Sie wollen erstens für eine losere Anbindung des Landesjugendhilfeausschusses an die Landespolitik sorgen. Sie wollen zweitens die fachlichen Anforderungen an die Qualifikation der Mitglieder herabsetzen. Sie wollen drittens den Abzug des Landesjugendamtes aus Bernau nach Potsdam und seine Eingliederung in das Bildungsministerium durchboxen. Sie wollen viertens dem Ausschuss die Beschlussrechte wegnehmen. Sie behaupten, Sie wollten die Beteiligungsrechte stärken. Das ist eine „tolle“ Sache: Dafür, dass man dem Ausschuss die Beschlussrechte wegnimmt, erhält er mehr Befassungsrechte. Wissen Sie, was das im Klartext heißt? Der Ausschuss darf in Zukunft über alles reden, aber er hat nichts mehr zu sagen. Genau das ist das Problem, und das werden wir so nicht mitmachen.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, es ist bedauerlich für die Vertreter der Kinder- und Jugendarbeit, dass Sie überhaupt zugelassen haben, dass dieser Entwurf mit seinen kontraproduktiven Ideen den Landtag erreicht hat und wir uns heute darüber unterhalten müssen. Sie haben jedoch mit dem nun laufenden Gesetzgebungsverfahren die Gelegenheit, die gröbsten Schnitzer dieses Gesetzentwurfs zu beheben, besser noch: den überflüssigen Entwurf komplett in der Schublade verschwinden zu lassen.
Deswegen fordere ich Sie auf: Nutzen Sie die Gelegenheit, sich einmal mit den Leuten aus der Praxis zu unterhalten. Die schütteln alle den Kopf. Wenn die alle den Kopf schütteln, brauchen Sie das hier nicht abzunicken. Nutzen Sie endlich einmal Ihre Gestaltungsmehrheit, nutzen Sie das Gestaltungsrecht des Parlamentes und sorgen Sie dafür, dass dabei etwas herauskommt, was die Menschen in der Praxis wollen und brauchen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann. - Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Muhß erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Kolleginnen, Kollegen und Gäste! Der jetzt zur Debatte stehende Gesetzentwurf
geht auf das Modernisierungskonzept der Landesregierung von 2011 zurück, zu dem die Ministerin schon einiges sagte. In diesem Konzept heißt es:
„Das Landesjugendamt wird in das MBJS organisatorisch integriert. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Leistungen der bisherigen Landesoberbehörde für die Qualitätsentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe ebenso sichergestellt werden wie die Wahrnehmung der Gesamtverantwortung der Landesoberbehörde. Die Beteiligung des Landesjugendhilfeausschusses an den Aufgaben aus Kinderund Jugendhilfe soll unberührt bleiben. Anlässlich der Integration des Landesjugendamtes ins Ministerium kann eine Fortentwicklung der Beteiligung geprüft werden.“
Das, was so technisch klingt, stellt an uns alle einen erheblichen Anspruch. Es geht eben nicht allein um Organigramme, Verlegung von Dienstorten oder Straffung von Entscheidungsabläufen, auch wenn das ein wesentlicher Hintergrund dafür ist. Es geht zum einen um ein sehr sensibles Thema, die Aufgaben der Jugendhilfe, und zum anderen um die Fortführung einer seit Jahren gut gelebten Praxis, nämlich das partnerschaftliche Miteinander von öffentlicher Jugendhilfe, freien Trägern und Vertretern der Legislative.
Der Landesjugendhilfeausschuss in seiner bisherigen Form ist geprägt durch den fachlichen Diskurs aller Beteiligten auf Augenhöhe. Dieser von allen Seiten praktizierte Umgang miteinander hat wesentlich dazu beigetragen, dass viele strittige Themen zwar nicht immer im Konsens, aber doch immer an der Sache orientiert debattiert wurden und sich kein Partner ausgegrenzt fühlte. Das kann der Kollege Hoffmann vielleicht nicht wissen, denn er stößt erst in der Zukunft zu uns in den Ausschuss.
- Ab Montag. - Der hier beschriebene Geist des Miteinanders zog sich auch durch den aktuellen Diskussionsprozess. Er sollte in der neuen Struktur erhalten bleiben und möglichst ausgebaut werden - so unser Selbstverständnis bei allen Diskussionen über die Eingliederung.
Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat diesem Anspruch Rechnung getragen und die Vorstellungen der Landesregierung immer offen und transparent mit den Verbänden debattiert. Dafür möchte ich hier im Parlament danke sagen.
Dass die Zweigliedrigkeit des Landesjugendamtes bei seiner Auflösung und Überführung in das Ministerium neu definiert werden musste, musste allen Beteiligten von vornherein klar sein. Die Notwenigkeit ergibt sich daraus, dass der Landesjugendhilfeausschuss in seiner bisherigen Form das Landesjugendamt in grundsätzlichen Fragen durch Beschluss binden kann. Meines Wissens ist bisher so ein Beschluss noch nie gefasst worden. Bei einem Ministerium kann das nur durch das Parlament erfolgen. Umso wichtiger ist es, dieses fachliche Miteinander aller Akteure der Jugendhilfe auch in der neuen Struktur aufrechtzuerhalten. Bis jetzt kann ich nicht erkennen, dass dieser partnerschaftliche Ansatz von irgendeiner Seite infrage gestellt wird.
Bei der Vorbereitung auf die heutige Rede erschien mir vor meinem Auge die Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses,
in der das erste Mal über das ganz neue Modernisierungskonzept gesprochen wurde. Wir alle saßen in dem großen Versammlungssaal des Ministeriums. Alle Mitglieder des Ausschusses waren erst einmal überrascht - erschlagen, wie ich sagen möchte - und wussten gar nicht, was auf sie zukommt. Ich werde nie vergessen, wie Herr Hilliger aus dem MBJS in diese Stille hinein genau diesen Satz sagte: Wir sollten uns darauf konzentrieren. Anlässlich der Integration des Landesjugendamtes in das Ministerium kann eine Fortentwicklung der Beteiligung geprüft werden. Genau daran haben wir in der ganzen Zeit gearbeitet.
Fakt ist zwar, dass durch die Gesetzesnovelle die Bindungswirkung des Landesjugendhilfeausschusses in grundsätzlichen Fragen wegfällt, wie es Herr Hoffmann sagte. - Wo ist er denn? Er ist gar nicht mehr da?
- Ach ja. Entschuldigung. - Im Gegenzug sind die Beteiligungsrechte des Landes-Kinder- und Jugendausschusses, wie er in Zukunft heißen wird, im vorliegenden Gesetzentwurf substanziell erweitert worden.
Der neue Landes-Kinder- und Jugendausschuss soll sich eben nicht nur mit allen Aufgaben der Jugendhilfe, sondern daneben auch mit den Lebenssituationen von jungen Menschen befassen. Die Befassungsrechte des Landes-Kinder- und Jugendausschusses werden über die Jugendhilfe hinaus auf allgemeine Fragen der Jugendpolitik erweitert.
Schade. Ich kann zu den schönen Dingen, die der Ausschuss in Zukunft auch noch machen wird, nicht mehr ausführen, zum Beispiel, dass er Gutachten einholen und Öffentlichkeitsarbeit leisten darf, was es bisher so nicht gegeben hat. Ich schließe aber nicht aus, dass sich in den weiteren Beratungen die Notwendigkeit von Korrekturen ergeben wird und wir in unserer Fraktion dazu auch bereit sind. - Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Muhß. - Bevor ich Herrn Abgeordneten Büttner für die FDP-Fraktion das Wort erteile, begrüße ich Gäste: Seniorinnen und Senioren aus Pritzwalk und Wittstock sowie die Mitglieder der Theatergruppe „Knattermimen“ aus Kyritz. Herzlich willkommen!
Herr Büttner, Sie haben nun die Möglichkeit, die Aussprache durch den Beitrag der FDP-Fraktion zu bereichern.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Frau Ministerin, dieser Gesetzentwurf ist wieder
einmal ein Beweis dafür, dass Sie eben nicht an beständigen Lösungen interessiert sind. Im Übrigen nehmen Sie wieder einmal - aber das kennen wir aus Ihrem Hause schon - die Ergebnisse der Enquetekommission 5/2 vorweg.
Wenn die Regierungsfraktionen nach der Anhörung den Gesetzentwurf in dieser Form als Schnellschuss verabschieden, ist niemandem geholfen. Frau Ministerin, Sie selbst sagten - auch Herr Kollege Hoffmann wies darauf hin -, das Landesjugendamt werde abgeschafft und seine Aufgaben auf die oberste Landesjugendbehörde, das MBJS, übertragen, und auch der Landesjugendhilfeausschuss werde faktisch abgeschafft und stattdessen durch einen Landes-Kinder- und Jugendausschuss ersetzt.
Aus dem Gesetzentwurf und dem Gutachten „Novellierung des AGKJHG - Neuordnung der Behördenstruktur“ des Parlamentarischen Beratungsdienstes vom 8. August 2013, auf das Sie, Frau Ministerin, ebenfalls Bezug genommen haben, geht hervor, dass durch den Wegfall des Landesjugendhilfeausschusses und die Aufgabenübertragung an das MBJS die Zweigliedrigkeit des Landesjugendamtes entfällt und es damit keine „organisatorische Trennung zwischen den Aufgaben des Landesjugendamtes einerseits und der übrigen ministeriellen Verwaltungstätigkeit andererseits“ gibt. Deshalb stellt sich schon die Frage, ob die Unabhängigkeit in der Aufgabenerfüllung erreicht ist und Transparenz erhalten bleibt.
Darüber hinaus kann der Landesjugendhilfeausschuss nicht mehr in das Verwaltungshandeln durch Beschlüsse eingreifen, denn ein Beschlussrecht - Kollege Hoffmann hat darauf hingewiesen - wird es mit Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes nicht mehr geben. Stattdessen billigt man dem neugegründeten Landes-Kinder- und Jugendausschuss neue Rechte zu und erweitert das Aufgabenspektrum, zum Beispiel das Beratungsrecht gegenüber der Landesregierung, das Recht auf Benehmensherstellung, das Beteiligungs- und Informationsrecht usw.
Das hört sich erst einmal ganz nett und gut an, aber - auch darauf hat Kollege Hoffmann bereits Bezug genommen - mit den neuen Rechten und Aufgaben ist der Verlust des Entscheidungsrechts mit Bindungswirkung für die Verwaltung verbunden. Das heißt, dass der Landes-Kinder- und Jugendausschuss im Endeffekt schlechter gestellt ist als der Landesjugendhilfeausschuss. Mit einer Weiterentwicklung hat das überhaupt nichts zu tun.
Das heißt auch, dass Ideen und Problemlösungsvorschläge durch die Mitglieder des Ausschusses, die durchaus aufgrund ihres Pragmatismus und Problembewusstseins an lebensnahen Entscheidungen interessiert sind, nicht umgesetzt werden können, wenn das MBJS anderer Auffassung ist. Am Ende entscheidet nur noch das MBJS. Sie haben sich die ganze Macht auf den Tisch gezogen, Frau Ministerin.
Letztendlich ist das eine Alibibeteiligung und ein schlechter Deal, denn die Aufgaben- und Rechteerweiterung, die es gibt, läuft schlichtweg ins Leere.
Wenn man sich nun das SGB VIII anschaut und § 70 Abs. 3 liest, wird man feststellen, dass die Aufgabenwahrnehmung
des Landesjugendamtes durch einen Verwaltungsbereich und den Jugendhilfeausschuss erfolgen soll. Der vorliegende Gesetzentwurf widerspricht also hierin auch noch dem SGB VIII, denn demnach wird es ja keinen Landesjugendhilfeausschuss mehr geben.
Frau Ministerin, wenn Sie wirklich die Kinder- und Jugendhilfestrukturen weiterentwickeln wollen, wie es im Titel Ihres Gesetzentwurfes heißt, dann müssen Sie der Forderung der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege entsprechen, in der es heißt, dass die Beschluss- und Befassungsrechte weitestgehend erhalten werden und durch neue, verbindliche Informations-, Initiativ- und Anhörungsrechte erweitert werden sollen.
Wenn Sie das nicht tun, laufen Sie Ihrem eigenen Anspruch zuwider, und das hat nichts mit Weiterentwicklung zu tun.
Frau Ministerin, dieser Gesetzentwurf ist kein Zeichen von Verwaltungsmodernisierung, sondern ein Zeichen von Pseudobeteiligung und Unkenntnis in Ihrem Ministerium, für das Sie die politische Verantwortung tragen. Wir werden im Ausschuss auch in der Anhörung - noch einmal Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Die letzten vier Jahre haben mir aber gezeigt, dass auch Ihre Beratungsfähigkeit und die Möglichkeit, sich selbst weiterzuentwickeln, sehr begrenzt sind. Insofern glaube ich, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf, wenn Sie ihn verabschieden, einen völligen Fehlschuss landen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Krause, Fraktion DIE LINKE, fort.
Werte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Neuordnung der Behördenstruktur geht auf eine Beschlussfassung zur Modernisierung der Landesverwaltung aus dem November 2011 zurück. Den konkreten Punkt hat Kollegin Ina Muhß hier schon zitiert; ich brauche es nicht zu wiederholen. Es ist aus meiner Sicht deutlich geworden, dass es tatsächlich einen Weiterentwicklungs- und Modernisierungsbedarf bei der Ausgestaltung des bisherigen Landesjugendhilfeausschusses gibt. Auch die Ergebnisse der Arbeitsgruppe, die zwischen dem Ministerium für Jugend und dem Landesjugendhilfeausschuss gebildet worden ist, zeigen, dass es eine ganze Reihe von Punkten gibt, die weiterentwickelt werden können. Es herrscht Übereinstimmung, dies so zu tun.
Es wurde bereits erläutert, dass in Zukunft auf beratende Mitglieder verzichtet und dafür der Kreis der stimmberechtigten Mitglieder erweitert wird. Ich denke, dass dies ein richtig guter Schritt ist.
Wir erweitern mit diesem Gesetzentwurf die Befassungsrechte des Ausschusses. Es wird die Beratung der Landesregierung ein