Protokoll der Sitzung vom 06.06.2012

Wenn man sagt: Nein, es ist alles toll, frage ich mich: Warum haben wir mehr als 20 Bürgerinitiativen mit mehreren 10 000 Mitgliedern? - Das kann doch nicht allen Ernstes das Ergebnis guter Kommunikation und guter Politik sein.

(Beifall Grüne/B90 und FDP)

Wenn man wie Sie sagt, es ist alles prima, dann braucht man auch nichts zu ändern. Wenn man aber sagt, es ist doch nicht so prima, müsste man vielleicht etwas verändern. Dabei will ich ausdrücklich anbieten, dass ich unterstützend helfen möchte. Der Punkt ist nur: Genau das wird nicht gewollt. Insofern fragt man sich: Wo liegt das Problem? - Das Problem ist, dass man Kritik und Kritiker nicht mag. Gute Freunde erkennt man jedoch daran, dass sie einem auch einmal etwas sagen, was einem nicht so gefällt. Das habe ich Ihnen seit vielen Jahren immer wieder gesagt. Das war nicht gelitten. Irgendwann ist man es dann aber auch leid und sagt: Okay, man muss sich das nicht weiter antun. - Ich will es trotzdem noch einmal versuchen, weil es um die Sache geht. Schließlich geht es hier um mehrere 10 000 Menschen. Insofern ist es die Sache wert.

Frau Gregor-Ness sagte mir vorhin: Ja, die Gräben sind so tief. Darauf antworte ich: Mein Gott, es gibt keinen Graben, den man nicht zuschütten kann, wenn man es will.

(Frau Gregor-Ness [SPD]: Dann mach mal‘ mit!)

Was sind unsere Probleme? - Banal im Vergleich zu denen, die andere Menschen in der Welt haben. Man kann also die Gräben zuschütten, aber man muss es wollen. Wenn man jedoch mit altem Wein in neuen Schläuchen weitermacht, wird es nicht funktionieren.

Weshalb in drei Gottes Namen fällt es Ihnen so schwer, zu sagen: Okay, wir haben dort einen großen Fehler begangen, wir haben ein Problem und halten inne; wir denken einmal nach und führen eine Kurskorrektur durch? - Warum fällt Ihnen das so schwer? Ich werde Ihnen sagen, warum Ihnen das so schwerfällt: Manche denken, es bräche ihnen ein Zacken aus der Krone, wenn sie das eben Gesagte offen einräumen würden.

Zu diesem Thema habe ich mir noch einmal die Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten vom 21. Mai 2012 durchgelesen.

(Zuruf von der CDU: Er ist nicht da!)

- Er kann es auch nachlesen. Zudem ist es nicht nur an ihn gerichtet, sondern an Sie, meine Damen und Herren von SPD und Linkspartei.

In dieser Regierungserklärung kommt das Wort „Fehler“ exakt zweimal vor. Gemeint sind aber nicht eigene Fehler, sondern die Fehler anderer, für die man sich entschuldigt. Wenn das so gemeint ist, dann tut es mir leid, dann kann ich es nicht nachvollziehen. Man muss doch auch einmal zugeben können, dass man sich verrannt hat.

(Beifall GRÜNE/B90, FDP und der Abgeordneten Dom- browski und Lakenmacher [CDU])

Meine Damen und Herren, das Dumme an der Sache ist: Wenn Sie so weitermachen, ist das nicht Ihre Privatangelegenheit. Diese Suppe müssen alle auslöffeln, insbesondere die Menschen, die im Umfeld des BER wohnen. Sie, meine Damen und Herren, die nicht im Umfeld wohnen, die es dort nicht aushalten müssen und sich auch nicht mit dem Bürger auseinandersetzen müssen, werden es auch aushalten müssen, weil all die dort erzeugten Probleme Geld kosten werden.

(Frau Alter [SPD]: Wir haben auch Probleme, die wir aus- halten müssen!)

- Liebe Elisabeth, ich habe dir bereits vor fünf Jahren gesagt: Irgendwann wird die Menge des Geldes, das in dieses große schwarze Loch fließt, auch in deinem Wahlkreis bekannt werden, und dann wirst du den Menschen erklären müssen, warum du etwas getan bzw. nicht getan hast.

(Zurufe der Abgeordneten Frau Kircheis und Frau Alter [SPD])

Verständigung bedeutet, dass man sich auf Augenhöhe begibt. Ich frage mich, wer von Ihnen in der vergangenen Zeit einmal dort war und sich bemüht hat.

(Homeyer [CDU]: Wir waren letzte Woche dort!)

Ich rede von den 20 Bürgerinitiativen, Gemeindevertretern und Kreistagsabgeordneten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, statt einen Neuanfang zu wagen, hangeln Sie sich von einer Halbherzigkeit zur nächsten. Das ist schade; denn es gibt andere gute Beispiele am Flughafen Wien-Schwechat oder Frankfurt am Main. Frau Gregor-Ness sagte dazu: In Frankfurt am Main hat es auch nicht funktioniert; das Mediationsverfahren ist jetzt nicht mehr so toll. - Ja klar, weil die hessische Regierung das Mediationsverfahren mit Füßen getreten hat. Aber in drei Gottes Namen, ich nehme doch nicht an, dass, wenn wir in Brandenburg ein Mediationsverfahren durchführen, unsere Regierung das Ergebnis eines Mediationsverfahrens mit Füßen treten wird. Wenn das die Arbeitshypothese ist - wir versuchen, ein Ergebnis zu erzielen, und gehen im Kopf so heran, dass wir das nicht brauchen, weil die Regierung sich nicht daran halten wird -, finde ich das grotesk.

Wir werden hier wortreiche Erklärungen hören, warum diesem Antrag nicht zugestimmt werden kann und warum man das alles nicht will. Die Menschen draußen werden das zur Kenntnis nehmen und bewerten. Die sind letztlich nicht blind, sondern bilden sich ihr eigenes Urteil. Ich spreche hier lediglich

das aus, was die Menschen mir auftragen, hier zu sagen. Das mag Ihnen nicht passen und unangenehm sein, aber es ist so. Ich wollte die Chance nutzen und ein Angebot unterbreiten. Okay, ihr steckt jetzt im Loch, aber ich reiche den Arm, um dort herauszuhelfen. Wenn das aber nicht gewollt ist, dann ist es nicht gewollt. Das tut mir furchtbar leid; denn am Ende müssen alle gemeinsam die Suppe auslöffeln und das Ganze ausbaden. Das bedaure ich zutiefst.

Ich würde mich freuen, wenn einige, die vor Jahren noch eine andere Auffassung hatten und nun merkwürdig mutiert sind, vielleicht doch die Größe hätten, sich dem anzuschließen. Darüber würde ich mich freuen; denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

(Beifall GRÜNE/B90, FDP und des Abgeordneten Dom- browski [CDU])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Christoph Schulze. Die von Ihnen geforderten und gewünschten acht Minuten haben Sie fast bekommen. - Wir kommen nun zum Beitrag der CDUFraktion. Herr Abgeordneter Genilke hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Gleich zu Beginn meiner Rede möchte ich eines klarstellen, das, glaube ich, nicht nur uns umtreibt, sondern auch einige im Saal, aber vor allem die Brandenburgerinnen und Brandenburger: sie haben eines gemeinsam, sie sind nämlich alle stocksauer - dieses Wort haben Sie geprägt, Herr Ministerpräsident -, und nicht nur das, sie sind vor allem auch stocksauer auf Sie:

(Beifall CDU - Frau Alter [SPD]: Oh!)

stocksauer darüber, dass sich die Region Berlin-Brandenburg vor aller Welt bis auf die Knochen blamiert hat, stocksauer darüber, dass Sie die Bürger mit 17 Millionen Euro mehr beim Lärmschutz abspeisen, während sich die Kosten beim Terminal zwischenzeitlich auf 1,22 Milliarden Euro verdoppelt haben, ohne dass Sie darüber in der Öffentlichkeit auch nur ein einziges Mal ein Wort verloren hätten,

(Frau Lehmann [SPD]: Sagen Sie einfach, warum!)

stocksauer darüber, dass Sie Ihre eigene Verantwortung in diesem ganzen Desaster nicht eingestehen,

(Holzschuher [SPD]: Weiter so!)

sie lieber auf andere abschieben und Bauernopfer suchen.

Zusammengefasst: Wir sind stocksauer darüber, dass Sie beim wichtigsten Infrastrukturprojekt dieses Landes auf ganzer Linie versagt haben und dies die Bürger dieses Landes ausbaden müssen.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Ausbaden heißt hier klipp und klar: Sie werden es bezahlen müssen.

In den vergangenen Wochen seit dem 8. Mai wurde viel erklärt. Es wurden viele Fragen gestellt, aber die wenigsten sind beant

wortet. Am 22. Juni erwarten wir nun hoffnungsvoll endlich die ersten offiziellen Zahlen zur finanziellen Situation des Flughafens, und ich sage Ihnen ganz deutlich: Jedes privat geführte Unternehmen - nicht mit drei öffentlichen Gesellschaftern im Rücken - wäre bereits vom Markt verschwunden.

Die CDU-Fraktion hat Ihnen, Herr Ministerpräsident, nun mittlerweile zwei offene Briefe zukommen lassen, den ersten am 15. Mai, den anderen gestern. Ich denke, darin stehen die wichtigsten Fragen, die sich bisher ergeben haben und für die wir nach wie vor keine Antworten von Ihnen erhalten haben, auch nicht auf die vom 15. Mai. Wir fordern Sie deshalb auf, diese und weitere Fragen unverzüglich zu beantworten. Der Landtag Brandenburg muss in Zukunft viel intensiver in den Prozess der Flughafenentwicklung einbezogen werden. Ab sofort - das steht in unserem Antrag - müssen nach jeder Aufsichtsratssitzung der Hauptausschuss und monatlich der Landtag in einem Bericht über den aktuellen Stand und die wichtigsten Entscheidungen informiert werden.

(Dombrowski [CDU]: Nicht am Lagerfeuer!)

Eine nochmalige Eröffnungsverschiebung muss definitiv ausgeschlossen werden. Dabei gibt es jetzt schon viele Stimmen, die bereits den neuen Termin infrage stellen. Herr Ministerpräsident, Sie selbst sprechen schon wieder - wie vor einem halben Jahr - von ambitionierten Eröffnungsterminen. Das lässt nichts Gutes ahnen. Die Lufthansa bezeichnet den neuen Eröffnungstermin ohne zeitlichen Puffer - das hat der Aufsichtsrat ausdrücklich so genehmigt - bereits als fahrlässig. Wir erwarten daher von Ihnen belastbare Aussagen zu den zeitlichen Planungen. Bis Mitte Juni müssen die Brandschutzkonzepte vorliegen. Das ist bereits in der nächsten Woche. Ich denke, Sie können heute die Gelegenheit dazu nutzen, uns wenigstens darauf eine Antwort zu geben; denn was Sie heute nicht beantworten können, können Sie auch in acht Tagen nicht beantworten.

Wie wenig Sie selbst im Stoff stehen, zeigt Ihre Aussage am Tag der Verkündung der Eröffnungsverschiebung am 8. Mai, dem Tag, an dem Sie stocksauer in die Kameras blickten und von einem Termin Ende August redeten. Wie wenig muss man mit der Materie vertraut sein, um derart falsch zu liegen?

(Beifall und Heiterkeit CDU)

Es ist nämlich nicht der August 2012, sondern es wird der März 2013 sein. So der Plan. Neun Monate später kann die Eröffnung des Flughafens offensichtlich stattfinden. Zu groß sind ganz offensichtlich die Probleme, zu groß die baulichen Rückstände, zu groß das Defizit Ihres eigenen Kenntnisstandes, den Sie im Aufsichtsrat gewonnen haben oder eben nicht wissen wollten.

Nun haben Sie bekanntlich viele Maßnahmen ergriffen, wie wir lesen und in Ihrer Videobotschaft hören konnten, die den Bau schneller voranbringen sollen. Die Fachausschüsse des Aufsichtsrates - so sagen Sie dort - sollen noch kritischer nachfragen, das Controlling soll verbessert werden und es sollen häufiger unabhängige Gutachter zu den Aufsichtsratssitzungen geladen werden. Meine Güte, Herr Ministerpräsident, man fragt sich tatsächlich: Was hat dieser Aufsichtsrat eigentlich bis heute gemacht?

(Beifall CDU und GRÜNE/B90 - Zuruf des Abgeordne- ten Holzschuher [SPD])

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Der Ministerpräsident hat hier gestanden und gesagt, er möchte vorbeugend sagen, was er für eine Aufsichtsratssitzung bekommt. 129 Euro, glaube ich, war die Auskunft. Ich muss Ihnen sagen, für diese Arbeit hat er aber auch nicht mehr verdient.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Jetzt soll nach Ihren Worten - auch das kam in der Videobotschaft - Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen und der Flughafen ohne Provisorien eröffnet werden. Bei diesen Worten sollte es Ihnen selbst schaudern. Das heißt nämlich im Umkehrschluss, dass es offenbar bisher so war, dass Schnelligkeit vor Gründlichkeit ging.

(Beifall CDU)

Gäbe es nicht die Mitarbeiter im Bauamt des Landkreises bzw. die Planer, die Ihren geplanten Provisorien den Riegel vorgeschoben hätten, wäre dieser Flughafen genau so in Betrieb gegangen, dieser Flughafen - das wissen wir und es ist keine Floskel mehr -, der zu klein, zu teuer und nach wie vor zu laut ist. In der Videobotschaft spricht der Ministerpräsident: Selbstverständlich werde mit der Inbetriebnahme eine vollautomatische Brandschutzanlage gebraucht, dafür stehe er, und das müsse durchgesetzt werden.

Sie hätten die Sicherheit von Tausenden von Reisenden fahrlässig aufs Spiel gesetzt, denn noch am 20. April haben Sie gesagt, wir könnten mit der Mensch-Maschine-Technik leben. Allein mit dem aberwitzigen Plan, den modernsten Flughafen gerade beim höchst sensiblen Bereich Brandschutz so in Gang zu setzen, dass mit 700 studentischen Hilfskräften im Brandfalle die automatischen Türen zu bedienen seien und die Sprinkleranlage von Hand angeschaltet werden solle, haben Sie das Vertrauen der Handelnden aufs Äußerste beschädigt.