Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Beifall SPD)

Zum Abschluss frage ich noch einmal den Abgeordneten Schulze, ob er Redebedarf hat. - Er hat Redebedarf, und er hat noch etwa acht Minuten Zeit.

Herr Kollege Beyer, Sie haben mir ja direkt vorgeschlagen, ich solle doch endlich einmal mit der Rumnörgelei aufhören, meinen Frieden machen und mich zufriedengeben mit dem, was so wäre. Schön, ich finde diese Sorge um meinen Seelenfrieden wirklich sehr erbaulich.

Ich erinnere nur an Folgendes: Die FDP hat von 1999 bis 2009 in der Opposition im Bundestag gesessen, zehn Jahre lange ständig gebetsmühlenartig das Gleiche wiederholt und es dann 2009 nach der Bundestagswahl umgesetzt, zum Beispiel die Hotelmehrwertsteuer. Ob das gut oder schlecht war, will ich dahingestellt sein lassen.

Ich will aber an etwas anderes erinnern. Cato der Ältere - der eine oder andere mit einer gewissen gymnasialen Ausbildung kennt das - sagte, als er in den Senat kam:

„Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.“

Das sagte er jedes Mal, wenn er kam. Am Ende kam es dann auch so.

Die einen oder anderen - Kollegin Stark zum Beispiel - wissen, dass schon Mitte der 90er-Jahre auf meinem Briefpapier ein Zusatz stand:

„Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass Schönefeld der falsche Flughafenstandort ist.“

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist doch alles Geschichte!)

- Natürlich ist das Geschichte.

Ich stimme dem Kollegen Beyer und auch Frau Gregor-Ness und auch Frau Wehlan und anderen zu, dass wir nach vorn schauen. Keiner dieser Anträge ist „retrogewandt“. Die gucken alle nach vorn, die sagen: Okay, schließen wir uns dem Deutschen Ärztetag an etc.

Ich will nun die einzelnen Redebeiträge kurz abarbeiten. Liebe Martina Gregor-Ness, du sagst: Alles schon bekannt, alles schon gewesen. - Wenn das so ist, dass alles schon bekannt ist, glaube ich, könnten wir einen großen Teil der Tagesordnungspunkte von Landtags-, Gemeindevertretungs- und Bundestagssitzungen streichen. Die Politik besteht in der Wiederholung und Aufarbeitung von schon Gesagtem, um zu prüfen, ob es noch zur Realität passt oder sich Änderungsbedarf ergibt.

Im Übrigen: Dein bzw. Ihr Rechenbeispiel - ich weiß nicht, ob wir uns noch duzen - ist schlicht falsch. Im Oberverwaltungsgerichtsurteil steht: Das Oberverwaltungsgericht stellt fest,

„das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 16. März 2012 … ausgeschlossen, dass der genannte Maximalpegel im Rauminnern auch nur einmal überschritten werden dürfe.“

Wir können nun trefflich darüber diskutieren, auch mit dem Kollegen Vogelsänger. Ich frage Sie, Herr Kollege Vogelsänger: Herr Minister, was werden Sie diesem Landtag erklären, wenn möglicherweise gegen Ihren Bescheid vom 02.07.2012 respektive 15.08.2012 geklagt wird und das Oberverwaltungsgericht feststellt, dass 0,49 mal 55 nicht zulässig ist? Dann frage ich Sie: Welche politische Verantwortung werden Sie dann übernehmen, wo Sie uns heute eingeredet haben, dass alles in Ordnung sei? Wenn Sie damit durchkommen und das Oberverwaltungsgericht das zurückweist, dann werde ich das offen einräumen und sagen: Der Minister hat sich richtig verhalten, er hat dem Auslegungsspielraum Rechnung getragen. - Die spannende Frage ist nur: Was ist, wenn das nicht der Fall ist? - Dann haben wir eine neue Situation.

Ich möchte nun zu den Ausführungen des Kollegen Beyer kommen. Herr Kollege Beyer, Sie sagen, wir haben x Beschlüsse gefasst. Es geht nicht um Beschlüsse, die hier gefasst wurden, sondern es geht um die Realität da draußen. Und wenn man hier zehnmal beschließt, alles ist gut, dann heißt das noch längst nicht, dass draußen alles gut ist. Das ist meine Wahrnehmung. An dem Thema sind Sie gnadenlos vorbeigeschossen. Es geht nicht um das Thema Geld oder wie wirtschaftlich der Flughafen ist, sondern es geht darum, was uns die Gesundheit der Menschen dort wert ist. Das ist die wichtige und zentrale Frage.

Ich komme nun zum Kollegen Vogelsänger. Er hat hier ausgeführt, dass das wichtigste Interesse des Landes Brandenburg ein erfolgreicher BER ist. Herr Vogelsänger, ich widerspreche Ihnen ganz immens und in voller Überzeugung und bei allem, was mir heilig ist. Das wichtigste Interesse dieses Landes muss sein, dass es gesunde Menschen hat. Alles andere hat sich dem unterzuordnen. Im Übrigen war es auch immer das Anliegen der SPD, sich um die Gesundheit der Menschen zu kümmern: Nachtarbeitsverbot, Arbeitszeitgesetze, Arbeitsschutzgesetze, all die gewerkschaftlichen Forderungen, die wir als SPD umgesetzt haben, Gesundheitsschutz, Mutterschutz etc. Alles Dinge, die der Wirtschaftlichkeit nicht besonders entgegenkommen.

Aber das war das, was die SPD seit 100 Jahren gemacht hat, sich für die Menschen einzusetzen, dass sie nicht vom System verheizt werden.

(Holzschuher [SPD]: Deswegen bekommen wir den bes- ten Lärmschutz Deutschlands!)

Denn das System Kapitalismus ist nun einmal so, dass es gerne den Menschen in Beschlag nimmt.

Ich fordere nicht mehr und nicht weniger, als dass sich dieser Landtag und meine Partei dafür einsetzen, das Bestmögliche für die Menschen herauszuholen. Ich gebe offen zu und räume ein, dass in den letzten Monaten etwas erreicht worden ist.

(Holzschuher [SPD]: Ah!)

Ich will das nicht kleinreden, ich will das auch nicht negieren und bin auch nicht dafür, dass man das alles in den Dreck zieht. Man muss sich aber fragen: War es freiwillig oder war es erzwungen? Ich erwarte in Zukunft mehr Eigeninitiative, dass mehr von uns kommt und wir sagen: Wir nehmen das Heft des Handelns in die Hand. Wir lassen uns nicht von den Bürgern treiben, wir lassen uns nicht von Gerichten treiben, wir machen es selber. Wir provozieren gerade wieder eine Situation, und zwar mit diesen 0,49 mal 55 dB(A), sodass ich voraussage, dass wir wieder die Getriebenen sein und wieder vor einem großen Scherbenhaufen stehen werden.

Meine Damen und Herren, ansonsten stelle ich aber fest, dass auf viele meiner Anträge inhaltlich gar nicht eingegangen wurde. Es wurde erklärt, dass bereits alles gesagt worden sei. Ich bestreite immens, dass alles gesagt wurde. Ich bestreite auch, dass alles, was wir hier schon beschlossen haben, das abdeckt, worüber heute abzustimmen ist.

Nehmen wir nur den Antrag, die Bürger beim Schallschutz vor Unredlichkeiten und Übervorteilungen zu schützen. Da ist die Frage: Sind wir für 0,0 mal 55 dB(A) oder 0,49 mal 55 dB(A)? Dazu kann man sich positionieren, man muss es nicht. Man kann dazu aber Farbe bekennen, zu anderen Punkten übrigens auch.

Ansonsten weise ich darauf hin, dass die nächste Landtagssitzung bestimmt kommt, die übernächste und die überübernächste auch. Sie werden damit leben müssen, dass ich das Kernthema, das 50 000 Menschen in der Region dort immens jeden Tag bewegt, hier immer wieder auf den Tisch zerre. Entschuldigung, Sie tun das ja mit anderen Anträgen, die wesentlich weniger Menschen betreffen, die für diese Menschen aber auch essentiell sind, ja auch. Und darüber beschwere ich mich ja auch nicht. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Es folgt eine Kurzintervention von Frau Gregor-Ness.

Lieber Christoph - ich bin immer noch beim Du -, es geht überhaupt nicht darum, ob man darüber diskutieren will oder nicht,

sondern es geht darum, wenn man nicht deiner Meinung ist, du einen sofort zum Steigbügelhalter von irgendetwas oder irgendjemandem machst. Das ist das Problem.

Und bei den entweder akademisch geführten Diskussionen um den Lärmschutz oder aber um den gerichtlich festgestellten Lärmschutz vergessen wir eins: Wir vergessen die Praxis und die Realität. Ich habe nicht den Mann vergessen, der Betroffener ist und im Fernsehen gesagt hat: Was nützt mir das alles? Ich kann mir das Geld nicht in die Ohren stecken. Ich will einen Lärmschutz haben, der umsetzbar ist. - Danach müssen wir doch suchen. Das, was du hier forderst, ist bei großen Teilen der betroffenen Immobilien nicht umsetzbar bzw. realisierbar. Das ist das Problem, das wir haben. Wir werden Geld auszahlen und damit niemanden schützen und keine Gesundheit gewährleisten. Davor habe ich Sorge. Wir müssen realistisch versuchen, das Bestmögliche an wirklich realem und individuellem Lärmschutz zu realisieren. Es geht nicht um die akademisch geführten Diskussionen darüber, ob 0,49 dem Urteil entspricht oder nicht.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es folgt die Möglichkeit für Herrn Schulze, zu reagieren.

Liebe, liebe Martina, ich finde es eine interessante Aussage, die in der Zeitung kolportiert worden ist, es wäre nicht umsetzbar. Es gibt dazu bei den Bürgerinitiativen - 21 an der Zahl bereits eine Arbeitsgruppe, in der eine ganze Reihe von Ingenieuren und Architekten vertreten ist. Es gibt erste Musterbeispiele. Das ist umsetzbar und zwar nicht mit den Leuten, die 30 % Entschädigungswert herübergeben. Hierbei stellt sich die Frage, zu welchem Stichtag das gerechnet wird. Mit dem Geld soll vielmehr der Schallschutz realisiert werden. Ich lade herzlich dazu ein, dass wir dazu vielleicht sogar im Verkehrsausschuss eine Anhörung durchführen, dass man endlich von diesen Gerüchten, das ginge alles gar nicht, wegkommt. Es hieß ja auch, dass 0 mal 55 gar nicht ginge. Woher wissen Sie das? Weil das irgendjemand einmal behauptet hat? Irgendjemand behauptet, die Erde ist eine Scheibe, und wir glauben das dann?

Ich stelle hier die Behauptung auf, mit dem Schallschutzziel, das das Oberverwaltungsgericht ausgegeben hat, sind die Häuser schützbar, es ist umsetzbar. Ich meine, Sie müssen den Gegenbeweis antreten, dass es nicht so ist. Wir von den Bürgerinitiativen und Gemeinden werden den Beweis antreten, dass es so geht, und dann reden wir wieder darüber. Dieses Plenarprotokoll von heute werde ich mir sehr sorgfältig auf Wiedervorlage legen.

Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft, und wir kommen zu den Abstimmungen über die vorliegenden Anträge.

Wir beginnen mit dem Antrag des Abgeordneten Schulze, Drucksache 5/5465, „Beschluss des Deutschen Ärztetages im Land Brandenburg ernst nehmen und umsetzen“. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegen

stimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Antrag ist bei wenigen Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag in der Drucksache 5/5811 - Neudruck - der CDU-Fraktion „Zusätzliche Finanzmittel für den Flughafen BER nur bei Umsetzung des planfestgestellten Lärmschutzes bereitstellen“. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen drittens zum Entschließungsantrag von SPD und DIE LINKE „Schallschutzmaßnahmen am BER werden deutlich verbessert“, Drucksache 5/5901. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung mehrheitlich angenommen.

Viertens. Antrag des Abgeordneten Schulze „Geltendes Recht in Brandenburg durchsetzen“, Drucksache 5/5471. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Beim fünften Antrag - Antrag des Abgeordneten Schulze, Drucksache 5/5583, ändert sich Folgendes: Die CDU-Fraktion beantragt die Überweisung an den Rechtsausschuss. Wer der Überweisung folgen möchte, den bitte ich um Zustimmung. Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Der Überweisung ist mehrheitlich nicht zugestimmt worden, sodass wir über den Antrag in Drucksache 5/5583 direkt abstimmen. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Zu dem Antrag des Abgeordneten Schulze in Drucksache 5/5716 wird von der CDU-Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz beantragt. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um Zustimmung. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung abgelehnt. Wir stimmen also über den Antrag in Drucksache 5/5716 „Keine Abstriche beim passiven Schallschutz für Fluglärmbetroffene“ direkt ab. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Wir sind nun beim Antrag „Arbeitsgruppe für die Festlegung des Betriebsregimes am Flughafen BER“ des Abgeordneten Schulze, Drucksache 5/5768. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung mehrheitlich abgelehnt.

Ich komme schlussendlich achtens zum Antrag in der Drucksache 5/5800 des Abgeordneten Schulze: „Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr jetzt! Schutz der menschlichen Gesundheit, umfassendes Nachtflugverbot am BBI von 22 bis 6 Uhr sichern“. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei drei Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Damit sind wir am Ende dieses Abstimmungsmarathons und des Tagesordnungspunktes 9, den wir hiermit verlassen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Eichenprozessionsspinner wirksam bekämpfen

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Der Abgeordnete Luthardt beginnt die Debatte für die Linksfraktion.