Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, mit dem Familien- und Kinderpolitischen Programm und dem Maßnahmenpaket der Landesregierung haben wir uns schon in der 42. Plenarsitzung befasst. Ich musste aber feststellen, dass es formal vom Landtag nicht zur Kenntnis genommen worden ist.
Erinnern wir uns an diese Sitzung. Minister Baaske stellte in dieser Sitzung die eindringliche Frage:
„Tun wir denn alles, was notwendig ist, um auch freundlich genug zu Kindern und freundlich genug zu Familien zu sein?“
In dieser Sorge und hinsichtlich der notwendigen Maßnahmen, Frau Schulz-Höpfner, sind sich wohl alle Fraktionen einig.
Selbstverständlich haben wir unterschiedliche Sichten über Umfang und Wirksamkeit einzelner Maßnahmen und darüber, wie konkret sie heute gefasst sein können und müssen.
In ihrer Stellungnahme für das Fachgespräch im Sozialausschuss betonte die Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände, dass es notwendig sei, das im Programm erklärte Ziel, Brandenburg zu einer besonders kinder- und familienfreundlichen Region in Europa zu gestalten, genau zu definieren. Diese Forderung greifen wir mit unserem Entschließungsantrag auf.
Wirksame Familienpolitik verlangt das Wirken aller beteiligter Partner auf bundes-, landes- und kommunaler Ebene, der Wirtschaft und der Sozialpartner. Dazu brauchen diese unterschiedlichen Akteure eine verständlich formulierte, aber unmissverständlich verabredete gemeinsame Zielstellung. Diese formuliert unser Antrag in allgemeiner Kürze.
Die Brisanz dieser kurz und eingängig formulierten Ziele wird offenkundig, wenn die zur Verfügung stehenden personellen, sachlichen und finanziellen Mittel und das Primat ihres Einsatzes zur Realisierung dieser Ziele abzuwägen sind. Kinder brauchen Schutz und Zuwendung. Kinder kosten Kraft, Zeit und Geld. Eltern wissen das. Auch wir sollten dies wissen und uns bei den Haushaltsberatungen daran erinnern. Kinder sind unsere Zukunft in unserer alternden Gesellschaft. Wir haben zu wenig Kinder und nicht zu viele Alte. Dadurch wird Kinderund Familienfreundlichkeit zur existenziellen Frage. Es müssen wieder mehr Kinder geboren werden, und die, die wir haben, müssen wir - das heißt die Familie und die Gesellschaft gut behüten.
Unser Antrag legt wert auf die Verständigung über ein Familienbild, das die Veränderungen abbildet, die sich im Zusammenleben mit Kindern, Eltern, Großeltern, Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern sowie Alleinerziehenden vollzogen haben. Deshalb heißt es dort:
„Familie ist dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung übernehmen, unabhängig von der jeweils gewählten Form des Zusammenlebens.“
Sie alle brauchen Anerkennung, Verständnis, spürbare tätige Freundlichkeit dort, wo sie leben, und von denen, mit denen sie vor Ort zusammenleben.
Unsere gestrige Aktuelle Stunde zeigte, welche eminent praktisch-politische Relevanz einem an der Realität orientierten Familienbild innewohnt. Auch in Brandenburg stoßen Regenbogenfamilien noch immer auf Vorurteile, müssen um Akzeptanz und Anerkennung ringen, suchen vor Ort Beratungs- und Informationsangebote und müssen letztlich doch noch auf Berliner Projekte ausweichen.
Der Satz, dass wir starke Kinder und starke Familien brauchen, ist schnell dahingesagt. Das Familien- und Kinderpolitische Programm und das Maßnahmenpaket haben den Anspruch, Brandenburger Familienpolitik in der Einheit von Unterstützung für die Familie, ihre Wertschätzung durch die Gesellschaft und die gesellschaftlichen Anforderungen an die Familie zu gestalten. Diesen Ansatz unterstützt unser Antrag. Wir wollen, dass die Verantwortung, die Menschen innerhalb der Familie füreinander und zugleich nach außen für die Gesellschaft tragen, gleichermaßen Anerkennung finden. Eigenverantwortung und Zuwendung gehören zusammen. Geben wir dem Familien- und Kinderpolitischen Maßnahmenpaket der Landesregierung die Zeit und die Wirkungskraft, bei den Familien anzukommen.
Die Berichterstattung 2014, Frau Schulz-Höpfner, wenn wir wissen, was gelaufen ist, wenn wir wissen, was wir erreicht haben, ist keine Wahlpropaganda, sondern drückt unsere Verantwortung gegenüber den Familien aus. - Ich danke sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Heppener, ich habe mir gerade noch einmal die Beschlussempfehlung durchgelesen, weil ich dachte, ich hätte etwas übersehen. In der Beschlussempfehlung steht weiter nichts Konkretes. Das ist alles bereits im Familien- und Kinderpolitischen Programm enthalten. Darin sind die Ziele ja schon definiert.
Insofern ist es richtig: Wir sollen hier eine Beschlussempfehlung zu einer Beschlussempfehlung machen. Das halten wir für nicht zielführend. Es sagt nichts Neues aus.
Familie ist für uns als Liberale jede auf Dauer angelegte Verantwortungsgemeinschaft, in der Menschen füreinander einstehen. Dieser Familienbegriff - da haben Sie Recht - ist nicht statisch, sondern er muss an die gesellschaftliche Entwicklung angepasst werden. Für uns Liberale ist klar, dass das familiäre Zusammenleben und die Erziehung von Kindern nicht verstaatlicht werden dürfen. Das heißt jedoch nicht, Eltern mit der Verantwortung und der Belastung allein zu lassen. Für uns alle gibt es eine öffentliche Verantwortung für Kinder und für Jugendliche. Neben dem Einsatz der Eltern muss bei Bedarf eine Ergänzung durch pädagogische Angebote und soziale Dienste erfolgen.
Eltern müssen in der Erfüllung ihrer familiären Aufgaben gestärkt und gestützt werden. Eltern müssen aber auch aktiviert werden. Die Zahlen für Brandenburg belegen, dass Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern nur eine sehr geringe Chance haben, sich ihren Begabungen entsprechend zu entfalten. Häufig
mangelt es an Unterstützungsmöglichkeiten durch die Eltern. Chancengerechtigkeit muss jedoch unabhängig von der Herkunft ermöglicht werden. An dieser Stelle müssen familienund kinderpolitische Maßnahmen ansetzen.
Leider tun das die in dem entsprechenden Programm der Landesregierung enthaltenen Maßnahmen nur bedingt, und auch die uns vorliegende Beschlussempfehlung, verabschiedet von SPD und Linken, bewirkt nichts Substanzielles, um diesen Missstand zu beseitigen.
Der Einzelne muss in die Pflicht genommen, bei Bedarf aber auch unterstützt werden. Vorsorge ist immer besser als Nachsorge. Hilfe zur Selbsthilfe muss Vorrang vor staatlicher Daueralimentierung haben.
Das Grundproblem in Brandenburg ist die nach wie vor bestehende Kluft zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungs- und damit auch dem Entwicklungserfolg. Mehr als jedes fünfte Kind in Brandenburg gilt als armutsgefährdet. Im Jahr 2009 erhielten insgesamt 22 % der Kinder unter 15 Jahren Transferleistungen nach dem SGB II, 25 % der Kinder unter sieben Jahren erhielten Sozialgeld. Im selben Jahr wurde bei den Schulanfängern mit niedrigem sozialen Status bei knapp einem Drittel der Fälle Sprachstörungen festgestellt - fast viermal so häufig wie bei Kindern aus Familien mit einem hohen sozialen Status. Knapp 10 % - das wissen wir alle; wir diskutieren darüber oft genug im Bildungsausschuss - der Brandenburger Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss.
Das alles weist auf zwei Defizite hin: Das erste ist ein Defizit in der Bildung, welches gerade den Kindern aus Familien mit niedrigem sozialem Status nur geringe Bildungs- und damit Aufstiegschancen eröffnet. Zweitens haben wir ein Problem bei der Vermittlung von Werten wie Verantwortung, Fleiß und Aufstiegswillen in unserer Gesellschaft, beispielsweise dann, wenn sich Unterhaltspflichtige aus ihrer Verantwortung stehlen, für ihr Kind zu zahlen. An dieser Stelle müssen nicht nur Familien, sondern muss die Gesellschaftspolitik insgesamt, müssen bürgerschaftliches Engagement und sozialer Zusammenhalt aus der Bevölkerung heraus ansetzen.
Die Schaffung von Chancengerechtigkeit unabhängig von der sozialen Herkunft wird das Projekt der Zukunft bleiben. Eine familienfreundliche Infrastruktur in städtischen und ländlichen Räumen gehört hier ebenso dazu wie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, die Stärkung der Elternbildung und der Ausbau familienunterstützender Systeme.
Im Schulbereich muss es gelingen, frühestmöglich die Verbindung zwischen Schule und Wirtschaft herzustellen, um bei jedem einzelnen Schüler die Fähigkeit zu erkennen und möglichst individuell fördern zu können.
Wir sind der festen Überzeugung: Früh ansetzende und umfassende Maßnahmen zur Berufsorientierung legen den Grundstein für den reibungslosen Übergang von der Schule auf den Arbeitsmarkt und für den späteren Erfolg dort. Aber dazu werden wir später am Tag noch kommen.
Was meiner Fraktion im Programm der Landesregierung besonders fehlt, ist das Eingeständnis, dass Familienpolitik in großen Teilen auch Bildungspolitik ist. Beispielsweise wäre es
sinnvoll gewesen, einen Fonds zur personellen Absicherung flexibler Öffnungszeiten von Kindertagesstätten einzurichten und damit auch alleinerziehenden Müttern und Vätern die Möglichkeit zu geben, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Stattdessen enthält das Programm der Landesregierung aus unserer Sicht strittige Programme wie die Familienferien, mit denen sich Politik und Verwaltung in Bereiche einmischen, für die sie nicht zuständig sind.
Weniger Quantität, mehr Qualität - das wäre die Lösung gewesen: ob es die Berufsorientierung ist, wo mit den Projekten „Initiative Oberschule“ und „Berufsorientierung als Chance“ Maßnahmen parallel gefördert werden, die im Zuständigkeitsbereich der Bundesagentur für Arbeit liegen; ob es die verschiedenen, einander überlappenden Maßnahmen zur familiengerechten Stadtentwicklung sind; ob es sich um den Versuch der Landesregierung handelt, Einfluss auf die Wertevermittlung in der Erziehung zu bekommen.
Das von der Landesregierung vorgelegte Programm mag den Anspruch haben, möglichst viele Menschen mit Fördergelder zu beglücken; die drängendsten Probleme im Bereich der Bildung und beim Übergang von der Schule in den Beruf löst es hingegen nicht. Es wird damit - wenn überhaupt - nur bedingt dazu beitragen, die eingangs skizzierten Defizite in Brandenburg festzustellen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig: Mit dem Familien- und Kinderpolitischen Programm sowie dem Maßnahmenpaket beschäftigen wir uns seit einem Dreivierteljahr. Mit dem heutigen Beschluss leiten wir einen weiteren Schritt zur Umsetzung ein.
Der Landtag hat im September 2011 dieses Programm an den Fachausschuss überwiesen; wir haben uns in mehreren Sitzungen damit beschäftigt. Im Februar 2012 fand ein Fachgespräch dazu statt. Ihnen liegt nun der Beschluss des Fachausschusses vor, und wir bitten um Ihre Zustimmung.
„Warum heute nochmals?“, wurde gefragt. Worum geht es denn? Ich glaube, wir sind uns einig, dass Familien- und Kinderpolitik eine Querschnittsaufgabe ist und alle Bereiche umfasst. Es reicht nicht zu sagen: „Dann machen wir ein bisschen was in der Bildung“, sondern es ist, wie gesagt, eine Querschnittsaufgabe.
Einig sind wir uns auch darin: Wenn wir das Paket umsetzen wollen, müssen wir es auch mit dem Frauenpolitischen Maßnahmenprogramm, dem Behindertenpolitischen Maßnahmenprogramm und dem Seniorenpolitischen Maßnahmenprogramm verknüpfen, um es wirklich effektiv nutzen und gestalten zu können. Damit bin ich bei Ihnen, Frau SchulzHöpfner: Natürlich soll es nachhaltig sein, nicht nur für ein Jahr oder für eine Wahlperiode, sondern etwas länger. Darauf werden wir achten.
Es wird darauf ankommen, dass dieses Programm noch öffentlichkeitswirksamer und zielgenauer ausgestaltet und natürlich auch - da passen wir auf - finanziell untersetzt wird. Das ist ein arbeitsintensiver Prozess, der die nächste Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir werden das Thema im I. Quartal 2014 wieder auf der Tagesordnung haben. Das heißt aber nicht, Frau Schulz-Höpfner, dass wir uns zwischendurch überhaupt nicht mehr darüber verständigen könnten. Deshalb - nur deshalb hat es der Fachausschuss abgelehnt, bereits im Dezember 2012, also drei, vier Monate nach der Sommerpause, eine Evaluierung vorzunehmen.
- Das ist uns aber zu kurzfristig. - Lassen Sie uns also noch einmal gemeinsam Schritte zur Umsetzung gehen.
Ich will noch auf zwei Punkte aus der Beschlussfassung des Fachausschusses hinweisen, die mir wichtig sind; Frau Prof. Heppener hat es schon angedeutet. Wichtig ist, dass „Familie“ - jetzt setze ich Familie in Anführungszeichen - im Land generationenübergreifend und unabhängig von der Form des Zusammenlebens gestaltet werden kann. Wichtig ist mir auch, dass wir ein Klima entwickeln, das vor allem die Familienfreundlichkeit von Unternehmen stärker fordert und auch fördert. Hier sind wir alle gefragt, ob auf Bundes-, Landesoder kommunaler Ebene.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Letzten August - 2011 - brachte die Landesregierung ein neues Familien- und Kinderpolitisches Programm mit einem neu strukturierten familienpolitischen Maßnahmenpaket ressortübergreifend zusammengefasst - in den Landtag ein. In fünf Themenschwerpunkten wurden familiennahe Unterstützungssysteme, die Förderung kommender Generationen, die Verbesserung ihrer Bildungschancen, das gesunde Aufwachsen sowie Beteiligungsmöglichkeiten für Familien gebündelt. Nach Einschätzung von Minister Baaske befindet sich Brandenburg mit diesem Programm auf dem Weg zu einer besonders familienfreundlichen Region in Europa.