Protokoll der Sitzung vom 06.06.2012

Die Debatte beginnt mit dem Beitrag der Landesregierung. Jetzt müsste Frau Dr. Münch auftauchen. - Wir setzen mit dem ersten Fraktionsbeitrag fort, und zwar spricht der Abgeordnete Hoffmann für die CDU-Fraktion. - Er ist da.

Jawohl, er ist aufgetaucht. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Juni, die EM steht bevor. Das haben wir nicht jedes Jahr. Was wir aber jedes Jahr im Juni haben, ist der Bericht zum Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“. Der darf nicht fehlen. Das ist ein alljährliches und beliebtes Ritual, weil die Regierung glaubt, dass sie damit einen großen Erfolg vorweisen kann.

Ich möchte vorweg eines sagen: In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass sich dieses Handlungskonzept bewährt hat, und die Strategie, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren, ist aufgegangen. Das Zusammenspiel zwischen der Zivilgesellschaft und den Behörden bei rechtsextremistischen Aufmärschen und Demonstrationen hat sich in den letzten Jahren im Land wirklich gut entwickelt.

Ein bisschen Bauchschmerzen habe ich allerdings in Bezug auf die teilweise auftretenden linksextremistischen Begleiterscheinungen, die eine solche Mobilisierung der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus immer mal wieder nach sich zieht. Aber insgesamt klappt es mittlerweile wirklich gut. Und dass auf ganz vielen Ebenen eine große Sensibilität hinsichtlich dieser rechtsextremistischen Probleme herrscht, das hat Brandenburg in erster Linie der Arbeit des „Toleranten Brandenburg“ zu verdanken.

Ich will aber an dieser Stelle trotzdem nicht damit hinter dem Berg halten, dass ich mit dem Bericht nicht vollständig zufrieden bin. Wir haben es nämlich auch jedes Jahr, dass in diesem Bericht immer wieder Tätigkeitsberichte abgeliefert werden, dass sich die Landesregierung hauptsächlich darauf konzentriert, möglichst alle noch so kleinen Maßnahmen der Landesregierung - wie beispielsweise die Schaffung von Spielplätzen und Bewegungsräumen für Kinder - unter diesem Handlungskonzept zu subsumieren, und dass die Quintessenz dieses Berichtes ist, dass wir alle einzelnen Projekte der Ministerien ganz detailliert auflisten. Aus meiner Sicht wirkt das manchmal ein bisschen wie ein hilfloser Versuch, größtmögliche Aktivität zu dokumentieren. Das könnte man im Prinzip auch weglassen, allerdings wäre der Bericht dann nur halb so dick. Das wäre ja auch keine Katastrophe.

Was ich in dem Bericht allerdings vermisse, ist, wie man mit Strukturen des „Toleranten Brandenburg“ auf die veränderten Gegebenheiten der rechtsextremen Szene in unserem Land reagieren will und welche Strategien dafür entwickelt werden; denn man muss einmal feststellen, dass sich diese Szene in den letzten Jahren doch stark verändert hat. Die sichtbaren Strukturen des Rechtsextremismus wie NPD und DVU haben glücklicherweise ihre Anziehungskraft größtenteils verloren. Die DVU, die noch bis vor drei Jahren hier im Landtag saß, hat sich mittlerweile sogar aufgelöst, seit letzter Woche übrigens amtlich, und die NPD hat von dieser Auflösung kaum profitieren können. Auch hier ist Stillstand sowohl in den Mitgliederzahlen als auch in der politischen Relevanz zu verzeichnen. Das Engagement der Zivilgesellschaft hat sich hier deutlich ausgezahlt. Gleiches gilt bei den Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Sie sind seit Jahren rückläufig.

Über kurz oder lang stellt sich die Frage, wie das Handlungskonzept entsprechend weiterentwickelt werden kann. Denn es gibt natürlich trotz dieser positiven Entwicklung auch andere und neue Herausforderungen, wie zum Beispiel das NPD-nahe Netzwerk „Widerstand Südbrandenburg“, das ganz neue Wege geht und leider auch sehr erfolgreich ist, rechtsextremistische Ideologien zu verbreiten und neue Mitglieder zu gewinnen. Diese freien Kräfte prägen in immer stärker werdendem Maße das Bild des Rechtsextremismus in Brandenburg, und sie haben mittlerweile für das gesamte Bundesgebiet eine Vorbildfunktion innerhalb der Szene erlangt. Deshalb möchte ich an der Stelle sagen, dass das Handlungskonzept sich nicht auf den Erfolgen der letzten Jahre ausruhen darf. Wir müssen jetzt schon beginnen, darüber nachzudenken, welche Veränderungen für das Konzept selbst notwendig sind, um auch weiterhin eine erfolgreiche Arbeit für ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg fortsetzen zu können.

Man kann auch ganz klar sagen: Eine veränderte Problemlage braucht eine angepasste Strategie. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn sich die Strukturen des „Toleranten Brandenburg“ auch dieser Herausforderung stellen würden und der Bericht uns Abgeordneten im nächsten Jahr tatsächlich über die Option zur Weiterentwicklung des Handlungskonzeptes unterrichtet. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Frau Ministerin Münch hat jetzt die Gelegenheit. Wir haben etwas Zeit gespart.

Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Die Demokratie stärken, mit Zivilcourage gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit eintreten - aus diesem Leitbild der Landesregierung ist längst ein Leitbild der Brandenburgerinnen und Brandenburger geworden. Im Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ wird diese Entwicklung deutlich dokumentiert. Und wir erleben diese Entwicklung ja im Grunde fast jedes Wochenende, wenn wir sehen, wie an allen Orten der zivile Widerstand vorhanden und stark ist, wenn rechtsextreme Neonazis marschieren wollen, und letzten Endes auch dazu führt, dass Neonazis nicht Fuß fassen können.

Kooperation, Vernetzung und Innovation kennzeichnen die Arbeit des Handlungskonzepts im Jahr 2011. Bürgerbündnisse, Initiativen und engagierte Menschen in den Kommunen kooperieren mit mehr als 60 Expertinnen und Experten des landesweiten Beratungsnetzwerks. Genau das ist im Grunde das Erfolgsrezept, dass die Profis mit der Zivilgesellschaft kooperieren. Die Kooperationspartner arbeiten eng verzahnt mit der Koordinierungsstelle „Tolerantes Bandenburg“. Es gibt 16 lokale Aktionspläne im Land, und es gibt 28 neue Projekte, die über das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ gefördert werden. Sie alle wirken verschränkt zusammen und stärken damit die demokratische Kultur im Land. Die Bundesprojekte sind besonders eng mit dem Beratungsnetzwerk und der Koordinierungsstelle der Landesregierung verknüpft. Sie erproben neue Handlungsfelder zur Stärkung demokratischer Teilhabe und leisten damit einen wichtigen Beitrag im Rahmen des gesamten Handlungskonzepts. Die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ hat sich nicht nur als eine Schnittstelle zu Wirtschaft und Zivilgesellschaft bewährt, sie ist auch eine Schnittstelle zum Bund, koordiniert die Förderprogramme des Bundes und verknüpft sie sinnvoll auch mit brandenburgischen Strukturen. So ist es uns gelungen, 28 Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von rund 3,5 Millionen Euro auf den Weg zu bringen und zu begleiten.

Eine Übersicht der Projekte finden Sie in den Anlagen des Berichts. Dort können Sie auch nachlesen, welche Projekte in Ihren Wahlkreisen konkret stattfinden. Ich halte es für ganz wichtig, dass gerade Sie als demokratisch gewählte Abgeordnete in Ihren Wahlkreisen diese Projekte und Initiativen unterstützen.

Ich möchte kurz stellvertretend drei besonders innovative Projekte vorstellen. Da ist zum einen der Brandenburger Landfrauenverband, der gemeinsam mit der RAA Brandenburg das Projekt PEELA, Initiative für politisches und ehrenamtliches Engagement des Brandenburger Landfrauenverbandes e. V., ins Leben gerufen hat. Mit großem Erfolg haben die Landfrauen ihr Projekt auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin 2012 präsentiert. Sie fördern ehrenamtliches Engagement im ländlichen Raum, ermuntern Frauen, sich in der Kommunalund Landespolitik zu engagieren und entwickeln gemeinsam mit jungen Frauen Perspektiven, in Brandenburg zu bleiben. Das zeigt auch, wie stark das Engagement für Demokratie und gegen Extremismus mit all dem kooperiert, was wir im Land sowieso brauchen. Wir wollen den ländlichen Raum stärken, wir wollen die Rolle von Frauen besonders stärken, und wir wollen insbesondere junge Frauen ermutigen, hierzubleiben. Insofern verschränkt sich das alles miteinander.

Der Landesfeuerwehrverband hat das Beratungsprojekt „Ohne Blaulicht“ entwickelt. Ich weiß nicht, ob die beiden Kollegen da sind, wir liegen ja etwas vorzeitig im Plan, sie wollten herkommen und sich vorstellen. Das Projekt „Ohne Blaulicht“ sucht die freiwilligen Feuerwehren im Land Brandenburg auf und stärkt sie in ihrer Rolle als demokratische Akteure im Gemeinwesen. Ich begrüße die Koodinatorin. Wir sind schon mittendrin, Frau Thiel-Vigh.

(Einzelbeifall)

Ich denke, Frau Thiel-Vigh und ihre Mitstreiter haben wirklich einen Applaus verdient. Dazu kann ich nur ermutigen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Feuerwehrverband „Ohne Blaulicht“ organisiert Beratungen zu Themen wie Kommunikation und Konfliktbearbeitung, Rechtsextremismus und zivilgesellschaftliches Engagement. Der Feuerwehrverband trägt sein Thema „Feuerwehr als zivilgesellschaftliche Kraft“ mit vielen Aktionen ins Land und unterstützt damit die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus ausdrücklich. Auch das ist mir ein ganz besonderes Anliegen; denn wir wissen, in den ländlichen Strukturen gibt es häufig die klassischen Strukturen, die wir vielleicht noch aus den städtischen Räumen kennen, nicht mehr. Häufig sind es gerade noch die Feuerwehren und die Sportvereine, die noch da sind, um Gemeinschaft zu stiften und gemeinsame Aktionen zu ermöglichen.

Das letzte Projekt, das ich kurz anreißen möchte, ist das Projekt „Tore für Demokratie“. Das ist ein Projekt der Brandenburgischen Sportjugend und stärkt demokratische Handlungskompetenzen durch das Projekt Straßenfußball. Denn gerade Straßenfußball mit seinem besonderen Regelwerk eignet sich gut, um Konfliktmanagement zu lernen, Zivilcourage zu stärken, Fairness und Teilhabe zu fördern. In sieben Landkreisen gibt es bereits Modellstandorte für das Projekt. Dabei übernehmen die Jugendlichen selbst vor Ort die Koordination, veranstalten die Straßenfußballturniere, organisieren die sogenannten Teamertreffen und arbeiten in lokalen Initiativen und Netzwerken gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus mit.

Das Projekt Straßenfußball ist auch ein richtiger Exportschlager. Wir hatten bei der Präsentation des Landes Brandenburg im europäischen Ausland die Gelegenheit, die Straßenfußballer mitzunehmen und dort sehr erfolgreich mit großer Teilhabe Turniere durchzuführen.

Ständig im Land unterwegs ist das Demokratie-Mobil, mit dem das Team der Koordinierungsstelle Stadtfeste, Musikveranstaltungen und Aktionen gegen rechtsextreme Aufmärsche begleitet. Dort hinten sitzt stellvertretend für das Team, das eigentlich die gesamten Wochenenden durchgearbeitet hat, Frau Collin. Wir hatten ja auch viel zu tun in diesem Frühjahr. Aber ich denke, es hat sich wirklich gelohnt. Herzlichen Dank auch noch einmal an das Team, Frau Collin!

(Beifall DIE LINKE)

Insgesamt 58 Termine und über 15 000 Kilometer wurden mit dem Demokratie-Mobil in ganz Brandenburg absolviert. Ob bei den Protestaktionen beispielsweise des Cottbuser Aufbruchs gegen die Instrumentalisierung des Jahrestags des Bombenabwurfs auf die Stadt Cottbus durch Neonazis am 15. Februar 2011, ob beim Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ anlässlich des Bundesparteitags der NPD oder bei der Berufsschultour der DGB-Jugend, bei manchen Terminen war die Nachfrage so groß, dass wir gut zwei Demokratie-Mobile hätten brauchen können, um überall präsent zu sein. Für das Jahr 2012 liegen schon rund 70 Terminanfragen vor, und seit Frühjahr dieses Jahres hat das Mobil auch schon wieder 7 000 Kilometer zurückgelegt.

Spannend und innovativ arbeitet die Koordinierungsstelle auch mit ihrem Facebook-Auftritt. Wir wollen uns ja auch immer sehr vernetzen. Wir haben seit April 2011 eine eigene Facebook-Seite. Hier werden nicht nur Veröffentlichungen der eigenen Homepage verlinkt, sondern die Koordinierungsstelle berichtet auch aktuell von den jeweiligen Aktionen vor Ort. Und

nach jedem Demokratie-Mobil-Termin werden die Fotos online gestellt, sodass die Facebook Community die Möglichkeit hat, direkt daran teilzuhaben. Immerhin ist die Seite schon mehr als 280 000 Mal aufgerufen worden, und mehr als 1 400 Mal haben Fans die Meldungen kommentiert. Das „Tolerante Brandenburg“ hat auf Facebook mittlerweile über 600 sogenannte Freunde. In Wirklichkeit sind es natürlich sehr viel mehr, aber immerhin schon 600 über Facebook. Das liegt so im Mittelfeld, denke ich.

Der Landtagsbeschluss zum Wahlalter 16 bringt eine neue Herausforderung für die Koordinierungsstelle und das Beratungsnetzwerk mit sich. Die NPD wirbt schon jetzt um die zukünftigen Erstwählerinnen und Erstwähler. Wir müssen alles dafür tun, dass junge Menschen Demokratie erleben und mitgestalten können und dass sie den Wert von Demokratie schätzen lernen. Auch deshalb brauchen wir das Demokratie-Mobil. Gerade auch deshalb brauchen wir das „Tolerante Brandenburg“, um auch unsere jungen Menschen zum toleranten Brandenburg zu erziehen.

Meine Damen und Herren, der Bericht zur Umsetzung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ zieht eine positive Bilanz. Das Handlungskonzept ist bei den Menschen überall im Land angekommen. Trotzdem wissen wir, auch wenn das rechtsextreme Potenzial in Brandenburg leicht zurückgegangen und die Zahl der rechtsextremen Gewaltstraftaten um die Hälfte gesunken ist: Demokratie bleibt immer verletzbar. Demokratie ist nur so stark, wie wir bereit sind, uns für sie zu engagieren. Eine lebendige und starke Demokratie entwickeln, Zivilcourage stärken und konsequent und wirksam gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit eintreten bleibt eine der wichtigsten Aufgaben der Landesregierung für alle demokratischen Parteien und letzten Endes für alle Brandenburgerinnen und Brandenburger. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Ness spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss zu Anfang sagen, dass mich die Rede des Kollegen Hoffmann ein wenig befremdet hat. Dass er am Anfang meinte, in den Mittelpunkt stellen zu müssen, dass es ein Ritual sei, jährlich über den Bericht des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ zu sprechen, ist, glaube ich, angesichts der Geschichte nach der Wende im Land Brandenburg, angesichts der Opfer, die wir hier durch rechtsextreme Gewalt zu beklagen hatten, eine unangemessene Äußerung. Herr Hoffmann, Sie sind ja wie ich auch erst seit dieser Legislaturperiode Mitglied des Landtags. Dieses Handlungskonzept und der Bericht dazu sind in diesem Landtag von einer anderen Landesregierung beschlossen worden, und zwar einstimmig, in der Ihre Partei damals Mitglied war. Es ist kein Ritual, sondern eine große Notwendigkeit, dass wir über dieses Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ und die Fortschritte, möglicherweise auch Rückschläge, die wir im Kampf gegen Rechtsextremismus erleiden müssen, hier diskutieren und dass wir diese Auseinandersetzung nutzen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese schwierige Arbeit als Profis leisten müssen, hier wür

digen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass seitens aller politischen Parteien die Unterstützung hier heute signalisiert wird, die die Mitarbeiter von demos, den RAAs oder bei der Opferperspektive leisten. Das ist eine sehr wichtige Arbeit, das ist manchmal auch gefährliche Arbeit. Es ist anstrengende Arbeit, es ist notwendige Arbeit, von der wir alle hier in diesem Land profitieren. Ich glaube, es ist das Wichtigste, dass das heute hier sehr deutlich wird.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

In der Tat hat das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass wir hier in Brandenburg einen Klimawandel erreicht haben, auch schneller erreicht haben als andere Ostländer - das muss man an dieser Stelle auch sagen -, weil nämlich irgendwann einmal ein Bekenntnis von Politik stattgefunden hat, dass wir ein ernsthaftes Problem in diesem Land haben.

Viel zu lange ist nicht nur in Ostdeutschland, sondern in Gesamtdeutschland die rechtsextreme Gefahr negiert worden. Wir alle hätten uns so etwas wie die NSU nicht vorstellen können. Die NSU ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs.

Oft haben wir aus falsch verstandener Rücksichtnahme Themen kleingeredet. Brandenburg war das erste ostdeutsche Bundesland, das klar gesagt hat: Wir haben ein ernsthaftes Problem, stellen uns dem aber. Dafür nehmen wir auch Geld in die Hand. Wir versuchen, nicht nur mit Profis auf dieses Problem zu reagieren, sondern auch, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren.

Damals haben andere Bundesländer - insbesondere südlich von uns - noch ganz anders reagiert. Möglicherweise ist der Umstand, dass dort eine andere Herangehensweise gewählt wurde, eine Ursache dafür, dass dort die NSU Rückhalt gefunden hat.

Nichtsdestotrotz dürfen wir uns - insoweit stimme ich Ihnen zu, Herr Hoffmann - nicht auf unseren Lorbeeren der vergangenen Jahre ausruhen, sondern wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, welche Probleme in Zukunft auf uns zukommen können. Eines - „Spreelichter“ - haben Sie bereits angesprochen. Unter diesem Stichwort tut sich im Internet einiges, ausgehend von Südbrandenburg. Das ist technisch sehr modern aufgezogen und auch intellektuell hochgradig gefährlich. Damit stehen wir vor einer neuen Herausforderung. Wir werden auch nicht sofort alle Antworten darauf finden können. Aber ein Problem zu erkennen und zu benennen ist die erste Voraussetzung dafür, es angehen zu können.

Ich sehe noch zwei andere Themen. Das eine ist im Bericht angesprochen worden, das andere noch nicht; aber auch das kommt auf uns zu.

Das Wahlalter 16 ist für uns alle eine Herausforderung. Die Rechtsextremisten werden versuchen, gezielt auf jüngere Wählerinnen und Wähler zuzugehen. Wir haben hier im Landtag beschlossen, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Daher bedeutet es für alle Demokraten in unserem Land eine Herausforderung, uns auch den jüngeren Wählerinnen und Wählern zu stellen und entsprechende Angebote zu unterbreiten, damit sie den Rechtsextremen widerstehen.

(Einzelbeifall DIE LINKE)

Ein anderes Thema - Stichwort: „Spremberg“; es ist in den vergangenen Wochen durch die Presse gegangen - ist die Verbindung zwischen Rechtsextremen und Rockern sowie zwischen Rechtsextremen und Kampfsport. Die Problematik des Kampfsports wird im Bericht angesprochen, die der Rocker noch nicht. Wir haben es mit einem ernsthaften Problem zu tun. Dort gibt es einen gleitenden Übergang zwischen organisierter Kriminalität und rechtsextremistischer Gesinnung. Es scheint mir in Spremberg Ansätze für die Entwicklung einer Gegenmacht auf kommunaler Ebene zu geben. Einige haben viel zu lange die Augen vor dem verschlossen, was dort wirklich passiert.

Ich bin der „Lausitzer Rundschau“ sehr dankbar, dass sie den Mut hatte, dies öffentlich zu machen. Auch in dieser Gegend leben Menschen mit Repressalien. Dieser Landtag muss signalisieren: Wir stellen uns auch dem Problem der Auseinandersetzung mit Rockern, die eine rechtsextreme Gesinnung haben. Wir werden widerstehen und entsprechende Ansätze zurückdrängen, wie wir schon andere Rechtsextremisten in unserem Land zurückgedrängt haben. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Goetz setzt für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der Rednerliste entnehmen Sie, dass ich heute anscheinend der einzige Innenpolitiker unter Bildungspolitikern bin, der zu diesem Thema spricht. Das macht nichts; denn dieses Thema umfasst alle Bereiche.

(Zuruf der Abgeordneten Nonnemacher [GRÜNE/B90])

- Gut, Ursula, du auch.

Die Innenpolitik ist von Intoleranz und Extremismus in gleichem Maße betroffen wie die Bildungspolitik, die Wissenschaft, die Kunst und die Kultur. Es ist also ein übergreifendes Thema, das uns alle angeht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klarstellen möchte ich aber auch: Ich habe nichts gegen Rechts. Ich habe auch nichts gegen Links. Ich gehe davon aus, dass Rechte wie Linke sich auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und damit im Rahmen unseres Grundkonsenses, des Grundkonsenses unserer Gesellschaft, bewegen können.

Ich als Liberaler teile beide Auffassungen nicht - typischerweise nicht -, aber ich erkenne an, dass andere Auffassungen bestehen, die zu tolerieren sind und mit denen wir uns auch hier in diesem Haus auseinandersetzen müssen.