Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Das Gespenst heißt Klimawandel. Seine Schrecklichkeit bezieht es aus seinem ungeheuren Doppelnamen. Man stelle sich vor, allein das Wort Klima ist schon angsteinflößend. War es doch immer wieder das Klima, das für allerlei Übel in der Welt verantwortlich war. Wie uns Klimahistoriker heute lehren, ist sogar die Französische Revolution nach Vulkanausbrüchen in der Südsee, mit immensen, durch Feinstaubimmissionen verursachten Ernteausfällen letztlich für den Untergang einer gan

zen Gesellschaftsordnung verantwortlich. Gottlob, wohlgemerkt, Klimawandel als Demokratiebringer!

Aber nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommt ja alles noch viel, viel schlimmer. Der Terminus enthält das menschliche Angstwort schlechthin, „Wandel“. Es könnte doch tatsächlich sein, dass nichts bleibt, wie es war. Man stelle sich diese Ungeheuerlichkeit vor: In 20 Jahren wird es nicht mehr so sein, wie es genau heute ist. 20 Jahre zurückgedacht, gottlob Wandel schon wieder als Demokratiebringer!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen es mir bitte nach, wenn ich ein in der Tat ernsthaftes Thema in der Vorweihnachtszeit missbrauche zu einer kleinen, eher humoristischen Einlage. Aber man muss sich in der Tat einige Zitate des Antrags von den Kolleginnen und Kollegen auf der von meiner Seite aus linken Seite dieses Hauses einmal auf der Zunge zergehen lassen:

„Die schon jetzt absehbaren Auswirkungen des Klimawandels werden drastische Konsequenzen für Millionen Menschen haben. Gletscher und Polarkappen schmelzen rapide ab.“

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das tun sie auch!)

„Klimazonen verschieben sich, landwirtschaftliche Nutzflächen werden zerstört, und es kommt zu Überschwemmungen bzw. zum Untergang ganzer Staaten.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es denn nicht ein klein bisschen bescheidener? Muss es denn immer gleich der Weltuntergang sein, unter dem es heute einfach nicht mehr zu machen ist?

Um nicht falsch verstanden zu werden: In der Tat, das Klima wird sich ändern.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE und von der SPD)

- Bleiben Sie doch einmal unruhig!

In der Tat, der Wandel ist nach allem, was wir heute wissen, primär anthropogen beeinflusst. In der Tat, wir sind dazu aufgerufen, uns rechtzeitig, aber eben ohne Übertreibung Gedanken darüber zu machen, wie wir mit dem sich ergebenden Problem umgehen werden. Aber ich glaube nicht an den Weltuntergang, und das aus sehr guten Gründen, die aufzuzählen den Rahmen meiner Redezeit sprengen würde.

(Zurufe von der SPD)

Kurzgefasst: Erstens, in der Geschichte der Menschheit ist es ein uraltes Phänomen, dass die Welt von Zeit zu Zeit untergehen muss, genau genommen in jeder Generation einmal. Und dabei waren es immer die vergangenen Zeiten, die viel besser waren. Schon in den Metamorphosen des Ovid können Sie die Theorie des Aurea etatis nachlesen, das goldene Zeitalter, in dem alles gut und schön war, bevor dummerweise der Wandel kam.

(Bischoff [SPD]: Was wollen Sie jetzt sagen? - Weitere Zurufe)

Zweitens: Selbst ich, der in meinen rund 41 Jahren noch nicht einmal ganze zwei Generationen hinter mir habe, habe nun

schon mehrere untergegangene Welten erlebt. Vor 20 Jahren beispielsweise waren wir völlig sicher, dass heute der deutsche Wald eine Erinnerung aus fernen Zeiten sein würde. Ich empfehle Ihnen dringend die Lektüre so mancher Publikationen aus dieser Zeit von hochkarätigen Wissenschaftlern. Sowohl die Wissenschaftler als auch die Weltgemeinschaft waren sich einig. Kollege Vogel - extrem lehrreich -, lesen Sie das. Allerdings sollten Sie danach dann auch gleich zum weihnachtlichen Spaziergang in unsere herrlichen brandenburgischen Wälder aufbrechen.

Drittens: Sie mögen mich für naiv halten, aber ich kann einfach nicht glauben - schon gar nicht so kurz vor Weihnachten -, dass der liebe Gott uns die Intelligenz gegeben hat, um nach rund 6 000 Jahren Zivilisationsgeschichte endlich den Weg zu finden, wie wir uns selbst abschaffen.

Wir Liberale sind im festen Glauben, dass die Probleme

(Unmut und Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- bleiben Sie ruhig, der Weltuntergang naht noch nicht -,

die wir gegebenenfalls selbst verursacht haben, auch von uns gelöst werden können. Wir empfehlen, dabei die einfache Methode anzuwenden, nach der der Bauer die Klöße isst: immer einen nach dem anderen; dann verschluckt man sich auch nicht.

Wir werden die Ergebnisse der Klimakonferenz in Kopenhagen abwarten, wobei wir vollstes Vertrauen in unsere Bundeskanzlerin haben.

(Frau Melior [SPD]: Na prima!)

Wir werden in Ruhe bewerten und entscheiden und die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgelegten ambitionierten Ziele im Bereich Klimaschutz auch in die brandenburgische Politik - allerdings verantwortungsbewusst - implementieren helfen. Bis dahin empfehlen wir all jenen, die zur Rettung ihres Weltbildes unbedingt den Weltuntergang brauchen, ein altbewährtes Rezept: Geht einfach ein Apfelbäumchen pflanzen! Ich für meinen Teil werde das Gegenteil tun und an diesem Wochenende mit meinem jüngsten Sohn einen Christbaum schlagen, natürlich eine märkische Kiefer und keine fremdländische Konifere, wie sie im Treppenaufgang des Hohen Hauses steht. Das empfehle ich Ihnen auch und wünsche Ihnen an dieser Stelle frohe Weihnachten. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU - Unmut bei SPD und DIE LINKE)

Ich verstehe Ihre Aufregung, kann Sie aber beruhigen. Ich habe mich gerade noch einmal vergewissert: Wir haben den 17. Dezember und nicht den 11. September.

(Beifall CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Es spricht Wirtschaftsminister Christoffers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz so kurz werden meine Ausführungen leider nicht ausfallen. Herr Vogel,

egal wie die Klimakonferenz in Kopenhagen ausgeht - die Gefahr, dass man keine konkreten Schlussfolgerungen zieht, ist groß, obwohl wir alles daran setzen -, die Landesregierung hält an ihrem Ziel der Umsetzung des Koalitionsvertrages fest. Darin sind zwei Ziele hinsichtlich der Energiepolitik vereinbart: der Vorrang von erneuerbaren Energien und das Festhalten an der Braunkohleverstromung als Brückentechnologie, um die Energieversorgung und die Technologieentwicklung sicherzustellen. Zum zweiten Punkt komme ich später; ich will mich davor nicht drücken.

Herr Vogel, ich hätte mir sehr gewünscht, dass Sie die Energiestrategie vor Einbringung Ihres Antrags noch einmal genau betrachtet hätten. Sie fordern beispielsweise eine zweijährliche Überprüfung. Wir überprüfen jährlich. Sie können die aktuellen Daten über den Stand des Einsatzes von erneuerbaren Energien auf den Internetseiten des Hauses jederzeit abrufen.

Herr Vogel, das Land Brandenburg deckt seinen Stromverbrauch zu 60 % aus erneuerbaren Energien. Das ist ein Spitzenwert. Gemeint ist nicht der Primärenergieverbrauch; nicht dass wieder eine Verwechslung unterstellt wird. Wir stehen also nicht etwa vor der neuen Aufgabe, Nachhaltigkeit von Energiepolitik durch den Einsatz von erneuerbaren Energien durchzusetzen. Das geschieht bereits. Dabei müssen wir mit Konfliktsituationen umgehen. Erneuerbare Energien können als Technologieentwicklung nur umgesetzt werden, wenn Regionen und Menschen auf diesem Wege mitgenommen werden, sonst gerät man in gesellschaftliche Konflikte.

(Beifall DIE LINKE)

Nur so ist es überhaupt möglich, für das technologisch Mögliche gesellschaftliche Akzeptanz zu finden.

(Frau Prof. Dr. Wanka [CDU]: Bahnbrechend neu, wirk- lich!)

Das Thema Bürgerinitiativen ist schon angesprochen worden. Bürgerinitiativen sind Ausdruck eines großen demokratischen Bewusstseins des Vorhandenseins von Mitspracherechten.

Ich freue mich darauf, gemeinsam mit Ihnen, Herr Vogel, vor Bürgerinitiativen zu stehen und ihnen zu sagen: Ihr habt eine bestimmte Interessenlage. Aber gerade weil wir die Themen Energiepolitik und Klimawandel zusammen politisch gestalten wollen, müssen wir euch leider mitteilen, dass eure regionalen Interessen in der politischen Entscheidung möglicherweise zurücktreten müssen.

Um die Ziele der Energiestrategie 2020 zu erfüllen, müssen wir 4 000 ha neue Windeignungsgebiete ausweisen. Wenn wir alle Forderungen und Interessen berücksichtigen, werden wir weniger Windeignungsgebiete ausweisen können, als wir gegenwärtig haben. Das birgt ein riesiges Konfliktpotenzial.

Es gibt Bürgerinitiativen für und gegen großflächige Solaranlagen. Es gibt Bürgerinitiativen, die sich mit allen Aspekten der Energiepolitik bis hin zum Stopp von Erdgasleitungen beschäftigen. Vor dem Hintergrund habe ich entschieden, dass wir im Wirtschaftsministerium eine Struktur aufbauen, durch die sichergestellt ist, dass die Konfliktfelder definiert werden, die beim Einsatz von erneuerbaren Energien in den verschiedenen Regionen des Landes zu erwarten sind. Damit werden wir einen politischen Ansatzpunkt finden, um mit den Menschen vor

Ort zu reden und konfliktminimierend zu wirken. Davon, wie schnell uns das gelingt, hängt ab, wie sich die erneuerbaren Energien in Brandenburg weiterentwickeln können.

Im Gegensatz zu vielen anderen kann ich nicht definitiv sagen, wie die Energieträgerstruktur 2025, 2030 tatsächlich aussehen wird. Ich weiß nicht, ob Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert werden. Ich weiß nicht, ob die bisherigen Planungen bezüglich neuer Atomkraftanlagen in Frankreich und anderswo umgesetzt werden. Ich weiß nicht, in welchem Tempo wir erneuerbare Energien einführen können.

Daher hält die Landesregierung an der Braunkohleverstromung als Brückentechnologie fest, jedoch unter der Maßgabe, dass dabei CO2 abgeschieden wird. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie endlich einen klaren Rechtsrahmen schafft.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der fehlende Rechtsrahmen führt dazu, dass zum Teil CO2 abgeschieden und anschließend in die Atmosphäre geblasen wird, weil wir keine Möglichkeit der Speicherung haben. Das ist doch aberwitzig.

(Frau Prof. Dr. Wanka [CDU]: Haltet euch doch an Berei- che, in denen ihr auf Landesebene etwas bewegen könnt!)

Wir haben für ein technologisch hochwertiges Produkt von der Europäischen Union Mittel in Höhe von 180 Millionen Euro erhalten, damit wir das Demonstrationskraftwerk umrüsten können; es ist ein 500-Megawatt-Block. Das ist notwendig, damit China und Indien eine Technologie in Händen haben; denn sie werden in den nächsten 20 bis 25 Jahren nicht auf die Kohleverstromung verzichten.

Insofern hoffe ich, dass wir die Bundesregierung dazu animieren können, in Umsetzung der Beschlüsse der Europäischen Union einen rechtssicheren Rahmen zu schaffen.

Herr Vogel, ich würde den Satz „Global denken, lokal handeln“ auch einmal umdrehen wollen. Man kann auch global handeln und lokal denken. Lokal denken schließt mitunter ein, dass man sich an Energieerzeugungsstandorten, wo ein Export in andere Regionen stattfindet, der industriepolitischen Verantwortung bewusst ist, Technologieführerschaft zu übernehmen, damit eine möglichst CO2-freie Verstromung von fossilen Energieträgern und ein verstärkter Einsatz von erneuerbaren Energien bei allen Konflikten, die das mit sich bringt, realisierbar erscheint. Insofern freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss. Ich gehe davon aus, dass wir uns zumindest bezüglich einiger grundsätzlicher Ziele verständigen können. Ich freue mich auf die Diskussion in diesem Hohen Haus, wenn wir dann tatsächlich mit Konfliktfeldern beim Einsatz von erneuerbaren Energien umgehen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Fraktionen der SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90 haben die Überweisung des Antrags in der Drucksache 5/137 an den Ausschuss für Wirtschaft - federführend - und den Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz beantragt. Wer dem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Hand