Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

Erhebliche Zweifel haben wir jedoch, dass sich diese Leitlinien maßgeblich auf die Regierungsarbeit in Brandenburg auswirken werden. Wir erkennen zwar an, dass im Landeshaushalt seit 2010 wieder jährlich 60 000 Euro für entwicklungspolitische Projektförderung enthalten sind. Ein darüber hinausgehendes Engagement der Koalition war jedoch in den letzten Haushaltsberatungen nicht zu erkennen.

(Bretz [CDU]: Richtig!)

Sowohl dem Haushalt dieses als auch dem des nächsten Jahres fehlen die Mittel für die Kofinanzierung des sogenannten Promotorenprogramms in der Entwicklungspolitik, und damit fehlt erneut ein Beitrag Brandenburgs zu einer kohärenten Entwicklungspolitik von Bund und Ländern. Demgegenüber hatte die rot-rote Koalition Mittel, um zum Beispiel die Internationale Luftfahrtausstellung ILA als Rüstungsgüterschau jährlich mit einem Millionenbetrag auszustatten.

(Beifall B90/GRÜNE)

Sind das die richtigen Prioritäten?

Auch das gewählte zentrale Leitbild der nachhaltigen Entwicklung hält diese Landesregierung in zentralen Politikfeldern nicht ein. Obwohl die Braunkohleverstromung der entscheidende Grund für Brandenburgs bundesweit höchsten Pro-KopfAusstoß an CO2 ist, will Rot-Rot den Abbau in der Lausitz fortsetzen und blockiert damit nicht nur die nachhaltige Entwicklung in der Region. Die Folgen dieser Politik haben vor allem die Menschen in den Ländern zu tragen, die bisher am wenigsten von der Ausbeutung fossiler Rohstoffe profitieren konnten.

Ganz im Sinne dieser Leitlinien denken auch wir, dass die weitere Entwicklung Brandenburgs gestärkt wird, „wenn Politik,

Wirtschaft und Gesellschaft die globalen Zusammenhänge in ihrer Bedeutung für sich erkennen und in die eigenen Entscheidungen im Sinne des Verfassungsgrundsatzes der einen Welt einbeziehen.“ Frau Hackenschmidt hat auch darauf hingewiesen.

Die globalen Zusammenhänge bzw. die globalen Folgen einer zu hohen Emission klimaschädlicher Gase sind bekannt. Der Weg, das zu beenden, ist gangbar. Was also hindert Sie daran, den hier formulierten Prinzipien endlich Taten folgen zu lassen, meine Damen und Herren?

(Beifall B90/GRÜNE)

Das ebenfalls durch die Koalition beschlossene Vergabegesetz berücksichtigt weder Umweltkriterien noch in ausreichender Weise internationale Arbeitsschutzstandards, die sogenannten ILO-Normen. Fehlende Umwelt- und Arbeitsschutzstandards treffen insbesondere Menschen in Entwicklungsländern - wir denken an die vielen Toten bei einem Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch im vergangenen November - und stellen Marktschranken für fair produzierte Produkte dar. Auch hier folgen den schönen Worten keine Taten.

Die Entwicklungspolitischen Leitlinien und der Prozess dahin haben zwar die entwicklungspolitische Arbeit im Land einen kleinen Schritt weitergebracht, aber der Gedanke der Nachhaltigkeit sollte nicht nur als Leitbild internationaler Entwicklungspolitik, sondern auch in zentralen Politikfeldern dieses Landes endlich beherzigt werden, denn er ist richtig und notwendig.

(Beifall B90/GRÜNE)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Dr. Hoffmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Positiven und dem Dank an die Akteure im Land Brandenburg, wie es meine Kollegin Bettina Fortunato und auch andere Abgeordnete bereits formuliert haben, kann ich mich nur anschließen. Trotzdem möchte ich einige kritische Punkte nennen.

Doch zuerst sei noch einmal gesagt, dass die Verknüpfung der Entwicklungspolitischen Leitlinien der Landesregierung Brandenburg mit dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung richtig ist, dass es zeitgemäß ist, Entwicklungspolitik als internationale Politik und Kooperation auf Augenhöhe mit den Partnern zu praktizieren, unabhängig davon, woher die Partner kommen und wie hilfebedürftig und damit abhängig von Hilfe sie auch sein mögen, dass das vor allem ehrenamtliche Engagement der Nichtregierungsorganisationen und der Koordinatoren in Brandenburg, nämlich des Verbundes Entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburgs - VENROB unterstützt werden muss, dass Handlungsfelder definiert wurden und schließlich, dass mit dem heutigen Beschluss die Landesregierung beauftragt wird, konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Schwerpunkte dieser Leitlinien zu erarbeiten und regelmäßig dem zuständigen Ausschuss über den Fortgang der Arbeit zu berichten.

Im Vergleich mit anderen Bundesländern ist die internationale Politik, wie sie sich auch in den Leitlinien zur Entwicklungspolitik ausdrückt, zu loben. Anzumerken ist auch, dass es unter den bundespolitischen Rahmenbedingungen nicht gerade leicht ist, eine zeitgemäße und koordinierte Politik hinzubekommen. Deutschland kürzt bekanntlich effektiv immer wieder die Entwicklungshilfe und ist damit von internationalen Vereinbarungen abgewichen. Gleichzeitig werden Bestrebungen unternommen, den Einfluss privater Banken auf die Entwicklungshilfe zu erhöhen, und ich meine, das kann für die Betroffenen kaum gutgehen. Hier erwarte ich von einer linken/sozialdemokratischen Landesregierung fundierte Kritik und alternative Vorschläge.

Das wird fachlich und politisch nicht so einfach zu meistern sein, denn nicht einmal die Frage, warum wir uns auf Landesebene mit Entwicklungspolitik überhaupt beschäftigen, ist banal. Nicht einmal banal ist die Frage, warum eine linke Regierung von Entwicklungspolitik spricht. Ein rot-rotes Doppelleuchten zeigt sich in der Begrifflichkeit nun gerade nicht. Die beiden Parteien - Linke und SPD - sind da bereits weiter, als wir es im praktischen Tun im Land Brandenburg auf Regierungsebene sind, und die bundespolitischen Rahmenbedingungen und der Umgang mit diesem Politikfeld in Kommunen und teilweise auch auf Landesebene lassen trotz guter Ansätze Entwicklungspolitik immer wieder mal ins Provinzielle abgleiten.

Doch dafür gibt es Ursachen. Die Kritik wird deshalb in einigen Punkten auch ungerecht sein. Andere Kritikpunkte sind selbst verschuldet - Frau Richstein und Frau Nonnemacher haben einige genannt.

Anfang der 90er-Jahre erhielt ich eine Einladung zu einer internationalen Konferenz mit dem Thema „Entwicklungshilfe und Rassismus - zwei Seiten einer Medaille“. Meine Universität hatte gerade den Namen „Karl Marx“ abgelegt, und ich bekam gesagt, dass es wohl besser wäre, an dieser Konferenz nicht teilzunehmen. Diejenigen, die mir das sagten, waren zum Teil dieselben Menschen, die mich wenige Monate vorher noch vor ein Parteigremium schleppten. Dort sollte ich mich nämlich rechtfertigen, weil ich die staatliche Solidarität der DDR gegenüber afrikanischen Ländern und Befreiungsbewegungen als paternalistisch und missionarisch bezeichnet habe, und da helfe es auch nicht, wenn diese Politik im Ton einer freundlichen Pionierleiterin daherkomme.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Hast du etwas gegen Pio- nierleiter?)

Das ist vorbei, und das, was ich in dem Zusammenhang über Pionierleiterinnen gesagt hatte, war auch nicht sonderlich gerecht. Im Kern geht es jedoch noch immer um das Problem, wie das menschliche Bedürfnis, anderen helfen zu wollen, die Unterstützung brauchen, weil es ihnen schlecht geht, und die nachhaltige Entwicklung in Wirtschaft, Kultur, Ökologie und in den internationalen Beziehungen für beide Seiten sinnvoll und sinnlich erlebbar zusammenzubringen sind.

Insofern müssen Bildung und konkrete Solidarität auch durch Länder und Kommunen Schwerpunkt internationaler Arbeit bleiben. Dieser Schwerpunkt ist nach meiner Auffassung als kulturelle Bildung zu organisieren. Das Land Brandenburg ist auf dem richtigen Weg. Der Landtag sollte nur darauf achten,

dass die Regierung in der richtigen Spur bleibt. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Das Wort erhält nun Minister Christoffers für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zu den Ausfüh-rungen meiner Vorredner machen. Ich bin sehr froh darüber, dass die Landesregierung im Juni letzten Jahres die Entwicklungspolitischen Leitlinien entschieden hat und diese auch umsetzt. Des Weiteren bin ich dankbar dafür, dass der Landtag in diesem Jahr eine positive Positionierung zu den Leitlinien abgegeben hat. Auch erkenne ich aus den Beiträgen, dass man über bestimmte Grundüberzeugungen gemeinsam agieren kann, was wir als Grundlage auch weiter definieren sollten.

Meine Damen und Herren, ich darf mich an dieser Stelle zunächst sehr herzlich bei den Akteuren des Round Table bedanken, aber auch bei den Mitarbeitern meines Hauses, die durch sehr intensive Arbeit eine Neufassung und eine Neukonzipierung der Entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes Brandenburgs durchgesetzt haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Nun zu einigen Punkten, die benannt wurden: Die Entwicklungspolitischen Leitlinien zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass in einer Reihe von Handlungsfeldern Maßnahmen definiert wurden. Diese Maßnahmen umfassen unter anderem die Bereiche Bildung und Jugend, Migration und Integration, Wissenschaft und Forschung sowie Wirtschaft und die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen.

Den Antrag des Ausschusses verstehe ich dahin gehend, dass wir zu diesen definierten Handlungsschwerpunkten dem Ausschuss berichten werden, wie weit wir in bestimmten Fragen der Umsetzung gekommen sind.

Um hierbei gleich eine Kritik aufzunehmen, Frau Vorsitzende: Ich kann nicht über das Promotorenmodell entscheiden,

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Ja!)

wenn das zuständige Bundesministerium noch nicht einmal über die Anträge entschieden hat, die mittlerweile dem Bundesministerium vorliegen. Erst dann, wenn darüber entschieden wurde, können wir im Land Brandenburg definieren, was wir in diesem Bereich tatsächlich umsetzen müssen, um die von allen gewollte Weiterführung und Finanzierung von Akteuren in diesem Bereich umzusetzen.

Frau Nonnemacher, alles hängt mit jedem zusammen. Es ist nicht allzu schwer, aus jedem beliebigen Zusammenhang und aus jedem beliebigen Sachverhalt heraus alle relevanten strittigen Politikbereiche anzusprechen. Insofern habe ich Ihren Beitrag, Frau Nonnemacher, sehr aufmerksam verfolgt. Dennoch werde ich Ihnen Folgendes sagen: Wir werden uns in der Um

setzung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gemeinsam mit den Akteuren weiterhin auf diesen Kernbereich konzentrieren. Damit werden wir sicherlich mehr erreichen, als wenn wir möglicherweise die politischen Auseinandersetzungen zu Handlungsschwerpunkten im Land Brandenburg auch noch über dieses Feld gemeinsam definieren und uns damit ein Stück weit blockieren.

Hinsichtlich der ILO-Kernarbeitsnormen ist Folgendes zu sagen: Ich bin mir Ihrer Unterstützung sicher, dass wir in Umsetzung der rechtlichen Möglichkeiten, die es bereits gibt, in jeder Kommune und in jedem Kreis die Voraussetzungen dafür schaffen können, dass Vergaben auch nach diesem Kontext verfolgt werden könnten bzw. sollten. Das liegt nicht nur in der Hand des Landes Brandenburg. Vielmehr gibt es entsprechende rechtliche Möglichkeiten nach dem GWB, die auch genutzt werden sollten. Dazu ermutigen und ermuntern wir unter anderem auch bei der Arbeit des Round Table.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch zu verdeutlichen, dass wir seit der Entscheidung über die Entwicklungspolitischen Leitlinien einige Sachverhalte bereits eingeleitet und auch umgesetzt haben. Selbstverständlich arbeiten wir unter dem Kontext „Wirtschaft“ sehr eng mit dem WirtschaftsScout der IHK Potsdam zusammen. Dies ist eine gute Institution. Zudem wird damit gewährleistet, dass ein Vertreter der IHK ebenfalls am Round Table teilnimmt und wir uns abstimmen können, was wir gemeinsam umsetzen.

Zudem gibt es die Zusammenarbeit mit den NGOs, bei der es unter anderem um die inhaltliche Koordinierung zur Promotorendiskussion zwischen den Ressorts in Zusammenarbeit mit der Stiftung Nord-Süd-Brücken und der Stiftung „Entwicklung und Frieden“ geht. Darüber hinaus haben wir am Portal „Deutsche Länder“, das am 08.02.2013 online gegangen ist, aktiv mitgewirkt, um den Bereich Kommunikation abzudecken.

Zum Teil ist es auch interessant, sich den Stand der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit in allen Bundesländern anzuschauen. Dabei werden durchaus erhebliche Unterschiede ersichtlich, die es - wenn ich das so offen sagen darf - auch in Bundesländern gibt, bei denen ich das aufgrund der politischen Farbenlehre nicht erwartet hätte und die einen Nachholbedarf aufweisen.

Meine Damen und Herren, zudem gibt es die Abstimmung mit den anderen Bundesländern im Bund-Länder-Ausschuss, der aktiv tätig ist. Des Weiteren vertreten wir auch die deutschen Länder in der EU-Ratsgruppe für Entwicklungszusammenarbeit. Insofern haben wir, glaube ich, auch als MWE in Zusammenarbeit mit allen anderen Ressorts versucht, diese Schwerpunktsetzung umzusetzen. Dies werden wir weiterhin tun, und zwar in einem vertrauensvollen Dialog mit den Akteuren im Land Brandenburg. Ich bin mir sicher, dass wir in den Berichterstattungen gegenüber dem Ausschuss verdeutlichen können, mit welchem Schrittmaß und welchen Inhalten wir diesen Bereich weiterentwickeln werden. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Es liegen Ihnen die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Europaange

legenheiten und Entwicklungspolitik in der Drucksache 5/6806 vor. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist dies zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Stand des Brandenburgischen Jugendstrafvollzugsgesetzes

Große Anfrage 22 der Fraktion der FDP

Drucksache 5/6059

Antwort der Landesregierung

Drucksache 5/6698

Wir beginnen mit dem Beitrag der FDP-Fraktion. Die Abgeordnete Teuteberg spricht zu uns.