Protokoll der Sitzung vom 05.06.2013

Die Brandenburgische Sportjugend organisiert in Kooperation mit dem „Toleranten Brandenburg“ die Tage der Demokratie vom 16. bis 18. August in Potsdam. Dazu lade ich Sie heute schon alle herzlich ein: ein großes Demokratiecamp im BUGAPark für Brandenburger Jugendliche ab 16 Jahren. Kumulus e. V. plant 2014 landesweite Juniorwahlen, um Jugendliche an Prozesse der demokratischen Willensbildung heranzuführen und das politische Interesse anzuregen, denn beides geht unmittelbar Hand in Hand: unsere Bemühungen um Teilhabe, um Demokratie schon bei jungen Menschen, angefangen bei den Kindern bis hin dazu, dass wir eine demokratische Kultur für alle Menschen aufbauen wollen.

Parallel zu der Landtagswahl 2014 ist es das erklärte Ziel, die Juniorwahl an allen weiterführenden 435 Schulen in Brandenburg durchzuführen. Wichtig ist, dass das „Tolerante Brandenburg“ nicht stehen bleibt - es ist in den vergangenen 15 Jahren auch nicht stehen geblieben -, sondern dass wir uns immer wieder an neue Entwicklungen, auch an neue Phänomene anpassen. So ist es schon selbstverständlich, dass das „Tolerante Brandenburg“ neue Medien nutzt. Ich hatte die Chance, bei der letzten Pressekonferenz am 29. Mai die „Tolerantes-Brandenburg-App“ vorzustellen. Das muss man heutzutage: Man muss eine App haben, die darauf hinweist. Sie bietet eine Chance sie ist kostenfrei herunterzuladen und unterstützt alle Beteiligten, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie engagieren -, sich noch besser miteinander zu vernetzen.

Das Beratungsnetzwerk „Tolerantes Brandenburg“ hat eine breite Basis entwickelt, ist stark und dicht geknüpft.

Dank des Engagements der vielen Bürgerbündnisse, Initiativen, Vereine und Verbände ist es in jedem Ort in Brandenburg mittlerweile selbstverständlich, wenn Not am Mann ist, wenn

es Veranstaltungen oder Dinge gibt, die seitens der rechtsextremen Szene provoziert werden, zu reagieren. Da ist kein Ort zu klein oder nicht schnell genug erreichbar, dass sich nicht sofort Gegenwehr organisieren würde. So kann der Zusammenhalt der Aktiven vor Ort weiter wachsen, so wird die Gesellschaft in unserem Land für Demokratie und gegen Rechtsextremismus mobilisiert, so wird auch die kommunale Öffentlichkeit gestärkt, damit Gewalt geächtet wird und Opfer unterstützt werden, damit Toleranz und Solidarität in unserem Land wachsen können und Brandenburg vielfältig, menschlich und weltoffen ist und bleibt. - Ganz herzlichen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungs- bank)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die Aussprache wird mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fortgesetzt. Der Abgeordnete Hoffmann hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir im vorherigen Tagesordnungspunkt viel über Bedeutungen und Symbolik gesprochen haben, bin ich froh und auch erleichtert, dass wir endlich zu konkreteren Maßnahmen und einer wesentlich zielführenderen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus kommen. Es ist im Prinzip nun schon seit drei Jahren Tradition, dass wir im Juni-Plenum über das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ sprechen, und in diesen Tagen gibt es zudem einen feierlichen Anlass: Das Handlungskonzept wird 15 Jahre alt. Da möchte ich natürlich auch im Namen der CDU-Fraktion ganz herzlich gratulieren.

Uns als CDU-Fraktion wird immer wieder unterstellt - insbesondere von Ihnen, werte Kollegen von der Linken, und von Ihnen, Herr Ness -, wir würden das Handlungskonzept nicht wertschätzen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass das nicht der Fall ist. Wir schätzen das Handlungskonzept, weil es - im Gegensatz zu Ihrem Ansatz - die Stärkung der Demokratie in den Vordergrund stellt und auch anerkennt, dass in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus viele und unterschiedliche Ansätze benötigt werden, um zum Erfolg zu kommen. Ich finde es - an dieser Stelle muss man das sagen können - außerordentlich bedauerlich, dass einige den Kampf gegen den Rechtsextremismus oft über rechtsstaatlich fragwürdige Mittel wie Sitzblockaden antreten wollen; das ist, glaube ich, kein Ansatz, den die CDU-Fraktion unterstützen kann. Wir werden es nicht schaffen, den Menschen die Sicherung demokratischer Grundwerte ans Herz zu legen, wenn wir glauben, dafür grundlegende Werte und Rechte mit Füßen treten zu müssen.

(Beifall CDU - Zurufe von der SPD)

Das hat keine …

(Zurufe des Abgeordneten Ness [SPD])

- Herr Ness, Sie können sich setzen, wohin Sie wollen. Sie können auch hier sitzen, ist mir egal, aber quatschen Sie doch nicht die ganze Zeit dazwischen, hören Sie doch erst einmal zu!

Das hat keine Vorbildfunktion, um die Menschen in Brandenburg von der Richtigkeit dieser Staatsform zu überzeugen. Ich finde es außerordentlich wichtig, dass wir dieses Handlungskonzept mit seinen vielfältigen Möglichkeiten haben. Ich bin zum Beispiel dem demos-Institut und Herrn Wilking sehr dankbar. Ich hatte ihn zu unserer Gesamtmitgliederversammlung eingeladen und hatte das Vergnügen, ihn für einen Vortrag zu gewinnen, bei dem wir uns von ihm haben erklären lassen, wie wir es schaffen können, die demokratiestützenden Aufgaben, die eine Volkspartei wahrnehmen muss, in der Prignitz auch künftig weiter zu leisten. Ich und auch unsere Mitglieder sind ihm heute noch für seine Anregungen sehr dankbar.

Ich schätze auch die unkomplizierte und unproblematische Zusammenarbeit mit den mobilen Beratungsteams, die sehr engagierte Arbeit leisten. Ich freue mich, dass wir in der Prignitz demnächst wieder einen Termin haben, bei dem wir versuchen wollen, einen parteiübergreifenden Ansatz für den Umgang mit Rechtsextremismus zu erarbeiten, und das mit der Unterstützung dieser mobilen Beratungsteams. Darüber bin ich sehr froh.

Ich möchte auch noch ein paar Worte zum Bericht verlieren: Ich bin der Landesregierung für den Mut dankbar - an der Stelle möchte ich ausdrücklich ein Lob aussprechen -, denn es ist diesmal tatsächlich gelungen, mit diesem Bericht ein gutes Gesamtbild von der Komplexität des Handlungskonzeptes und der Verzahnung in die unterschiedlichen Ministerien hinein zu zeichnen, ohne dabei zu überziehen - das war nicht immer so. Ich freue mich über gemischte Stimmen, über differenzierte Einschätzungen, die in diesem Bericht zu lesen sind. Die endlosen Lobhudeleien, die wir in den vergangenen Jahren in diesen Berichten hatten, sind tatsächlich auf ein Minimum reduziert worden.

Trotzdem halten wir von der CDU-Fraktion es für geboten, nun, nach 15 Jahren, zu schauen, wo wir das Handlungskonzept anpassen müssen. Wir alle wissen, dass sich das Erscheinungsbild des Rechtsextremismus gewandelt hat und weiter wandelt. Vor dieser Tatsache sollten wir tatsächlich nicht die Augen verschließen; das habe ich auch in meinen letzten Beiträgen zu diesen Berichten deutlich gemacht. Die veränderten Gegebenheiten in der rechtsextremistischen Szene erfordern möglicherweise noch andere Konzepte, andere Instrumente, andere Maßnahmen, die bislang im Handlungskonzept so noch nicht berücksichtigt sind. Wir sollten zum Beispiel schauen, ob wir die Aussteigerarbeit weiter stärken können.

Ich glaube, gerade weil das Handlungskonzept ein Erfolgsmodell ist, sind wir in der Verantwortung, es weiterzuentwickeln und die richtigen Antworten auf sich verändernde Fragestellungen zu geben. Ich wünsche uns allen, dass das gelingt, und zwar nach Möglichkeit ohne Schaum vor dem Mund. - In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin erfolgreiche Arbeit und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann. - Wir kommen nun zum Beitrag der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Ness hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt sind wir endlich bei dem Tagesordnungspunkt, von dem ich der Meinung gewesen bin, dass es angemessen gewesen wäre, wenn wir ihn vor die Debatte um die Verfassungsänderung gezogen hätten. Ich glaube, die heutige Debatte kann trotzdem eine fruchtbare werden, weil dieser Bericht in der Tat darauf hat der Kollege Hoffmann soeben hingewiesen - etwas anders gestaltet ist als die Berichte in den Vorjahren. Ich habe sehr lesenswerte, nachdenkenswerte Beiträge gelesen. Eine dort zitierte Formulierung darüber, wie in den 90er-Jahren Brandenburg beschrieben wurde, von Prof. Heinz Kleger, einem Politologen aus Potsdam, ist mir sehr in Erinnerung geblieben. Brandenburg, sagte Heinz Kleger, sei ein kompromittiertes Land. Das war in den 90er-Jahren unser Image. Die Außensicht auf Brandenburg war folgende: Dieses Land ist ein Hort des Rechtsextremismus, ein Land, in dem es national befreite Zonen gibt, in dem es keine Zivilgesellschaft gibt, die Widerstand leistet, in dem es staatliche Institutionen gibt, die die Augen verschließen, in dem die Wirklichkeit, in der sich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausbreiten, nicht wahrgenommen wird. - Das ist eine bittere Erkenntnis, wenn man sich das heute noch einmal vor Augen hält, aber diese Formulierung bringt es auf den Punkt.

Es gab eine Sicht auf Brandenburg - im Übrigen auch auf die anderen ostdeutschen Länder; dort war es nicht anders -, die eben nicht mit der Binnensicht übereinstimmte. Das erklärt sich mit großer Sicherheit dadurch, dass wir im Land selbst mit einer hohen Arbeitslosigkeit konfrontiert und damit beschäftigt waren, Transformationsprobleme aufzuarbeiten. Viele Menschen sahen einfach für sich selbst keine Möglichkeit, sich auf eine gesellschaftliche Auseinandersetzung so einzulassen, wie es notwendig gewesen wäre.

Das hat sich geändert, und das ist auch ein Verdienst der damaligen Landesregierung, insbesondere ein persönliches Verdienst des damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, der als erster ostdeutscher Politiker den Mut hatte, ein Interview in der „Zeit“ zu geben, in dem er sehr selbstkritisch sagte: Ich habe mich getäuscht. Ich habe mich getäuscht in meiner Einschätzung, mit welchen Phänomenen wir es hier zu tun haben. - Dieses Interview, dieses mutige öffentliche Bekenntnis hat es möglich gemacht, dass die damalige Landesregierung das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ aufgelegt hat. Es verfolgt politisch einen anderen Ansatz, einen Ansatz, zu dem wir das muss man festhalten - heute offensichtlich mit Teilen der CDU immer noch einen Konflikt haben. Es geht um den Ansatz, dass das Problem Rechtsextremismus nicht nur mit staatlichen Maßnahmen - also Repressionsmaßnahmen und Maßnahmen der Bildungspolitik - zu bearbeiten ist. Das klang beim letzten Tagesordnungspunkt in der Rede von Herrn Lakenmacher an, der sagte: Diese Verfassungsänderung ist Unsinn. Gebt mehr Geld für den Staatsschutz und für Polizisten aus, dann ist alles gut. - Das ist nicht so.

Was wir brauchen, ist ein Mix aus Maßnahmen: Wir brauchen eine gute, effektive Repressionsarbeit. Dafür stehen unser Innenminister, unser Verfassungsschutz und unser Staatsschutz jedenfalls heute, da hat er sich gut entwickelt. Wir brauchen Lehrer, die sich dieses Themas annehmen. Das war in den 90er-Jahren auch nicht immer der Fall, da gab es unter Pädago

gen die weit verbreitete Haltung: Das Thema Rechtsextremismus ist nicht unsere Aufgabe, wir vermitteln Fachwissen, aber was draußen, außerhalb der Schule, abgeht, muss uns nicht interessieren. - Das hat sich geändert, und das ist gut.

Wir brauchen natürlich auch Pädagogen und Profis, die sich antirassistischer Arbeit widmen. Da haben sich gute Leute in Brandenburg entwickelt, viele sitzen heute hier im Saal. Wir können stolz darauf sein, dass wir sie haben, und dass sie dieses Engagement, das manchmal auch Mut braucht, aufbringen.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungs- bank)

Aber wir brauchen auch die Einsicht, dass die Zivilgesellschaft nicht nur zuschauen darf. Es reicht nicht, dass die Leute den Arm auf die Fensterbank legen, wenn draußen Nazis vorbeimarschieren. Den Bürgern vor Ort muss klar sein: Es ist ihre Stadt, die von Nazis angegriffen wird!

Der für mich wesentliche Punkt in dieser Geschichte waren die Auseinandersetzungen in Halbe in den Jahren 2005 und 2006. Damals lernte der von der CDU gestellte Innenminister Jörg Schönbohm etwas. Er hatte sich noch im Jahre 2000, als Schröder den „Aufstand der Anständigen“ erklärte, über Kerzenträger, die gegen Rechtsextremisten auftraten, lustig gemacht. Nach den Auseinandersetzungen in Halbe hat auch er verstanden: Wenn Nazis einen solchen kleinen Ort okkupieren, ihn der Demokratie entreißen und zu ihrem Wallfahrtsort machen, dann nützt es nichts, wenn die Polizei am Rand steht und die genehmigte Demonstration begleitet, sondern dann müssen die Demokraten in unserem Land aufstehen und sich diesen Ort für die Demokratie zurückholen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Genau das ist in Halbe gelungen. Diesen Ansatz müssen wir weiterverfolgen. Um Menschen zu ermutigen, für die Demokratie einzutreten, brauchen wir eben auch die Verfassungsänderung, über die wir vorhin debattiert haben, und wir brauchen die Menschen, die sich im Rahmen des Bündnisses „Tolerantes Brandenburg“ engagieren. Neben staatlichen Institutionen und gesellschaftlichen Institutionen bedarf es auch des Engagements der Bürgerinnen und Bürger. Ich bin allen dankbar, die in den vergangenen 15 Jahren mitgewirkt haben, und hoffe, dass wir das auch in Zukunft hinbekommen. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ness. - Bevor wir die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fortsetzen, begrüße ich herzlich Auszubildende und Studierende aus dem Landkreis Potsdam-Mittelmark.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Abgeordneter Goetz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wenn man als Liberaler auf der Straße unterwegs ist, am

Stand steht und sich zur FDP bekennt, erlebt man täglich Rassismus. Die Ablehnung liberaler Politik durch Andersdenkende ist in Ordnung, aber an der Art und Weise, wie das an der Person unseres Parteivorsitzenden festgemacht wird, zeigt sich durchaus eine rassistische Einstellung. Erstaunlicherweise kommen entsprechende Argumente und Darstellungen - ich wiederhole sie hier nicht - auch von Menschen, die jeden Rassismusvorwurf weit von sich weisen würden. Es wird aber deutlich, wie verbreitet Rassismus in der Gesellschaft ist, auch in Parteien, auch bei uns. Rassismus ist in alle Bereiche tief eingedrungen bzw. nach wie vor vorhanden - trotz aller Fortschritte, die erzielt worden sind.

Auch das ist für uns ein Grund zu sagen: Die Änderung der Landesverfassung durch Einfügung einer „Rassismusklausel“ ist ein richtiger Weg. Das zeigt die tägliche Erfahrung. Es ist durchaus legitim, wenn ein stellvertretender Bundeskanzler und Bundeswirtschaftsminister von Andersdenkenden kritisiert wird. Nicht in Ordnung ist es, wenn er sich mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert sieht, wie wir es täglich an unseren Ständen erleben. Das ist einfach so. Man kann damit rechnen, wenn man längere Zeit dort steht. Ich könnte Beispiele bringen, auch von den Grünen, den Linken, der SPD und aus dem näheren Umfeld. Manche schämen sich, wenn man sie darauf hinweist, was sie gerade gesagt haben, und kommen dann hoffentlich zu besserer Einsicht.

15 Jahre „Tolerantes Brandenburg“ - in dieser Zeit ist unsere Gesellschaft gut vorangekommen. Die gesellschaftliche Entwicklung ist vorangeschritten. Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, der vorhin in der Debatte über den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg - er wird jetzt weiter beraten - wieder deutlich geworden ist.

Es ist zu einer entscheidenden Steigerung des Engagements der Zivilgesellschaft im Land Brandenburg gekommen. Das ist maßgebend. Insofern bin ich bei der Darstellung, die Herr Ness hier gegeben hat: Die demokratischen Kräfte, diejenigen, die sich innerhalb des demokratischen Spektrums bewegen, müssen sich ihren demokratischen Raum - ihr Dorf, ihre Stadt - von denen, die ihn möglicherweise übernommen haben, zurückholen. Sie müssen auch darauf achten, dass die anderen Kräfte dort nicht wieder Fuß fassen.

Aber auch der Extremismus entwickelt sich. Anfang der 90erJahre war es einfach, einen Nazi zu erkennen: Er lief mit Springerstiefeln durch die Gegend, hatte eine Glatze und trug eine Bomberjacke. Da wusste man Bescheid, was das für einer ist. Das ist heute viel subtiler. Man erkennt einen Extremisten nicht mehr auf den ersten Blick, sondern teilweise erst nach langer, langer Zeit. Extremisten versuchen, unsere Feuerwehren und Sportvereine zu infiltrieren und dort als Übungsleiter Fuß zu fassen. Sie wollen mit den jungen Menschen arbeiten, damit die Eltern - wenn später herauskommt, was das für ein Mensch ist - dann sagen: „Er war doch nett. Meinem Kind hat er nicht geschadet. Er hat ihm das Fußballspielen beigebracht.“ Wir stehen also vor völlig neuen Herausforderungen, die so Anfang der 90er-Jahre für uns nicht erkennbar waren.

Dieser Entwicklung des Extremismus muss die Zivilgesellschaft in gleicher Weise begegnen. Wir müssen fit bleiben, was dieses Thema angeht. Gerade deswegen finde ich es sehr gut, wenn von der Frau Ministerin eine Toleranz-App eingeführt wird. Dort kann man nachschauen, Erläuterungen bekommen,

sich leicht vernetzen und organisieren. Was immer geschieht es gibt eigentlich keine Erkenntnis, die nicht irgendwo schon da wäre; sie muss nur am richtigen Ort vorhanden sein. Wir müssen das vorhandene Wissen auch transportieren, um uns mit Extremisten wirksam auseinandersetzen zu können.

(Beifall FDP)

Dazu braucht es auch staatliches Handeln. Ich verweise erneut auf unseren Verfassungsschutz und danke von hier aus ausdrücklich der am Freitag aus dem Amt geschiedenen Verfassungsschutzpräsidentin Winfriede Schreiber, die wirklich einen neuen Weg gegangen ist. Brandenburg ist vorbildlich, wenn es darum geht, den Verfassungsschutz von dem üblichen Image weg- und in die Öffentlichkeit hineinzubringen.

(Beifall FDP und SPD)

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes stehen mit ihren Fahrzeugen auf Dorffesten, machen aktiv Werbung für die Demokratie, weisen auf Gefahren hin und sensibilisieren für Extremismus von allen Seiten.

Ich habe vor diesem Hintergrund kein Verständnis dafür, dass manche Schulen sagen - davon lese ich gelegentlich -: „Wir wollen den Verfassungsschutz bei uns nicht haben.“ Er bietet es nur an, das ist richtig. Aber wenn man sagt: „Der Verfassungsschutz kommt an unsere Schule nicht“, dann muss man in jedem Fall wissen: Die anderen sind schon da. Wir schwächen unser Engagement gegen Extremismus, wenn wir auf diese Weise reagieren.

Vertreter des „Toleranten Brandenburgs“ sind hier. Herzlichen Dank für Ihre inzwischen vieljährige Arbeit! Einige von Ihnen kenne ich schon seit längerer Zeit, auch aus Teltow. Ich weiß, welche Arbeit Sie geleistet haben. Das stärkt uns alle und schafft die Voraussetzungen für ein breites zivilgesellschaftliches Engagement. Gleichwohl ist festzustellen: Für uns alle bleibt gerade vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen und eines veränderten Auftretens von Extremismus auch weiterhin viel zu tun. Dabei wünsche ich uns allen viel Erfolg. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP, SPD und des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Frau Abgeordnete Fortunato hat das Wort.