Zweitens: Aus Sicht der Union stellen die mehrfachen Wahlgänge ein Problem für die Wahlbeteiligung dar. Die Zahlen zeigen deutlich, dass gerade bei der Stichwahl weniger Menschen zur Wahl gehen als bei der ersten Wahl. Deshalb halten wir es für sinnvoll, wenn bereits beim ersten Wahlgang der Landrat oder die Landrätin gewählt wird, auch wenn nicht die absolute, sondern lediglich die einfache Mehrheit erreicht wird.
Die Bündelung an einem Wahltag und der Verzicht auf die Stichwahl führen meines Erachtens zu einer breiteren demokratischen Legitimation. Der Bürger weiß dann: Genau an einem Tag wird der Landrat oder die Landrätin gewählt. - Dadurch könnte die Wahrscheinlichkeit steigen, dass mehr Bürger zu dieser Wahl gehen.
Lassen Sie mich zum Schluss unsere Verantwortung als Gesetzgeber noch einmal benennen: Knapp zwei Jahre nach der Einführung erreichen wir das Wahl-Quorum leider noch nicht. Das braucht anscheinend Zeit, ja, das Wirken von Gesetzen braucht seine Zeit. Und wenn dem so ist, dann sollten wir durchaus auch einmal Geduld beweisen und möglicherweise nachsteuern, wenn es notwendig ist, aber nicht sofort die Direktwahl der Landräte infrage stellen.
Wenn es tatsächlich einer Nachsteuerung bedarf, meine Damen und Herren, dann sollten wir uns Ruhe und Zeit dafür nehmen. Einen Vorschlag habe ich heute bereits unterbreitet: Politik braucht Verlässlichkeit und die langen Linien. - Herzlichen Dank.
Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Scharfenberg spricht zu uns.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast hätte es geklappt, dass in Teltow-Fläming eine von den Bürgerinnen und
Bürgern direkt gewählte Landrätin - noch dazu von der Linken die Amtsgeschäfte übernimmt. Dies wäre ein gutes Zeichen gewesen. Zum Schluss hat Conny Wehlan eine deutliche Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen können. Eine tolle Leistung!
Aber leider haben etwa 500 Stimmen am erforderlichen Quorum von 15 % gefehlt. Mir ist völlig unverständlich, wieso die letztlich nicht ausreichende Wahlbeteiligung Anlass für eine offene Freudenbekundung des Mitbewerbers war. Was ist das für ein Demokratieverständnis?
Meine Damen und Herren, manch einer kann sich noch erinnern: Die Direktwahl der Landräte war in den vergangenen 20 Jahren ein heftig umstrittenes Thema hier im Land. Das spiegelte sich schon in der Diskussion um die Novellierung der Kommunalverfassung im Jahr 1993 wider.
Um nicht zu weit zurückzugehen: Wir haben dazu als Oppositionsfraktion zum Beispiel im Jahr 2005 einen Antrag gestellt, mit dem wir diese Direktwahl durchsetzen wollten.
Der Antrag wurde - wie alle unsere Anträge - abgelehnt. Weil die CDU-Fraktion immer so barmt, füge ich hinzu: Das war damals die Regel. Die FDP-Fraktion - damals nicht im Landtag vertreten - hat sogar versucht, eine Volksinitiative zu diesem Thema durchzusetzen, allerdings ohne Erfolg. Die SPD-Fraktion - das muss man ehrlicherweise sagen - hat nie verhohlen, dass sie wenig von einer Direktwahl der Landräte hält, sicher auch aus einer konkreten Interessenkonstellation heraus. Aber mit der Novellierung der Kommunalverfassung 2008 hat es eine solche gesetzliche Festlegung gegeben, die von den Linken schon lange vorher gefordert und von der SPD wegen ihres damaligen Koalitionspartners CDU mitgetragen worden ist - eher widerwillig, das war unverkennbar.
Wir haben in diesem Zusammenhang heftig kritisiert, dass die neue Regelung nicht schon 2008 - das wäre mit dem Inkrafttreten der neuen Kommunalverfassung möglich gewesen -, sondern erst nach einem absehbaren Wahlzyklus noch nach dem alten Verfahren der indirekten Wahl ab 2010 eingeführt wurde. Für uns war die Einführung der Landratsdirektwahl eine logische Folge der schon 1993 erfolgten Umstellung der bis dahin indirekten Wahl der Bürgermeister auf eine direkte Wahl. Denn es ist nun einmal so, dass die Landräte über eine ähnliche Machtfülle verfügen, wie sie im Laufe der vergangenen Jahre bei den Bürgermeistern konzentriert worden ist. Wir wissen auch, wie das zustande gekommen ist: Die Vertretungen haben an Kompetenz verloren, und den Hauptverwaltungsbeamten wurde diese Kompetenz zugeschlagen. Dazu kommt die Tatsache, dass der Landrat als unterste Landesbehörde Aufgaben wahrnimmt, bei denen der Kreistag kein echtes Mitspracherecht hat. Ich entsinne mich, dass die Einführung der Direktwahl der Bürgermeister 1993 ein wesentlicher Grund dafür war, ihre direkte Zuständigkeit seit dieser Zeit immer mehr auszuweiten. Insofern war die Landratsdirektwahl eine logische Folge.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um die künftigen Kreisstrukturen ist es uns
wichtig, daran festzuhalten, dass die Landkreise auch in ihrem Doppelcharakter als untere Landesbehörden im Schwerpunkt eine kommunale Ebene sind und auch in Zukunft bleiben sollen. Die Direktwahl der Landräte trägt aus unserer Sicht dazu bei, die kommunale Einbindung der Landkreise zu stärken. Die Kreise sollten allerdings nicht zu groß sein; das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass mit den dortigen Großkreisen eigentlich verkappte Regierungspräsidien entstanden sind. Unter diesen Voraussetzungen macht die Direktwahl der Landräte tatsächlich wenig Sinn, aber da wollen wir auch nicht hin.
Meine Damen und Herren, es gibt keine Veranlassung, jetzt über eine Abschaffung der Direktwahl der Landräte nachzudenken. Diese wird gerade einmal seit drei Jahren praktiziert. Der erste Zyklus dieser Direktwahlen ist also noch gar nicht durchgelaufen. Warum sollte man jetzt die Flinte ins Korn werfen? Ich halte es auch für problematisch, wenn wir uns mit der bisher leider geringen Wahlbeteiligung bei Landratswahlen abfinden und stattdessen schnell das Quorum abschaffen würden da finde ich mich bei Vorrednern gut aufgehoben. Dieses Quorum von 15 % ist übrigens das gleiche wie bei der Bürgermeisterwahl, wie das Wahlverfahren insgesamt das gleiche ist. 2007 ist doch nichts anders gemacht worden, als das Wahlverfahren, wie es für die Bürgermeister gilt, für die Landräte zur Anwendung zu bringen. Es ist keine spezielle Regelung geschaffen, sondern die gleiche Regelung wie bei den Bürgermeistern rechtswirksam gemacht worden.
Wir müssen dabei allerdings auch an die denken, die ihre Stimmen abgegeben haben, dann aber enttäuscht worden sind, weil die Mindestwahlbeteiligung nicht erreicht wurde. Das ist schon ein echtes Problem, und die Tatsache, dass von einer Direktwahl auf eine Wahl durch die Vertretung herabgestuft wird, ist auch ein echtes Problem, das wir bedenken müssen. Wir dürfen diejenigen, die teilgenommen haben, nicht vor den Kopf stoßen und wahlverdrossen machen.
Aber vor allem müssen wir uns gemeinsam Gedanken darüber machen, wie wir die Bürgerinnen und Bürger stärker für die Wahrnehmung ihres Wahlrechts motivieren können.
Das gilt in ähnlicher Weise für die Kommunalwahlen insgesamt, aber auch für andere Wahlen. Es ist doch - für uns alle - beunruhigend, dass es so viele Bürgerinnen und Bürger gibt, die auf ihr wichtigstes politisches Recht verzichten; die einen, weil sie damit protestieren wollen - das ist uns allen begegnet -; die anderen, weil es ihnen gleichgültig ist. Deshalb müssen wir uns viel stärker mit den Ursachen für die niedrige Wahlbeteiligung auseinandersetzen - da haben Sie völlig Recht, Herr Schierack, da stimme ich völlig mit Ihnen überein. Insofern gehört dazu auch die Frage, ob ein Quorum von 15 % als Voraussetzung für eine erfolgreiche Wahl auf Dauer sinnvoll ist oder nicht besser gesenkt oder abgestuft werden sollte. Darüber ist auch zu sprechen. Für solche Entscheidungen ist es aber noch viel zu früh; Schnellschüsse können wir nicht brauchen. - Danke schön.
Ich darf Sie zu Beginn auf meine Krawatte aufmerksam machen. Für die in der dritten Reihe, die sie nicht sehen können: Sie ist blau, und das Muster besteht aus vielen kleinen Schweizer Fähnchen. Diese Krawatte habe ich mir vor zwei Jahren aus der Schweiz mitgebracht. Dort war ich nicht allein, sondern dort war der Innenausschuss, um sich über direkte Demokratie zu informieren, wie sie nämlich in der Schweiz seit ungefähr 1850 eigentlich ganz ordentlich funktioniert.
Wenn der Innenausschuss dort hinfährt, eine Reise unternimmt, kommt auch etwas heraus. Da unterscheidet sich der Innenausschuss möglicherweise von anderen Ausschüssen. Aber bitte, in Skandinavien ist es auch schön.
Wir haben zum Beispiel für die Volksgesetzgebung, die wir gestärkt haben, das Argumentarium aus der Schweiz übernommen - diese Idee haben wir von dort mitgebracht - und dort den Austausch und die Darstellung von Argumenten zu besserer Beteiligung bei Abstimmungen, bei direkter Demokratie, letztlich auch bei Wahlen erfahren - auch das hängt miteinander zusammen. Es ergeben sich aus der Schweizreise auch durchaus Erkenntnisse für die Direktwahl von Landräten, dazu komme ich gleich.
Richtig ist, dass der Koalitionsvertrag 2004 bis 2009 auf Betreiben der CDU auch die Direktwahl von Landräten vorgesehen hat; richtig ist auch, dass das 2004/2005 nicht richtig anzulaufen schien und die FDP deshalb eine Volksinitiative zur Direktwahl von Landräten angestoßen hatte. Falsch ist, dass wir damit gescheitert sind, sondern wir hatten nach acht Monaten 11 000 Stimmen - gut, das waren noch keine 20 000 -, aber nach acht Monaten kam dann das Gesetz, das die Direktwahl einführte. Ich allein habe in den acht Monaten über 600 Stimmen gesammelt; wir waren in der Vorbereitung des Endspurts. Wenn Sie sich an die Volksinitiative und das Volksbegehren zum Flughafen BER und zum Nachtflugverbot erinnern, dann stellen Sie fest, dass gerade die letzten zwei Monate maßgeblich zum großen Erfolg dieses Volksbegehrens beigetragen haben. Also, es zählt bis zum letzten Tag, und dann wird abgerechnet. Wir haben abgebrochen, weil das Gesetz dann kam; das war auch in Ordnung so.
Die Argumente, die gegen Direktwahlen von Landräten vorgetragen werden, sind heute übrigens genau die gleichen wie damals: Da geht ja keiner hin, es interessiert auch keinen, das brauchen wir doch nicht. - Dahinter steht die Sorge - wie Ursula Nonnemacher sagte -, dass dann möglicherweise nicht die Leute vom Volke gewählt würden, die man selbst haben wollte, und das ist insbesondere ein Problem der SPD, das sehe ich ganz genauso.
Besonders groß ist der Protest offensichtlich dann, wenn diese Unterstellung sehr nah an der Wahrheit liegt.
Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben als Anlass dieser Aktuellen Stunde natürlich die versuchte Direktwahl von Landräten in Teltow-Fläming. Liebe Frau Wehlan, ich habe Sie in verschiedenen Ausschüssen, auch als Vorsitzende des Infrastrukturausschusses und dort als stets kompetente und an der Sache orientierte Ausschussvorsitzende erlebt. Ich schätze Ihre Arbeit dort und Sie persönlich, gebe aber zu: Ich hätte Sie in Teltow-Fläming nicht gewählt.
(Domres [DIE LINKE]: Wieso gehört denn das hierher, Herr Goetz? - Unruhe bei der Fraktion DIE LINKE)
Ich hätte auch Herrn Gerhard nicht gewählt - auch das gehört dazu -, obwohl Herr Gerhard für mich ursprünglich der klare Favorit dieser Landratswahl war. Ich hätte erwartet, dass Herr Gerhard möglicherweise schon im ersten Wahlgang, auf jeden Fall aber im zweiten diese Wahl mit deutlicher Mehrheit gewinnt. Es kam dann anders, aus Gründen, die sich kurz vor der Wahl ergeben haben: dass Vorwürfe gegen den Kandidaten erhoben worden sind - das werfe ich der SPD nicht vor, das kam nach der Aufstellung des Kandidaten -, die gerade zur Abwahl des Amtsvorgängers geführt hatten. Insofern darf es uns nicht wundern, wenn Bürger aufgrund dieser Situation und Konstellation zu Hause bleiben und die Wahlbeteiligung niedriger war, als sie sonst hätte sein können.
Es ist wirklich knapp gewesen: Nur 500 Stimmen haben dort gefehlt. Da muss man sich wirklich fragen, welchen Sinn dieses Quorum macht.
Rechnen wir doch einfach einmal mit, wenn gesagt wird, die indirekte Wahl durch Kreistage sei die wesentlich bessere Variante. Wir erleben auch bei Kommunalwahlen - auch zu Kreistagen - eine Wahlbeteiligung um die 30 %; manchmal liegt sie sogar darunter. Auch bei der Europawahl waren es beim letzten Mal 29 % - trotzdem sind Europaabgeordnete gewählt worden. Wenn ein Kreistag mit relativ geringer Wahlbeteiligung gewählt worden ist und in ihm ein Landrat mit der kleinsten möglichen Mehrheit gewählt wird - bei 56 Abgeordneten sind das 29 Stimmen; im Barnim zum Beispiel wurden sie nicht erreicht -, dann hätte dieser Landrat am Ende ein Wahlergebnis wenn man es aus der direkten Wahl umrechnet -, das auch unter 15 % liegen würde, weil nämlich weniger als 15 % der Kreistagsabgeordneten, die diesen Landrat dann gewählt hätten, die Stimmen der Leute aus dem jeweiligen Landkreis hätten. Sie hätten somit ein indirektes Ergebnis unter 15 % - das ist theoretisch für Sie gar kein Problem. Insofern ist es noch viel weniger nachvollziehbar, dass man das bei Landräten anders handhaben will.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir waren in der Schweiz: in Richterswil, einer Gemeinde am Zürichsee mit
12 000 Einwohnern. Dort funktioniert direkte Demokratie. Der größte Raum dort ist eine Kirche. In sie passen ungefähr 200 Leute; wenn es eng wird, auch ein paar Leute mehr. Sie entscheiden dort die Geschicke der Gemeinde Richterswil. 11 800 Menschen, die nicht hineinpassen, die möglicherweise nicht hingehen, weil es sie nicht interessiert oder weil sie keine Zeit haben, nehmen es hin. Der Gemeinde geht es gut, sie floriert! Auch das ist direkte Demokratie; sie hat sich dort - übrigens seit 1850 - in hervorragender Weise bewährt. Natürlich müssen wir mehr Beteiligung für Landratswahlen einwerben, aber klar ist auch: Wenn eine Direktwahl am Quorum scheitert, dann steht für uns das Quorum infrage, nicht die Direktwahl. Ich danke Ihnen.