Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Beifall GRÜNE/B90)

Wenn die Gesellschafter Brandenburg, Berlin und der Bund den Flughafen betreiben, heißt das noch lange nicht, dass sie einen Freifahrtschein erhalten und tun und lassen können, was sie möchten. Gerade ein öffentlich betriebener Flughafen sollte Vorbildcharakter haben. Alle drei Gesellschafter haben bisher leider vorwiegend das Gegenteil bewiesen.

Doch zurück zum Schallschutzkarren. Im Gegensatz zur Auffassung der Landesregierung sind wir nicht der Ansicht, dass dieser nun komplett aus dem Dreck gezogen wurde. Er steckt dort gewissermaßen mit 0,49 Rädern immer noch fest. Denn die Flughafengesellschaft setzt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nach wie vor nicht 1:1 um. Das ist erneut ein Beispiel der Uneinsichtigkeit der Verantwortlichen, dabei ist das Urteil eindeutig. Ich zitiere, auch Gefahr laufend, dass das hier schon wiederholt vorgetragen wurde:

„Der Antragsgegner wird verpflichtet, gegenüber der Beigeladenen im Wege geeigneter aufsichtsrechtlicher Maßnahme sicherzustellen, dass für den Tagzeitraum … in den Kinderzimmern und den kombiniert genutzten Wohnund Schlafräumen der Wohngebäude der Antragsteller ab Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg bei geschlossenen Fenstern keine höheren A-bewerteten Maximalpegel als 55 dB(A) auftreten.“

Aus keinem macht man nun 0,49 und bedient sich mal wieder der Trickkiste, um sich von übermäßigen Kosten zu befreien.

Dieses Mal muss die DIN 1333, die deutsche Rundungsregel, herhalten, um die Vorgehensweise zu rechtfertigen, und das Ganze wird vom Ministerpräsidenten Platzeck als Hauptverantwortlichem von Brandenburger Seite gebetsmühlenartig als exzellenter, noch nie dagewesener Schallschutz verkauft.

Dabei kann man sich schon ungefähr vorstellen, wie dieses Kapitel endet. Sollte das Gericht im Hauptsacheverfahren bestätigen, dass 0 nicht gleich 0,49 ist, haben wir es schon wieder mit zusätzlichen Kosten zu tun, die auf der Unfähigkeit der Verantwortlichen fußen, die richtigen Handlungsanweisungen abzuleiten, die voraussichtlich dazu führen werden, dass der Steuerzahler erneut belastet werden muss.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

So wird es denn dazu kommen, dass bei manchen Antragstellern der Handwerker drei Mal klingelt. Das erste Mal, wie bisher geschehen, um Schallschutzmaßnahmen nach dem Schutzniveau NAT6 umzusetzen, das zweite Mal, um nun das Kriterium von 0,49 Überschreitungen zu erfüllen, und ein drittes Mal, um zukünftig dem Schutzniveau von 0,0 Überschreitungen nachzukommen. Aber bei den dreistelligen Millionenbeträgen, die hier in den märkischen Sand gesetzt worden sind und noch werden, kommt es darauf nun wahrscheinlich auch nicht mehr an. Nach der Theorie des Kollegen Holzschuher sind Mehrkosten ohnehin nur ein Beweis, dass der Flughafen nun noch erfolgreicher wird.

(Heiterkeit und Beifall bei GRÜNE/B90 und CDU)

Ich möchte jetzt nicht noch einmal jeden einzelnen Antrag durchgehen. Die meisten Inhalte haben wir schon des Öfteren debattiert, und wir hatten unsere Hauptforderung bereits zur Sondersitzung in der letzten Woche eingebracht. Wir sind aber der Auffassung, dass auch die heutige Debatte sinnvoll ist. Da kann ich auch nicht so richtig der Kollegin Gregor-Ness und dem Kollegen Beyer folgen, die meinten, dass hier ja alles schon gesagt wurde. Ich frage mich, wo wir stünden, wenn wir hier nicht permanent über dieses Thema reden würden, wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht ständig auf die Straße gehen würden und wenn nicht permanent gegen Dinge, die offensichtlich rechtsgültig sind, Klage erhoben werden würde. Ich denke, dass der Druck wichtig ist; denn man gibt ja die Hoffnung nicht auf, dass sich bei den Verantwortlichen ein Sinneswandel einstellt, besonders nach der 180-Grad-Wende in Sachen Klarstellungsantrag. Ministerpräsident Platzeck hat uns ja erfreulicherweise gezeigt, dass er bei ausreichendem Druck von Öffentlichkeit und Parlament durchaus in der Lage ist, die anderen Gesellschafter etwas zu bewegen.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Hoffen wir, dass dies nur der Anfang war. Der Dreh- und Angelpunkt bleibt für uns nach wie vor, dass das Land der Flughafengesellschaft mit Finanzzusagen keinen Freibrief gibt und sämtliche Zuwendungen an Bedingungen und die parlamentarische Kontrolle geknüpft sind. Dies ist neben dem konkreten Schallschutz das Mindeste, was man in dieser Situation gewährleisten sollte. Deshalb werden wir den Antrag von SPD und Linke auch ablehnen, weil er eben dieses nicht umsetzt.

Auch wenn ich die Anträge von der CDU-Fraktion und des Kollegen Christoph Schulze hier aufgrund der knappen Zeit

nicht einzeln durchgehen kann: Wir werden diese Anträge von der Erweiterung der Arbeitsgruppe über den Schallschutz, das Nachtflugverbot sowie Bedingungen an zusätzliche Finanzmittel zu knüpfen, unterstützen. Sie decken sich auch weitgehend mit unseren Anträgen aus der Vergangenheit. Ich hoffe natürlich, dass die Regierungskoalition dies ebenfalls zumindest für einen Teil tun wird. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Minister Vogelsänger setzt für die Landesregierung fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es gab ja den Vorwurf vom Abgeordneten Christoph Schulze. Ich habe das Parlament immer so erlebt, dass es das Projekt BER sehr ernsthaft und sehr intensiv begleitet. Schon in der vorigen Woche gab es eine Sondersitzung des Landtages, eine Sondersitzung des Hauptausschusses, eine Sitzung des Infrastrukturausschusses. Finanzen, Termine, Lärmschutz - alles wurde intensiv diskutiert. Heute haben die Abgeordneten wiederum über sieben Anträge zu entscheiden, haben zu entscheiden, was es dabei Neues gibt und was es zu beschließen gibt. Das Parlament ist der Souverän, und viele Dinge sind hier schon abgestimmt worden; der Abgeordnete Beyer hat das dargestellt.

Mein Appell ist bei der Diskussion: Konzentration auf die Sache, Konzentration auf die Interessen des Landes Brandenburg, ein erfolgreicher Flughafen BER ist im Interesse des Landes Brandenburg, und Konzentration auf die Zukunft.

Lieber Christoph Schulze, wir beide haben die Geschichte des Flughafens Schönefeld als Abgeordnete intensiv begleitet. Es bringt jetzt nichts mehr, in die Vergangenheit zu schauen. Es geht jetzt darum, dieses Projekt erfolgreich umzusetzen.

Ich fand die heutige Debatte wohltuend bis auf eine Seite. Herr Abgeordneter Burkardt, Sie haben den Staatssekretär Gatzer aus dem Bundesfinanzministerium hier als Mittäter bezeichnet. Er hat ein SPD-Parteibuch, das haben Sie ja auch gleich dazugesagt. Es ist schon ungewöhnlich. Er hat einen Regierungswechsel überlebt

(Gelächter bei der CDU)

- nein, nicht lachen - und ist der Stellvertreter von Bundesfinanzminister Dr. Schäuble. Ich muss mich schon wundern, dass Sie solche Dinge hier in den Raum stellen für jemanden, der bei der Bundesregierung entscheidende Verantwortung als Staatssekretär in diesem Bundesministerium trägt.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Der Aufsichtsrat wird Mitte September über das Finanzkonzept, aber auch über Terminfragen entscheiden. Ich finde es gut und richtig, dass die Abgeordneten des Landtages, das heißt die Fraktionen, entsprechend informiert werden. Am nächsten Tag gibt es die Information an die Fraktionen. Die CDU-Fraktion nimmt das nicht wahr. Das ist ihre freie Entscheidung. Aber ich würde es gut finden, wenn sie es täte, weil ich glaube, Informa

tion ist das, was jeder brauchen kann. Trotz dieser Information sind die Grünen nicht handzahm geworden. Das ist halt so.

Jetzt kommen wir zum Landeshaushalt. Die Landesregierung hat Vorsorge getroffen, um die zusätzliche Last zu schultern. Niemand erwartet Zustimmung von der CDU-Fraktion zu diesem Haushaltsentwurf - das ist völlig klar. Sie braucht ja auch nicht zuzustimmen. Aber ich bin schon gespannt, wie das im Bund und in Berlin erfolgt. Da kommt ja viel Polemik, dass man diese Mehrkosten nicht tragen will oder wird, der eine oder andere Fraktionsvorsitzende oder Staatssekretär kommt ja immer wieder zu solchen Äußerungen. Ich bin mir sicher, dass auch der Bund und Berlin diese Last tragen werden - beide in Regierungsverantwortung mit der CDU bzw. CDU/CSU.

Zum Schallschutz: Hauptverantwortlicher, wurde hier gesagt, sei Ministerpräsident Platzeck. Das ist nicht so. Hauptverantwortlicher ist Minister Vogelsänger, der hauptverantwortlich dafür zu sorgen hat, dass diese Behörde unabhängig arbeitet. Dann weisen Sie mir doch einmal nach, dass dies nicht geschieht! Weisen Sie mir das nach, anstatt hier immer solche Dinge in den Raum zu stellen.

(Beifall SPD sowie von der Regierungsbank)

Es gibt in der Tat eine zentrale gute Nachricht, wenn man sie denn wahrhaben will: Der Antrag auf Klarstellung ist zurückgenommen, und zwar auf Druck der Mitglieder des Aufsichtsrates der Landesregierung Brandenburg. Das war der Druck, wir haben uns da durchgesetzt.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Der Druck der Be- völkerung!)

Noch etwas: Der Flughafen akzeptiert das Schreiben vom 15.08.2012 ausdrücklich, und jetzt haben wir die Chance, dass diese Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses, des Bundesverwaltungsgerichts und auch des OVG umgesetzt werden, dass dem Rechnung getragen wird.

Es ist nun einmal so: Gesetze werden vom Gesetzgeber gemacht. Gesetzgeber beim Bund ist mit Mehrheit die CDU/CSU mit der FDP. Wenn Ihnen das alles nicht passt, wenn Ihnen nicht passt, dass Lärmschutz berechnet wird - es geht übrigens um das Jahr 2023, den muss man berechnen -, müssen Sie Gesetze ändern.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Deshalb kommen diese Berechnung und die 0,49 dB(A) zustande. Selbstverständlich muss das dann auch vor Gericht Bestand haben - ist ja völlig klar. Das betrifft, was die Berechnungen beim Lärmschutz angeht, nicht nur den Flughafen, das betrifft dann auch Straßen und Schienenwege. Da kriegen wir eine ganz spannende Debatte in Deutschland, und der eine oder andere guckt schon mit Angst auf den Flughafen Berlin Brandenburg. Wenn das Standard wird, bekommen wir deutschlandweit eine ganz muntere Debatte.

(Frau Gregor-Ness [SPD]: Heute Morgen Ortsdurchfahrt Möglenz!)

- Heute Morgen Ortsdurchfahrt Möglenz, richtig. Auch da hat Lärm eine Rolle gespielt.

Ich bin fest entschlossen, dass diese Dinge, die meine Behörde vorgegeben hat, jetzt auch entsprechend umgesetzt werden, und ich bin mir sicher: Die Bürgerinnen und Bürger im Umfeld von Schönefeld erhalten im Vergleich zu anderen Flughäfen in Deutschland den besten Lärmschutz. Lassen Sie uns dafür weiter arbeiten, und lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, dass BER ein Erfolg wird! Das Projekt ist einfach zu wichtig für Berlin und Brandenburg. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister. - Dennoch haben Sie eine Kurzintervention ausgelöst. Herr Genilke, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Hackenschmidt sagte gerade: Nummer 721. - Offensichtlich ist das mit den Zahlen nicht ganz so schwer, wie ich dachte.

Ich möchte noch einmal eines sagen und auf den Minister eingehen, weil er sagte: Weisen Sie mir doch nach, dass wir da irgendwie auf Weisung gehandelt haben. - Wir haben mit den Mitgliedern des Infrastrukturausschusses zusammengesessen, und ich möchte sagen, wir sollten sogar noch mit dieser Aussage warten. Sie haben auf dieses OVG-Urteil nämlich mit einem Schreiben an die Flughafengesellschaft reagiert - dieses Schreiben haben Sie uns 24 Stunden vorher auch bereitwillig zur Verfügung gestellt -, laut dessen Sie den Flughafen anweisen werden, keinmal eine Überschreitung von 55 dB(A) im Rauminneren vorzunehmen. Das haben Sie getan.

Irgendetwas muss Sie ja nun geritten haben, ein neuerliches Schreiben an den Flughafen zu verfassen, in dem Sie mehr oder weniger, nachdem er reagiert hat, diese 0,49 dB(A)-Geschichte mit dieser „DIN ich weiß nicht was“ - anordnen, woraus ersichtlich wird, dass Sie neuerdings das Rechnen gelernt haben. Das erklärt sich mir nicht, das müssen Sie den Leuten nicht nur mir, sondern auch den Leuten draußen, die es betrifft erklären, denn das ist nicht nachvollziehbar.

Des Weiteren sagten Sie, wir hätten einen sehr guten Schallschutz. Das mag alles sein, das ist auch alles richtig. Dennoch ist es nicht das, was festgeschrieben worden ist. Dazu haben Sie heute keinen Ton gesagt. Wir können hier nicht in Gutsherrenart darüber entscheiden, was jeder gut oder schlecht findet das ist nämlich eine nicht zu fassende Größe -, sondern wir haben uns an das zu halten, was Gerichte an Recht gesprochen haben, und nichts anderes fordern wir in dieser Situation ein.

Das hat im Übrigen seine Bewandtnis, als am nächsten Tag, nachdem die 0,49 dB(A)-Variante - die krumme Null, wie die Grünen sagen - herauskam, Herr Wowereit der Nächste war, der in einem Zeitungsinterview gesagt hat - das können Sie gern nachlesen:

„Ich weiß nicht, was der Lärmschutz kosten wird, aber es wird nur die Hälfte sein, maximal 300 Millionen Euro.“

Es war von Anfang an der Versuch, Kosten zu sparen, und nicht etwa irgendetwas anderes. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Herr Minister, Sie müssen nicht reagieren, Sie dürfen aber.

Sehr geehrter Abgeordneter Genilke, ich habe immer gesagt, dass Lärmschutz umzusetzen ist, dass die Kosten dabei keine Rolle spielen - das habe ich immer gesagt -, weil es gesetzlich festgelegt ist. Der Bescheid vom 15.08.2012 macht im Prinzip noch einmal deutlich, wie das umzusetzen ist. Lärm wird berechnet, und es geht um den Lärm von 2023, und da kommen Sie nun einmal auf solche krummen Zahlen und nicht auf 0,0. Das können wir gern noch einmal im Fachausschuss ausdiskutieren.

(Beifall SPD)