Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Meine Damen und Herren, herzlich willkommen zum Frühlingsanfang!

Ich habe Ihnen gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg mitzuteilen, dass der Hauptausschuss in seiner Sitzung am 13.03.2013 Herrn Abgeordneten Dombrowski zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt hat. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall CDU)

Ich habe Ihnen weiterhin mitzuteilen, dass der Entschließungsantrag der FDP-Fraktion in der Drucksache 5/7040 durch die Antragsteller zurückgezogen worden ist.

Gibt es zum Entwurf der Tagesordnung Bemerkungen? - Da das nicht der Fall ist, lasse ich darüber abstimmen: Wer nach dieser Tagesordnung verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Die Tagesordnung ist so bestätigt.

Wir haben heute ganztägig auf Herrn Minister Baaske zu verzichten; er wird durch Frau Ministerin Kunst vertreten.

Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich unsere Gäste: Schülerinnen und Schüler der Käthe-KollwitzOberschule Potsdam. Herzlich willkommen und einen spannenden Vormittag für euch!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Weltverbrauchertag: Gesund und sicher essen in Brandenburg

Antrag der Fraktion der SPD

Drucksache 5/6968

Ferner liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der CDU- und der FDP-Fraktion in der Drucksache 5/7039 vor.

Die Debatte beginnt mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Die Abgeordnete Kircheis spricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Tag! - Die jüngsten Lebensmittelskandale um Pferdefleisch in der Lasagne und im Gulasch oder um BioEier, die gar keine sind, haben viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland verunsichert - ich muss sagen: schon wieder verunsichert. Denn verunsichert werden wir Deutschen beim Verbraucherschutz regelmäßig - ob aufgrund der ersten

deutschen Fälle der Rinderseuche BSE im Jahr 1997, ob es, wie 2005, um Geflügelabfälle im Handel ging oder um verschmutzte, teilweise sogar angebrochene „Gammel-Eier“ im Jahr 2006. 2007 waren es mit Dioxin und PCB verseuchte Dorschleberkonserven, 2008 italienischer Mozzarella sowie PCB-verseuchtes Schweinefleisch aus Irland, 2009 schließlich giftiges Dioxin im Tierfutter. Die Geschichte der falschen BioEier gab es übrigens schon einmal, 2010.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, denn auch in den Jahren 2011 und 2012 gab es jede Menge Skandale im Lebensmittelbereich. Eigentlich kann man hier nicht mehr von „Skandalen“ sprechen, sondern eher vom Normalfall. Aber jeder Lebensmittelskandal ist anders. Gleich ist nur eines: Nach dem großen Geschrei kehrt Ruhe ein, und kaum etwas scheint sich zu ändern.

Warum dem so ist? Ganz einfach: Erstens fehlt es an Kontrolleuren. Derzeit sind bundesweit 2 400 Prüfer unterwegs. Auf einen Kontrolleur kommen 1 200 Betriebe. Noch einmal zum Verständnis: 1 Kontrolleur für 1 200 Betriebe! Wissen Sie was? Da lachen ja die Hühner! Den notwendigen Überwachungsdruck kann man so jedenfalls nicht erzeugen.

In Brandenburg arbeiteten im Jahr 2011 97 Lebensmittelkontrolleure. Sie haben immerhin mehr als die Hälfte der 24 100 kontrollierten Betriebe beanstandet. Es hagelte Ordnungsverfügungen, Bußgelder und Strafverfahren. Aktuell sind 129 Mitarbeiter in der Lebensmittelüberwachung tätig.

Zwar gibt es auf der einen Seite bereits eine große Zufriedenheit mit der Informationspolitik zum Verbraucherschutz in Brandenburg; dennoch besteht auf der anderen Seite der Wunsch nach mehr Kontrolleuren. Doch woher nehmen wir die im Angesicht der angespannten Kassenlage in Brandenburg? Außerdem muss der Aufwand im Verhältnis zum Ertrag bzw. Nutzen stehen, auch wenn die Kontrollen letztlich vom Steuerzahler finanziert werden.

Zweitens. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern fehlt insbesondere eine stärkere Lobby, um ihre Interessen durchzusetzen. Denn bestimmte gesellschaftliche oder wirtschaftliche Gruppen, zum Beispiel Lebensmittelgroßkonzerne, üben häufig größeren Einfluss auf die Politik aus, als es Verbraucherschutzorganisationen können; sie haben meist eine stärkere Lobby. Aber es ist nicht nur die fehlende Lobby. Oft fehlt den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch der Wille bzw. der Mut, tatsächlich etwas zu bewegen. Fast alle Lebensmittelskandale haben etwas mit unästhetischen Dingen zu tun: Da geht es um blutige Schlachtungen und klitzekleine Mikroben. Das ekelt die meisten Menschen, und deshalb wollen sie da nicht so genau hinsehen. Die verbreitete Geiz-Mentalität unter den Verbraucherinnen und Verbrauchern, wonach alles immer noch billiger sein muss, hat ebenfalls ihren Anteil daran.

Drittens schließlich ist die gesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften vollkommen unzureichend. Jeder kann jederzeit eine Veröffentlichung von kritischen Untersuchungsergebnissen unterbinden lassen. Das zeigt ein aktueller Fall der Lebensmittelüberwachung aus Baden-Württemberg: Ein betroffener Gastronom ließ die Veröffentlichung seiner lebensmittelrechtlichen Verstöße einfach vom Verwaltungsgericht verbieten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was also bleibt zu tun, wollen wir nicht wieder und wieder in schöner Regelmäßigkeit unappetitliche Skandale erleben? Weiter reden statt wirksame Maßnahmen durchzusetzen? Etwa so wie Bundesverbraucherministerin Aigner? Noch im vergangenen Jahr hat sie es auf EU-Ebene abgelehnt, sich für eine Kennzeichnung der Herkunft von verarbeiteten Lebensmitteln bzw. von Fleisch- und Milchprodukten einzusetzen. Der vor kurzem von ihrem Ministerium ins Leben gerufene Aktionsplan klingt auch erst einmal dynamischer und größer, als er tatsächlich ist, löst er doch eigentlich nur Prüfaufträge zur Lebensmittelüberwachung aus.

Es reicht aber nicht aus, von mehr Transparenz und mehr Kontrollen zu reden; dieses Ansinnen muss endlich auf eine belastbare gesetzliche Grundlage gestellt werden. So halte ich es in einem gemeinsamen Europa für angebracht, die Lebensmittelüberwachung auf eine europäische Rechtsgrundlage zu stellen, wie es im Nationalen Aktionsplan vorgesehen ist. Für Verstöße muss es bundeseinheitliche Beurteilungskriterien und eine Art Bußgeldkatalog geben, vor allem aber deutlich höhere Bußgelder. Es ist auch notwendig, kostendeckende Gebühren für Regelkontrollen sowie eine Meldepflicht für Firmen einzuführen. Denn nur mit einer soliden finanziellen Basis sorgen wir für eine schlagkräftige Lebensmittel- und Futtermittelaufsicht.

Als sehr wichtig empfinde ich zudem den gesetzlichen Schutz der Bezeichnung „Regional“ auf EU-Ebene, ähnlich wie beim EU-weiten Schutz der Bezeichnung „Bio“. Das Regionalfenster als freiwilliges Kennzeichnungssystem schützt nicht vor der ausufernden Verwendung des Begriffs „Regional“. Auch wenn sich unter dem „Regional“-Siegel teilweise gute Initiativen versammeln, sind die Kriterien für dessen Vergabe sehr lasch - so lasch, dass zum Beispiel Milch aus Holland von einer Molkerei aus Vorpommern unter dem Siegel „Von der Küste“ als „Regional“ vermarktet werden könnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muss ein Bundesprogramm zur Förderung der Regionalvermarktung aufgelegt werden. Außerdem ist endlich der Beschluss der 8. Verbraucherministerkonferenz umzusetzen und ein Gesetzentwurf für ein bundeseinheitliches Restaurant-Barometer mit Ampelfarben vorzulegen.

(Beifall SPD)

Auf dessen Grundlage können alle die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle sehen, weil sie am Eingang sichtbar sind. Was die Information der Verbraucher und der Öffentlichkeit über Täuschungen bei Lebensmitteln angeht - es steht Rindfleisch auf der Verpackung, aber es ist Pferdefleisch enthalten -, sind die Hürden zur Information der Öffentlichkeit nach wie vor zu hoch.

Auch bei Produktinformationsblättern im Bereich Finanzdienstleistungen werden die Kennziffern über die Kosten eines Produkts nach wie vor nicht standardisiert. Die Folge: Eine Vergleichbarkeit ist weiterhin kaum möglich.

Beim Datenschutz wettert Ministerin Aigner zwar gegen die sozialen Netzwerke, bei den Verhandlungen über die EUDatenschutz-Grundverordnung in Brüssel will sie jedoch Prinzipien wie die Datensparsamkeit und den Einwilligungsvorbehalt aufweichen.

Sie sehen: Es gibt noch viel zu tun. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen die Verbraucherorganisationen zum Marktwächter machen, das Verbraucherschutzministerium mit einem Verbraucherscheck stärken und den Alltag der Verbraucher leichter machen, indem wir uns an ihren konkreten Bedürfnissen orientieren und sie im Alltag abholen.

Vielen Dank! - Noch kurz zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP. Wir werden den Antrag ablehnen.

(Büttner [FDP]: Ach was! Das überrascht nicht!)

- Moment. - Wenn man das Protokoll vom 6. März liest, weiß man, dass Frau Hartwig-Tiedt sehr wohl schon zu dem Stellung genommen hat, was in dem Antrag steht. Sie hat auch schon dazu Stellung genommen, wann sie die Überarbeitung des Stellenplans im MUGV vorlegen will. Wenn Sie es eher haben wollen, dann müssen Sie es im Ausschuss beantragen.

Letztlich ist das, was Sie fordern, schon auf dem Weg. Deshalb ist dieser Entschließungsantrag entbehrlich. - Vielen Dank!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Wichmann setzt für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst nachträglich einen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag an meine Kollegin Monika Schulz-Höpfner. Sie hat uns ein regionales Produkt aus der Lausitz auf den Tisch gelegt, die Lausitzer Schokogurke. Ich denke, die regionale Vermarktung ist nur ein Aspekt bei der Lebensmittelsicherheit und beim Verbraucherschutz, über den wir heute zu debattieren haben. Ich kann Ihnen aber die anderen Aspekte in meiner Rede leider nicht ersparen.

(Görke [DIE LINKE]: Das war der Werbeblock! Kom- men wir zur Debatte!)

Frau Kircheis ist schon darauf eingegangen: Die Verunsicherung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ist groß, wenn man innerhalb von drei Monaten drei Lebensmittel- und Futtermittelskandale hat. Es fing mit dem Pferdefleisch in der Lasagne an und ging mit den falsch deklarierten Bioeiern weiter. Danach kamen die Schimmelpilze im Futtermittel. Natürlich sind bei allen drei Skandalen die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit unserer Verbraucherinnen und Verbraucher sehr unterschiedlich zu beurteilen. Fakt ist: Es sind Dinge in unseren Lebensmitteln, die dort wirklich nicht hingehören.

(Beifall CDU und FDP)

Ich denke, man kann feststellen, dass unsere Bauern und Landwirte - Herr Folgart wird das bestätigen können -, die die Futtermittel und Lebensmittel für uns in Brandenburg produzieren, zumeist selbst Opfer dieser kriminellen Machenschaften sind. Das muss man am Anfang der Debatte deutlich herausstellen.

(Beifall CDU und FDP)

Die Täter bringen den guten Ruf unserer Landwirtschaft und unserer Nahrungsmittelindustrie mit kriminellen Methoden in Verruf. Ich denke, der Staat und wir alle zusammen sind aufgefordert, alles zu tun, um die Lebensmittelsicherheit und den Schutz unserer Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern.

Aber nicht nur wir in Brandenburg sind gefordert, sondern auch die EU und natürlich auch Frau Aigner und der Bund. Unsere Bundesverbraucherschutzministerin ist gemeinsam mit den Kollegen im Deutschen Bundestag für die Rechtsetzung verantwortlich. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, sie hat bei allen Skandalen, die wir hatten, mit entsprechenden Aktionsplänen und Maßnahmenkatalogen reagiert. Die sind auch alle umgesetzt worden.

(Bischoff [SPD]: Ein bisschen aktionistisch!)

Ich will es in Erinnerung rufen: Wir haben die Möglichkeit diese hatten wir vor den Pferdefleischskandalen nicht -, wenn bei den Inhalts- oder Zusatzstoffen getäuscht wird, diejenigen, die getäuscht haben, auch wenn keine akute Gesundheitsgefahr besteht, öffentlich zu machen und an den Pranger zu stellen. Ich glaube, das schreckt vielleicht künftig davon ab, solche Dinge mit hoher krimineller Energie in den Verkehr zu bringen.

Wir haben auf Bundesebene höhere Strafen für diejenigen, die panschen, also unsere Lebensmittel verunreinigen und mit Substanzen versehen, die dort nicht hineingehören. Es gibt eine Verbesserung der Kennzeichnungspflicht, die von Frau Aigner auch auf EU-Ebene angestrebt wird. Ich denke, die Länder und Frau Aigner sind sich in den Gesprächen über den Aktionsplan einig. Wir haben den Aufbau des Frühwarnsystems auf der Bundesebene realisiert sowie das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz verschärft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind hier der Landtag Brandenburg, nicht der Deutsche Bundestag, und müssen darüber sprechen, was wir in Brandenburg zu tun haben, um unsere Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Ich kann Ihnen daher nicht ersparen, darüber zu reden, was wir in Brandenburg gemacht haben. Ich höre von den Kollegen Ihrer Fraktion und auch von den Kollegen der Linken immer, dass Frau Aigner eine Ankündigungsministerin sei.

(Frau Melior [SPD]: Ja! - Frau Stark [SPD]: Da haben sie Recht!)