Frau Große, bei Ihrer Behauptung, dass die Vorredner gesagt hätten, freie Schulen gleich gute Schulen, an wen haben Sie da
gedacht? Das hat keiner zum Ausdruck gebracht. Das ist eine Unterstellung. Deswegen wäre es nett, wenn Sie sagen, wem Sie das zutrauen.
Die Frage kann ich auch beantworten. Ich habe es zumindest am Unterton von Herrn Hoffmann schon gemerkt: Unterrichtsausfälle bei der staatlichen Schule - bei der freien Schule nicht, motivierte Lehrer an der freien Schule -, nicht motivierte Lehrer offensichtlich an der staatlichen Schule. Das hat er zwar so nicht gesagt, aber wenn er es betont, dann ist das so gemeint.
Zurück zur FDP: Sie, meine Damen und Herren von der FDP, unterstellen mit Verweis auf Artikel 7 Abs. 5 Grundgesetz eine Ungleichbehandlung von Grundschulen in freier Trägerschaft im Vergleich zu anderen Schulen in freier Trägerschaft. Das sehe ich ganz klar nicht. Zudem interpretieren Sie die Volksschule der Weimarer Republik - die ging übrigens bis zur 8. Klasse als Grundschule. Das sehe ich auch als problematisch an. Es geht um Artikel 7 Abs. 5 des Grundgesetzes. Herr Hoffmann, auf den haben Sie sich bezogen. Ich sage noch einmal ganz genau, was dort steht:
„Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnisoder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Schule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.“
Das besagt dieser Artikel 7. Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE ist das auch durchaus sinnvoll. Man muss den Vätern und Müttern des Grundgesetzes im Nachhinein noch für ihre Weitsicht danken, dass sie genau diesen Paragrafen aufgenommen haben.
Wir sind uns doch darin einig, verehrte Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, dass die freien Schulen, wie in Ihrer Begründung erläutert, eine wertvolle Ergänzung der Schullandschaft sind. Das ist unter uns überhaupt nicht strittig. Gerade in Brandenburg werden den Schulen in freier Trägerschaft nach einer Wartezeit von zwei oder drei Jahren - je nach Größe des Trägers - die Personalkosten in Höhe von 94 % aus öffentlichen Mitteln erstattet. Das können wir in unserer Debatte hier nicht einfach negieren: 94 % der Personalkosten kommen aus öffentlichen Mitteln. In Mecklenburg-Vorpommern sind es übrigens nur 87 %.
Schauen Sie sich in den Haushalten der letzten Jahre die Mittelaufwüchse für freie Schulen an! Kein anderes Schulkapitel bei uns hat solche Aufwüchse wie das der freien Schulen im Land Brandenburg. Derzeit ist eher das öffentliche System nicht ausreichend - jetzt nutze ich einen Begriff, der mir auch nicht gefällt - wettbewerbsfähig. Ich halte ihn für keine Kate
gorie gegenüber freien Schulen. Wir haben im Grundschulbereich, wie der Kollege Günther schon gesagt hat, insgesamt 446 Schulen. 58 davon sind freie Schulen. 5 sind in diesem Schuljahr noch einmal hinzugekommen. Weitere Anträge liegen vor. Darunter sind sowohl konfessionelle Schulen als auch solche mit besonderem Profil. Gerade in der Uckermark haben wir sehr viele solcher freien Schulen, die auf Elterninitiativen zurückgehen. Wir haben dort auch Gemeinschaftsschulen, die als solche geführt werden. Es gibt eher große Sorgen bei Eltern und Kommunen, dass die Errichtung weiterer freier Schulen das öffentliche System gefährden könnte.
Es ist gerade im Grundschulbereich enorm wichtig, dass Kinder kurze Wege haben. „Kurze Beine, kurze Wege“ war immer ein Slogan, den wir uns gegeben haben. Eine weitere Ausdünnung würde das doch verhindern. Nicht alle Eltern möchten ihre Kinder in eine freie Schule geben. Wir müssen natürlich für diejenigen, die das nicht möchten, eine Schule vorhalten. Das ist doch logisch. Was Sie erwarten, würde bedeuten, dass wir die Kinder, die ein öffentliches Schulsystem nutzen wollen, im Schülerverkehr noch weiter befördern müssten. Wir halten es für wichtig, dass in einer Grundschule möglichst die Kinder aller Konfessionen und aller weltanschaulichen Verankerungen, aller sozialen Schichten, aller Bildungsschichten gemeinsam lernen. Deshalb ist es richtig, dass es in Brandenburg das Modell „Kleine Grundschule“ gibt und wir auch einzügige Grundschulen zulassen. Wenn im dünn besiedelten Raum allein eine freie Schule die Daseinsvorsorge übernähme, würde dem Grundgesetz in ganz anderer Weise nicht entsprochen werden, der brandenburgischen Verfassung im Übrigen auch nicht.
Sie verweisen in Ihrer Begründung auf das anders tradierte System der Niederlande. Ja, ich gebe zu, auch die Linke denkt ab und zu darüber nach, weil freie Schulen oft auch Gemeinschaftsschulen sind. Aber Bildung muss bei allen Denkmodellen eine öffentliche Aufgabe und vor allem keine Ware sein. Insofern sind uns Systeme wie in Finnland, wo der Anteil freier Schulen bei 0,2 % liegt, schon näher. Wie wir wissen, kann auch das sehr effizient und vielfältig sein.
Ihr Antrag ist aus unserer Sicht auch nicht hinsichtlich einer Überweisung zustimmungsfähig. Soweit wir wissen, trägt ihn nicht einmal Ihr Koalitionspartner auf Bundesebene mit. Die CDU hat ihm nicht zugestimmt, und das ist auch gut so. Im Übrigen sollte man das Grundgesetz ohnehin nicht so schnell anfassen, zumindest nicht, um Bewährtes zu verwerfen.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender der größten hier vertretenen Partei! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir waren schon ein bisschen erstaunt über diesen Antrag aus der Mottenkiste der FDP, mehrfach vorgetragen und zuletzt gescheitert im Deut
schen Bundestag im letzten Jahr. Nun der Versuch in Brandenburg: Freien Trägern soll der Zugang zu den Grundschulen erleichtert werden.
Wir wissen: Schulen in freier Trägerschaft sind ein wichtiges Element der Bürgergesellschaft, ein Stück gelebte Demokratie. Christliche, weltanschauliche, Waldorf-, Montessori- und andere freie Schulen haben in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, die Bildungslandschaft zu bereichern, oftmals ganz konkret unterstützt von Bündnisgrünen vor Ort. Sie haben neue Konzepte und Methoden ausprobiert. Viele dieser neuen Ansätze wurden für so gut befunden, dass sie längst Eingang in Pädagogik und Lehrpläne der staatlichen Schulen gefunden haben. Darüber hinaus spielen freie Schulen in Brandenburg zunehmend eine Rolle in ländlichen Regionen, wo sich der Staat mit seinen Schulen zurückgezogen hat.
Aber ich sage Ihnen: Auch wir möchten die Schwelle für die Genehmigung von Grundschulen höher ansetzen als bei der Genehmigung von Sekundarschulen. Unsere gemeinsame Grundschule hat einen hohen sozialen Wert. Die Grundschule ist ein Erfolgsmodell, erst recht die sechsjährige, die wir hier in Brandenburg haben.
Gerade im Grundschulbereich ist die Zusammenfassung der Kinder aller Bevölkerungsschichten von hohem Interesse, die Umsetzung des Grundsatzes „Eine Schule für alle“ - also gesellschaftliche Integration, möglichst wenig Aussonderung nach Einkommen und sozialem Status. „Gemeinsam Lernen!“ das ist unsere Devise und soll es auch bleiben. Gerade im Grundschulbereich finden vorbildhafte pädagogische Innovationen in den staatlichen Schulen statt. Ich nenne hier exemplarisch das Modell FLEX mit jahrgangsübergreifendem Unterricht.
Wer aber den Antrag der FDP genau liest - ich muss ehrlich sagen, dass sich mir dies auch erst nach dem zweiten Lesen erschlossen hat -, wird deutlich sehen: Da gibt es noch eine weitere Intention. Es gibt nämlich neben der angeprangerten Ungleichbehandlung von Grund- und Sekundarschulen im Grundgesetz noch eine weitere Ungleichbehandlung, nämlich bei der Genehmigung privater Grundschulen die zwischen Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen einerseits und anderen Trägern andererseits. Sogenannte Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen erhalten ohne Weiteres eine Genehmigung, während andere freie Träger besondere pädagogische Konzepte vorweisen müssen, über deren Zulassung die Behörden dann entscheiden. Das ist eine Bevorzugung der Kirchen, die auch aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß ist, wenn sie auch jahrhundertealte, historische Wurzeln hat.
Wir diskutieren mit Ihnen über diesen Antrag gern im Bildungsausschuss. Wenn wir in Brandenburg schon darüber nachdenken, das Grundgesetz im Bildungsbereich zu ändern, sollten wir es jedoch an einer anderen Stelle tun. Dann sollten wir das Kooperationsverbot abschaffen, das im Rahmen der Föderalismusreform 2006 von der CDU durchgesetzt wurde, was mittlerweile sogar Annette Schavan bereut. Damit wäre den Schulen im Land besser geholfen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion fordert von der Landesregierung nichts Geringeres, als eine Grundgesetzänderung zu versuchen. Das passiert ja auch nicht jeden Tag in diesem Haus. Es geht um die Erleichterung der Einrichtung von privaten Grundschulen. Mit genau demselben Anliegen - Thomas Günther hat schon darauf hingewiesen - ist die Bundes-FDP im Bundestag im letzten Jahr gescheitert. Ich nehme an, dem Antrag ist in diesem Haus Gleiches beschieden. Das hat man den Reden meiner Vorredner entnehmen können.
Meine Damen und Herren von der FDP! Sie wissen ja: Selbst wenn wir Ihrem Wunsch nach einer Bundesratsinitiative folgten, würde dieses Vorhaben in Deutschland keine Mehrheit finden, und ich meine, völlig zu Recht. Das Bundesverfassungsgericht - auch darauf hat Herr Günther hingewiesen - hat sich zuletzt im Jahr 1992 mit Artikel 7 Abs. 5 des Grundgesetzes befasst. Ich will einige Sätze aus diesem Urteil zitieren:
„Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Privatschulen ein einseitiges Bild von der Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegeln und den Schülern vermitteln, wenn sie nur von Kindern der Anhänger bestimmter pädagogischer, weltanschaulicher oder auch religiöser Anschauungen besucht werden. Bleiben gesellschaftliche Gruppen einander fremd, kann dies zu sozialen Reibungen führen, die zu vermeiden legitimes Ziel auch staatlicher Schulpolitik ist.“
Unsere öffentlichen Schulen, meine Damen und Herren, sind nicht nur Lehranstalten, sondern auch Lebensorte für die Kinder und Jugendlichen, die sie besuchen. Gerade in unseren Grundschulen leben und lernen Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlicher Weltanschauung, unterschiedlicher intellektueller Fähigkeiten und unterschiedlicher ethnischkultureller Herkunft miteinander.
Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Toleranz und die Fähigkeit, friedlich miteinander umzugehen, nur in der Begegnung, im täglichen Miteinander wachsen. Die öffentliche Grundschule für alle ist eine Einrichtung, die dafür die besten Voraussetzungen bietet, und das soll auch in Zukunft so bleiben.
In der Praxis haben wir in den vergangenen Jahren einen steten Anstieg der Zahl der Schulen in freier Trägerschaft zu verzeichnen, in Brandenburg gerade bei den Grundschulen; Frau Große hat das mit einigen Zahlen belegt. Ich persönlich kann nicht erkennen, dass die angesprochene Grundgesetznorm die Gründung auch nur einer privaten Grundschule behindert hätte, wenn es für deren Errichtung gute Gründe gab. Insofern habe ich - ich komme zum Fazit - den Eindruck, dass der vorliegende Antrag nicht nur ein aussichtsloses Vorhaben betreibt, sondern er versucht überdies, ein Problem zu lösen, das es offensichtlich gar nicht gibt. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Wenn ich hier nur Anträge stellte, bei denen ich davon ausgehe, dass sie von den Regierungsfraktionen nicht abgebügelt werden, brauchte ich eigentlich keine Anträge mehr zu stellen.
Mir ist durchaus bewusst, dass es Anträge gibt, die nun einmal überstimmt werden. Nichtsdestotrotz können wir sie stellen und darüber reden.
Eines haben wir heute zumindest noch einmal deutlich gehört: Sozialdemokraten und Linkspartei stehen für Gleichmacherei und Einheitsbeschulung. Wir stehen für Wettbewerb und individuelle Förderung, und wir glauben, das ist der bessere Weg.
Frau Große, wenn Sie hier allen Ernstes behaupten, wir würden versuchen, das staatliche und das Privatschulsystem gegeneinander auszuspielen, indem wir sagen, dass das eine besser und das andere schlechter sei, so weise ich darauf hin: Ich habe vorhin explizit gesagt, dass es nicht darum geht, staatliche und private Schulen gegeneinander auszuspielen. Es gibt sehr gute staatliche Schulen, und es gibt sehr gute Schulen in freier Trägerschaft. Genauso gibt es schlechte staatliche und schlechte Schulen in freier Trägerschaft.