflechtungsmittel dementsprechend dargestellt sind. Deswegen habe ich hier auch an alle Fraktionen im Brandenburger Landtag appelliert: Es ist auch Ihre Verantwortung, gegenüber der Bundesregierung da

für zu sorgen, dass diese Ausfinanzierung erfolgt, und auch Ihre Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Bundesregierung als Gesellschafter der Deutschen Bahn dafür sorgt, dass die Gewinne aus Trassenentgelten und Stationspreisen nicht dazu genommen werden, den Bundeshaushalt zu sanieren, sondern dafür, um mit den Regionalisierungsmitteln den Bahnverkehr in Brandenburg auszufinanzieren.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wehlan. - Jetzt hätte Herr Kollege Büttner die Möglichkeit zu reagieren. - Er verzichtet darauf. Demzufolge wird die Landesregierung jetzt das - fast letzte Wort haben.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich sehr auf eine engagierte Debatte im Land Brandenburg. Ich freue mich auf viele Einladungen in die Regionen und werde sehr offensiv die Eckpunkte des neuen Landesnahverkehrsplans verteidigen, weil man sie verteidigen kann. Brandenburg hat einen sehr attraktiven ÖPNV, und so wird es auch bleiben.

Herr Genilke, zu dem, was Sie gefragt haben - er ist jetzt anderweitig beschäftigt -: Diese 2 % Leistungsreduzierung haben mit der Prognose des VBB für 2013, 2014 und 2015 zu tun - ein strukturelles Defizit, das ich sofort ausgleiche. Es wäre unverantwortlich, wenn wir dieses strukturelle Defizit weitertrügen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

98 % des Verkehrsvolumens werden weiterhin bestellt. Auch für diese 98 % sollte man einmal Werbung machen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Bestellvolumen des Jahres 2013 liegt mit 35 Millionen Zugkilometern immer noch über dem von 2011.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Man hat mir vorgeworfen, dass ich bei der S-Bahn 300 000 Zugkilometer dazubestelle. Das ist richtig. Das hat aber mit Schönefeld zu tun, weil der neue Flughafen am 3. Juni in Betrieb geht und im Taktverkehr eine S-Bahn dorthin fährt. Da müssen wir uns entscheiden, was wir wollen: Entweder wollen wir eine S-Bahn - und dann müssen wir sie bezahlen, dann muss ich sie bestellen - oder wir wollen sie eben nicht.