Protokoll der Sitzung vom 21.08.2012

Ich gehe auch nicht davon aus, dass ich nächste Woche neue Erkenntnisse gewinnen werde. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, SPD und DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Görke spricht zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Büttner, vielen Dank für die in sehr großen Teilen sehr sachliche Aussprache zu diesem Thema. Ich glaube, jeder hat gesehen, dass die Art und Weise, wie die CDU-Fraktion hier Politik betreibt, eher Fundamentalopposition ist und nicht eine konstruktive Opposition, wie man sie eigentlich erwarten müsste.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Kollege Dombrowski, zum Stichwort Generalsekretär: Ich nehme einmal den Generalsekretär der Berliner CDU. Er wird zitiert mit den Worten:

„Auch wenn es nichts zu beschönigen gibt, empfehle ich jedem, Maß und Nerven zu bewahren.“

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, Maß und Nerven bewahren - treffender kann man es in die Richtung der CDU-Fraktion nach diesem Beitrag wohl nicht formulieren. Sie haben nicht nur dies beides verloren, sondern wahrscheinlich auch aus Ihrem Gedächtnis das eine oder andere, was Sie hier in der letzten Zeit gesagt haben. Ich will gar nicht so weit ausholen - damit Sie noch folgen können.

Wissen Sie wenigstens noch, Herr Dombrowski, was Sie und Ihre Fraktion im Verlauf des letzten Jahres hier alles gefordert haben? Eine Lärmrente auf der Grundlage des sogenannten Klarstellungsantrages, sechsmal Überschreitung des Lärmschutzziels, eine dritte Start- und Landebahn, einen weiteren Flughafenstandort in Brandenburg, mehr Flugverkehr. Den Lärmschutz für immer mehr Betroffene bezahlen Sie dann wahrscheinlich aus den imaginären Gewinnen des Zuwachses im Flugverkehr. Das sind nur einige Dinge, die Sie hier in Anträge geschrieben haben. Die Pirouetten, die Sie außerdem noch in öffentlichen Äußerungen gedreht haben, erspare ich mir. Aber ich könnte noch ein paar zitieren, wenn Sie möchten.

Auch die Aussagen der CDU im Bund und in Berlin - in ihren Wahlprogrammen und in Koalitionsvereinbarungen - sind deutlich. Da steht: „Beseitigung von Beschränkungen für den Luftverkehr“ und „Lärmschutz im Rahmen der Wirtschaftlichkeit“. Nein, wir als Linke bleiben dabei: Wir bauen keinen neuen Flughafen. Wir bauen keine neue Startbahn. Anders als Sie wollen wir keine weiteren Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger - nicht in Schönefeld, auch nicht in Sperenberg. Der beste Lärmschutz ist gegeben, wenn Lärm gar nicht entsteht.

Sie, die CDU, haben die Landesregierung dafür gescholten, dass sie finanzielle Vorsorge für den Lärmschutz trifft, und reden im nächsten Atemzug von „Billiglärmschutz“, von dem die Landesregierung die Flughafengesellschaft endlich abbringen müsse. Das ist der Punkt und eigentlich der Gipfel der Heuchelei. Alle Spatzen pfeifen es von den Dächern. Wenn Sie wieder einmal zu Ihrer Lieblingswaffe der Akteneinsicht greifen, werden Sie es nachlesen können - falls Sie es in den Medien noch nicht mitbekommen haben -: Diese brandenburgische Landesregierung, dieser Ministerpräsident, dieser Finanzminister und dieser Wirtschaftsminister haben sich gegenüber den anderen Gesellschaftern vehement für die Rücknahme des sogenannten Klarstellungsantrages eingesetzt und hatten letztendlich Erfolg.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Senftleben [CDU]: Wann?)

Der Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, Ortwin Baier, hat sich bei meiner Kollegin Kornelia Wehlan, bei der Fraktion und natürlich auch bei der Linken bedankt. Mit Verlaub, Herr Genilke, authentischer und glaubwürdiger ist das allemal als Ihr Beitrag vorhin. Woher nehmen Sie eigentlich die Unverfrorenheit, selbst dann noch solche hanebüchenen Vorwürfe zu konstruieren?

Genauso konstruiert wie diese Vorwürfe in der letzten Zeit ist diese heutige Sondersitzung. Die gibt es nicht, weil sie in der Sache geboten wäre, sondern weil Sie um jeden Preis dieses Thema hier skandalisieren wollen. Es gab in Brandenburg noch nie so viel Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit wie unter dieser Landesregierung und noch nie ein solches Maß an Rechten und Chancengleichheit für die Opposition.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich finde das - wir finden das - im Interesse der Demokratie gut. Unsere Erfahrungen mit der CDU - Herr Dombrowski, in Ihrer Regierungszeit - waren ganz andere.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Es ist ein bisschen schade, dass FDP und Grüne den Unterschied aus eigenem Erleben nicht kennen.

Was Sie von der CDU hier mittlerweile veranstalten, hat - ich sagte es vorhin - nichts mit konstruktiver Opposition zu tun. Es ist doch im Grunde nur noch mit Kopfschütteln zu quittieren: Der Vertreter Ihrer Fraktion fehlt in der PKK-Sitzung.

(Frau Stark [SPD]: Ja!)

Sie bauen sich daraus taktische Spielchen zusammen, um diese Sondersitzung des Landtages „auf das Trapez zu holen“. Sie wollen den Rundumschlag als Selbstzweck und wissen - da gebe ich meinem Kollegen Büttner Recht -, dass wir in der Sache heute nicht weiterkommen. Nach der Aufsichtsratssitzung in der letzten Woche ringen Sie sich zu einem „gewissen Verständnis“ - Herr Kollege Dombrowski - dafür durch, dass der neue Technikchef des Flughafens noch keine endgültige bauliche und technische Einschätzung gewinnen konnte und deshalb auch noch kein Okay zu dem Eröffnungstermin geben kann. Im gleichen Atemzug verlangen Sie aber vom Ministerpräsidenten die Bestätigung des Eröffnungstermins. Herr Kollege Dombrowski, das ist Kreisklasse. Das ist zweite Kreisklasse und nicht Bundesliga, in der Sie spielen wollen.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, wir hatten mit der Absage des Eröffnungstermins am 3. Juni 2012 eine Zäsur beim BBI/BER. Es war aber nicht die erste Zäsur in den letzten 15 Jahren. Der Ministerpräsident hat sich für die Regierung in einer Sondersitzung vor einigen Wochen sehr deutlich erklärt. Er hat Veränderungsbedarf deutlich gemacht, und die Veränderungen sind eingeleitet worden: personell, finanziell und - was uns allen besonders wichtig ist - bei der Umsetzung des Schallschutzes.

Mit der Rücknahme des sogenannten Klarstellungsantrages gegenüber der Planfeststellungsbehörde durch das Votum des Aufsichtsrates und die Aufforderung an die Gesellschafter in der letzten Woche ist der entscheidende Schritt getan worden. Es ist gelungen, in dieser Frage endlich den Weg aus der Sackgasse zu finden. Der maßgebliche Einsatz dieser Landesregierung hat dazu geführt, dass dieses überflüssige Verfahren endlich aus der Welt geschafft ist.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Die so bereits praktizierte Auffassung der FBB, sechsmal am Tag den Grenzwert von 55 dB zu überschreiten, ist endlich vom Tisch. Die Linke hat dieses Herangehen von Anfang an kritisiert. Wir hatten kein Verständnis für diese Aktivitäten vor allen Dingen auch der Geschäftsführung gehabt. Wir haben das für einen Fehler gehalten, der nun korrigiert worden ist. Wir setzten jetzt darauf, dass dies eine reale Basis ist, um den Lärmschutz zügig umzusetzen und Klarheit für die nächsten Schritte zu schaffen.

Von der Flughafengesellschaft erwartet die Linke, was längst überfällig ist: schnelle und unbürokratische Kommunikation mit den Betroffenen, freundliche und bürgernahe Beratung. Das ist nicht nur das Gebot der Stunde, nein, gute Nachbarschaft mit den Flughafenanrainern ist inzwischen auch zur Existenzbedingung dieses Flughafens geworden.

Ich weiß, dass die Lärmschutzwerte, die hier diskutiert werden, für Außenstehende schwer verständlich sind. Aber eines ist doch verständlich: Wir hatten zu befürchten, dass den betroffe

nen Anwohnern zugemutet wird, durchschnittlich bis zu sechsmal am Tag in ihrer Wohnung ein bestimmtes Maß an Lärm hinnehmen zu müssen. Das ist an den meisten deutschen Flughäfen das übliche Maß. Wir hatten und haben auf der anderen Seite ein Spektrum an Interpretationen zwischen durchschnittlich weniger als weniger 0,49 oder 0,5 und niemals. Jeder weiß: Es gibt kein Vielfaches von null, aber doch einen nachvollziehbaren Unterschied zwischen null und sechs. Die „Nuss“ von sechsmal hat Brandenburg geknackt. Das ist ein realer Erfolg, an den nicht alle geglaubt haben, aber er ist jetzt da.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Kollege Burkardt, dass Sie noch vor wenigen Tagen die Konsequenz der Landesregierung bei der Einstellung der Haushaltsmittel für die Nullmal-Überschreitung des Tagesschutzziels laut OVG-Beschluss massiv kritisiert haben. Heute wissen wir, dass letztendlich genau dieses Handeln dieser Landesregierung auch für den notwendigen Druck auf die beiden anderen Gesellschafter Berlin und den Bund gesorgt hat. Neben dem Bund und Berlin - was übrigens immer auch CDU bedeutet - haben wir es noch mit Mathematik, Physik und mit Prognosen zu tun, die zehn Jahre in die Zukunft reichen sollen. Die Prognosen sagen: Rechnerisch kann man nicht bei dem ankommen, was der normale Menschenverstand unter null versteht.

Schlussendlich wird diese Landesregierung am Wort des Ministers Vogelsänger gemessen, der am vergangenen Freitag öffentlich artikuliert hat, dass die unabhängige behördliche Berechnungsgrundlage für 0,49-mal keine „Lex Brandenburg“ ist. Das ist die Berechnungsgrundlage für alle großen Verkehrsprojekte in Deutschland. Der Anwohneranwalt hat Prüfung angekündigt und rechtliche Schritte nicht ausgeschlossen. Das ist die aktuelle Situation beim Schallschutz. Dafür, Herr Kollege Dombrowski, hätte es dieser Sondersitzung nicht bedurft.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Der Kollege Büttner und der Kollege Holzschuher haben zur finanziellen Breite dieses Themas alles gesagt. Deshalb möchte ich nur noch betonen: Wir werden dieses Projekt zu Ende bringen, und zwar solide finanziert. Dafür hat der Aufsichtsrat einen Rahmen abgesteckt und erste Finanzierungswege analysiert, die jetzt im Detail dargestellt werden. Die Brandenburger Landesregierung hat die nötige Vorsorge im Haushaltsentwurf getroffen.

Herr Dombrowski, wo ist jetzt der Widerspruch? Möchten Sie mit den Stimmen aus Ihrer Bundespartei - Herr Kollege Büttner, die Stimmen gibt es natürlich auch bei Ihnen in der FDP;

(Bischoff [SPD]: Oh ja!)

auch die Kurzintervention des Kollegen Goetz, die eigentlich gar keine Kurzintervention, sondern ein vorbereiteter Redebeitrag war, hat es gezeigt -, dass kein Geld mehr gegeben und damit die Insolvenz herbeigeführt wird? Dann sagen Sie es öffentlich und deutlich.

Ich gebe Ihnen einen guten Tipp: Am Mittwoch in einer Woche,

bei der Lesung des Haushaltes, haben Sie die Möglichkeit zu entscheiden und die Hand zu heben, ob dieses Parlament 220 Millionen Euro für den Schallschutz vorsieht.

Meine Damen und Herren, nichts hat uns in den letzten zwei Jahren so stark beschäftigt wie dieser Flughafen. Aber es gibt in diesem Land auch Menschen, deren Problemen, Fragen und Wünschen wir uns auch zuwenden müssen. Wir haben in diesem Parlament jede Menge Möglichkeiten, uns informieren zu lassen und uns sachlich auszutauschen. Im Infrastrukturausschuss ist der Flughafen nach Beschluss aller Fraktionen ständiger und regulärer Tagesordnungspunkt, und zwar öffentlich.

Aus jedem Anlass eine Sondersitzung des Landtages zu basteln bringt niemanden weiter und hilft keinem betroffenen Bürger. Ja, noch mehr, die Art und Weise - schon der Titel dieser Aktuellen Stunde: „Chaos am Flughafen Willy Brandt gefährdet Sicherheit und Zukunft Brandenburgs“ -, diese Chaosszenerie, dieses dumpfe Draufhauen, das Sie vorhin abgeliefert haben, ohne selbst Antworten zu geben, ist kein gangbares Konzept und lässt eher Politikverdrossenheit wachsen. Anders als Sie vielleicht glauben, macht das wahrscheinlich auch vor Ihrer Fraktion nicht halt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir haben wiederum zwei Kurzinterventionen. Herr Genilke noch einmal. Ich weise Sie darauf hin: Das ist jetzt die letzte Kurzintervention, die ich zulasse.

Herr Präsident! Aber ich muss noch einmal auf das reagieren, was Herr Görke gesagt hat. Er sprach gerade von Politikverdrossenheit. Politikverdrossenheit, Herr Görke, entsteht, wenn man von vornherein ein planfestgestelltes Schallschutzziel systematisch verfehlt. Das habe nicht ich festgestellt, sondern das Oberverwaltungsgericht.

Sie haben gesagt: „Das war ein großer Erfolg.“ Das Schallschutzziel sollte zunächst auf der Grundlage von gar nichts verwirklicht werden, jedenfalls nicht auf der Grundlage einer rechtlichen Regelung: sechsmal Überschreitung. Wenn Sie das auf 0,5 mal zurückfahren, was immer noch nicht dem Planfeststellungsbeschluss entspricht, wird das als Erfolg gewertet. Das können Sie doch nicht ernsthaft behaupten. Das erzeugt Politikverdrossenheit. Im Planfeststellungsbeschluss - zu diesem haben wir uns immer bekannt - steht eindeutig - nullmal Überschreitung von 55 dB im Rauminnern, nicht 0,49.

Wenn in Zukunft Planfeststellungsbeschlüsse auslegbar sind sowohl vom Ministerpräsidenten als auch von Ihnen -, empfehle ich Ihnen: Nehmen Sie diesen Faktor von 0,49 doch auch einmal bei der Anzahl der Flugbewegungen in der Nacht. - Vielen Dank.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit! - Zuruf von der CDU: Aber Sie! - Frau Leh- mann [SPD]: Überflüssig!)

Die zweite Kurzintervention kommt von Herrn Schulze.

Lieber Kollege Görke, auf ein Wort bitte: Sie haben gerade gesagt, es sei ein großer Erfolg für Brandenburg im Aufsichtsrat erzielt worden. Ich glaube, es ist der richtige Weg und ein Schritt in die richtige Richtung. Das ist gar keine Frage. Aber, lieber Kollege Görke, was ist das für ein Erfolg? Das ist schlicht und einfach die geltende Rechtslage - nichts weiter.

(Vereinzelt Beifall CDU und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Diese Landesregierung hat im Jahr 2004 - nach vielen Hinweisen, es gab die große Anhörung in Oberschöneweide, die sich über ein Dreivierteljahr hinzog - das Schallschutzziel festgesetzt. Das kann man im Planfeststellungsbeschluss nachlesen.