Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung Brandenburg, Klagerecht Dritter gegen wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden
Dazu liegt mit Drucksache 5/332 ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE vor.
Ich eröffne die Debatte mit dem Redebeitrag der FDP-Fraktion, für die der Abgeordneter Tomczak spricht.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, unter unseren Gästen auch Vorstandsmitglieder der Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker zu begrüßen. Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren!
Der vorliegende Gesetzentwurf der FDP-Fraktion geht von dem Grundsatz aus, dass die Gemeinde Grundlage und Teil des demokratischen Gemeinwesens ist. Die Gemeinde erfüllt als Gebietskörperschaft alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft. Neben freiwilligen Aufgaben, für die auch entsprechende Haushaltsmittel bereitstehen müssen, sind umfangreiche Pflichtaufgaben, die der Gemeinde nach Gesetzesgrundlage oder nach Weisung übertragen werden, zu erfüllen. Dazu gehören die Gestaltung der Gemeindeentwicklung, Standortentscheidungen, die Beachtung der Umweltverträglichkeit, der Denkmalschutz, die Bauleitplanung, die Gewährleistung des öffentlichen Verkehrs, die Versorgung mit Energie und Wasser, die schadlose Abwasserableitung und -behandlung, die Verbesserung der Wohnungen durch sozialen Wohnungsbau, die Förderung des privaten und genossenschaftlichen Bauens, die sozial gerechte Verteilung der Wohnungen, die gesundheitliche und soziale Betreuung, die Sicherung und Förderung eines breiten Angebots an Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen, die Entwicklung der Freizeit- und Erholungsbedingungen, der Schutz der natürlichen Umwelt, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Reinlichkeit und schließlich - aber nicht zum Schluss die Förderung von Wirtschaft und Gewerbe. Sollte ich Ihnen zu schnell gewesen sein, können Sie das in der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg Teil 1 § 2 nachlesen.
Diese Aufzählung hatte ihren Grund. Ich zitierte eben Tätigkeiten wie Gestaltung, Beachtung, Gewährleistung, Versorgung,
Verbesserung, Verteilung, Entwicklung, Sicherung, Schutz, Aufrechterhaltung und Förderung. Das sind ausnahmslos Begriffe einer umfangreichen Planungs-, Verwaltungs- und Kontrollarbeit. Die direkte und unmittelbare Verantwortung der Gemeinde bei der Planung und Durchsetzung dieser Aufgaben wird durch Gesetze, Satzungen und Beschlussfassungen der zuständigen Gremien geregelt. Die praktische Umsetzung und Ausführung beschlossener und budgetgedeckter Aufgaben durch die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde selbst ist nach unserer Auffassung keine monopolgestützte Aufgabenstellung der Gemeinde.
Dieser grundsätzlichen Sichtweise wird durch die Einschränkung der Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung im § 91 Brandenburger Kommunalverfassung auch Rechnung getragen, wenn ja, wenn - nicht da erstens die oftmals willkürliche und sehr „kreativ“ ausgelegte Rechtfertigung des öffentlichen Zwecks gängige Praxis wäre und zweitens das Subsidiaritätsprinzip oftmals vorsätzlich missachtet würde. Unter dem Vorwand der Daseinsvorsorge wird die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen auf Wirtschaftszweige wie die Recyclingwirtschaft, die Landschaftspflege, Transportunternehmen, Reinigungsdienste, Planungsbüros und vieles anderes mehr bis hin zur schleichenden Ausführung von Handwerkerleistungen ausgedehnt. Das trifft teilweise Wirtschaftsbereiche, die nichts, aber auch gar nichts mit einer Daseinsvorsorge zu tun haben. Die neue Verwaltungsstrategie der Rekommunalisierung soll Planungssicherheit und Kontinuität in die Beitrags- und Gebührenbemessung bringen.
Meine Damen und Herren, mit Seitenblick auf das Umsatzsteuerprivileg kommunaler Unternehmen wird hier der wirtschaftsfeindliche und steuerschädliche Zusammenhang sichtbar, aber das ist ein anderes Thema.
So mancher Bürgermeister freut sich natürlich über den mal mehr oder mal weniger hohen Haushaltszuschuss seines Stadtbauhofs. Er verdrängt dabei aber, dass ansässige Unternehmen der Privatwirtschaft über Gewerbesteuer-, Umsatz- und Lohnsteueranteile gleiche oder höhere Haushaltsanteile liefern könnten. Diese Ignoranz ist auch deshalb bedauerlich, weil regionale Unternehmen oftmals als Sponsoren für kulturelle und soziale Veranstaltungen benutzt werden. Als Auftragsempfänger werden sie aber ignoriert und unterschätzt. Das ist in unseren Augen die falsche Logik.
Die Gefahr des wirtschaftlichen Scheiterns kommunaler Unternehmen ist gering. Haushaltszuschüsse und verdeckte Quersubventionierung sind im Ernstfall gängige Praxis zur Deckung von Unwirtschaftlichkeit und fehlender Flexibilität. Diese, wie wir Liberalen meinen, wirtschaftsfeindliche Entstehung und Festigung kommunaler Monopole verursacht bei den Wettbewerbern der privaten Wirtschaft einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Dieser Nachteil für mittelständische Unternehmen ist gegenwärtig in Brandenburg verfassungsrechtlich festgeschrieben. Die gerichtliche Überprüfung einer gesetzwidrigen wirtschaftlichen Betätigung der Kommune wird durch den einseitigen Schutz der Leistungsfähigkeit nach Kommunalverfassung verhindert. Kreativität, Kompetenz und die unbestreitbare Fähigkeit zur ökonomischen und sozialen Verantwortung der mittelständischen Unternehmen und deren Mitarbeiter werden nicht gefördert. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf der FDP zuzustimmen.
Ich muss jetzt einmal bei meinem Fraktionsgeschäftsführer rückfragen: Ist die namentliche Abstimmung angemeldet? Danke schön.
Vielen Dank, Herr Tomczak. - Wir kommen zum Redebeitrag der SPD-Fraktion, für die der Abgeordnete Richter spricht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion zielt darauf ab, ein allgemeines Klagerecht der privaten Wirtschaft gegen die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen zu ermöglichen, zu installieren. Grundsätzlich muss man sich bei dieser Problematik die Frage stellen: Welchen Stellenwert soll kommunale Selbstverwaltung eigentlich haben, und wollen wir den Kommunen wirtschaftliche Betätigung zubilligen, ja oder nein, bevor wir über Details reden?
Es wird Sie nicht wundern, dass die SPD hier ein klares Bekenntnis zur kommunalen Selbstverwaltung abgibt. Die gewählten Abgeordneten in den Kommunen, in den Landkreisen entscheiden selbst, in welcher Weise sie die Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge erledigen wollen, ob sie die Aufgaben privatisieren wollen oder auch, ob sie sie selbst erfüllen wollen. Das sind gewählte Abgeordnete, die das Recht haben, darüber zu entscheiden. Ich finde: So viel Vertrauen bringen wir ihnen entgegen.
Die Kommunalverfassung legt den Rahmen dafür fest. Auch die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen passiert nicht im luftleeren Raum. Es gibt dafür klare Regeln in der Kommunalverfassung. Es gibt Kontroll- und Aufsichtspflichten.
Bei der Novellierung im letzten Jahr wurde der § 98, die Beteiligungsverwaltung, neu aufgenommen. Auch hier ist noch einmal zu bekräftigen, dass sorgfältig darauf geachtet werden muss, dass da auch wirtschaftliche Vorgänge passieren.
In der Begründung des FDP-Antrags wird behauptet, die örtliche Wirtschaft erleide einen erheblichen Nachteil. Ich bin nicht dieser Meinung. Die Mitarbeiter der kommunalen Betriebe, es sind 31 000 in Brandenburg - 31 000 Mitarbeiter haben die kommunalen Betriebe -, sind Bürger unserer Städte und Gemeinden. Die zahlen dort Steuern, die werden nach Tarif bezahlt. Die kommunalen Betriebe, das sind etwa 500 - 500 kommunale Betriebe haben wir zurzeit -, sind wichtige Auftraggeber der Kommunen. Ich habe das selbst viele Jahre lang erlebt. Ein großes Auftragsvolumen an die private Wirtschaft geht auch von den kommunalen Betrieben aus. Mehr als 80 % der Aufträge gehen an regionale Unternehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob große Privatunternehmen eine solche Quote erreichen könnten. Im Schlepptau eines großen Unternehmens sind oft viele kleine Betriebe; da wird gar nicht viel gefragt, wer der bessere Bieter ist. Die kommunalen Betriebe achten schon aus der Verantwortung für die Kommune heraus darauf, dass das Auftragsvolumen in der Region bleibt. Die Praxis zeigt das auch, es ist nicht nur dahingesagt.
Die Zufriedenheit der Bürger mit den kommunalen Unternehmen ist hoch. Es gibt eine Reihe von Umfragen dazu, die Sie sicherlich kennen. Das Vertrauen in die kommunalen Betriebe ist da, weil das Bürgerinteresse bei diesen Betrieben eigentlich vorn steht. Erst in zweiter Linie stehen Dinge wie vielleicht die Gewinnmarge oder andere Kriterien, die man auch haben muss. Die müssen auch kommunale Betriebe erbringen, das ist richtig. Schauen Sie einmal, wo alternative Energien am häufigsten eingesetzt werden. - In den kommunalen Energieunternehmen, weil die weiterdenken als bis übermorgen, wo die Rendite noch stimmen muss. Es gibt viele solcher Regelungen. Die kommunalen Wohnungsgesellschaften kümmern sich mehr um solche Belange wie behindertengerechtes Wohnen und Ähnliches, weil die Abgeordneten das so entscheiden. Das sind gewählte Abgeordnete. Die haben ein Mitspracherecht und nehmen es wahr.
Der Antrag der FDP-Fraktion zeugt nach meiner Auffassung von einem tiefen Misstrauen gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung.
Mit Formulierungen wie „Staatswirtschaft auf kommunaler Ebene mit all ihren Gefahren der Vetternwirtschaft“ - man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen - oder „unsachgemäße und unwirtschaftliche Aufgabenerledigung und personelle Verquickung vor Ort“ sprechen Sie einen Generalverdacht gegen sämtliche kommunale Beteiligungen aus,
der überhaupt nicht gerechtfertigt ist. - Das steht so im Antrag; ich kann es nicht ändern. - Da wird vorausgesetzt, dass unsachgemäß, dass unwirtschaftlich gearbeitet wird. In privaten Betrieben nicht? Ich könnte Ihnen eine lange Kette von schiefgelaufenen privaten Geschichten aufzählen.
Ich sage ausdrücklich: Es kann der Private der Bessere sein oder der Kommunale. Aber das entscheiden die Selbstverwaltungsorgane vor Ort, und die können das.
Wir verwahren uns ausdrücklich gegen einen solchen Generalverdacht gegen die kommunal Verantwortlichen. Wir haben Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung. Aus der nicht allzufernen Vergangenheit der Novellierung der Kommunalverfassung - ich habe das damals nicht begleiten können, habe es aber über andere Wege verfolgt - weiß ich, dass auch Teile der CDU die kommunale wirtschaftliche Betätigung ohnehin für Teufelszeug halten und sie lieber heute als morgen abschaffen würden.
Ich wollte auf den eigentlichen Antrag zurückkommen. Sind Sie der Meinung, dass in einem Rechtsstaat Parlamentarier tatsächlich jemandem das Recht nehmen sollten, gegen eine Sache zu klagen? Genau darum geht es nämlich, dass Privatwirtschaft gegen wettbewerbsverzerrende Maßnahmen von kommunaler wirtschaftlicher Betätigung klagen kann. Ich stelle die klare Frage: Sind Sie dafür, dass in einem Rechtsstaat jemandem die Möglichkeit genommen wird, zu klagen?
Frau Dr. Ludwig, ich glaube, im Rahmen der Anhörung zur Novellierung der Kommunalverfassung - Sie waren dabei, ich nicht - gab es - Sie können das bestimmt bestätigen auch Rechtsgutachten zu diesem Sachverhalt. Damals wurde, glaube ich, festgestellt, dass auch jetzt schon das Recht besteht, gegen Missbrauch zu klagen, auch ohne diesen Antrag.
Das habe nicht ich mir ausgedacht, sondern in der damaligen Anhörung ist das durch Rechtsgutachten belegt worden. Der Antrag an sich ist überflüssig, weil es ohnehin möglich wäre, zu klagen. Sie suggerieren hier, dass das nicht geht. Das stimmt einfach nicht.
Um es noch einmal zusammenzufassen: Wir vertrauen der kommunalen Selbstverwaltung, wir lehnen diesen Antrag ab, und wir bekräftigen mit dem Entschließungsantrag von SPD und Linken die Selbstverwaltung und die Handlungsfähigkeit in den Kommunen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Richter. - Das Wort erhält der Abgeordnete Petke. Er spricht für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fühle mich ein wenig zurückversetzt in die damalige Debatte um die kommunale Selbstverwaltung. Damals sind zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD auch grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten in der Frage, was soziale Marktwirtschaft ausmacht, was möglich ist und was nicht möglich sein soll, deutlich geworden. Das ging bis dahin, dass die letztendliche Einigung über die Kommunalverfassung zu diesen Fragen im Koalitionsausschuss gefunden werden musste. Wenn wir tatsächlich anstreben, in Brandenburg ein modernes, auch nach all den Schwierigkeiten der letzten 18 Monate - gemeint ist die Finanzkrise - kommunales Wirtschaftsrecht zu haben, dann wäre es schlicht an der Zeit, dass wir jemandem, der möglicherweise eine Rechtsverletzung feststellt, auch ein Klagerecht geben. Das ist doch in unserem Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit.
(Vereinzelt Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Wenn sei- ne Rechte verletzt werden, kann er sie einklagen!)
Ob seine Rechte verletzt sind, das ist die Frage. Die SPD, Herr Holzschuher, hat damals dafür gesorgt, dass das ausgeschlossen wurde.
In Vorbereitung unserer Gesetzesnovellierung habe ich mit einer ganzen Reihe von Geschäftsführern von kommunalen Unternehmen gesprochen.