Protokoll der Sitzung vom 29.08.2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Büttner, der vorliegende Gesetzentwurf wurde in einem Bilderbuchverfahren entwickelt. Ich freue mich sehr, dass Sie beide von der Opposition das heute auch gezeigt haben. Im Februar 2011 haben wir eine Konzeption beantragt, und schon nach einem Jahr liegt ein Gesetz vor. Diese Konzeption wurde schon einmal, unter anderem mit Anhörungen, auf sehr breiten Füßen debattiert. Wir haben diese drei Säulen vom Parlament aus in Bewegung gesetzt und hatten auch gute Beteiligungsrechte im Parlament. Das wünschte ich mir für alle Verfahren. Insofern war schon das Verfahren selbst eine gute Erfahrung.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es liegt uns jetzt ein Gesetzentwurf vor, der in kürzester Zeit erarbeitet wurde. Parallel dazu musste die Universität bereits an den Studienordnungen arbeiten. Aus diesem Grund zolle ich meinen Respekt den Menschen im Ministerium, denjenigen, die ihn erarbeitet haben, und reiche dies auch an die Universität und das Zentrum für Lehrerbildung weiter.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Im Unterschied zu Ihnen, Herr Kollege Hoffmann, bin ich nicht enttäuscht. Ich bin sogar sehr froh; denn in diesem Gesetzentwurf findet sich eine Menge von dem, was die Linke eingefordert hat, wieder. Dies möchte ich hier aber nur holzschnittartig anzeigen.

Wir sind sehr froh darüber, dass wir die Lehrämter getrennt haben und die Primarstufenlehrer mit der ganz speziellen Primarstufendidaktik jetzt wieder ausgebildet werden. Das war unser

Wunsch. Jetzt muss natürlich genau darauf geachtet werden, wie die sechsjährige Grundschule mit dem Fachunterricht und allem, was dazugehört, aufgefangen werden kann.

Auch sind wir froh darüber, dass alle Lehrämter gleichwertig 300 Credit Points - also 300 Leistungspunkte - erreichen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass endlich das Denken daran beginnt, dass alle Menschen, die an und mit Kindern arbeiten, eine gleichwertige Arbeit verrichten. Selbstverständlich müssen wir das Problem der Besoldung irgendwann lösen. Das war in diesem ersten Schritt noch nicht möglich. Dennoch wurde die Voraussetzung dafür geschaffen. Es ist ein wunderbarer großer Schritt: gleiche Ausbildung für alle Schulstufen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Des Weiteren begrüßen wir, dass den Anforderungen der inklusiven Schule dadurch Rechnung getragen wird, dass alle Studierenden inklusionspädagogische Anteile in ihrem Studium haben und damit befähigt werden, in heterogenen Gruppen zu unterrichten.

Lieber Herr Kollege Hoffmann, das ist genau der Punkt: Wir streichen doch nichts, sondern wir qualifizieren die Menschen im Rahmen dieser Professionswissenschaften. Das tun wir insbesondere im Grundschulbereich. Wir nehmen doch nicht etwas weg und packen Inklusion hinein, sondern das, was wir tun, ist die Stärkung der Professionswissenschaften, die Sie wie in Finnland gesehen - eigentlich auch einfordern.

Ich könnte jetzt noch eine Vielzahl an Dingen aufzählen, von denen ich ebenfalls fest überzeugt bin. Insofern ist es gut, dass Rot-Rot regiert und wir das Gesetz miteinander auf den Weg bringen konnten.

(Oh! bei der CDU - Beifall DIE LINKE)

Natürlich sehen auch wir noch einige Probleme, die zu lösen sind; aber dieses Gesetz gibt uns die Möglichkeit dazu.

Unter anderem bin ich hinsichtlich des Referendariats völlig anderer Meinung als Sie, Herr Hoffmann. Ich habe eine Weile damit zu tun gehabt und auch Referendare ausgebildet. Wir sind der Meinung: Das Referendariat brauchen wir in der bisherigen Form nicht mehr. Wir brauchen es einfach so nicht mehr. Wir können die Praxis in die Universität einbinden. In diesem Zusammenhang stehen wir auch nicht allein mit unserer Meinung. Die Juso-Hochschulgruppen fordern jetzt ebenfalls die Abschaffung des Referendariats.

(Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

In der Verkürzung des Referendariats sehe ich die Möglichkeit, sowohl den Bachelor als auch den Master professionsbezogener zu gestalten. Warum sollen bitte schön Lehrerinnen und Lehrer nicht in fünf Jahren Hochschulstudium gut auf ihre Profession vorbereitet werden können?

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Dann bedarf es natürlich auch einer guten Berufseingangsphase, einer Phase, in der diejenigen, die möglicherweise nicht sofort Lehrer werden wollten, und diejenigen, die dann erst einmal gemerkt haben, was überhaupt los ist, begleitet und gecoacht werden.

Die Berufseingangsphase ist im Gesetz erwähnt, aber noch nicht ausgestaltet. Ich wünschte mir, die Berufseingangsphase würde von uns ausgestaltet, damit wir genaue Vorstellungen zum Einstieg präzise entwickeln können. Das können wir jedoch beim nächsten Gesetz tun. Eine Diskussion dazu wird zuvor sicherlich in einer Anhörung erfolgen. Wir sind klar für eine einphasige Lehramtsausbildung, und das ist ein Schritt in diese Richtung.

Auch die KMK wird zu dieser Ansicht gelangen, Herr Hoffmann. Wir sind diesbezüglich nur ein wenig zu schnell. Mir ist bewusst, dass zu früh gekommene Helden manchmal bestraft werden - siehe Hamlet -, dennoch glaube ich, dass wir hier recht gut dran sind.

Nun zu dem Punkt, dass wir bei den Professionswissenschaften nicht so sehr in die Fachdidaktiken - insbesondere Sekundarstufe I und Sekundarstufe II - hineinregieren können; denn es gibt die Hochschulautonomie. Ich hätte mir gewünscht, dass wir das noch stärker ausweiten. Fakt ist jedoch, dass die Fachdidaktiken an den Hochschulen oft dünn besetzt sind. Insofern müssen wir hier Schritt für Schritt vorangehen.

Dieses Gesetz ist ein Meilenstein. Eure, Ihre Frau Schavan hat im April eine Initiative losgetreten: Qualitätsinitiative Lehrerbildung.

Die Staatssekretäre haben eine Arbeitsgruppe gebildet. Ich meine, dass unser Staatssekretär Herr Jungkamp viel in die Waagschale werfen kann, wenn sie sich jetzt dazu verständigen, welche Stellung die Lehrerbildung an den Universitäten haben soll, und wenn sie zur Qualität der Lehrerbildung etwas beitragen. Ich finde wirklich, es ist ein gutes Gesetz. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Frau von Halem spricht jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Sie wird ein Beispiel an Disziplin sein und nicht so überziehen wie ihre Vorredner.

Warten wir es mal ab. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Gäste! Was wir hier vor uns liegen haben, ist zwar kein Gesamtkunstwerk, aber es ist immerhin die Rohmasse für ein Backwerk, das wahrscheinlich, wie es einige vor mir schon gesagt haben, eines Tages ziemlich fortschrittlich sein wird. Die einzelnen Zutaten, die wir hier haben, unterliegen zum Glück nicht den EU-Normen für Mindesthaltbarkeit, und das ist auch gut so. Denn im Gegensatz zu so manch anderen Vorhaben der beiden beteiligten Ministerien MBJS und MWFK sind hier die Beteiligten mit der Vorlage des ersten Konzepts schon im November letzten Jahres sehr frühzeitig eingebunden worden. Ein Bienchen für die beiden Ministerinnen!

Wir als Bündnisgrüne begrüßen die Grundausrichtung des Gesetzentwurfs: die Neuordnung der Lehrämter nach Schulstufen statt wie früher nach Schulformen, die Aufwertung des Lehramts Primarstufe in Bezug auf die Ausbildungsdauer und die frühere Einbindung von Praxisphasen in die Ausbildung sowie den Fokus auf Weiterbildung. Und doch fehlen hier in der 1. Lesung des Gesetzentwurfs noch manche Zutaten bzw. dürfen andere weiter geknetet und gewürzt werden.

Erstens: Das unbezahlte Praxissemester während des Masterstudiums ist oft verbunden mit immensen Fahrtwegen zu den Schulen. Das ist vielen Studierenden, die nebenher Geld verdienen müssen, die Eltern sind oder Angehörige pflegen, schwer zumutbar. Dem Anspruch, ein Studium auch in Teilzeit absolvieren zu können, wird das nicht gerecht. Das Gleiche gilt, wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen, für die Referendariatszeit.

Zweitens: Die Betreuung an den Ausbildungsschulen lässt Fragen offen. Verantwortlich sind Schulleiterinnen und Schulleiter zusammen mit Ausbildungskoordinatorinnen und Ausbildungskoordinatoren. Befürchtet Frau Prof. Lemmermöhle hier zu Recht eine „erhebliche Verantwortungsdiffusion“? Stehen diesen Ausbildungskoordinatoren ausreichend zeitliche Ressourcen zur Verfügung? Und wer bereitet sie vor, wer begleitet sie bei dieser anspruchsvollen Tätigkeit?

Drittens haben wir ein echtes Problem, nämlich mit der Besoldung. Wir gleichen das Studium für das Lehramt Primarstufe in der Länge dem für Sek I und Sek II an, haben also die gleiche Regelstudienzeit, den gleichen Abschluss und den gleichen Vorbereitungsdienst, stufen aber die Lehrkräfte für die Grundschule als Einstiegsamt weiterhin in die Besoldungsstufe A 12 und die Sek-II-Lehrkräfte in die A 13 ein. Wir werten die Ausbildung auf, weil wir wissen, dass wir den ersten Jahren der Bildung eine ganz andere Relevanz zuweisen müssen. Aber die Antwort kann doch nicht in solch abstrusen Zwittern liegen. Wir haben jetzt schon das Problem, dass uns Lehrkräfte für die Primarschule fehlen, das Lehramt Gymnasium aber über die Maßen attraktiv ist. Wir werden das Lehramt für die Grundstufe nicht dadurch attraktiver machen, dass wir zwar das Studium verlängern, aber - Pech gehabt! - trotzdem weniger bezahlen. Ein Stufenplan zur Angleichung sollte das Mindeste sein, worüber wir hier verhandeln.

(Frau Muhß [SPD]: Wenn sie fertig sind - natürlich!)

Viertens: Um den personellen Mehrbedarf der Uni durch Studienzeitverlängerung zu kompensieren, sieht der Gesetzentwurf vor, die Studienplätze für die lehramtsbezogenen Bachelor-Studiengänge von jetzt jährlich 700 auf künftig 600 zu reduzieren. Das ist angesichts des absehbaren Lehrermangels mehr als fahrlässig.

Kleiner Exkurs zum Thema Bedarfsplanung: Dass es den zuständigen Ministerien in Berlin und in Brandenburg immer noch nicht gelingt, eine gemeinsame Lehrkräftebedarfsplanung zu erarbeiten, geschweige denn ihre Lehrerbildung aufeinander abzustimmen, halte ich weiterhin für ein Armutszeugnis.

Fünftens: Es ist richtig gut, dass künftig eine Feststellung der individuellen Voraussetzungen für die Tätigkeit als Lehrkraft erfolgt. Mir ist es wichtig, dass es nicht nur um diese Feststellung geht, sondern auch um eine kontinuierliche Begleitung. Aber ich meine, dazu kann ich mir weitere Sätze sparen, denn Frau Ministerin Münch hat bereits ausgeführt, dass das genau in diesem Sinne auch geplant ist. Wichtig ist mir: Das Schlüsselwort muss hier „Potenzialentfaltung“ und nicht „Verhinderung“ sein.

Sechstens ist auch richtig gut - das werden Sie von uns nicht anders erwarten - die Eingliederung inklusionspädagogischer Inhalte in künftig jede Form der Lehramtsausbildung. Dass die

inklusive Schwerpunktsetzung nur im Lehramt Primarstufe zugelassen wird, ist hoffentlich ein Geburtsfehler, den die KMK schleunigst korrigieren wird.

Wir werden also noch ein wenig kneten und würzen, und das Ergebnis wird hoffentlich bekömmlich.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, auch dafür, dass Sie meine Prognose eingehalten haben.

Wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/5831 - Lehrerbildung - an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsempfehlung gefolgt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8. Ich gestatte mir noch eine Bemerkung zu Tagesordnungspunkt 7: In der ausgedruckten Form der Tagesordnung ist die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zusätzlich vorgesehen; das ist vorhin nicht noch einmal ausdrücklich erwähnt worden. Ich gehe aber davon aus, dass - wenn niemand widerspricht - das, was in der Tagesordnung steht, gilt und der Ausschuss für Haushalt und Finanzen hierbei mitberatend sein soll. Nur, damit wir das korrekt im Protokoll haben.

Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 9:

Leitbild und Aktionsplan „ProIndustrie“ Brandenburg

Bericht der Landesregierung

Minister Christoffers beginnt die Debatte für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aktionsplan „ProIndustrie“, den wir Ihnen vorgelegt haben, ist im Juni dieses Jahres den Verbänden, Kammern und Einzelunternehmen im Rahmen des „Wirtschaftspolitischen Dialogs“ vorgestellt und mit ihnen diskutiert worden. Die Genannten waren bereits im Vorfeld der Erstellung dieses Aktionsplanes beteiligt. Er ist dort auf große Zustimmung gestoßen, vor allem auch vor folgendem Hintergrund:

Die Debatte um die Zukunft der Industriepolitik in Deutschland intensiviert sich gegenwärtig. Das finde ich richtig und gut. Die Wirtschaftsministerkonferenz hat auf ihrer letzten Beratung einen gemeinsamen Beschluss aller Bundesländer gefasst, die Frage „Industriepolitik in Deutschland“ wieder stärker zu gewichten, denn Deutschland ist Industrieland und muss Industrieland bleiben.

Brandenburg ist sehr industrieaffin. Ich glaube, wir alle sind gut beraten, die industrielle Substanz des Landes Brandenburg so weit zu stärken, wie es uns möglich ist. Das ist auch der Hintergrund dessen, dass wir den Aktionsplan „ProIndustrie“ vorgelegt haben. Nebenbei bemerkt, weil dies heute Morgen bei dem Kollegen Büttner eine Rolle gespielt hat: Die Wirtschaftskraft des Landes Brandenburg und das Wachsen aus eigener Substanz werden auch daran deutlich, dass mittlerweile im Land Brandenburg mehr Erweiterungsinvestitionen zu verzeichnen sind als andere Investitionsformen. Wir haben in bestimmten Bereichen eine Industriesubstanz erreicht, die aus sich selbst heraus wächst und zum Kernbereich des Wachstums von Wirtschaft und Beschäftigung im Land Brandenburg wird.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem Aktionsplan „ProIndustrie“ auch die industriepolitische Klammer definiert haben, wie in der Perspektive Wachstum auch in diesem Bereich weiter unterstützt werden kann. Wir haben im Aktionsplan „ProIndustrie“ Hauptziele definiert: Sicherung und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Ökologie, Wachstum und Beschäftigung, Innovation, leistungsfähige Infrastruktur.

Wir haben daraus eine Reihe von zentralen Handlungsfeldern und von vordringlich zu bearbeitenden Vorhaben definiert. Ich möchte das am Beispiel des Handlungsfeldes 1 - Rahmenbedingungen - zu erläutern versuchen. Einige unserer Industriestandorte weisen eine besondere Lage auf. Nehmen Sie zum Beispiel Wittstock, das Autobahndreieck. Es ist kaum bekannt, dass dort der eigentliche Anker der Entwicklung die Industrie darstellt. Wir haben dort eine überdurchschnittliche Industriedichte und auch die Beschäftigungsstruktur in diesem Bereich ist sehr stark auf Industrieunternehmen fokussiert.