Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

Meine Damen und Herren, wir sehen in der Bergbausanierung eine hohe Priorität bei der Gefahrenabwehr, wozu ich neben

der Sicherung von Rutschungen auch die mit dem Wasserhaushalt und der Gewässersanierung verbundenen Maßnahmen verstehe. Daher soll der Steuerungs- und Budgetausschuss ein klares Zeichen setzen. Wir möchten gern, dass künftig solche Schäden nicht vom Steuerzahler, sondern vom Verursacher reguliert werden.

(Beifall DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie der Abgeord- neten Holzschuher und Bischoff [SPD])

Das Bergrecht sieht für den aktiven Bergbau entsprechende Regelungen vor. Aber reichen sie und sichern sie derart unvorhergesehene Entwicklungen ab? - Das möchten wir genauer prüfen.

Natürlich stellt sich auch die Frage: Welchen Einfluss haben diese Erkenntnisse auf den weiteren Bergbau? - In den Planungsund Genehmigungsverfahren müssen die verschiedenen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Diese Langzeitfolgen des Bergbaus für ein ganzes Gewässerökosystem - damit auch auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region - stellen bei der Abwägung ein schweres Gewicht in der Waagschale dar.

Mit der heutigen Debatte ist die Verockerung der Spree endgültig auf der politischen Ebene angekommen. Mit unserem gemeinsamen Entschließungsantrag wollen wir ein Zeichen setzen, dass es uns ernst ist, und zugleich der Landesregierung beim Kampf gegen die Verockerung den Rücken stärken. Wir sollten uns alle im Ausschuss dieses Problem genau ansehen und unseren Beitrag leisten, damit auch künftige Generationen unser Venedig in Brandenburg genießen können.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Beyer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehen Sie es mir bitte nach, dass ich Ihnen kein Gedicht vortrage; denn mein Lieblingsdichter ist Gottfried Benn; dessen düstere Inhalte würden sich nicht eignen - selbst bei einem solch bedrohlichen Thema wie der Verockerung der Spree.

(Frau Wöllert [DIE LINKE]: Aber das hat doch gepasst!)

Davon unabhängig ist der fachliche Hintergrund des heutigen Themas der Aktuellen Stunde bekannt. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausdrücklich danken, dass sie dieses Thema zum Gegenstand der heutigen Aktuellen Stunde gemacht haben.

Ich möchte Sie nicht damit langweilen, indem ich die ganzen fachlichen Hintergründe noch einmal aufrolle. Das haben meine Vorredner - soweit ich das beurteilen kann - bereits ausführlich getan. Ich denke, dem gibt es letzten Endes nichts hinzuzufügen.

Nach dem bisherigen Verlauf der Debatte kann man auch keine großen Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Ursachenproblems feststellen. Das ist zumindest meine bisherige Wahr

nehmung. Ebenso ist die Rechtslage ziemlich eindeutig, auch wenn sie auf den konkreten Fall nicht so einfach anzuwenden ist. Diese kann man auf einen ganz einfachen Punkt bringen, der übrigens bereits in den Freiburger Thesen meiner Partei aus dem Jahr 1971 zu finden ist.

(Oh! bei SPD und DIE LINKE)

- Es passt einfach, ich kann es nicht ändern.

Dort heißt es:

„Die Kosten der Umweltbelastung werden grundsätzlich nach dem Verursacherprinzip aufgebracht. Es gilt Gefährdungshaftung. […] Ausnahmen vom Verursacherprinzip gelten nur, wo seine Anwendung nicht oder nicht mehr möglich ist.“

(Beifall FDP - Bischoff [SPD]: Atomkraftwerk!)

Diese These, liebe Frau Kollegin Niels - Sie haben es geschildert -, ist zwischenzeitlich die aktuelle Rechtslage im Umweltschadensgesetz. Allerdings bin ich nicht so optimistisch - das will ich ausdrücklich betonen -, dass Ihre juristische Einschätzung und auch die der Landesregierung - Sie, Frau Niels, haben es aus der Kleinen Anfrage zitiert - richtig ist; denn es ist hinreichend bekannt, dass sich die Juristen bis heute heftig darüber streiten, inwieweit das Umweltschadensgesetz überhaupt rückwirkend Anwendung finden kann. Das ist auch der Grund, warum im Umweltschadensgesetz ausdrücklich der 01.04.2007 genannt ist. Das ändert jedoch nichts daran; denn es geht um das Verursacherprinzip, worüber wir uns in der Bewertung letztlich einig sind.

Damit ist auch klar, dass es um Kosten gehen wird, die der Allgemeinheit auferlegt werden. Liebe Frau Kollegin SteinmetzerMann, da macht es auch einmal Sinn, in die Gesellschafterzusammensetzung der LMBV hineinzuschauen. Wir können das drehen und wenden, wie wir wollen, das werden am Schluss Kosten sein, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Darum kommen wir nicht herum.

Wir halten es deshalb auch für sehr wichtig, dass wir diese Debatte mit maximaler Sachlichkeit führen. Es ist niemandem damit geholfen, wenn in irgendeiner Art und Weise Panikmache um sich greifen sollte. Das ist heute nicht geschehen; das will ich ausdrücklich sagen. Aber das sollte auch nicht geschehen, und wir sollten hier in keiner Weise zur Verunsicherung beitragen. Darauf haben auch einige Vorredner hingewiesen.

Der gemeinsame Entschließungsantrag aller Fraktionen ist, so meine ich, eine gute Grundlage, um zu fachlichen Lösungen zu kommen. Diesbezüglich ist es von besonderer Bedeutung, dass wir größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit herstellen und eben keine Blackbox-Entscheidungen treffen.

Bereits die Befassungen im zuständigen Ausschuss haben überdeutlich gezeigt, dass wir dringend genauere Informationen brauchen und dass mögliche Gegenmaßnahmen dann auch zügig eingesetzt werden. Eine umfassende Berichterstattung im zuständigen Ausschuss im III. Quartal dieses Jahres muss daher Klarheit bringen, wohin die Reise gehen soll. Danach sollten wir entscheiden, welche weiteren Maßnahmen gegebenenfalls getroffen werden müssen.

Vor allen Dingen muss dann in einer umfassenden Langfristperspektive absolute Klarheit bezüglich der zu erwartenden Kosten bestehen. Wir raten deshalb dringend davon ab, gegenwärtig Aussagen zu treffen, wonach die Gegenmaßnahmen schon vollumfänglich ausfinanziert seien. Das war ja teilweise Gegenstand einiger Aussagen im Ausschuss.

Nach unserer Auffassung kann es dazu erst seriöse Aussagen geben, wenn alle Fakten abschließend auf dem Tisch liegen. In diesem Kontext muss allerdings dann auch darüber geredet werden, warum eigentlich bislang so wenig unternommen und diese Entwicklung erst so spät erkannt wurde. Klar muss für uns alle sein: Dieses Problem ist nicht erst gestern entstanden, und es wird auch nicht morgen gelöst sein. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall FDP sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Hoffmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist richtig, was Vorrednerinnen und Vorredner bereits gesagt haben: Lediglich vom Verockern der Spree zu sprechen greift zu kurz. Wenn wir heute sachgerecht über Gefahren für den Spreewald diskutieren wollen, dann geht es auch um Quellen, die den Spreewald zur Kulturlandschaft machen: das Vetschauer Mühlenfließ, die Wudritz, das Göritzer Fließ, das Greifenhainer Fließ sowie einige weitere Fließe, Vorfluter und Gräben. Deutlich zu sehen ist das Verockern zum Beispiel auf Höhe von Repten im Vetschauer Mühlenfließ und in den Gräben des dortigen Naturschutzgebiets Reptener Teiche. Die ersten größeren Touristengruppen im Frühjahr werden sich allerdings besonders über das Aussehen der Fließe am Radduscher Hafen ärgern. Bis zum Kossateich ist das Wasser ockerbraun. Noch schlimmer sieht der parallele Schweißgraben aus.

Ja, es geht um Sofortmaßnahmen. Einige davon hat das Aktionsbündnis „Klare Spree“ vorgeschlagen. Weitere Maßnahmen wurden heute bereits genannt. Auch ich kann mir gut vorstellen, dass es relativ schnell geht, die Grubenwasserreinigungsanlage Vetschau wieder zu ertüchtigen.

Für die Landespolitik, vor allem in Zusammenarbeit mit der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbauverwaltungsgesellschaft LMBV, wird allerdings eine große Herausforderung darin bestehen, diese komplexe Aufgabe ressortübergreifend zu koordinieren. Denn um gleich mehrere Themen geht es: Naturschutz wie Umweltschutz im weiteren Sinne, Landwirtschaft und Fischerei, Tourismus, Gesundheitsschutz, Wirtschaft und Verwaltung, schließlich auch die weitere Ausgestaltung des Verwaltungsabkommens Bergbausanierung und über dieses hinaus Fragen der Finanzierung auch durch das Land. Außerdem stellt sich - wie schon gesagt - die Frage nach dem Verursacherprinzip.

Expertenwissen ist gefragt, das aber in einem Gesamtplan koordiniert werden muss. Die Ingenieure und Ingenieurinnen der LMBV sollten in ihrer Arbeit viel mehr gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Sie sollten aber auch wissen, was von ihnen erwartet wird: Zum Beispiel dürfen Daten nicht versteckt werden. Tagebaugegner - zu denen auch ich gehöre - liegen falsch, wenn sie ein Feindbild an dieser Stelle aufbauen.

Eine Besonderheit in unserem Revier besteht darin, dass Bürgerinitiativen in der Regel ebenfalls aus Experten bestehen. Das ist so, weil viele ehemalige Bergarbeiter inzwischen Touristiker oder Naturschützer sind. Es wird zu lernen sein, ihr Wissen und Tun als Bereicherung und Hilfe, nicht als Belästigung anzusehen.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Konfliktfrei wird das nicht gehen. Das sollte man wissen und damit produktiv umgehen lernen. Verglichen mit dem Projekt der Bergbausanierung ist der Großflughafen eine kleine Nummer. Natürliche Abläufe lassen sich nicht so leicht überlisten und technologische Eingriffe in die Landschaft nicht immer und nicht schnell korrigieren. Hier muss es über Sofortmaßnahmen hinaus um langfristige Maßnahmen gehen.

Der Aufschluss neuer Tagebaue wäre in diesem Zusammenhang allerdings ein Anachronismus. Es geht um ein völlig neues Problembewusstsein. Dieses Problembewusstsein macht aber die Leistung der Bergbausanierer nicht kleiner. Im Gegenteil, erst dadurch werden die gigantischen Aufgaben, aber auch die Risiken deutlich und die herausragende bisherige Arbeit der LMBV angemessen zu würdigen sein. Wir müssen nur aufpassen, dass dieses ingenieurtechnische Wissen mit Weltniveau im Lande bleibt und für beruflichen Nachwuchs gesorgt wird.

Ja, wir haben noch keine perfekte Lösung für das Problem im Kasten, das als Verockerung der Spree bzw. des Spreewaldes daherkommt. Wir haben zurzeit noch kein strategisches Programm. Braunkohleverstromung als Brückentechnologie und Verockerung des Spreewaldes passen nicht recht zusammen. Das zuzugeben wäre ein erster Schritt, um mit aller Ernsthaftigkeit an Lösungen zu arbeiten.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich gehe davon aus, dass die LMBV, wie geplant, bis zum 9. April 2013 einen konkreten Projektantrag vorlegen wird, der auch Sofortmaßnahmen berücksichtigt.

Dass Tagebaue und Kohlekraftwerke Fortschritt und Verbesserung bedeuten, war im 19. Jahrhundert keine falsche Position. Heute so zu denken käme noch unsere Urenkel teuer zu stehen. Die ockerbraune Brühe, die den Spreewald im Südumfluter bereits erreicht hat, erinnert uns auch daran. Das werden andere anders sehen; es wird also Streit geben. Ich hoffe allerdings, das wird ein Streiten zum Zwecke des gemeinsamen Handelns sein. Heute gab es einen guten Auftakt. So sachlich waren wir bei großen Problemen lange nicht. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Die Landesregierung erhält das Wort. Es spricht Frau Ministerin Tack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, für den fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag. Er gibt uns Unterstützung und zeigt, dass

die Debatte mit großer Sachlichkeit Lösungsansätze hervorgebracht hat und dass wir Expertenwissen respektieren.

Ich möchte noch einmal unterstreichen, was ich Ihnen gestern in der Fragestunde gesagt habe: Die Landesregierung teilt Ihre Besorgnis bezüglich einer wachsenden Gefahr für Mensch und Natur durch bergbaubedingte Stoffeinträge in die Fließgewässer; das ist überhaupt keine Frage. Sie erinnern sich an die gestrigen Ausführungen; sie sind auch im Protokoll nachlesbar. In Beantwortung Ihrer Fragen bin ich darauf eingegangen, welche Maßnahmen aus dem Gutachten der LMBV vorgeschlagen werden, die bereits einen ersten Projektantrag gestellt hat. Im März dieses Jahres werden weitere Anträge gestellt und Projekte vorgestellt.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass es im Zusammenhang mit dem LMBV-Gutachten hauptsächlich um die Eisenreduktion in Spree und Kleiner Spree geht und das Maßnahmengebiet im Freistaat Sachsen liegt, was das Problem und das Projekt nicht unbedingt einfacher macht; es muss dort genehmigt und umgesetzt werden.

Ich möchte betonen, dass die brandenburgischen Umwelt- wie auch Bergbaubehörden nichts verschlafen haben, Frau Niels. Mir ist berichtet worden, dass bereits im Jahre 2008 erste Untersuchungen zur Ursachen- und Wirkungsforschung durch die Behörden angeschoben worden sind. Wir diskutieren über die Stoffeinträge von Sulfat und Eisen, darüber, welche Auswirkungen sie haben. Sie unterscheiden sich bezüglich ihrer Herkunft und Wirkung. Das Sulfat gelangt gegenwärtig insbesondere durch die Sümpfungswassereinleitung des aktiven Bergbaus in Sachsen und Brandenburg in die Fließgewässer; auch das wurde schon von Ihnen benannt.

In der länderübergreifenden Arbeitsgemeinschaft - sie besteht aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und den Bergbauunternehmen zur Bewirtschaftung der Flussgebiete Spree, Schwarze Elster und Lausitzer Neiße - wurde am Pegel Spremberger Wilhelmsthal ein Emissionszielwert von 450 Milligramm pro Liter festgelegt, der dem Schutz der weiteren Wassernutzung im Unterlauf der Spree dient. Diese Obergrenze ist festgelegt worden, und eine ökotoxikologische Wirkung dieses Parameters ist bei den gemessenen Konzentrationen nicht nachweisbar - das will ich deutlich unterstreichen -, gleichwohl kann die Überschreitung eines Trinkwassergrenzwertes von 250 Milligramm pro Liter zu Problemen bei der Nutzung des Wassers für die Trinkwassergewinnung führen.

Im Unterlauf der Spree wird Spreewasser als Uferfiltrat für die Trinkwasserversorgung in den Städten Berlin und Frankfurt (Oder) genutzt, auch das wissen wir. Deshalb kam es zu dieser Festlegung des Oberwerts und dem Verweis auf die Trinkwassernutzung; und es wurden in der länderübergreifenden Arbeitsgemeinschaft Maßnahmen zur Reduzierung dieser Einträge mit dem Bergbauunternehmen Vattenfall abgestimmt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit dem Vattenfall-Vorstand regelmäßig genau dieses Problem beraten.

Die Maßnahmen - auch das habe ich gestern dargestellt - befinden sich derzeit im sächsischen Genehmigungsverfahren. Gleichwohl wird der zunehmende Einfluss des Sanierungsbergbaus hinsichtlich dieser Parameter kritisch beobachtet und werden innovative Verfahren zur Reduzierung des Sulfateintrags geprüft.

Die Verockerung der Fließgewässer ist auf den Grundwasserwiederanstieg in den ehemaligen Bergbaurevieren der Lausitz in Brandenburg und in Sachsen zurückzuführen - darauf sind Sie ausführlich eingegangen. Die von den Oberbergämtern beider Länder gegenüber der LMBV angeordneten Untersuchungen und Maßnahmeprüfungen liegen für den sächsischen Raum bei Spremberg vor und werden spätestens im März 2013 auch für das südwestliche Zuflussgebiet des Spreewalds vorliegen.