Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Wie pervers es ist, dass die Lausitzer Braunkohle den Ausbau der Windenergie in Skandinavien finanzieren soll, um so der Stockholmer Regierung ein grünes Mäntelchen umzuhängen, fällt dieser Landesregierung gar nicht mehr auf.

(Beifall GRÜNE/B90)

Aber es geht bei nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung nicht nur um Braunkohle und Flugverkehr. Ich nenne auch das Eintreten unserer Landesregierung für Massentierhaltung in einer industriell geprägten Landwirtschaft. Obwohl die Wertschöpfung unserer konventionellen Landwirtschaft minimal ist, wird die Umstellungsprämie auf den beschäftigungsintensiven Ökolandbau gestrichen und auch in diesen Haushalt nicht wieder aufgenommen.

Wer sich gegen diese Art verfehlter Strukturpolitik wehrt, läuft Gefahr, lächerlich gemacht zu werden. Ist man für das Nachtflugverbot, so soll man in Zukunft gleich gar nicht mehr fliegen. Ist man gegen die Ausweitung und Fortführung der Braunkohleverstromung über das Jahr 2030 hinaus, soll man im Winter auf die Heizung verzichten. Ist man gegen Massentierhaltung, so soll man zukünftig auf seinen Weihnachtsbraten verzichten. Mit diesem Ausspielen von Ökonomie gegen Ökologie, von Einwohnerinteressen gegen Profit, ist unser Ministerpräsident, sind SPD und Linke aus der Zeit gefallen.

(Frau Muhß [SPD]: Oh, mein Gott, ist das billig!)

Zu unserem Ministerpräsidenten: Er hat sich meilenweit von seinem angeblichen Vorbild - nein, ich meine jetzt nicht Prof. Succow oder Kurt und Erna Kretschmann -, sondern vom verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau - entfernt, der etwas geläutert - im Jahre 2001 erklärte:

„Wenn das nicht mehr gilt, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist, sondern der Mensch nur noch für die Wirtschaft da ist, dann ist diese Welt nicht mehr menschlich, aber sie soll menschlich sein.“

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und vereinzelt bei der Frak- tion DIE LINKE)

Und wissen Sie, Herr Holzschuher, was mir bei Ihren Worten heute durch den Kopf ging? - Ein altes Tucholsky-Zitat, bezogen auf die SPD in der Weimarer Republik:

„Wir sind die kommende Vergangenheit. Mit uns zieht eine ungeheure Müdigkeit.“

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Mit Ihrer anachronistischen Arbeitsplätze-um-jeden-Preis-Politik treiben Sie die Menschen zunehmend auf die Barrikaden. Die Menschen haben gemerkt, dass mit dieser Politik die Standortqualität Brandenburgs als Lebensort für Menschen nach und nach vernichtet zu werden droht.

(Holzschuher [SPD]: Wovon sollen die Menschen in Ihrem Lande denn leben?)

Unsere Verfassung bietet als Ventil Volksinitiativen und Volksbegehren, allerdings mit einer solch hohen Hürde bei einem möglichen Volksentscheid, dass mit einem Erfolg nicht zu rechnen ist. Aber solange Volksinitiativen nur salbungsvoll dafür gelobt werden, dass so viele Bürger zur Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte motiviert wurden, sich jedoch nichts Substanzielles ändert, ist die Volksgesetzgebung nur ein Instrument minderer Güte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir spätestens seit dem Gutachten von Ragnitz zur vergleichenden Analyse der wirtschaftspolitischen Entwicklung Brandenburgs seit 1990 wissen, haben sich alle ostdeutschen Bundesländer synchron entwickelt, völlig unabhängig, welche Couleur die Regierungen hatten. Der Vorsprung Sachsens ist genauso ein Mythos wie die Schwäche Mecklenburg-Vorpommerns. Und auch die Brandenburger Evaluation des Effekts der Regionalen Wachstumskerne zeigt, dass signifikante Unterschiede zu den politisch auserkorenen Förderschwerpunkten in anderen Regionen kaum bestehen. Vor diesem Hintergrund sollten wir die wirtschaftsund strukturpolitische Diskussion etwas gelassener angehen und, wie es im modernen Politsprech heißt, „uns auf unsere endogenen Potenziale besinnen“. Wir müssen nicht nach jedem Strohhalm greifen und die Ansiedlung von Rüstungsbetrieben bejubeln.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir sollten also bei der Fördermittelvergabe neben sozialen Kriterien und dem Aspekt der Energieeinsparung und Ressourcenschonung einen Wettbewerb um die bestmögliche nachhaltige Ausnutzung der regionalen Potenziale unterstützen und nicht versuchen, mit Gewalt von oben ein planwirtschaftliches Korsett über das Land zu werfen.

Natürlich sehen die historisch gewachsenen Potenziale in Eisenhüttenstadt oder Schwedt anders aus als in Neustadt (Dosse). Zu diesen endogenen Potenzialen für die wirtschaftliche Entwicklung gehört dabei auch die Wohn- und Lebensqualität nicht nur im Berliner Umland. Aber wer Neubürger durch Zuzug aus Berlin, wer Neubürger auch in anderen Teilen des Landes gewinnen will, muss etwas bieten. Wer kennt nicht den Wunsch vieler junger Familien, ihre Kinder in einem ländlichen Milieu großzuziehen?

Aber das Bildungssystem Brandenburgs schreckt ab, und das hat nicht nur etwas mit dem Abonnement auf die hinteren Plätze bei allen möglichen Bildungsvergleichen zu tun. Die Unterrichtsqualität lässt nach wie vor zu wünschen übrig, und wer

will, dass seine Kinder vernünftig Englisch lernen, schickt sie besser nicht ins staatliche Brandenburger Schulsystem.

(Oh! bei der SPD)

Der Lehrkörper ist überaltert, Lehrkräfte werden fachfremd eingesetzt, immer noch gilt der Glaube, dass jeder Lehrer alles kann. Die Ministerin betrügt nicht nur die Eltern der Schüler, sondern auch sich selbst, wenn sie den Unterrichtsstundenausfall auf angeblich 1,7 % kleinrechnet.

Überhaupt nicht gut sieht es auch mit den Brandenburger Kindertagesstätten aus. Trotz leichter Verbesserungen des Betreuungsschlüssels hat uns Rot-Rot im Ländervergleich von Platz 16 auf Platz 16 „hochkatapultiert“. Ganz zu schweigen davon, dass Berlin kostenlose Kitajahre bietet, ist in Brandenburg auch die Qualifikation vieler Erzieherinnen unzureichend. Individuelle Förderung erfordert Erkennen des Förderbedarfs, und das erfordert eine umfassende diagnostische Ausbildung.

(Unruhe bei SPD und DIE LINKE)

Aber immer noch ist nicht gewährleistet, dass in jedem Brandenburger Kindergarten eine Erzieherin mit mindestens Fachhochschulabschluss zu finden ist. Aber statt dem erklärten Schwerpunkt Bildung auch die angemessene finanzielle Ausstattung zuzuerkennen, wird das Personalbudget vom MBJS um rund 10 Millionen Euro gekürzt. Auch wenn diese Mittel durch das Ausscheiden von Lehrkräften in Altersteilzeit frei werden, ist zu konstatieren, dass die demografische Rendite nicht im Bildungssystem verbleibt.

(Beifall GRÜNE/B90)

Auch nicht gut sieht es im Etat für Wissenschaften und Hochschulen aus; der Einzelplan 06 steigt - es wird mehr Geld in die Wissenschaft investiert. Der Zuwachs wird aber durch den vertraglich festgelegten jährlichen Aufwuchs von 5 % durch den Pakt für Forschung und Innovation II erreicht und überdeckt damit nur die Kürzungen bei den Hochschulen. Brandenburg ist, gemessen an fast allen Benchmarks, weiterhin auf dem letzten Platz bei den Ausgaben für Hochschulen. Wer soll denn all die Wissenschaftler gut ausbilden, die anschließend in den zahlreichen außeruniversitären Forschungsinstituten arbeiten sollen?

Wir Grünen haben vorgeschlagen, die gravierendsten Defizite im Bildungs- und Hochschulbereich durch Umverteilung innerhalb des Personalbudgets in einem Umfang von 38 Millionen Euro abzudecken. Das sind weniger als 1,3 % von 2,9 Milliarden Euro Personalausgaben. Aber dieser Antrag wurde wie alle anderen Haushaltsanträge abgelehnt.

Doch das sind alles Kleinbeträge, gemessen an dem Aufwand für den Flughafen Willy Brandt. Bis heute wissen wir nicht, wie viel der Flughafen uns am Ende genau kosten wird. Auch die auf Bund und Land zurollenden 1,2 Milliarden Euro werden nicht das Ende der Fahnenstange sein, und bis heute ist nicht klar, wie viele der auf Brandenburg entfallenden 444 Millionen Euro zur Eigenkapitalaufstockung und wie viele als Gesellschafterkapital/Gesellschafterdarlehen gewährt werden sollen. Klar ist, dass die Flughafengesellschaft die ursprünglich eingeplanten 600 Millionen Euro für den Lärmschutz auf rund 307

Millionen Euro gekürzt hat und damit die nun überraschend aufgetauchten Mehrausgaben aus der Phase vor der gescheiterten Eröffnung am 3. Juni 2012 abgedeckt werden sollen.

Minister Vogelsängers Aussage, dass der gesetzlich vorgesehene Lärmschutz auch verwirklicht werde, ist so wahr wie trivial. Die entscheidende Frage bleibt am Ende, wer sich durchsetzt: das Oberverwaltungsgericht mit seiner Feststellung, dass null Mal gleichbedeutend mit keiner Überschreitung ist, oder das Vogelsängerministerium mit seiner gewagten krummen Null. Der Unterschied ist den Publikationen der Flughafengesellschaft und § 2 des Haushaltsgesetzes eindeutig entnehmbar: Er macht 293 Millionen Euro aus - 293 Millionen Euro, die im Zweifel von den Flughafeneignern zusätzlich aufgebracht werden müssen, und damit wird noch lange nicht Schluss sein.

Nach dem nichtöffentlichen Businessplan der FBB wird der Flughafen noch mindestens 15 Jahre rote Zahlen schreiben, jahrelang am Tropf des Landes hängen. Aber Ministerpräsident und Finanzminister fabulieren bei jeder Gelegenheit - und Herr Holzschuher heute auch -, dass der Flughafen eine Erfolgsgeschichte sei und demnächst zum Goldesel, zur „Cashcow“ für den Landeshaushalt werde. Nicht nur wir Grünen befürchten, dass die einzige Melkkuh am Ende die Steuerzahlenden sein werden.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Wir wissen nicht, ob der Flughafen am 27.10.2013 eröffnet wird. Wir wissen aber, dass es die Nibelungentreue von Wowereit und Platzeck zu Schwarz ist, die den Termin gefährdet und die Steuerzahler Geld kostet. Wären Schwarz und Körtgen gleich nach der ersten Verschiebung aus dem Verkehr gezogen worden, hätten neue Geschäftsführer einen realistischen Zeitplan aufstellen können und wären nicht zig Millionen für unsinnige Endspurtmaßnahmen ausgegeben worden.

Vorgestern habe ich dem Ministerpräsidenten vorgeschlagen Herr Dombrowski hat es dankenswerterweise angesprochen -,

(Dombrowski [CDU]: Aber ich höre es gern noch ein- mal!)

seinen Namen mit einem möglichen Erfolg des Flughafens zu verbinden und eine politische Garantieerklärung abzugeben, dass der Flughafen am 27.10.2013 eröffnet

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

und der Kostenrahmen von 1,2 Milliarden Euro nicht überschritten wird. Ich habe gesagt: Wie wäre es denn, wenn unser Ministerpräsident tatsächlich einmal seine Bereitschaft zur Übernahme der politischen Verantwortung bekundet und hier erklärt, dass er bei einer erneuten Verschiebung des Flughafeneröffnungstermins oder einer erneuten Überschreitung des jetzt gesetzten Kostenrahmens sein Aufsichtsratsamt wegen erkennbaren Versagens zur Verfügung stellt?

(Beifall GRÜNE/B90)

Ich räume ein: Nach den aktuellen Meldungen aus dem Abgeordnetenhaus in Berlin wäre das politischer Selbstmord, denn wie in vielen anderen Fällen rechnete sich die Regierung im Falle des Flughafens die Wirklichkeit schön. Wäre diese Täu

schung nur unternommen worden, um eine günstige öffentliche Meinung der Bevölkerung über die rot-rote Regierung zu schaffen, so wäre das allein schon nicht besonders gut geglückt. Das Problem scheint aber zu sein, dass die Regierung geschönte Darstellungen so häufig wiederholt, dass sie am Ende der Selbstsuggestion unterliegt, mit unabsehbaren Folgen für das Land.

Ich komme zum Schluss. Mit diesem Haushalt wird der Versuch unternommen, die Folgekosten für das Versagen von Aufsichtsrat und Geschäftsführung der Flughafengesellschaft dem Steuerzahler möglichst geräuschlos überzuhelfen.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Dieser Haushalt ist aber auch - da teile ich die Auffassung von Herrn Dombrowski - erneut ein Dokument der Mutlosigkeit von Rot-Rot, eine weitestgehende Fortschreibung des Status quo, ein Haushalt ohne neue Ideen, ein Haushalt ohne die Bereitschaft, neue Akzente in der Finanzierung von Bildung und Hochschule zu setzen. Während alle anderen ostdeutschen Bundesländer bereits 2013 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen oder sogar in die Tilgung einsteigen, will die Landesregierung im Windschatten der Flughafenfinanzierung ihre Verschuldungspolitik um ein weiteres Jahr verlängern.

Mit diesem Doppelhaushalt - insbesondere aber mit einer mit dem Weichzeichner gemalten mittelfristigen Finanzplanung täuscht die Landesregierung die Bevölkerung genauso wie sich selbst über die Herausforderungen und Risiken der nächsten Jahre hinweg und überlässt deren Bewältigung allein ihren Nachfolgern.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Sie werden verstehen, dass wir einem solchen Haushalt nicht zustimmen können. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Das Wort erhält nunmehr die Landesregierung. Herr Ministerpräsident Platzeck setzt die Aussprache fort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Vogel, eigentlich - weil es kurz vor Weihnachten ist - will ich auf Ihre Rede gar nicht eingehen, weil es teilweise skurril war, wie Sie sich verstiegen haben, nur um irgendwo billig eine Schlagzeile zu bekommen.