Protokoll der Sitzung vom 06.06.2012

Sie hätten die Sicherheit von Tausenden von Reisenden fahrlässig aufs Spiel gesetzt, denn noch am 20. April haben Sie gesagt, wir könnten mit der Mensch-Maschine-Technik leben. Allein mit dem aberwitzigen Plan, den modernsten Flughafen gerade beim höchst sensiblen Bereich Brandschutz so in Gang zu setzen, dass mit 700 studentischen Hilfskräften im Brandfalle die automatischen Türen zu bedienen seien und die Sprinkleranlage von Hand angeschaltet werden solle, haben Sie das Vertrauen der Handelnden aufs Äußerste beschädigt.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90 - Zuruf der Abgeordne- ten Melior [SPD])

Angesichts dieser Tatsachen kann man nur dankbar sein, dass die Verschiebung letztlich damit begründet wurde, dass ein Ingenieur den Antrag nicht unterschrieben hat, den er eigentlich bei der Bauaufsicht hätte einreichen müssen, denn dies hätte zum Fiasko werden können. Das, was ich heute gehört habe, auch von Herrn Mehdorn, man hätte nicht so pingelig zu sein brauchen, schließlich könne man im Drei-Schicht-System ein paar Feuerwehrleute hinstellen, lässt geradezu vermuten, dass es diese Ansicht hier offensichtlich in ganzer Breite gab, dass man das mit dieser „Brandschutzmaßnahme“ in Gang setzen kann. Vertrauen in das Unternehmen von Herrn Mehdorn hat das bei mir zumindest nicht geweckt.

(Beifall CDU)

Aber die nächste Unfassbarkeit - damit komme ich zu einem Hauptthema - ist die Entscheidung des Aufsichtsrates nach dem 8. Mai, die gesamte Projektsteuerung auf die Mitarbeiter der Flughafengesellschaft zu übertragen. Dazu muss ich Ihnen sagen: Es ist genau die Flughafengesellschaft, die der Meinung ist, dass 95 % der vom Lärm Betroffenen selbst daran schuld seien, dass sie noch keinen Lärmschutz hätten, die Flughafengesellschaft, die es längst aufgegeben hat, Kosten und Projekt im Griff zu behalten, die Flughafengesellschaft, die uns er

zählt, mit Blechhütten und Zelten den Passagieransturm des zu klein konzipierten Flughafens abwickeln zu wollen, die Flughafengesellschaft, die Ihnen, Herr Ministerpräsident, noch bis zum 7. Mai die Meinung entgegensäuselte, den Flughafen tatsächlich am 3. Juni eröffnen zu können. Diese Flughafengesellschaft übernimmt nun ohne Einarbeitungszeit die Aufgabe einer hoch dotierten Planungsfirma, und die Experten schütteln darüber bereits jetzt die Köpfe.

(Senftleben [CDU]: Nein, das geht gut!)

Da fragt man sich prinzipiell: Was hat die Flughafengesellschaft mit ihren hundert Managern, wenn sie jetzt noch nebenbei ein solches Projekt abwickeln kann, bis jetzt gemacht? Ich denke, das ist eine berechtigte Frage, wenn das als Zusatzleistung so nebenbei noch obendrauf kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Schluss muss ich zum wiederholten Male auf das Thema Lärmschutz eingehen, denn auch hier haben wir allen Grund, stocksauer zu sein. Die Unverhältnismäßigkeit zwischen der Baukostensteigerung allein im Terminal von 600 Millionen Euro und den zusätzlichen Mittel für den Schallschutz von 17 Millionen Euro habe ich eingangs bereits benannt. Richtig dem Fass den Boden schlägt für mich jedoch das Anliegen der Flughafengesellschaft aus, die Kosten für den Schallschutz über den Änderungsantrag zum Planfeststellungsbeschluss kleinzurechnen. Nur auf unsere Anfrage hin haben wir heute erst einmal erfahren, dass man dies tatsächlich so vorhabe und das Ministerium nicht gewillt sei, hierbei schneller voranzugehen.

Bis heute schweigt der Ministerpräsident, wie er sich zu dieser Problematik im Aufsichtsrat verhalten hat.

(Holzschuher [SPD]: Wir sind hier nicht in China, bei uns gibt es „leider“ rechtsstaatliche Verfahren!)

- Ist ja schön, dass Sie jetzt schon China erwähnen. Ihr Anspruch scheint nicht besonders hoch zu sein, Herr Holzschuher.

(Heiterkeit und Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Ich habe einen Anspruch an den Rechtsstaat in Bezug auf das Planfeststellungsverfahren!)

Es kann nicht sein, dass wir hier immer wieder über Lärmschutz und Schallschutz reden und dann mit höchstwahrscheinlicher Billigung des Aufsichtsrates ein Antrag gestellt wird, der zum Ziel hat, die Schallschutzziele aufzuweichen.

Nun erklärte der Infrastrukturminister in der letzten Woche noch - er hat es auch heute getan -, dass der Antrag nicht mehr in diesem Jahr beschieden wird. Die Folge ist, dass wir sehenden Auges weiterhin den falschen Schallschutz verbauen und all diese Häuser in zwei, drei Jahren neu schallisoliert werden müssen.

Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie deshalb auf, diesem Irrund Unsinn sofort Einhalt zu gebieten!

(Schulze [fraktionslos]: Der jetzige Schallschutz ist schlicht und einfach rechtswidrig!)

- So ist es.

Im Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes ist übrigens klar beschrieben, dass das MIL als Planfeststellungsbehörde das Recht dazu hat, die regelkonforme Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses anzuordnen. Mit jedem Tag, den wir warten, wird der finanzielle Schaden größer. Herr Ministerpräsident, Sie haben geschworen, Schaden vom Land abzuwenden. Ich denke, hier ist es angebrachter denn je, den Schaden nicht noch zu vergrößern. Jetzt gilt es, dort einzugreifen und die Installation des falschen teuren Lärmschutzes - auch wenn er der einfachere ist, so ist er dennoch teurer, erst recht, wenn ein zweites Mal Hand angelegt werden muss - zu stoppen. Beenden Sie diesen Irrsinn!

(Beifall CDU)

Herr Ministerpräsident, füllen Sie Ihre Worten mit Leben und nutzen Sie die bis zur Eröffnung verbleibende Zeit, die Schallschutzmaßnahmen signifikant voranzubringen und bis zum nächsten Eröffnungstermin abzuschließen! - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Jungclaus setzt die Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! „BER - ein Desaster folgt dem nächsten“ könnte der Titel der Flughafenstory heißen. Dabei ist das Lärmschutzdesaster nicht nur uns, sondern auch der Landesregierung schon etwas länger bekannt: seit über einem Jahr. Nun haben wir noch ein Eröffnungs- und und ein Wirtschaftlichkeitsdesaster. Schlimmer kann es also bald nicht mehr kommen. Die Flughafengesellschaft zeugt von grobem Missmanagement, und keiner unserer verantwortlichen Politiker hat etwas mitbekommen. Insgesamt eine katastrophale Bilanz.

Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, und uns bleibt nichts anderes übrig, als schnellstmöglich aus den Fehlern zu lernen und alles daranzusetzen, dass die Flughafengesellschaft realistische Ziele kommuniziert und diese auch einhält. Man hört es schon munkeln, dass der 17. März auch nicht zu halten sei. Das wäre an Peinlichkeit kaum mehr zu übertreffen. Überlegen Sie gut, ob Sie diesen Termin nicht frühzeitig noch einmal korrigieren und nicht wieder erst vier Wochen vor der Eröffnung.

(Beifall GRÜNE/B90)

Was wir fordern, ist auch mehr Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und den betroffenen Unternehmen, aber auch gegenüber den Landtagsabgeordneten. Wir fordern, dass alle Abgeordneten schnellstmöglich Akteneinsicht in sämtliche Unterlagen des Aufsichtsrates und den Businessplan erlangen, um sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen.

Zurück zum Schallschutz. Durch eine Kleine Anfrage haben wir schriftlich von der Landesregierung bestätigt bekommen, dass sich die Flughafengesellschaft beim Schallschutz nicht an die Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses hält. Statt in den sechs verkehrsreichsten Monaten kein Überschreiten des Maxi

malpegels von 55 dB(A) im Rauminneren als Maßstab zu nehmen, wendet sie nach wie vor das NAT-6-Kriterium an und setzt das Schutzniveau eigenmächtig herab. Wie wir in den Ausschusssitzungen regelmäßig bestätigt bekommen, stehen Minister Vogelsänger und sein Infrastrukturministerium zwar zu den Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses, von den Aufsichtsratsmitgliedern Markov, Christoffers und Platzeck haben wir jedoch bisher deutliche Worte vermisst. Sie sind aber die Verantwortlichen, die im Aufsichtsrat sitzen, um ein entsprechendes Machtwort zu sprechen.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Stattdessen hören wir heute Morgen von Minister Vogelsänger, dass die - wohlgemerkt - im Besitz der öffentlichen Hand befindliche Flughafengesellschaft nun die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses beantragt hat. Vielleicht kann uns Minister Christoffers in seinem Redebeitrag nachher erläutern, ob dies mit Wissen des Aufsichtsrates erfolgt ist. Die Betroffenen haben, denke ich, ein Recht darauf, dies zu erfahren, und zwar jenseits von Akteneinsichtsverfahren oder Kaminzimmergesprächen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Es ist also inzwischen tatsächlich zu der paradoxen Situation gekommen, dass das Land Brandenburg als Gesellschafter mit einem Anteil von 37 % einen Antrag auf Planänderung bei sich selbst stellt. Das Ganze wurde unter dem Titel „Klarstellungsantrag“ verpackt und sollte das tatsächliche Anliegen verschleiern: die Festschreibung eines niedrigeren Schutzniveaus mit all seinen juristischen Konsequenzen. Man hat versucht, uns einen Wolf im Schafspelz unterzujubeln, und als Gesellschafter des Flughafens trägt das Land diesen Versuch, das Schutzniveau für die BER-Anrainer aufzuweichen, mit. Sollte es tatsächlich zu einer Planänderung kommen, wäre das eine Ohrfeige für die Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens und ein Skandal sondergleichen.

(Beifall GRÜNE/B90 - Schulze [fraktionslos]: Sie sind doch sowieso nur Kanonenfutter!)

Fast genauso schlimm ist, dass die Flughafengesellschaft die Schallschutzmaßnahmen anscheinend immer noch nach den falschen Kriterien umsetzt. Man muss also davon ausgehen, dass der Großteil aller eingebauten Schallschutzfenster später wieder ausgetauscht werden muss. Meinen herzlichen Glückwunsch! Das zeugt wieder von einem brillanten Management. Dieses Spiel wird erst einmal so weitergehen wie bisher, denn Taten der verantwortlichen Behörden vermissen wir nach wie vor.

(Schulze [fraktionslos]: Wer bezahlt das?)

Wie wir heute erfahren haben, wird ein endgültiger Bescheid über die beantragte Planänderung nicht mehr dieses Jahr ergehen. Errichten wir also munter weiter unzureichende Schallschutzmaßnahmen, ist ja nicht unser Geld, sondern das der Steuerzahler.

Mittlerweile wissen wir nun auch, dass eine korrekte Umsetzung des Schallschutzprogramms finanziell nie eingeplant war. Es wurde also in der Tat vorsätzlich am Lärmschutz gespart.

(Beifall GRÜNE/B90)

Es ist ein Jammer, was man sich an Mehrkosten durch eine miserable Planung leistet und hintenherum am Schallschutz einspart. Die Versprechen zum Schallschutz gleichen den Kondensstreifen der Flugzeuge, die sich nach einiger Zeit in Luft auflösen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Da das Schallschutzprogramm in der Form, wie es bisher läuft, mit großer Sicherheit nicht dazu führen wird, dass alle Antragsberechtigten bis zur Eröffnung im März nächsten Jahres Lärmschutzmaßnahmen erhalten werden, fordern wir nochmals ausdrücklich, für den Flughafen BER ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr durchzusetzen.

(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Denn dies wäre die wirksamste Maßnahme zum Schutz der Gesundheit. Wir wünschen dem Volksbegehren die notwendige Zahl an Unterschriften, damit sich die Landesregierung und der Landtag dann noch einmal damit befassen müssen.

Beim Thema Schallschutz kann man bisher zusammenfassend also sagen: Setzen, Note 6! Zu den nicht minder interessanten Themen Wirtschaftlichkeit und Transparenz wird mein Kollege Axel Vogel nachher noch reden. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie der Abgeordneten Schulze [fraktionslos] und Goetz [FDP])

Die Abgeordnete Gregor-Ness spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Alles prima“, lieber Christoph, habe ich nicht gesagt. Wenn du Versatzstücke aus unserem Gespräch benutzt, dann spreche ich überhaupt nicht mehr mit dir. Ich wollte wieder eine gemeinsame Ebene finden und Gräben zuschütten, aber du benutzt es hier gleich wieder als Forum und Bühne, um dich zu präsentieren. Wer meint hier eigentlich was ernst?

Herr Genilke, Sie bemängeln hier die Beschlüsse des Aufsichtsrates. Sie bemängeln, dass nur 17 Millionen Euro für den Lärmschutz zur Verfügung gestellt werden. Ich frage mich: Wo ist die CDU in Regierungsverantwortung als Anteilseigner mit 63 % Mehrheit, und warum setzt sie das auf der anderen Seite in der Gesellschafterversammlung, im Aufsichtsrat nicht durch? Warum lassen Sie uns mit dem, was Sie hier einfordern, allein? Das ist die Frage, die beantwortet werden muss.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Jungclaus, zum Thema Akteneinsicht: Im Hauptausschuss wurde bereits ausgeführt, dass ein Raum eingerichtet wird, in dem jeder von uns Akteneinsicht nehmen kann. Das ist längst Geschichte. Was das Thema Wirtschaftlichkeit angeht, so bin ich wirklich gespannt, wie die Grünen sich verhalten wollen. Wirtschaftlichkeit kann doch gar nicht Ihr Ansatz sein, denn jeder Flieger, der am BER startet und landet, ist in Ihren Augen ja einer zu viel.