Protokoll der Sitzung vom 07.06.2012

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Letzten August - 2011 - brachte die Landesregierung ein neues Familien- und Kinderpolitisches Programm mit einem neu strukturierten familienpolitischen Maßnahmenpaket ressortübergreifend zusammengefasst - in den Landtag ein. In fünf Themenschwerpunkten wurden familiennahe Unterstützungssysteme, die Förderung kommender Generationen, die Verbesserung ihrer Bildungschancen, das gesunde Aufwachsen sowie Beteiligungsmöglichkeiten für Familien gebündelt. Nach Einschätzung von Minister Baaske befindet sich Brandenburg mit diesem Programm auf dem Weg zu einer besonders familienfreundlichen Region in Europa.

Ganz so weit sind wir meiner Meinung nach nun doch noch nicht. Denn die Anhörung im Ausschuss zeigte uns zahlreiche Schwachstellen des Familien- und Kinderpolitischen Programms auf, die auch durch die bekräftigende Leitlinienbestätigung im Antrag der Koalitionsfraktionen „Gemeinsam für ein familien- und kinderfreundliches Brandenburg“ nicht wettzumachen sind.

In der Anhörung wurden unter anderem die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Probleme mit der Qualität der Kita-Betreuung, der erhebliche Handlungsbedarf bei der

Sprachförderung, die unzureichende Mobilität von Kindern und Familien im ländlichen Raum sowie die Sinnhaftigkeit der Organisation von Familienferien durch den LASV angesprochen, und es wurden eine bessere Verzahnung der Angebote sowie mehr Wirksamkeitskontrolle der Maßnahmen angemahnt.

Gerade das meiner Meinung nach sehr vielversprechende Programm „audit berufundfamilie“ zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit wird vonseiten der Landesregierung bereits seit März 2011 nicht mehr finanziert, obwohl es im Maßnahmenpaket enthalten ist; das soll bekanntlich bis 2014 laufen.

In der Beschlussempfehlung des Ausschusses steht:

„Der Landtag erkennt insbesondere in der Familienfreundlichkeit von Unternehmen einen unverzichtbaren Baustein für ein familienfreundliches Land Brandenburg.“

Ja, aber dadurch, dass das zuständige Ministerium mit einem „audit berufundfamilie“ zertifiziert ist, ist die Familienfreundlichkeit der Unternehmen in Brandenburg noch nicht hergestellt. Deshalb bleiben im Antrag der Koalitionsfraktionen nur noch der Appell und die Bitte des Landtags an alle Akteure im Land, „die Wirtschaft und die Sozialpartner, Familienfreundlichkeit von Unternehmen in allen Regionen des Landes zu unterstützen und zu praktizieren.“

Appelle - damit kommen wir nicht weiter. Das sind zahnlose Floskeln, die Brandenburg nicht familienfreundlicher machen.

Der in meinen Augen wichtigste Kritikpunkt am Familien- und Kinderpolitischen Programm ist die Sprachförderung. Hier wäre ein Umsteuern des Maßnahmenpaketes auf jeden Fall nötig gewesen; denn bereits die Evaluation der kompensatorischen Sprachförderung hatte ergeben, dass sie ihr Ziel nicht erreicht hat und quasi wirkungslos war. Es reicht nicht, Sprachberaterinnen alle Jubeljahre über das Land zu schicken; Sprachförderung von Kindern muss vielmehr alltagsintegriert, individuell und vor allem kontinuierlich erfolgen. Alltagsintegrierte Sprachförderung kann nur mit genügend Personal verwirklicht werden. Die Erzieherinnen brauchen mehr Zeit für die Ansprache der Kinder. Das Familien- und Kinderpolitische Programm hätte hier unbedingt nachgebessert werden müssen, da es sonst an der Realität vorbeigeht.

Zu konkreten Forderungen konnten sich die Koalitionsfraktionen nicht durchringen. Stattdessen steht im Beschluss des Ausschusses, dass der Landtag feststellt:

„Kinder sollen gesund, in sozialer Sicherheit und Geborgenheit aufwachsen; sie sollen Bildungschancen erhalten und nutzen können...“

Ja, wahrscheinlich würden gerade die Kinder im Alter von zweieinhalb bis viereinhalb Jahren, die mit einer Zunahme von Sprach- und Sprechstörungen - ich verweise hier auf die Evaluation bestehender Instrumente und Vorschriften zur Kindergesundheit - zu kämpfen haben, ihre Bildungschancen nutzen; aber dazu müssten sie erst einmal richtig sprechen können.

In der Abstimmung über die Beschlussempfehlung werden wir uns der Stimme enthalten. Binsenweisheiten wie: „Kinder sind

unsere Zukunft. Wir brauchen starke Kinder und starke Familien“, oder: „Wirksame Familienpolitik setzt... Verständnis für Familien voraus“, kann man nicht widersprechen. Wirklich weiterbringen werden sie uns aber auch nicht.

(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Büttner [FDP])

Minister Baaske spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Tag zunächst einmal!

(Zurufe: Hallo! - Hi!)

Frau Nonnemacher, wenn alles perfekt wäre, bräuchten wir kein Programm - stimmt's? Dann könnten wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen. Aber schon der olle Churchill hat gesagt: Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, der trägt sie an der falschen Stelle. - Das wollen wir nicht tun, sondern wir wollen weiter vorankommen. Ich glaube, dass uns das mit dem Programm schon gelingt und weiter gelingen wird; es ist nämlich sehr konkret.

Ich darf die Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition bitten, es richtig zu lesen: Es ist ein Programm für die gesamte Legislaturperiode.

Liebe Frau Nonnemacher, zum „audit berufundfamilie“ steht hier sehr deutlich, dass es nicht ein Programm für die gesamte Legislaturperiode ist. Als Maßnahmenzeitraum ist hier 12/2006 bis 03/2011 angegeben. Das war just der Monat, zu dem die Förderung auslief. Wir wollen uns hier nicht mit einem Projekt der Hertie-Stiftung schmücken, wenn wir es nicht weiter finanzieren. Das tun wir nicht; der Ehrlichkeit halber muss man das hier sagen. Es wird zwar weiterhin dieses Audit geben, nicht aber eine Förderung durch uns, weil der Verwaltungsaufwand dafür wesentlich höher ist als letztlich die Kosten. Genau deshalb haben wir es abgesagt und herausgenommen.

Ich denke, dass es eine ganze Reihe von guten Maßnahmen gibt, die in diesem Papier stehen. Sie sind umsetzbar und wirken sehr, sehr praktisch.

Ein konkretes Beispiel ist der Familienpass. In der vergangenen Woche war ich draußen im Filmpark; dort wurde der Familienpass übergeben. Die Kids haben gesagt, dass sie ihn kennen und dass sie mit ihren Eltern und dem Familienpass losgehen.

Es bewegt sich tatsächlich etwas vor Ort. Unsere Maßnahmen werden gebraucht. Es ist das Gute daran, dass man hier sehr konkret abhaken kann, was wir mit diesem Programm machen.

Frau Schulz-Höpfner, wenn Sie jede einzelne Maßnahme evaluieren wollen,

(Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Das habe ich nicht ge- sagt!)

dann kann ich Ihnen nur sagen: Die ganze „Evaluiererei“ wird ganz schnell teurer als das gesamte Programm. Sie haben gesagt, wir sollten die Maßnahmen evaluieren, die fertig sind.

(Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Wenigstens kritisch würdigen!)

- Kritisch würdigen werden wir das; das kann ich Ihnen versprechen. Wir werden uns 2014 genau anschauen, was mit diesem ganzen Programm passiert ist. Bei uns in Brandenburg gilt immer noch der gute alte Spruch: Die Küken werden im Herbst gezählt. - Damit meinen wir den Herbst 2014. Dann werden wir ganz genau sehen, was von diesem Papier abgearbeitet wurde und was nicht.

Nun komme ich zu Ihrem Vorhalt, dass wir andauernd Maßnahmen aufnähmen, die mit Haushaltsvorbehalten versehen seien; das sei früher nie der Fall gewesen.

(Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Das war auch nicht der Fall!)

- Ich komme gleich dazu.

Erstens können wir in diesem Programm jetzt nicht Maßnahmen, die 2013/2014 wirksam werden, mit Haushaltsmitteln untersetzen, weil wir für diesen Zeitraum noch gar keinen Haushalt haben.

Jetzt werde ich sehr konkret, verehrte Kollegin Schulz-Höpfner: Ich bitte Sie, die Drucksache 4/2348 - die ist aus der letzten Legislaturperiode; da haben Sie zufällig mitregiert - zur Hand zu nehmen. Das ist die Beschlusslage des Landtags zum Maßnahmenpaket. Ich verweise an dieser Stelle nur auf Maßnahme 26: „Bau verkehrsberuhigter Zonen und Maßnahmen zum Lärmschutz“. Unter „Kosten und Finanzierung“ heißt es:

„Finanzierung erfolgt im Rahmen der jeweils verfügbaren Haushaltsmittel.“

Punkt, aus, vorbei. Behaupten Sie nicht, so etwas habe früher nie dringestanden!

(Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Sie haben es diesmal unter das gesamte Programm geschrieben!)

Bitte keine Zwiegespräche!

Entschuldigung! Dann nehme ich unser aktuelles Programm zur Hand. Hier heißt es zum Beispiel unter Punkt 7 - das habe ich gerade aufgeschlagen - zum „JugendMobil 2010/2011, dafür sind 150 000 Euro eingestellt. Das steht glasklar drin, auch im Haushalt. Das hat auch so viel gekostet. Hören Sie also auf, den Menschen Zeug zu erzählen, das nicht stimmt! Schauen Sie nach, was Sie damals mitbeschlossen haben; dann wissen Sie, dass das schon immer so war: Man kann nicht im Vorgriff in einem Paket Dinge verabreden, für die der Haushaltsgesetzgeber das Letztentscheidungsrecht hat. Darum haben wir das auch nicht gemacht.

Ich danke der Koalition für diesen Antrag und bitte Sie alle, ihm zuzustimmen. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt und kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drucksache 5/5419. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Mehrheitlich ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8.

An dieser Stelle begrüße ich unsere neuen Gäste: den Kreisseniorenbeirat des Landkreises Oberspreewald-Lausitz. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Ich eröffne Tagesordnungspunkt 9:

Empfehlungen zum Änderungsbedarf der Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung und Beratung (gemäß Beschluss des Landtages Brandenburg vom 14.04.2011 - Drs. 5/3082-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 5/4573

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie