Protokoll der Sitzung vom 29.08.2012

schon hingewiesen - und das erst kürzlich in Hamburg beschlossene Transparenzgesetz, haben kaum Eingang in den Gesetzentwurf gefunden. Insbesondere vermisse ich in dem Gesetzentwurf Elemente von Open Data. Diese Diskussionen werden wir im Rahmen der Ausschussberatungen noch zu führen haben.

Hierbei stehen für uns Liberale folgende Punkte im Vordergrund: Die Modernisierung des bestehenden Gesetzes ist notwendig. Fortbildungen für die Mitarbeiter der Verwaltungen in Land und Kommunen sind notwendig, damit auch in der Praxis mehr Transparenz Eingang in das Verwaltungshandeln findet. Von besonderer Bedeutung ist, dass endlich dafür gesorgt wird, dass - wie in anderen Bundesländern - aktuelle Statistiken über die Anzahl der Bürgeranfragen und, damit verbunden, auch Hinweise auf das immer wieder vorgetragene Gegenargument der zusätzlichen Belastung der Verwaltung betrachtet bzw. ausgewertet werden. Insoweit besteht in Brandenburg noch deutlicher Nachholbedarf.

Auch wir können uns dem Reigen der Zustimmer anschließen und unterstützen natürlich die Überweisung des Gesetzentwurfs in den Innenausschuss. Wir freuen uns schon auf die gemeinsamen Beratungen. - Danke schön.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tomczak. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Minister Dr. Woidke hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Jahren sind die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger deutlich gestärkt worden. Das betraf nicht nur die landesgesetzliche, sondern auch die europäische und die Bundesebene. Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen wurden damit deutlich erhöht.

Die Regelungen haben sich zu großen Teilen in der Praxis bewährt. Gleichwohl offenbaren die gesammelten Erfahrungen einen deutlichen Reformbedarf; insoweit stimme ich mit den Vorrednern überein. Auch ich sehe die Notwendigkeit einer Überarbeitung der landesgesetzlichen Regelung.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. Damit ist ordentlich Zeit gespart worden. - Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt die Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Informationszugangs im Land Brandenburg - Informationszugangsneuregelungsgesetz -, Drucksache 5/5787, an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen?

Beides sehe ich nicht. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden. Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und der Abgeordneten Wehlan [DIE LINKE])

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und eröffne Tagesordnungspunkt 7:

Gesetz des Landes Brandenburg zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Brandenburgisches Behindertengleichstellungsgesetz - BbgBGG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/5832

1. Lesung

Ich begrüße auch herzlich den Landesbehindertenbeauftragten, Herrn Dusel. Seien Sie willkommen!

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Minister Baaske hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So schnell wie mein Vorgänger werde ich dieses Thema nicht zu Ende bringen können; dazu liegt mir der Gesetzentwurf zu sehr am Herzen.

Ich danke dafür, dass ich ihn heute einbringen darf. Das Kabinett hat vor zwei Wochen das Landesbehindertengleichstellungsgesetz beschlossen. Darauf folgten reflexartig Reaktionen von den Spitzenverbänden der Kommunen; eine Zeitung schrieb in diesem Zusammenhang vom „Pawlowschen Reflex“. Wahrscheinlich hätten wir den Entwurf schon vor einem halben Jahr einbringen können.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Im letzten halben Jahr haben wir zusammen mit den Kommunen versucht, ein friedvolles Umgehen miteinander zu üben und einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der auch von ihnen mitgetragen werden kann. Nun gut, es ist nicht so gekommen. Dennoch werden wir die Kommunen mit dem neuen Gesetz heranziehen. Die Evaluation unseres alten Gesetzes 2008 hat zwar ergeben, dass es ganz gut ist; das nutzt aber herzlich wenig, wenn nur das Land und seine Behörden, nicht aber die Kommunen hinsichtlich Inklusion und Gleichstellung verpflichtet werden.

Zu dem Gesetz hat es schon im Jahr 2010 fünf Regionalkonferenzen gegeben. Ungefähr 1 000 Leute haben mit uns diskutiert, wie ein Maßnahmenpaket bzw. ein Gesetz aussehen könnte. Das Maßnahmenpaket haben wir zu Beginn dieses Jahres im Kabinett beschlossen, auch hier ist es schon diskutiert worden. Es zeigt schon Wirkung. Unser Gleichstellungsgesetz ist Teil des Maßnahmenpakets und soll in den nächsten Wochen umgesetzt werden, indem es der Landtag nach Diskussion beschließt.

Die zahlreichen Regionalkonferenzen und die intensive Teilnahme daran machen deutlich, dass uns schon immer daran gelegen war, Behindertenverbände und andere Organisationen, die sich mit den Fragen und Problemen von behinderten Menschen beschäftigen, eng einzubeziehen. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens sind viele Forderungen und Wünsche an uns herangetragen worden. Nicht alle konnten wir aufnehmen, das ist klar. Dennoch glaube ich, dass sich zahlreiche Ideen und Vorschläge, die den entsprechenden Institutionen unterbreitet worden sind, im Gesetzentwurf wiederfinden.

Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass es ein sehr modernes Gesetz ist. Ich verweise darauf, dass es sich besonders den Angelegenheiten von Frauen mit Behinderung zuwendet, aber auch einen Fokus darauf legt, wie Eltern behinderter Kinder oder Eltern, die selbst behindert sind, unterstützt werden können. Letzteres betrifft zum Beispiel gehörlose Eltern, die in der Schule besondere Unterstützung erfahren müssen.

Dass wir nach Sachsen-Anhalt das zweite Bundesland sind, das sich überhaupt eines Gesetzgebungsverfahrens angenommen und darin Inklusion zum Leitbild erkoren hat, brauche ich eigentlich nicht gesondert zu sagen; das haben wir schon des Öfteren hervorgehoben. Wir haben auch in dieser Hinsicht ein sehr modernes Gesetz.

Der Begriff der Behinderung wird in unserem Gesetzentwurf neu definiert. Wir haben uns gesagt, dass eine Behinderung letzten Endes so etwas wie eine Wechselwirkung ist zwischen Menschen, die mit Beeinträchtigungen leben müssen, und einstellungs- und umweltbedingten Behinderungen. Das heißt ich will es einfacher sagen -: Man ist nicht behindert, sondern man wird behindert - durch seine Umwelt, durch Barrieren, die in Köpfen sind, aber auch durch solche, die man auf Straßen findet. Genau diesem Leitbild wollen wir folgen und diese Barrieren in den Köpfen und auf den Straßen abreißen - nicht nur in Landesstrukturen, in Landesbehörden, sondern auch auf kommunaler sowie auf Bundesebene, wenn es hier im Lande eine Rolle spielt.

Ich habe vorhin bereits die Probleme und Sorgen von Eltern angesprochen, die zum Beispiel gehörlos sind, aber auch einmal in der Schule mit dem Schulleiter oder Klassenlehrer sprechen oder auch an Elternversammlungen teilnehmen wollen. Auch dies werden wir jetzt regeln, sodass dort eine Kommunikationshilfe zur Verfügung gestellt wird und ein Dolmetscher dabei ist, der sie unterstützt. Wir wollen auch, dass blinden Menschen geholfen wird, beispielsweise bei Behördengängen, und sie Dinge verstehen, zum Beispiel dadurch, dass Bescheide in Brailleschrift übersetzt werden. Auch das soll in diesem Gesetz geregelt werden. Wir wollen, dass Bescheide und Vordrucke für Menschen, die Dinge etwas schwerer verstehen und es schwerer mit dem Lesen haben, in „leichterer“ Sprache ausgedrückt werden.

Außerdem wollen wir einen „starken“ Behindertenbeauftragten er wurde vorhin schon begrüßt. Stark meine ich nicht in Form von Muckis, die er haben muss, um sich zu Hause durchzusetzen, sondern uns geht es darum, dass er Sorgen und Nöte von Menschen aufgreifen kann und dann diesen Sorgen vor Ort in den Kommunen folgen kann, dass er also Akteneinsicht und Informationen zu dem einzelnen Sachverhalt erhält.

Des Weiteren wollen wir, dass unser Behindertenbeirat eine starke Institution ist, die die Sorgen und Nöte von Menschen

aufnimmt und an uns als Ratgeber, als Landesregierung heranträgt. Ich möchte aber auch, dass Vereine und Verbände, die die Interessen der behinderten Menschen im Lande wahrnehmen, diese stark vertreten können, indem sie zum Beispiel für behinderte Menschen klagen können, sodass nicht der Einzelne vor Gericht ziehen muss, sondern der Verband auch einmal den Menschen vertreten kann und für dessen Probleme vor Gericht auftritt.

Außerdem möchte ich, dass Inklusion und Barrierefreiheit in die Kommunen einziehen und diese sich Gedanken darüber machen, wie eine Kommune barrierefrei sein und dem Gedanken der Inklusion, dem Gedanken der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen folgen kann, und ich setze darauf, dass es demnächst noch mehr Kommunen gibt, die zum Beispiel - wie Potsdam - einen Teilhabeplan erarbeiten oder erarbeiten lassen, um vor Ort zu schauen, was noch zu tun ist.

Das wird kein leichter Weg sein. Aber zunächst setze ich im Gesetzgebungsverfahren darauf, dass wir dieses im Ausschuss kräftig diskutieren, vielleicht sogar noch einmal eine Anhörung durchführen und dort die Spitzenverbände hören, um dann miteinander zu schauen, wie wir am Gesetzgebungsverfahren vielleicht sogar noch etwas ändern; ich weiß es nicht, die Beteiligung war ja vorher schon sehr breit.

(Zustimmung der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Aber auf jeden Fall freue ich mich darauf, dass das Verfahren nun läuft und wir bald ein modernes, tatkräftiges und tolles Behindertengleichstellungsgesetz für Brandenburg bekommen. Schönen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Blechinger hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Februar 2010 hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, bis Juni 2011 einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes vorzulegen.

Die eingetretenen Verzögerungen wurden anfangs damit begründet, dass die Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes und die Verabschiedung des behindertenpolitischen Maßnahmenpaketes als Einheit aufgefasst werden und eine Entkoppelung dieses Prozesses nicht zielführend wäre. Der Abgeordnete Maresch wird sich erinnern, es war die Antwort auf seine Anfrage. Der Minister hat weitere Verzögerungsgründe genannt, die uns natürlich bekannt sind. Nun könnte man sagen: Was lange währt, wird gut, und so möchte ich auch mit dem Positiven beginnen.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

So wurde die Umsetzung der seit 2009 geltenden UN-Behin

dertenrechtskonvention ausdrücklich als Ziel dieses Gesetzes festgeschrieben.

(Frau Lehmann [SPD]: Ja, schön!)

Der Geltungsbereich bezieht die Kommunen sowie sonstige der Aufsicht des Landes unterstehende juristische Personen ausdrücklich ein. Allerdings wird auch hier das Problem der baulichen Barrierefreiheit, das in allen behindertenpolitischen Veranstaltungen als dringendstes Problem dargestellt wird, wie beim behindertenpolitischen Maßnahmenpaket eher am Rande abgehandelt.

Natürlich ist es problematisch, Vorgaben bei bestehenden Bauten zu machen. Aber selbst der Prüfauftrag vom 9. September 2010, welcher die Landesregierung aufforderte zu prüfen, durch welche Maßnahmen rasche Verbesserungen beim barrierefreien Zugang zu Arztpraxen und therapeutischen Einrichtungen erreichbar sind, ist nicht umgesetzt, wie beispielsweise der Abschluss von Zielvereinbarungen zwischen Krankenkassen und den Interessenvertretern behinderter Menschen oder die Auflage spezieller Förderprogramme sowie vergleichbarer Maßnahmen. Zumindest fehlt eine Aussage darüber, wie der Abschluss der im § 10 genannten Zielvereinbarungen gefördert werden soll.

Dafür gibt es Verbesserungen für Menschen mit einer Hörbehinderung im Hinblick auf die Nutzung der Gebärdensprache. Allerdings fehlt hier der Hinweis auf die Schüler mit einer Hörund Sprachbehinderung. Sie müssen natürlich auch das Recht haben, in schulischen Einrichtungen die Gebärdensprache zu erlernen und in dieser Sprache in der Schule zu kommunizieren. Wir hatten uns darauf verständigt, zu diesem Gesetz eine Anhörung durchzuführen. Dort können wir uns dann darüber informieren, inwieweit dieses Recht bereits in der Praxis umgesetzt ist.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Dass anerkannte Behindertenverbände auch gegen Vorschriften des Landesrechts zur Herstellung von Barrierefreiheit sowie auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot klagen können, halten wir für sachgerecht. Nur so ist eine wirksame Vertretung der Belange von Menschen mit Behinderungen überhaupt möglich. Auch die Stärkung der Funktion des Behindertenbeauftragten begrüßen wir, denn sie dient dem gleichen Ziel.

Meine Damen und Herren! Wir sind uns bewusst, dass dieses Gesetz einen Kompromiss darstellt zwischen den berechtigen Anliegen von Menschen mit Behinderungen und dem, was für das Land und die Kommunen finanzierbar ist. Wenn dabei die Prioritäten beachtet würden, die von den Behindertenverbänden eingefordert werden, könnten wir damit leben.