Das wirft die Frage auf, ob es sich bei der Situation in Müllrose tatsächlich um eine absolute Ausnahme handelt oder ob nicht an vielen Schulen im gesamten Land ähnliche Zustände anzutreffen sind. Wie wollen Sie damit umgehen, Frau Ministerin? Wie viele ähnliche Fälle gibt es? Wenn die Inklusionsschulen schon heute nicht ausreichend ausgestattet sind - kann vor diesem Hintergrund das Inklusionsprojekt überhaupt ernst genommen werden? Wie soll es umgesetzt werden, damit es am Ende erfolgreich sein kann?
Herr Hoffmann, ich wiederhole es: Ich halte es für absolut unredlich, hier zwei verschiedene Dinge miteinander zu verquicken. Lehrer sind Menschen, und Menschen können krank werden. Sie können auch in Größenordnungen krank werden, die uns alle betreffen. Beispielsweise ist die Hälfte aller Mitarbeiter in meinem Leitungsbereich derzeit krank. Das fällt vielleicht in Behörden, anderen Einrichtungen oder Betrieben nicht so stark ins Gewicht, weil dort nicht Kinder sind, die jeden Tag in die Schule kommen und unterrichtet werden müssen. Deswegen halte ich es für absolut unredlich, hier auf die Schulen einen Fokus zu werfen. Wir könnten so etwas nur verhindern, wenn es sich um Automaten handeln würde, die nicht so sehr anfällig sind. Aber es handelt sich um Menschen, die natürlich in solchen Jahreszeiten durchaus auch krank werden können.
Insofern ist Unterrichtsausfall etwas, was ich niemals werde vermeiden können, selbst wenn ich eine höhere Vertretungsreserve habe. Dass ich versuche, diesen Ausfall in Grenzen zu halten, habe ich Ihnen bereits zahlreiche Male darzustellen versucht. Wir haben eine Vertretungsreserve, die auch nach Auskunft des Landesrechnungshofs und im bundesdeutschen Vergleich ausreichend ist. Diese Vertretungsreserve greift; sie wird aber niemals an jeder Schule und in jedem Landesteil Unterrichtsausfall hundertprozentig kompensieren können.
Was die Schule in Groß Warnow betrifft, so handelt es sich um eine kleine Schule. Wenn in einem kleinen Kollegium mit zehn oder elf Kollegen zwei Kollegen, der Schulleiter und seine Stellvertreterin, schwer langzeiterkrankt sind, ist so etwas nicht planbar. Ich halte den Kompromiss, der mit dem Schulamt und den Eltern gefunden wurde, hier die Klassen 5 und 6 zu verlagern, für sehr sinnvoll. Wir werden künftig - in Zeiten des weiteren Rückgangs der Bevölkerungszahlen - häufig über solche Möglichkeiten nachdenken müssen. Insofern handelt es sich hier um eine adäquate Lösung.
Was das mit Inklusion zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Inklusion ist eine andere Art des Unterrichtens. Für Inklusion werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, und sie werden nach Kräften dort eingesetzt, wo sie benötigt werden, nämlich für die Individualisierung. Trotzdem kann Ihnen niemand garantieren, dass wir diese Mittel nicht auch einmal brauchen, um Unterrichtsausfall auszugleichen, der nun mal, da es sich um Menschen handelt, immer auftreten kann. - Danke.
Bei der Fragestunde handelt es sich nicht um ein dialogisches Verfahren, bei dem nach Antworten auf Fragen noch einmal
Wir kommen zur nächsten Frage, der Frage 1259 (Die Agenda 2010 und ihre Wirkung auf das Land Brandenburg), gestellt durch Herrn Abgeordneten Büttner, FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben das Wort.
Am 14. März 2003 verkündete der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder unter dem Titel „Agenda 2010“ die tiefgreifendste Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Ergebnisse der Reform sind insgesamt positiv: Die Arbeitslosigkeit ist deutschlandweit um rund zwei Millionen Personen zurückgegangen. Durch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist es gelungen, Personen an Beschäftigung heranzuführen und in Beschäftigung zu bringen, die bislang abseits des Arbeitsmarktes standen. Infolge des Beschäftigungsaufbaus haben sich auch die Einnahmen für die öffentlichen Haushalte und die Sozialkassen erhöht. Dies hat auch dazu beigetragen, dass die liberal-christliche Bundesregierung bereits im kommenden Jahr und damit zwei Jahre früher als geplant einen Haushalt ohne strukturelle Neuverschuldung vorlegen wird.
Vor dem Hintergrund des zehnten Jahrestags der Vorstellung der Agenda 2010 frage ich die Landesregierung: Wie bewertet sie die Wirkung der Agenda 2010 auf das Land Brandenburg?
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. Für die Landesregierung, das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie, antwortet Herr Staatssekretär Prof. Dr. Schroeder.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Büttner, Sie haben vollkommen Recht: Bei der Agenda 2010 handelt es sich um eine umfangreiche, einschneidende und - nicht zu vergessen - umstrittene Sozialreform, die damals notwendig war, weil dieses Land extreme Wachstumsprobleme, eine hohe Arbeitslosigkeit, Schwierigkeiten in den sozialen Sicherungssystemen und in den öffentlichen Haushalten hatte.
Man hat mit einer der mutigsten Aktivitäten der deutschen Politik reagiert, weil hier kein Populismus betrieben, sondern direkt auf Problemlagen eingegangen wurde. Und zwar versuchte man, mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel einen neuen Ausgleich zwischen sozialer Sicherung und ökonomischer Effizienz zu erreichen. Dieses umfangreiche Maßnahmenbündel bestand nicht nur aus arbeitsmarktpolitischen, sondern auch aus wirtschafts-, bildungs- und sozialpolitischen Reformen. Vergessen wird zum Beispiel, dass damals ein sehr umfangreiches Ganztagsschulprogramm durch den Bund in Gang gesetzt wurde, dass durch die Entscheidungen von 2003 die sozialen Sicherungssysteme konsolidiert werden konnten und wir heute in der Tat Überschüsse in den sozialen Sicherungssystemen haben.
Der Hintergrund damals war, dass alle Welt über das kranke Deutschland sprach: „Deutschland, der kranke Mann in Europa.“ Jetzt haben wir Deutschland als die Kraftmaschine in Europa. Ein wesentlicher Beitrag zu dieser Entwicklung geht von der Agenda 2010 aus.
Gleichzeitig wissen wir natürlich, dass die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt von verschiedenen anderen Märkten mit beeinflusst wird, also vom Gütermarkt, von den Finanzmärkten. Wir wissen genauso, dass die Entwicklung, die wir heute als sehr positiv auf die Agenda 2010 zurückführen, auch auf die günstige ökonomische Entwicklung seit etwa 2005 zurückzuführen ist und nicht zuletzt auf die einschneidenden und wegweisenden Tarifabschlüsse der Gewerkschaften.
Nun zu Ihrer Frage: Was ist konkret in Brandenburg passiert? In Brandenburg konnte im Rahmen der Agenda 2010 und ihrer Maßnahmen ein einschneidender Abbau der Arbeitslosigkeit erreicht werden. Die Arbeitslosigkeit hat sich von 2005 bis 2012 um 56 % - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - reduziert. Damit haben wir einen Abbau der Arbeitslosenquote um 8 % erreicht. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist von 2005 bis 2012 um 58 % zurückgegangen. Es gibt einen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um fast 10 %. Das heißt, alle diese Maßnahmen lassen sich durchaus der Agenda 2010 zuordnen.
Der entscheidende Punkt ist vermutlich, dass wir es hier mit einer Beförderung des Wachstumspotenzials zu tun haben.
Der Ausgangspunkt für die Agenda 2010 war unter anderem, dass in Deutschland im Vergleich zu den anderen Ländern ein höheres Wachstum erreicht werden musste, um Beschäftigung zu generieren. Die Zahl, die damals in den internationalen Vergleichen verhandelt wurde, war: Etwa 2 % Wirtschaftswachstum sind notwendig, um zusätzliche Beschäftigung zu schaffen. Durch die Maßnahmen der letzten zehn Jahre ist dieser Indikator auf 1 % abgesunken. Das heißt, wir sind bei einem geringeren Wirtschaftswachstum in der Lage, mehr Beschäftigung zu schaffen.
Das sind die positiven Seiten der Agenda 2010. Es sind Reformen nicht in Stein gemeißelt, und nicht alles, was als Reform daherkommt, ist für das ganze Leben gebaut und ist richtig.
Insofern haben wir gegenwärtig zu beobachten, dass es neben diesem Licht auch viel Schatten gibt, und über diesen Schatten müssen wir auch sprechen.
Der Schatten besteht nämlich darin, dass wir seither einen enormen Anstieg von geringfügiger Beschäftigung haben. Er liegt von 2005 bis 2011 bei 15 %. Wir haben einen Anstieg von sozialversicherungspflichtiger Teilzeit von 43 %. Das ist nicht nur frei gewählte Teilzeit, es ist viel Zwangsteilzeit dabei, gera
de in den sozialen Berufen, die angesichts der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der Rentenversicherung, keine gute Entwicklung darstellen. Wir haben einen enormen Anstieg der Leiharbeit, einen Anstieg an befristeter Beschäftigung und eine Zunahme von Werkverträgen. Das alles zusammengenommen bedeutet für eine kluge, verantwortungsvolle Politik, dass wir eine neue Strategie der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt benötigen.
Wir können nicht dabei stehenbleiben und sagen: „Wir haben das alles toll gemacht“, sondern wir müssen auch die Schattenseiten zur Kenntnis nehmen. Das bedeutet, wir benötigen eine Strategie für eine positive, neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, die davon ausgeht, dass es Fehlentwicklungen gibt, die korrigiert werden müssen. Diese Fehlentwicklungen liegen im Bereich der Entlohnung, im Bereich der Teilzeit und im Bereich der Leiharbeit. Unsere erste Antwort heißt: allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde.
Die zweite Antwort heißt Einschränkung der Leiharbeit und der Minijobs. Drittens müssen wir darüber nachdenken, ob die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen abgeschafft gehört.
Das heißt, wir benötigen Maßnahmen, die dazu beitragen, dass dieses Land als soziale Marktwirtschaft wieder anerkannt wird und die Menschen hier so behandelt werden, wie es ihrer Leistung entspricht. Dafür brauchen wir die Strategie „Neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt“. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es gibt Fragebedarf des Fragestellers. Herr Abgeordnete Büttner, Sie haben das Wort.
Herr Staatssekretär, vielen Dank für Ihre Antwort. Sie haben, auch wenn man nicht immer alles teilen muss, die Vor- und Nachteile der Agenda 2010 und die Auswirkungen auf das Land Brandenburg dargestellt.
Vor dem Hintergrund würde ich gern wissen, wie die Landesregierung die Aussage ihres Koalitionspartners die Linke einschätzt, wonach die Auswirkungen der Agenda 2010 insgesamt verheerend für das Land Brandenburg gewesen seien.
(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Genau! - Beifall SPD und DIE LINKE - Büttner [FDP]: Weil Sie mit ihr koalieren und ich nicht! - Zurufe)
- Die Debatte über den Pressesprecher hat heute Morgen stattgefunden. Die müssen wir jetzt nicht wiederholen. Ich bin nicht der Pressesprecher der Linkspartei.
Herr Staatssekretär Prof. Dr. Schroeder, es gibt weiteren Fragebedarf in Ihrer Funktion als Staatssekretär und nicht als Pressesprecher der Linksfraktion. Frau Abgeordnete Blechinger erhält das Wort.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass 80 % derer, die sich in Minijobs befinden, dies als positiv ansehen und auch nicht ändern wollen?
Mir ist nicht bekannt, dass 80 % derjenigen, die in Minijobs sind, das für gut befinden. Ich weiß sehr wohl, dass es einerseits eine ganz beachtenswerte Gruppe von Menschen gibt, für die das ein Zuverdienst ist und für die das einer bestimmten Lebenslage entspricht. Insofern würden wir auch nie auf die Idee kommen, die Minijobs grundsätzlich abzuschaffen.
Ich weiß aber andererseits genauso, dass die ursprüngliche Idee, wonach die Minijobs als Brücke in ein normales Beschäftigungsverhältnis genutzt werden können, nur bei 14 % der Minijobs funktioniert.
Das heißt, die arbeitsmarktpolitische Strategie, die man einmal mit den Minijobs verbunden hatte, geht so nicht auf. Insofern werben wir dafür - und zwar nicht wir allein als Landesregierung, sondern mit uns die Mehrzahl der bundesdeutschen Länder und die Bundesagentur für Arbeit -, mehr Minijobs zu sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zu entwickeln.
(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Das ist auch gut so! - Anhaltender Beifall SPD, DIE LINKE und B90/ GRÜNE)