Was die 10%-Regelung angeht, so ist sie schon in Ordnung. Aber eigentlich haben auch Fraktionen dieses Antragsrecht, und das können sehr viel weniger Abgeordete sein als 10 %. Insofern ist es für diejenigen dann schwerer. Eine Fraktion, die mit 7 % irgendwo in einer Stadtverordnetenversammlung sitzt, hat dieses Recht, und auch hier sind diese Abgeordneten dann Abgeordnete zweiter Klasse, weil sie nicht ihre Fraktion haben, sie müssen nicht nur 7 % oder 6 % bringen, sondern 10 %. Sie brauchen ein größeres Quorum als andere, um einen Antrag einzubringen. Das ist eine Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt ist. Es hat vor dieser Änderung keine Erhebung, keine Statistiken, keine Datensammlungen gegeben, die belegt hätten, dass es notwendig gewesen wäre, diesen Schritt zu gehen. Deswegen bleiben wir bei unserem Antrag.
Dann setzen wir die Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort, für die der Abgeordnete Petke spricht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zunächst einmal beim Kollegen Goetz für die Feststellung, dass sich die Kommunalverfassung in den zurückliegenden anderthalb Jahren - jedenfalls in einigen Teilen - bewährt hat, bedanken. Die Gründe, aus denen wir die Kommunalverfassung da
mals novelliert haben, sind nach wie vor gegeben. Man kann bezweifeln, dass es, wie Sie sagen, dann immer notwendig sei, eine empirische Erhebung anzustellen. Man kann diese Meinung natürlich vertreten.
Allerdings möchte ich ausdrücklich Ihrer Aussage widersprechen, wir hätten damals ein Gesetz verabschiedet, das Abgeordnete in Abgeordnete erster und zweiter Klasse einteilt; denn das hätte es ja dann auch schon davor gegeben. Wenn Sie sich auf die Grundrechte oder Grundfreiheiten berufen, so ist, glaube ich, ein Verweis auf die Grundrechte und Grundfreiheiten des Grundgesetzes bzw. auf entsprechende Vorschriften der Landesverfassung hier nicht angebracht. Hier geht es um andere Tatbestände, geht es um die Organisation der inneren Arbeitsfähigkeit der kommunalen Vertretungen.
Natürlich - weil Sie die betroffenen Vertreter in den kommunalen Parlamenten alle aufgezählt haben - kann man über die Größen diskutieren; das haben wir damals getan. Ich möchte dem Eindruck ausdrücklich entgegentreten, dass das irgendetwas mit Parteimitgliedschaften zu tun hätte. Uns ging es damals um die Organisation der Arbeitsfähigkeit in den Vertretungen, was man auch schon daran erkennen kann, dass es unterschiedliche Größen gibt. Das haben wir sehr wohl abgewogen.
Die Erfahrungen der letzten 13, 14 Monate zeigen, dass es sowohl das Bemühen gibt, die Arbeitsfähigkeit vor Ort zu erhalten, als auch die von uns damals verabschiedeten Regelungen sehr wohl angemessen gewesen sind.
Da Sie hier die Entscheidung des Verfassungsgerichts zitiert haben, möchte ich sagen: Dafür können wir nichts, dass man sich damals bei der Einreichung der Klage auf eine falsche Grundlage gestellt hat. Das müssen schon diejenigen klären, die vor das Verfassungsgericht ziehen. Wenn man vor Gericht geht, muss man immer entscheiden, auf welcher Grundlage man das tut.
Wir haben damals gründlich abgewogen und gleichzeitig die Rechte der fraktionslosen Abgeordneten oder fraktionslosen Vertreter gestärkt. Soweit mir dies aus den Stadtverordnetenversammlungen, den Gemeindevertretungen und den Kreistagen bekannt ist, wird von diesen Rechten, die die Kommunalverfassung einräumt, auch rege Gebrauch gemacht. Ich bleibe dabei - diese Meinung habe ich damals schon vertreten, andere Kollegen auch -: Die Bündelungswirkung einer Fraktion setzt voraus, dass eine gewisse Mindeststärke vorhanden ist.
Jetzt stellen wir uns einmal vor, das Hohe Haus würde diesem Antrag folgen, und bei der nächsten Kommunalwahl geht es wieder anders aus, und Sie haben dann nur noch einen in der Vertretung! Dann würde hier der Antrag gestellt werden, dass man auch mit einem Vertreter eine Fraktion bilden kann. Ich glaube, das ist keine gute Lösung. Wir haben uns zu Recht dafür entschieden. Deshalb wird die CDU-Fraktion dem entsprechenden Vorschlag der FDP-Fraktion an dieser Stelle nicht folgen.
Ich darf zum Abschluss auf einen Satz von Ihnen eingehen: Wenn Sie bei den Linken auf die Hoffnung setzen, können Sie das gern tun, aber so, wie auch die Wählerinnen und Wähler in Brandenburg, die den Linken ihre Stimme gegeben haben, an sehr vielen Stellen bereits enttäuscht worden sind,
so werden auch Sie, Kollege Goetz, an der Stelle von den Linken enttäuscht werden. Da war viel davon die Rede, was sie anders machen werden. Jetzt sind sie in der Realität einer Regierungsfraktion angekommen.
Herr Dr. Scharfenberg, dass Sie nach dem, was Sie hier in den vergangenen fünf Jahren so alles vom Stapel gelassen haben, und dem, was jetzt im Koalitionsvertrag vereinbart ist und was die Regierung da tut, noch lachen können! Meine Güte, es gehört schon eine Menge Mut dazu, dass Sie noch ein Lächeln im Gesicht haben, wenn man die damalige und die heutige Situation miteinander vergleicht. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem wir nun zum Schluss gehört haben, was Herr Petke eigentlich sagen wollte, werde ich versuchen, zum Thema zurückzukommen,
und sage ganz deutlich: Es ist für uns Linke eine wichtige Frage, die die FDP-Fraktion hier aufgeworfen hat. Es ist eine der wichtigen Fragen, für die wir 2011 im Koalitionsvertrag eine Evaluation der Kommunalverfassung vorgesehen haben. Deshalb sehen wir für eine Überweisung dieses Entwurfs keinen Anlass und werden ihm deshalb auch nicht zustimmen können.
Herr Petke wies ebenso irrig darauf hin, dass die Kommunalverfassung schon anderthalb Jahre gilt. Da sind Sie ein wenig der Zeit voraus wie vielleicht manchmal. Seit einem Jahr ist sie in Kraft, sie muss sich bewähren. Wir sammeln in diesem Zusammenhang Erfahrungen. Daher sind zwischenzeitliche Änderungen, nachdem man wenige Erfahrungen sammeln konnte, zwar möglich, aber aus unserer heutigen Sicht wenig zielführend.
Wir haben verschiedene Erfahrungen gesammelt; es sind einige aufgelistet worden. Zu den Erfahrungen gehört eben auch, dass in diversen Vertretungen, namentlich Kreistagen, durch diese Regelungen auch Fraktionen der DVU und der NPD nicht zustande kamen. Wir gehen nicht von dem Aspekt aus - diese Projektion hatten Sie möglicherweise zum Schluss -, was passiert, wenn in Zukunft dort mehr solche Abgeordneten sitzen, sondern wir gehen eher davon aus, dass durch unsere Arbeit hier und durch die Arbeit in den Fraktionen, in den Vertretungen der Städte, Gemeinden und Kreistage die Gefahr eben nicht besteht, dass dort in Zukunft mehr rechte Mitglieder anzutreffen sind, sondern genauso wie in diesem Landesparlament beim nächsten Mal nicht dabei sein werden. Diese Frage kann hier dahinstehen, wir werden sie aber von uns aus, möglicherweise auch nach einer erneuten Initiative von Ihnen, in die Gesamtevaluation 2011 hineinnehmen. Wir sehen bis dahin eher die Notwendigkeit, all diese Fragen zu sammeln, uns gut vorzubereiten - möglicherweise auch mit einer Studie, wie Sie es angeregt haben. Lassen Sie uns darüber 2011 reden; jetzt ist
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn die neue Kommunalverfassung in den letzten Jahren diskutiert worden ist, hat die Veränderung der Fraktionsgrößen die meisten Kontroversen hervorgerufen. Die Kollegen der FDP haben in der Begründung ihres Gesetzentwurfs einige eklatante Beispiele von Benachteiligungen genannt. Es ließen sich zahlreiche weitere hinzufügen.
Aus unserer Sicht möchte ich die Stadt Fürstenwalde exemplarisch anführen, in der eine seit 1990 tätige Gemeindevertreterin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt nicht einmal mehr Rederecht in einem Ausschuss hat und damit schlechtergestellt wird als ein sachkundiger Einwohner.
Herr Kollege Richter, es wird in einigen Kommunalvertretungen sowohl zwischen aktivem und passivem Teilnahmerecht unterschieden, und das kann sehr wohl zu solchen Entwicklungen führen. Die für die Kommunalvertretung nicht geltende 5%-Hürde würde auf hohem Niveau „durch die kalte Küche“ wieder eingeführt, wenn bei Wahlen zu SVVs kreisfreier Städte und zu Kreistagen Stimmanteile zwischen 7,1 und 8,7 % nötig wären, um die zur Fraktionsbildung benötigte Abgeordnetenzahl von vier zu erreichen.
Die Erhöhung der Mindestzahl der Fraktionsmitglieder um bis zu 100 % wurde lapidar damit begründet, es gebe zu viele Fraktionen und eine Erhöhung der Mindestanzahl sei nötig, um Bündelungen hervorzurufen, und dafür, dass die Fraktionen ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen können. Effektive Arbeit sei nun einmal an eine gewisse Größe gebunden.
Der Gesetzgeber hat es nicht für nötig befunden, zu erklären, warum kleinere Fraktionen die Funktionsfähigkeit kommunaler Vertretungen gefährden. Offensichtlich hat es bis zum Inkrafttreten der neuen Kommunalverfassung 2008 auch keine Klagen in dieser Richtung gegeben, und es gab keine konkreten Probleme etwa in der Richtung, dass Minifraktionen die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt hätten.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2008 zum Streit um das Kommunalwahlrecht in Schleswig-Holstein ausgeführt, dass eine 5%-Klausel gegen die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstoße. Diese Sperrklausel sei nur dann zu vertreten, wenn mit - ich zitiere - einiger Wahrscheinlichkeit die Funktionsfähigkeit von Kommunalvertretungen nicht mehr gewähleistet sei. Die Behauptung, kleine Fraktionen oder Einzelabgeordnete erschwerten die Willensbildung, reiche für die Annahme einer gefährdeten Funktionsfähigkeit nicht aus.
Das Bundesverfassungsgericht führte weiterhin aus, dass in der kommunalen Selbstverwaltung auch Partikularinteressen zum Ausdruck gebracht werden können und ortsgebundene Wählergruppen die Chance zur Mitgestaltung des kommunalen Lebens haben müssten. Juristen sprechen vom sogenannten Vielfaltsgebot.
Der Nachweis, dass kleine Fraktionen bzw. Minifraktionen die Funktionsfähigkeit unserer Kommunalparlamente gefährden, ist nie geführt worden, und er wird allem Anschein nach auch nicht zu führen sein. Wir sind den Kollegen der FDP-Fraktion ausgesprochen dankbar, dass sie den vorliegenden Gesetzentwurf jetzt eingebracht haben, und unterstützen ihn vorbehaltlos.
Bei der Frage der Fraktionsgrößen, meine Damen und Herren, handelt es sich nicht vorrangig um ein juristisches, sondern es handelt sich um ein politisches Problem. Die Diskussion zur Fraktionsgröße im Vorfeld der neuen Kommunalverfassung wurde geräuscharm, wenig öffentlichkeitswirksam und ohne Beteiligung einer demokratischen parlamentarischen Vertretung kleiner Parteien geführt.
- Sie haben ja nur die DVU hier gehabt; es gab ja damals keine kleinen Fraktionen. Sie haben sich mit der Verabschiedung dieser Regelungen die Konkurrenz kleiner Parteien in den Gemeindevertretungen vom Hals geschafft.
Um den Fraktionsstatus zu erlangen, müssen sich Abgeordnete von kleinen Parteien oder Wählervereinigungen zu Zweckbündnissen zusammenschließen. Es führt zum Glaubwürdigkeitsverlust in der Politik, wenn sich Gruppierungen, die sonst als Konkurrenten auftreten, in der Gemeinde zu fragilen Bündnissen zusammenschließen müssen, um politisch überhaupt noch wahrnehmbar zu sein. Die Wähler unterstellen Opportunismus, die klare politische Aussage geht verloren. Auch ist dem Wähler überhaupt nicht vermittelbar, warum Parteien, die auf Landes- oder Bundesebene mit dem Überspringen der 5%-Hürde automatisch Fraktionsstatus erlangen, ihn in Kommunalparlamenten nicht bekommen.
Ich komme zum Ende. Meine Damen und Herren, nehmen wir einmal an, dass Ihre damalige Entscheidung zu den Fraktionsgrößen in der Kommunalverfassung von edlen Motiven getragen war - die DVU saß hier im Parlament; nehmen wir wirklich an, Sie hatten Sorge um die Struktur und die Arbeitsfähigkeit der Kommunalparlamente. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Seit über einem Jahr liegen Erfahrungen vor, und die sind negativ. Unsere kommunalen Vertretungen sind nicht effizienter, sondern ärmer geworden. Demokratische Mitwirkungen wurden nicht gebündelt, sondern behindert, und die Politikverdrossenheit vor Ort hat zugenommen.
Es ist ehrbar und kein Zeichen von Schwäche, Fehler zu korrigieren, und es ist besonders ehrenvoll, sie schnell zu korrigie
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unsere Aufgabe, gesetzgeberisch dafür zu sorgen, dass das Recht eines Abgeordneten nicht geschmälert wird. Er ist kein Abgeordneter zweiter Klasse. Genauso ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass vier Abgeordnete, wenn sie gemeinsam auftreten, nicht zu Abgeordneten erster Klasse werden. Die Formulierungen, die von der grünen Seite und von der FDP gebracht wurden, unterstellen dies.
Die Frage stand ja hier schon im Raum, welche denn die richtigen Zahl sei: zwei, drei oder vier. Ich habe etwas von 7,5 % gehört. Es macht keinen Sinn, die Frage der Größe einer Fraktion in Zusammenhang mit der 5%-Klausel zu bringen, die für Landesparlamente gilt und ausdrücklich nicht für Kommunalparlamente, auch nicht in Brandenburg, auch wenn dies in einen Zusammenhang mit der Frage gestellt wird, ab wann denn der Fraktionsstatus gilt. Wir haben hier mit dem Gesetz, das durch die beantragte Änderung wiederum geändert werden soll, eine Konstellation nicht nur in Bezug auf die reine Größe, sondern auch, was die Rechte von Fraktionen betrifft, hergestellt. Die Rechte von Fraktionen sind im Verhältnis zu denen, die der einzelne Abgeordnete hat, nicht gestärkt worden, sondern wir haben sie mit diesem Gesetzentwurf und mit dem derzeit geltenden Gesetz eher zugunsten des einzelnen Abgeordneten korrigiert. Das war die Intention, und es ist auch aus gutem Recht hier vertretbar, dass es so gilt.
Das Wesen des Föderalismus, Herr Goetz, ist, dass sich die Länder unterschiedlich organisieren dürfen. Das ist ausdrücklich so gewollt.