Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007, der die Organisationsform der Arbeitsgemeinschaft für nicht verfassungskonform erklärt hat, hat alle Beteiligten vor große Probleme gestellt.
Seit die Bundestagsfraktion von CDU/CSU im März 2009 den zwischen Bund und Ländern auf der Grundlage einer Verfassungsänderung ausgehandelten Kompromiss ohne Vorwarnzeit gekippt hat, hat sich in der Frage der Neuorganisation der Trägerschaft kaum etwas bewegt. Die neue Bundesregierung hält daran fest, zur Vermeidung einer Verfassungsänderung zur getrennten Trägerschaft zurückzukehren.
Allen Beteiligten ist klar, dass diese getrennte Trägerschaft zu mehr Bürokratie, Reibungsverlusten, Kosten und auch Klagen führen wird und das eigentliche Anliegen - optimale Betreuung und Hilfe für die Betroffenen - konterkariert.
So haben die Arbeits- und Sozialminister der Länder am 26.11.2009 in ihrer Konferenz in Berchtesgaden - bei Enthaltung Baden-Württembergs - die Pläne der Bundesregierung zur getrennten Trägerschaft einstimmig abgelehnt und an dem ausgehandelten Modell einer rechtlich eigenständigen Behörde mit eigener Personalhoheit unter Aufsicht der Länder festgehalten.
Die Sonderkonferenz der Arbeits- und Sozialminister am 14. Dezember, also am Montag dieser Woche, in der bayerischen Landesvertretung hat inhaltlich keinen Durchbruch erbracht und keine wesentlich neuen Aspekte aufgezeigt. Aber die ablehnende Haltung der Länder bröckelt etwas.
Der Deutsche Städtetag hat in der Folge der Konferenz vom 14.12. nochmals vehement gefordert, die Jobcenter durch Verfassungsänderung abzusichern und die Optionskommunen, die ihren Aufgaben nur über eine Experimentierklausel zeitlich befristet bis Ende 2010 nachkommen können, rechtlich abzusi
chern. Die Kommunen befürchten zu Recht, am Ende die Zahlmeister unter anderem für die gestiegenen Kosten der Unterkunft zu sein.
Der jetzt von der SPD und der Fraktion DIE LINKE vorgelegte Antrag benennt richtig die weiterhin dringend notwendige Betreuung der Betroffenen aus einer Hand. Optimale, bürokratiearme Betreuung muss das oberste Ziel für die hilfesuchenden Menschen sein. Er geht aber nur am Rande auf die ungelöste Problematik der Optionskommunen ein und vergräbt sich hinter der inzwischen überholten Stellungnahme der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 26. November.
Die Haltung „Wir haben es ja immer schon gesagt“ bringt für die Millionen Betroffenen, die auf eine funktionsfähige Behörde angewiesen sind, herzlich wenig.
Parallel zu unserer heutigen Sitzung hier im Landtag bringt die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Antrag in den Bundestag ein, der Bewegung in die Sache bringen könnte und vielleicht als Kompromisslösung taugt. Unter dem Titel „Absicherung der Jobcenter - Ausweitung der Option“ wird Folgendes gefordert:
Erstens: Die durch den Beschluss des Verfassungsgerichts entstandene Mischverwaltung wird durch eine Grundgesetzänderung geheilt, die die bewährten ARGEn legalisiert.
Zweitens: Die bisherigen Optionskommunen werden in ihrem Bestand über die Experimentierklausel hinaus dauerhaft abgesichert.
Drittens: Die Begrenzung auf 69 Optionskommunen wird aufgehoben, die Optionslösung also ausgeweitet. Die Optionskommunen werden auf eine sichere Finanzierungsgrundlage gestellt.
Viertens: Der Bund trägt die Ausgaben und Kosten, die sich daraus ergeben, dass Gemeinden Aufgaben anstelle der Bundesverwaltung wahrnehmen.
Wir stimmen mit Ihrem Antrag in weiten Teilen zwar überein; er greift aus unserer Sicht aber zu kurz. Er verschanzt sich hinter eingefahrenen Positionen und bringt wirklich keine neuen Aspekte in die verfahrene Diskussion ein. Deshalb werden wir uns enthalten. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Debatte sehr aufmerksam verfolgt und festgestellt, dass ich mit Herrn Baer und Herrn Bernig konform gehe. Auch in dem, was Frau Nonnemacher gesagt hat, sehe ich eine realistische Darstellung der Sachlage, wenngleich ich Ihnen, Frau Nonnemacher, einen Zahn gleich ziehen möchte: Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird an der Stelle genauso wenig wie meine Fraktion im Bundestag etwas bewirken. Wir wollen die Verfassung ändern, und genau das wollen die Bundesregierung, die CDU/CSU-Fraktion und die gel
Herr Baer hat die Rechtslage, die Historie des Kompromisses und die Eckpunkte ganz gut beschrieben. Es waren übrigens drei Eckpunkte in vier Wochen, zumindest die Entwürfe dazu. Ich möchte mich nun Frau Schier zuwenden, die zu Recht auf die... Wo ist sie überhaupt?
- Das ist jetzt nicht nett. - Wie dem auch sei, sie hat auf Erfolge der Reform aus den Jahren 2003/2004 verwiesen. Ich fand es richtig drollig, als sie sagte, damals, als das SGB II verhandelt und geschrieben worden sei, seien die CDU und die FDP der Meinung gewesen, man solle die Optionskommunen ausweiten, dann wäre die Welt schön, aber die SPD habe sich dagegen verwahrt und das nicht gewollt. Da frage ich: Hallo - Wo sind wir denn heute? Wir haben eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. So what? Just do it! Machen Sie es doch einfach. Sie haben doch jetzt die Möglichkeit dazu.
Aber nichts passiert an dieser Stelle, überhaupt nichts. Stattdessen gibt es komische Eckpunkte. Im Wochenrhythmus werden Papiere verändert. Aber es gibt bei der Bundesregierung überhaupt nicht das Ansinnen, die BA zu schwächen und die Option in Größenordnungen zuzulassen. In dem Papier der Sonderkonferenz vom Montag ist von einer einmaligen Ausweitung die Rede. Was heißt „einmalige Ausweitung“? Unter 100. Wir haben in dieser Republik, wie ich glaube, 440 Landkreise. An dieser Stelle passiert also überhaupt nichts. Es wäre eine geringfügige Ausweitung der Optionskommunen, aber mit Sicherheit nicht mehr.
Darum, Herr Bernig, kann man getrost sagen: Der Beschluss vom vergangenen Montag ist kein Sinneswandel der Länder. Es gibt einen ultratiefen Riss zwischen den CDU-Ländern auf der einen Seite und der Bundesregierung und der CDU/CSUBundestagsfraktion auf der anderen Seite. Am Montag wurde mit der Mehrheit der B-Länder ein Papier zu den Eckpunkten von Frau von der Leyen beschlossen. Im ersten Punkt heißt es:
Im zweiten Punkt heißt es: „Die Ministerinnen und Minister... halten insbesondere folgende Anforderungen... für geboten“, weil sie in diesen Eckpunkten nicht erfüllt werden. In Punkt 2a werden Transparenz, rechtliche Klarheit usw. erwähnt. Zitat:
In Punkt 2d findet sich die Formulierung: „Die Reform darf nicht dazu führen, dass die BA als Grundsicherungsträger Risiken auf Länder und Kommunen abwälzt...“ - weil es nicht geregelt ist.
„Mehrkosten, die durch getrennte Aufgabenwahrnehmung entstehen, sind darzustellen und vom Bund zu tragen.“
Ich habe mit unseren ARGE-Geschäftsführern gesprochen. Sie haben mir gesagt, dass sie allein beim Personal mit einer Verdopplung rechnen, um die Aufgaben absichern zu können, die sie derzeit wahrnehmen - allein auf der kommunalen Seite. Auf der Sonderkonferenz haben wir beschlossen - ich finde das richtig gut und hoffe, dass es dabei bleibt -, dass der Bund die Mehrkosten tragen wird.
Dann kommt die weiße Salbe mit dem „Kooperationsausschuss“. Damit soll eine Beteiligungsillusion der Länder geweckt werden; das sehen die auch so.
Nach alledem wird die Forderung erhoben, „die Zahl der Optionskommunen einmalig zu erhöhen“, auf eine Zahl unter 100.
Schließlich heißt es in dem Beschluss - das muss man sich einmal überlegen, das ist wie Bremsen und Gasgeben zugleich -:
„Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder zeigen sich für die verfassungsrechtlich abgesicherte gemeinsame Aufgabenwahrnehmung und eine Weiterentwicklung der Optionsmodelle weiterhin gesprächs- und kompromissbereit.“
Herr Baaske, da Sie so ein glühender Verfechter der Option sind, möchte ich Sie fragen: Warum haben Sie damals, als die Diskussion darum ging, zu optieren oder eine Arbeitsgemeinschaft zu gründen, mit Ihrer Fraktion, mit der SPD, im Landkreis Potsdam-Mittelmark gegen eine Option und für die ARGE gesprochen?
Da irren Sie sich ganz gewaltig. Ich war damals nicht in der Kreistagsfraktion. Ich bin durch das Land gezogen und habe in den Landratsämtern, die eine arbeitsmarktpolitische Kompetenz hatten, dafür geworben, dass wir optieren. So ist es uns zum Beispiel gelungen, dass wir eine Optionskommune aus Mecklenburg-Vorpommern abbekommen haben.