Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Teuteberg. - Wir kommen nunmehr zum Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Görke wird ihn halten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gute an der Großen Anfrage ist, dass wir durch die Antworten der Landesregierung einen kompakten Überblick über eine Vielzahl und die Vielfalt von Maßnahmen für die Opfer haben, der belegt, dass auch seit der Regierungsübernahme von Rot-Rot einiges hinzugekommen ist. Deshalb zunächst noch einmal ein Dankeschön an die Landesregierung für die substanziellen Antworten und auch ein Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dem Landtag über 60 Seiten mit Anlagen übermittelt haben.

Herr Kollege Dombrowski, Sie als Vertreter der CDU haben diese Große Anfrage heute sehr staatsmännisch ins Parlament einzubringen versucht. Fakt ist jedoch, dass so manche Fragestellungen tendenziös durchaus unterstellenden Charakter hatten. Ein Beispiel ist der Vorwurf in Frage 64, warum sich das Land im Rahmen des Projekts der Freien Universität Berlin nicht an weiteren Befragungen von Schülern beteiligt hat. Ein Blick ins Protokoll oder in die Geschichte der letzten Legislatur zeigt, dass es die damalige Landesregierung nach kritischer Resonanz auch der schwarz-roten Regierung, damals waren Sie noch Bildungsminister, Herr Kollege Rupprecht - auf die erste Studie 2009 hinsichtlich der Methodik und der vollzogenen Wertungen für nicht nachvollziehbar gehalten hat, diese Bewertung aufzunehmen. Die rot-rote Regierung hat die gleiche Feststellung getroffen. Insofern ist diese Frage entsprechend beantwortet.

Die Aufzählung, meine Damen und Herren, der zahlreichen unterschiedlichen Maßnahmen und Aktivitäten in den Antworten der Großen Anfrage sprechen aus meiner Sicht eine gute Sprache. Der Vorwurf, dass zu wenig getan wurde - der Vorwurf ist heute von Ihnen nicht so erhoben worden, wie Sie ihn sonst in der interessierten Öffentlichkeit erheben -, ist nicht belegt worden. Ich gebe zu: Man muss das eine oder andere an Maßnahmen, die hier dargestellt sind, auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Insgesamt jedoch glaube ich, dass diese Aktivitäten logisch und hilfreich waren.

Ich hätte mir aber - auch von Ihnen, Herr Kollege Dombrowski eine Bemerkung zur Verantwortung der CDU für die Zeit vor der jetzt fünften Legislatur, die Sie zu Recht kritisieren, gewünscht. Da gibt es einige Dinge, denen man nachgehen muss, und die müssen auch richtiggestellt werden. Es ist zum Beispiel nicht hilfreich, wenn Ihr Frageinteresse insbesondere in den Fragen 17, 22, 29, 53, 54, 56, 77 und 109 nur selektiv ist. Wie ist es sonst zu erklären, dass in den genannten Fragen nur die Zeit seit 2009 eine Rolle spielt? Ich frage Sie: Warum blenden Sie einen kritischen Rückblick auf die Zeit, in der sie Re

gierungsverantwortung trugen, in gewisser Weise aus? Warum messen Sie ab und zu mit zweierlei Maß? Dies zu unterlassen fordern Sie zum Teil - Sie haben es auch heute getan - von der rot-roten Regierung fragend ein. Das hätte ich mir in Ihrer Regierungszeit mit mehr Nachdruck gewünscht. Ich glaube, das bestätigen mir auch andere Kolleginnen und Kollegen, die diese Legislatur politisch begleitet haben. Immerhin stellten Sie drei Justizminister, zwei Wissenschafts- und Kulturminister, einen Innenminister und zugleich einen stellvertretenden Ministerpräsidenten, hatten also durchaus Verantwortung.

Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zur Verantwortung der Linken. Für die Linke möchte ich hervorheben, dass wir uns in keiner Weise einer Aufarbeitung und der kritischen Bewertung der DDR-Geschichte verschließen. Wir werden uns weiterhin für eine differenzierte, kritische Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte,

(Beifall GRÜNE/B90)

für eine Aufarbeitung der Diktatur, für eine Darstellung des Lebens in der DDR aus den unterschiedlichen Blickwinkeln sowie für eine angemessene Entschädigung der Opfer einsetzen. Wir sind gegen eine Beschönigung bzw. Verharmlosung im Sinne von Nostalgie. Wir stehen für eine Darstellung der DDR als Unrechtsstaat hinsichtlich ihrer politischen Freiheiten, aber gegen eine generelle Reduzierung auf den Unrechtstaat.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Herr Abgeordneter Görke, lassen Sie eine Frage von Frau Abgeordnete Blechinger zu?

Ja, gern.

Bitte, Frau Abgeordnete.

Herr Abgeordneter Görke, in Strausberg gibt es seit Jahren das Bemühen eines der letzten Überlebenden der Streikführer vom 17. Juni 1953, die Straße, auf der sie verhaftet wurden, „Straße des 17. Juni“ zu nennen. Wäre es nicht eine angemessene Würdigung der Opfer, die mit jahrelangen Haftstrafen gebüßt haben, für diese Umbenennung zu stimmen? Wie bewerten Sie es, dass das seit Jahren von der Stadtverordnetenversammlung Strausberg boykottiert wird?

Herr Abgeordneter Görke.

Ich bewerte gern Sachverhalte, die das Land betreffen. Es gibt zahlreiche kommunale Entscheidungen von Stadtparlamenten oder Kommunalvertretungen, nach denen eine Umbenennung als notwendig erachtet worden ist. Wenn die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung - scheinbar ist das so - in Strausberg

nicht zu der Entscheidung gekommen ist, dann muss ich das akzeptieren.

Insofern will ich noch einmal zu unserer Verantwortung als Linke hier im Haus zurückkommen: Dieses grundsätzliche Herangehen, von dem ich gesprochen habe, wofür wir stehen, fand auch folgerichtig Eingang in den Koalitionsvertrag. Wir haben mehrere Beschlüsse im Landtag mitgetragen. Nicht zuletzt, Herr Dombrowski - da waren wir beide in der Mache -, haben wir auch den Entschließungsantrag zur Stasiüberprüfung im Zusammenhang mit dem Bericht der Kommission erfolgreich aus meiner Sicht - im Parlament diskutiert und verabschiedet. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Görke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Herr Abgeordneter Vogel hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich kann man auf 124 Fragen und Antworten nicht in fünf Minuten eingehen. Insofern werde ich mich auf einige wenige Punkte konzentrieren. Eines vorneweg: Wesentliche neue Erkenntnisse habe ich aus den Antworten der Landesregierung nicht herauslesen können. Vieles wissen wir schon, und wir wissen es zum Teil auch besser aus der Enquetekommission zur Aufarbeitung.

In der Antwort der Landesregierung wird festgestellt, dass es „bei der Behandlung von Menschen, denen in der DDR Unrecht wiederfuhr, keine Defizite“ gab. Lediglich die „Erwartungshaltung“ der Opfer bei deren Umgang mit öffentlichen Stellen sei nicht immer erfüllt worden. Das wiederum ist dann doch eine neue und, ich denke, auch sehr exklusive Erkenntnis, denn jeder weiß - Herr Dombrowski hat es angesprochen -, dass die Anerkennungs- und Bewilligungsquoten bei Rehabilitierungen in unserem Land teilweise deutlich unter den Zahlen anderer Länder liegen und gelegen haben. Die Landesregierung hat das auch Schwarz auf Weiß aus dem Gutachten von Herrn Siegmund für die Enquetekommission; Herr Dombrowski hat es angesprochen.

Jeder weiß, wie fatal das über fast zwei Jahrzehnte andauernde Fehlen einer Diktaturbeauftragten im Land Brandenburg war. Es gab bei uns keinen einzigen professionellen Ansprechpartner für die Opfer von Repression und Bevormundung, und es ist oft genug gesagt worden, übrigens auch vonseiten der Landesregierung, dass dies ein Grundfehler Brandenburger Aufarbeitungspolitik war. Der Ministerpräsident sprach dabei - siehe „Tagesspiegel“ vom 25.07.2011 - „von den Fehlern der Vergangenheit“. Und selbst die Linke konstatiert „sichtbare Defizite“ Frau Kaiser am 18.02.2011 - beim Umgang mit politisch Verfolgten und Benachteiligten.

Ich meine, es ist wirklich ein Problem, dass hier eine ganze Palette an Interpretationen angeboten wird; denn welche Einschätzung gilt denn nun? Die klaren Ansagen des Ministerpräsidenten und von Frau Kaiser oder das Rumgedruckse in der vorliegenden Antwort? Das, was uns hier als Antwort präsentiert wird, fällt in der Substanz weit hinter die durchaus bemerkenswerte Rede unseres Ministerpräsidenten vor wenigen Tagen in der Leistikowstraße oder seine Ansagen zum 50-jährigen Mauerbaugedenken in der Heilandskirche zurück.

Aber so diffus, wie die allgemeinen Einschätzungen in der Antwort ausgedrückt werden, so misslich ist die Situation oft im Konkreten. Mit der Empathie für diejenigen, denen in der DDR schweres Unrecht widerfahren ist, war es oft so weit nicht her. Die Landesregierung ist befragt worden, wie sich das Land Brandenburg auf Bundesebene für die Opfer der Diktatur eingesetzt hat. Die Antwort ist aufschlussreich. Da wird dann auf das sogenannte Opferrente-Gesetz abgehoben, dem das Land Brandenburg im Bundesrat zugestimmt habe. So weit, so wenig erwähnenswert. In dem einschlägigen Gesetz wird Menschen, die aus politischen Gründen lange Zeit eingesperrt waren, eine Opferrente in Höhe von 250 Euro monatlich zugestanden, vorausgesetzt, sie gelten als bedürftig.

Die Thüringer Landesregierung wollte diese Bedürftigkeitsprüfung im Bundesrat kippen, weil es nicht um soziale Wohltätigkeit, sondern um die Anerkennung von Unrecht geht. Es wäre schön gewesen, wenn sich die Landesregierung auch dazu positioniert hätte. Dabei hätte sie auch erwähnen können, dass der Anspruch auf Opferrente in Brandenburg - siehe Tätigkeitsbericht der Aufarbeitungsbeauftragten - im Gegensatz zu den anderen neuen Ländern ausnehmend kleinlich geprüft wurde, mit der Folge, dass viele Ansprüche in Brandenburg abgewiesen wurden, die in anderen Ländern selbstredend anerkannt worden waren.

In dem vorliegenden Papier ist von all dem nichts zu lesen. Stattdessen wird uns die Zustimmung zu einem Bundesgesetz unter dem Label „Initiativen der Landesregierung“ verkauft.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wenn wir schon bei Bundesgesetzen sind, möchte ich auch noch einmal auf das novellierte Stasi-Unterlagengesetz zu sprechen kommen. In der Antwort der Landesregierung auf die Fragen 28 und 29 ist vermerkt, dass diese Gesetzesnovellierung von Brandenburg aktiv unterstützt wurde.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: So ist es!)

Richtig! Aber als es dann zur Anwendung kommen sollte, hat es sofort einen Grundsatzstreit in der Landesregierung ausgelöst. Wir erinnern uns: Während Herr Woidke die Gesetzesnovelle ausdrücklich begrüßte, erklärte sein Kabinettskollege Markov - das ist ein wörtliches Zitat -:

„Dieses Gesetz weise ich zurück.“

Ich meine, da war zumindest an einer Stelle der Landesregierung der rote Faden doch gehörig abhanden gekommen.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen letzten Punkt kommen. Hinter all den Zahlen, die uns die Landesregierung hier präsentiert, stehen Menschen, Menschen, denen in der DDR Unrecht widerfahren ist. Über die Opfer der Diktatur heißt es im Tätigkeitsbericht der Landesbeauftragten:

„Sie leiden unter einem gesellschaftlichen Klima, in welchem die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR verklärt werden und die Diktatur verharmlost wird. Viele von ihnen vermissen eine angemessene Würdigung ihres Widerstands und des Leids, das ihnen durch das SED-Regime zugefügt wurde.“

Unabhängig von den Antworten auf diese Große Anfrage, die nicht befriedigen können, meine ich, das ist der Maßstab, an dem wir uns alle ausrichten sollten. Das gilt auch für die Landesregierung. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Der Chef der Staatskanzlei, Herr Staatssekretär Gerber, hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist: Die Verbesserung der Bedingungen für SED-Opfer in Brandenburg war möglich, sinnvoll und nötig. Das gilt insbesondere auch für ihre gesellschaftliche Würdigung; Herr Dombrowski, Sie haben das eingangs ausdrücklich angesprochen.

Wir haben als Landesregierung gehandelt und im Innenministerium für personelle Verstärkung gesorgt, im Landesamt für Soziales und Versorgung die Strukturen verbessert und eine intensive Zusammenarbeit mit der Landesbeauftragten Frau Poppe aufgebaut.

Richtig ist aber auch Folgendes: Zum einen waren und sind SED-Opfer in Brandenburg grundsätzlich nicht schlechter gestellt oder schlechter behandelt worden als in anderen neuen Ländern. Zum anderen ist nicht alles, was sich einige Menschen, die zu DDR-Zeiten verfolgt oder benachteiligt waren, wünschen und was vielleicht auch ich mir wünschte, heute vom Staat leistbar.

Dafür gibt es viele Gründe, auch juristische. Es sind Gründe, die auch in bestehenden bundesrechtlichen Rahmensetzungen liegen - wir sind als Land Brandenburg nicht alleine auf der Welt. Deswegen muss aus Sicht der Landesregierung dieser Aspekt hier auch angesprochen werden. Das ändert aber nichts daran, dass wir weiterhin mit aller Kraft dafür arbeiten werden, dass ehemals politisch Verfolgte und Benachteiligte in Brandenburg gut beraten, unterstützt, rehabilitiert und gewürdigt werden. Das ist und bleibt unsere Aufgabe.

Damit bin ich beim zweiten inhaltlichen Schwerpunkt der Großen Anfrage, der Vermittlung der DDR-Geschichte, was soeben hier auch schon angesprochen wurde. Das Thema ist in unserem Land präsent. Es ist vielleicht auch eine natürliche Entwicklung, dass nach über 20 Jahren, die die Geschehnisse zurückliegen, das Interesse wieder wächst, was in den ersten Jahren danach nicht der Fall war. Das haben wir so auch schon in anderen historischen Epochen gesehen. Es stößt also bei uns wie auch anderswo wieder auf Interesse, denn es ist doch ein Teil unserer Geschichte - in Brandenburg und in Deutschland. Es muss daher auch an den Schulen intensiv vermittelt werden; Herr Rupprecht hat eben darauf hingewiesen. Diese Vermittlung von DDR-Geschichte in den Schulen findet, so glaube ich, mittlerweile intensiver und besser statt als bislang. Aber auch außerhalb der Schulen wird ernsthaft, wissenschaftlich untersetzt, anschaulich, regional und unter Einbeziehung von Zeitzeugen, Historikern und Pädagogen gearbeitet.

Ich möchte noch einen Punkt herausgreifen, der auch angesprochen worden ist: die Arbeit mit den Zeitzeugen, insbesondere wenn diese diskriminiert, verfolgt und benachteiligt worden sind. Wie wichtig die Zusammenarbeit mit diesen Zeitzeugen ist, wissen wir aus der Vermittlung der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte, des Nationalsozialismus, aber auch aus DDR-Zeiten. Die Veranstaltung in der Leistikowstraße in der vergangenen Woche hat das noch einmal deutlich gezeigt.

Für die nachhaltige Vermittlung von DDR-Geschichte sind solche Zeitzeugen und die Opferverbände von herausragender Bedeutung. Unsere Antworten auf die entsprechenden Fragen zeigen, dass uns der Zusammenhang zwischen Rehabilitierung und Würdigung der SED-Opfer einerseits und ihre Einbeziehung in die Aufarbeitung und Vermittlung von DDR-Geschichte andererseits sehr bewusst ist. Wir haben selbstverständlich - wie alle anderen Bundesländer auch - Veranlassung, an der DDR-Geschichte dranzubleiben und darauf zu achten, auch die nächste und übernächste Generation mitzunehmen. Wie das gelingen kann, zeigt gerade die neue Dauerausstellung in Eisenhüttenstadt zur Alltagsgeschichte in der DDR.

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung nimmt ihren Teil der Verantwortung für die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit wahr und leistet im Übrigen ihren Beitrag zur Aufarbeitung des Transformationsprozesses in unserem Land. Wir sind in den letzten Jahren besser geworden, und wir werden uns weiter anstrengen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Gerber. - Wir sind damit am Ende der Aussprache. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 16 ist hiermit zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf: