Protokoll der Sitzung vom 29.08.2012

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Das Wort erhält die Landesregierung. Minister Christoffers spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn der Landtag sich positioniert sowie den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen auch definiert. Was ist der Hintergrund? Gestatten Sie mir zwei Zusatzbemerkungen zu dem, was schon debattiert worden ist.

Erstens: Nicht nur der DEHOGA, sondern auch der BITKOM der Interessenverband der IT-Industrie - ist ein Kläger. Hintergrund ist, dass auch die Gebühren für USB-Sticks und Speicherkarten extrem gesteigert werden sollen. Insofern besteht dringender Handlungsbedarf nicht nur für den Kulturbereich, der ist völlig unstrittig, und den Bereich ehrenamtlicher Veranstaltungen, sondern auch für diesen Bereich.

Das Gesamtsystem macht deutlich, dass das Urheberrecht und die Institutionen, die Urheberrecht in Deutschland umsetzen,

dringenden Reformbedarf haben. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass die Debatte um die Tarifstruktur der GEMA der gesamten Diskussion zu Urheberrecht und Patentrecht noch einen zusätzlichen Akzent verleihen wird. Das wird schwierig werden, denn aufgrund der Frage der Technologieentwicklung, des Internets, sozialer Netzwerke usw. befinden wir uns in einem Umbruch, und es muss eine neue Balance zwischen notwendigem Urheberrecht und der Möglichkeit, Rechte - auch auf Veranstaltungen - zu verwerten, gefunden werden. Hier wird es eine umfassende politische und gesellschaftliche Debatte geben - da bin ich mir sicher.

Insofern begrüße ich den Antrag der beiden Koalitionsfraktionen und bitte Sie um Ihre Unterstützung. Der Landtag Brandenburg würde sich damit Entscheidungen anderer Landtage anschließen, und damit hätten wir dann auch einen anderen Ausgangspunkt der öffentlichen Debatte.

Ich lehne ab - das werde ich nicht machen -, mich als Minister an die Schiedsstelle zu wenden; denn hier gibt es klare rechtliche Regelungen. Ich glaube aber, dass die öffentliche Diskussion natürlich Einfluss auf das Schiedsverfahren nimmt. Das Urheberrechtsverwertungsgesetz kennt auch den Passus der Angemessenheit von Tarifen. Ich glaube, die zweistufige Tarifstruktur der GEMA ist nicht angemessen. Hier wird es Veränderungen geben, hier muss es Veränderungen geben. Insofern begrüße ich Ihre Positionierung. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, damit scheint der Redebedarf erschöpft zu sein. Wir kommen zu den Abstimmungen. Als Erstes stimmen wir über den Antrag in der Drucksache 5/5810 der CDU-Fraktion ab. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Bei einer Enthaltung mit deutliche Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 5/5902. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine Enthaltungen. Dieser Entschließungsantrag ist damit bei wenigen Gegenstimmen angenommen.

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 11 und kommen zu Tagesordnungspunkt 12:

Unterricht ist nur gut, wenn er stattfindet! - Landeskonzept gegen Unterrichtsausfall erstellen!

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 5/5820

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der FDP-Fraktion. Der Abgeordnete Büttner spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bericht des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vom 14. November 2011: In der Sitzung des Ausschusses hat die Landes

regierung festgestellt, dass es einen ersatzlosen Ausfall von Unterrichtsstunden von 1,9 % gibt. Teilungs- und Förderstunden, die ausfallen, sind in dieser Unterrichtsausfallstatistik natürlich nicht enthalten. Sie haben ebenfalls festgestellt, dass der Vertretungsbedarf steigt. Er beträgt gegenwärtig 9,9 %. Parallel dazu beträgt der Anteil des planmäßig erteilten Unterrichts 90,1 %. Das ist der niedrigste Wert seit Einführung dieser Statistik.

Das Bildungsministerium bestreitet kontinuierlich - das geschah auch in verschiedenen Debatten, die wir hier im Landtag geführt haben - den seit Jahren hohen Unterrichtsausfall. Das Lustige dabei ist: Sie sieht sogar noch positive Entwicklungen, obwohl es beim Vertretungsbedarf Verschlechterungen gab. Da berichtete nämlich das Ministerium in derselben Sitzung:

„Angesichts des gestiegenen Krankenstandes und der damit verbundenen Steigerung des Vertretungsbedarfes ist der geringe Anstieg des tatsächlichen Ausfalls positiv zu bewerten.“

- Meine Damen und Herren, es grenzt schon an Lächerlichkeit, wenn man den niedrigsten planmäßig erteilten Unterricht seit Einführung der Statistik hat und sagt: Das ist auch noch positiv zu bewerten.

Wir erleben regelmäßig im Bildungsausschuss, dass gesagt wird, dass der tatsächliche Unterrichtsausfall nur knapp 2 % betrage und Brandenburg damit im bundesweiten Vergleich zur Spitzengruppe gehöre und vergleichsweise wenig Unterrichtsausfall habe. Das ist doch ein Schönreden. Hier wird letztendlich dieses so wichtige Thema, das so viele Eltern, Schüler und Lehrer bewegt, schöngeredet. Kollegin Große, Sie haben sich jetzt schon aufgeregt, ich stehe nicht einmal eine Minute hier. Sie sind doch auch permanent an den Schulen unterwegs und müssten die Diskussionen dort doch auch mitkriegen. Herr Kollege Krause, das sage ich zu Ihnen als Vorsitzendem des Bildungsausschusses: Die Grundschule in Templin lädt ein, weil der Unterrichtsausfall nicht mehr akzeptabel ist und selbst die Vertreter des staatlichen Schulamtes sagen: So kann man keinen Unterricht mehr gestalten. Wenn selbst die Vertreter Ihres staatlichen Schulamtes - ich weiß, dass Sie die nicht mehr mögen - sagen: „Wir haben einfach nichts mehr, das wir verteilen können, wir haben einfach keine Ressourcen mehr, das Ministerium stellt uns nichts zur Verfügung“, dann sollten Sie, Frau Ministerin, sich vielleicht gelegentlich einmal Gedanken darüber machen und das Thema nicht nur schönreden.

(Beifall CDU)

Was bedeutet denn eigentlich der Unterrichtsausfall für die Schüler? Natürlich habe ich mich gefreut, wenn er ausgefallen ist, keine Frage. Das ist aber nicht Sinn der Sache. Wenn weniger Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen, bedeutet das doch auch, dass in den kommenden Stunden mehr Inhalte in weniger Zeit durchgenommen werden. Somit leidet natürlich die Unterrichtsqualität. Eine individuelle Förderung ist kaum möglich, und die kognitive Verarbeitung des Wissens durch die Schüler ist kaum zu schaffen.

Hinzu kommt natürlich, dass Teilungs- und Förderstunden dem Unterrichtsausfall immer als Erstes zum Opfer fallen. Frau Theiss, Sie reden nach mir. Sie werden das eigentlich bestätigen können. Ich weiß nicht, ob Sie eine Grundschule mit

FLEX-Klassen hatten. Der Teilungs- und Förderunterricht fällt aus. Das wird natürlich in der Unterrichtsausfallstatistik nicht vermerkt, und die FLEX-Klassen sind am Ende die Gekniffenen, weil man eben nicht mehr die Möglichkeit hat, die Kinder individuell zu betreuen.

Natürlich stellt ein hoher Unterrichtsausfall auch die Eltern vor große Herausforderungen. Vor allem für Berufstätige geht der Schulbesuch in Brandenburg immer mit Planungsunsicherheit einher. Es geht darum, das Kind von der Schule abzuholen und die zusätzliche Betreuung zu Hause zu übernehmen. Somit entstehen natürlich auch weitere Kosten außerhalb der Schule. Außerdem wollen wir doch einmal feststellen: Stillbeschäftigung und Klassenzusammenlegungen stellen keinen fachgerechten Unterricht dar, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Sie stellen das sogar selber fest. Das Ministerium stellt selber fest:

„Diese Vertretungsmaßnahme wird in der Öffentlichkeit überhaupt nicht akzeptiert.“

Das ist - an der Stelle haben Sie einmal Recht - eine schöne Erkenntnis. Aber was kommt jetzt dabei heraus? - Nichts. Sie ziehen offensichtlich keine Schlussfolgerungen aus Ihren eigenen Erkenntnissen.

Die Stillarbeit ist zwar überall in der weiterführenden Schule pädagogisch begründbar; denn es geht ja auch bei der Stillarbeit um das Erlernen selbstständigen Arbeitens. Das ist eine wichtige erzieherische Maßnahme. Problemlösungskompetenzen werden geübt. Das alles ist richtig. Die Lehrer müssen dabei aber doch eine spezielle Position als Ansprechpartner bei Problemen innehaben. Der Unterrichtsausfall darf doch nicht plötzlich nur Schülerarbeit oder Studienaufgabe genannt werden, sondern es muss dann doch auch immer didaktisch und methodisch reflektiert werden, um optimale Ergebnisse zu erlangen. Das ist bei der Maßnahme zur Vermeidung von Unterrichtsausfall nicht der Fall.

Die größte Ursache des Unterrichtsausfalls ist - mit steigender Tendenz - die Erkrankung von Lehrkräften mit 68,3 %. Auch die Zahl der Langzeiterkrankten ist in den letzten Jahren ausweislich der eigenen Erkenntnis der Landesregierung gestiegen. Das steht in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage bezüglich langzeiterkrankter Lehrer.

Erkrankte Lehrkräfte leiden vor allem an psychosomatischen Störungen, die man mit einer Frühdiagnostik und einer psychologischen Langzeitbehandlung sehr gut heilen kann. Ich habe mich vorhin kurz unterhalten. Dabei haben wir reflektiert, warum wir eigentlich in Finnland waren. Warum ist der Bildungsausschuss eigentlich nach Finnland geflogen? Denn bei nichts, aber auch wirklich bei gar nichts von dem, was man in Finnland in irgendeiner Art und Weise in den Schulen vorgefunden hat, wurde auch nur ansatzweise angefangen, das hier zu implementieren.

(Beifall FDP)

Man hat bisher noch nicht einmal darüber nachgedacht, und eine vernünftige Auswertung dieser Reise hat es eh nie gegeben.

Die skandinavischen Länder zeigen uns gerade, wodurch weniger Unterrichtsstunden ausfallen würden. Das ist nämlich möglich durch Betreiben einer Frühdiagnostik und Durchführung einer psychologischen Langzeitbehandlung. Die Skandinavier das zeigen sie uns - betreiben eine sehr gute psychologische Betreuung der Lehrer und Schüler.

Im Übrigen fallen auch bei Langzeiterkrankungen Kosten für den Staat an. Die sind natürlich immer mit einzukalkulieren. Nach eigenen Berechnungen des Ministeriums betragen die Kosten des Gehalts eines Lehrers etwa 40 000 Euro pro Jahr. Das sind aufgerundet 3 500 Euro pro Monat. Wenn man langzeiterkrankt ist - das ist ab sechs Wochen der Fall -, wird das Gehalt in diesen sechs Wochen weitergezahlt. Wenn wir das hochrechnen, bedeutet das 2,625 Millionen Euro, die das Land jedes Jahr für langzeiterkrankte Lehrer ausgibt.

Ich bin der Überzeugung, man sollte dringend etwas gegen die Erkrankungen der Lehrer tun und ein Gesundheitsmanagement einführen. Im Übrigen hatte Minister Rupprecht das in seiner Amtszeit angekündigt. Er sagte, er wolle ein Gesundheitsmanagement für Lehrer einführen, damit das Problem angegangen werden kann. Passiert ist gar nichts. Vielleicht hat Ministerin Münch - sie hört eh nicht zu - das einfach mal vergessen. Dann ist es Zeit, dass man sie daran erinnert.

Statt endlich einmal die Mangelverwaltung im brandenburgischen Schulsystem aufzuheben und in die Zukunft des Landes, nämlich in die Kinder zu investieren, versucht man, mit halbherzigen Maßnahmen, immer wiederkehrenden Rechtfertigungsversuchen und sogar Nichtstun die Situation zu überstehen und das eben auf Kosten unserer Kinder.

Wir haben vorhin darüber diskutiert, dass wir gut ausgebildete, motivierte und auch junge Lehrer brauchen, denn wir wissen, dass der Altersdurchschnitt bei den Lehrern derzeit sehr hoch ist.

Die Sonderpädagogenausbildung startet in Kürze an der Universität Potsdam. Dennoch müssen wir um diese Ausbildung werben; denn Sonderpädagogen sind in ganz Deutschland begehrt.

Damit stehen wir bereits jetzt vor einem großen Problem, nämlich Realisierung der inklusiven Schule. Wir haben zu wenig Sonderpädagogen und auch schon jetzt zu wenig Lehrer. Bis zum Jahr 2014/2015 werden 2 908 Lehrer den Schuldienst verlassen. Insofern fehlen trotz der Einstellung von 2 000 neuen Lehrern noch mehr als 900 Lehrer, um die Schüler-Lehrer-Relation überhaupt zu halten. Für Inklusion brauchen Sie sogar noch mehr Lehrer.

Wenn wir uns vor Augen halten, dass laut der Kultusministerkonferenz der Bedarf an Sonderpädagogen in Deutschland bis zum Jahr 2015 nicht gedeckt werden kann - ab diesem Zeitpunkt fehlen nämlich jährlich 450 Sonderpädagogen -, können wir uns in etwa vorstellen, welche Probleme auf das Land zukommen. Diese Probleme müssen wir endlich angehen, meine Damen und Herren. Deshalb legen wir Ihnen unter anderem diesen Antrag vor.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Insbesondere vor dem Hintergrund der Inklusion brauchen wir

mehr und gut ausgebildete Lehrer, kleine Klassen und die Durchführung von Förder- und Teilungsunterricht. Als Liberale wollen wir eine individuelle und begabungsgerechte Förderung der Kinder und Jugendlichen, die Einstellung von mehr Lehrern und eine angemessene Personalausstattung.

Wir haben das in den Haushaltsberatungen oft genug diskutiert, Änderungsanträge gestellt und gemeinsam als Opposition mehrfach gefordert, die Vertretungsreserve zu erhöhen. Aber all das kann man vergessen. Ich brauche überhaupt nicht mit Ihnen zu diskutieren; denn man hat das Gefühl, man diskutiere mit einer Wand, weil nichts durchkommt. Wir brauchen dringend eine schnellere und bessere Reaktion auf den bereits stattfindenden und auch weiterhin drohenden Unterrichtsausfall, um auf das, was auf uns zukommt - geringere Zahl an Lehrern, steigender Altersdurchschnitt der Lehrer, höherer Unterrichtsausfall -, reagieren zu können.

Frau Ministerin, fangen Sie endlich an, in diesem Bereich etwas zu unternehmen! Sitzen Sie die Probleme nicht aus! Wir legen Ihnen den Antrag dazu vor, dem können Sie zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Die Abgeordnete Theiss spricht für die SPD-Fraktion.