Protokoll der Sitzung vom 23.01.2014

Die Fraktion DIE LINKE beantragt, Frau Margitta Mächtig in das Präsidium zu wählen, nachdem sie als Fraktionsvorsitzende bestätigt wurde. Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Ich lasse also über den Antrag in der Drucksache 5/8395 abstimmen. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? Das ist beides nicht der Fall. Damit ist Frau Margitta Mächtig gewählt. Ich würde ihr gern gratulieren, sehe sie aber nicht. Ich wünsche ihr trotzdem viel Erfolg bei der Arbeit im Präsidium.

(Beifall DIE LINKE)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und entlasse Sie bis 13 Uhr in die Mittagspause.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.07 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.01 Uhr)

(Glocke des Präsidenten)

Wenn Sie dieses schöne Geräusch hören - das ist nicht die Glocke auf dem Schulhof, die anzeigt, dass die Pause zu Ende ist -, wissen Sie: Das ist der Ordnungsruf. - Ein sehr dezentes Geräusch. Das Signal bedeutet: Bitte lassen Sie den Redner reden und schwatzen Sie nicht so laut. - Das sage ich, um einmal die Spielregeln zu erklären. Es ist natürlich schwierig, wenn man die Glocke in dem lauten Geschwatze selbst kaum hört.

Nun ist unsere Auftaktrednerin da, sodass wir beginnen können. Ich begrüße Sie alle zum Nachmittagsteil unserer Sitzung.

Begrüßen Sie auch herzlich unsere Gäste, Schülerinnen und Schüler aus dem Pückler-Gymnasium in Cottbus. Ein herzliches Willkommen bei uns im Landtag!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Kindertagesstättenanpassungsgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/8369

1. Lesung

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Münch, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich muss mich entschuldigen, wenn ich eine Minute zu spät bin, aber mir fehlen einfach die Uhren als externe Zeitgeber, Herr Präsident.

Nein, wir hatten einen Tagesordnungspunkt vorgezogen.

Brandenburg gehört im Kita-Bereich seit Jahren bundesweit zur Spitzengruppe, was die Versorgung mit Kindertagesstättenplätzen betrifft. Knapp 95 % aller Kinder zwischen 3 und 6 Jahren besuchen eine Kindertageseinrichtung; bei den Zweijährigen sind es schon mehr als 80 % und bei den Einjährigen fast 70 %. Dafür stellt das Land den Kommunen dieses Jahr mehr als 220 Millionen Euro zur Verfügung. Mit der Verbesserung des Personalschlüssels zu Beginn dieser Legislatur, im Jahr 2010 haben wir einen großen Schritt getan, um die Qualität in den Einrichtungen weiter zu verstärken. Die Erzieherinnen und Erzieher haben seitdem mehr Zeit dafür, jedes Kind individuell zu fördern, und wir verbessern damit die Chancen der Kinder auf einen guten Start ins Leben.

Die Kosten für diese Verbesserung der Personalausstattung trägt allein das Land. Dafür wiesen wir den Landkreisen und kreisfreien Städten im Jahr 2013 mehr als 38 Millionen Euro zusätzlich zu. Nach der Klage der kreisfreien Städte Potsdam, Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder) setzt das Anpassungsgesetz das Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 30. April 2013 um. Zur Erinnerung: Die Städte hatten gegen die Höhe der Zuwendung und gegen die Aufteilung der Mittel zwischen den Landkreisen und den kreisfreien Städten geklagt. Das Landesverfassungsgericht hat in seinem Urteil entschieden, dass jede Kommune einen Anspruch auf Erstattung der tatsächlichen Kosten hat, die ihr aufgrund der Verbesserung des Personalschlüssels entstehen. Das Verfassungsgericht hat die bisherige Praxis der Pauschalierung, die wir in dieser Form zum Ausgleich der Mehrkosten praktizieren, kritisiert. Das Verfassungsgericht hat moniert, dass wir nicht in rechtlich hinreichender Weise die vor Ort tatsächlich anfallenden Mehrkosten berücksichtigt hätten.

Wir haben mit den neuen Regelungen den Landeszuschuss in den - zuvor bestehenden - Sockelbetrag und einen Konnexitätsausgleich aufgeteilt und entsprechen damit den Anforderungen des Verfassungsgerichts. Ich denke, es ist uns gelungen, den Konnexitätsausgleich so einfach wie möglich zu gestalten und trotzdem sicherzustellen, dass alle Jugendämter den Ausgleich für die Kosten erhalten, die ihnen durch die Personalschlüsselverbesserung entstehen. Zur Untersetzung der hierzu notwendigen Verfahren ist auch eine Änderung der Betriebskostenverordnung vorgesehen. Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf sichern wir den Jugendämtern die Finanzierung der unterschiedlichen Mehrkosten aus der Personalschlüsselverbesserung, indem die örtlichen Verhältnisse mit unterschiedlichen Personalkosten ebenso konkret berücksichtigt werden wie die unterschiedlichen Betreuungsgrade in den Kommunen. Das war der Klagegrund der kreisfreien Städte; sie haben gesagt: Es gibt hier unterschiedliche Inanspruchnahmen. Wir sind in den Städten stärker belastet als manche ländlichen Regionen.

Ich denke, mit dem Anpassungsgesetz, das wir Ihnen hier vorlegen, haben wir einen guten Kompromiss zwischen einer zeitaufwändigen Spitzabrechnung - denn das wäre die Alternative gewesen - und einer pauschalen Kostenerstattung - das ist die Methode, die wir derzeit ausüben - gefunden. Mit den neuen Finanzierungsregelungen wird das Verfahren zwar aufwändiger werden, aber es entspricht den Vorgaben des Gerichtes, und insofern bin ich auf die parlamentarischen Diskussionen, die sich hier anschließen werden, gespannt. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Hoffmann spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kindertagesstättenanpassungsgesetz ist ein sperriger Titel, aber es ist keine Lappalie, bei der es nur eine Anpassung braucht, wie man das manchmal so hört, sondern dahinter verbirgt sich einfach die Tatsache, dass die Landesregierung bei der Kita-Finanzierung den Gemeinden bewusst die Erstattung von Kosten vorenthalten hat. Besonders bedauerlich für die Gemeinden ist, dass das der Landesregierung erst aufgrund eines Urteils des Landesverfassungsgerichtes ins Stammbuch geschrieben worden ist. Dieses Urteil ist vor neun Monaten ergangen und lautet: Bis zum 1. Januar 2014 sollen die entsprechenden Regelungen geändert werden.

Wie wir alle merken, diskutieren wir heute in der 1. Lesung darüber - bis zum 1. Januar ist also erst einmal nichts passiert, sondern es gab hier gewisse Verzögerungen. Dass es aber überhaupt zu einem solchen Urteil kommen musste, ist mindestens genauso ärgerlich, weil wir damals in der Diskussion natürlich auch eine Anhörung mit Experten durchgeführt haben. Schon damals haben die Vertreter der Kommunen und Kreise darauf hingewiesen, dass die Finanzierungsrichtliniengrundlagen so nicht ausreichen werden, und sie haben bereits angekündigt, möglicherweise dagegen zu klagen. Aber das haben wir mittlerweile auch gelernt: Unter Rot-Rot werden solche Anhörungen immer wieder zu einer Farce degradiert,

(Domres [DIE LINKE]: Na, na!)

weil wir dort regelmäßig massive Kritik an irgendwelchen Vorhaben hören, aber regelmäßig nichts passiert.

(Beifall CDU)

Wenn Sie ohnehin nicht gewillt sind, Anregungen, Kritik, Hinweise, Forderungen und Vorschläge aus solchen Anhörungen aufzunehmen, meine Damen und Herren, dann können wir uns und den Eingeladenen diese Zeit tatsächlich ersparen. Wir brauchen sie gar nicht erst einzuladen, wenn dann sowieso nichts passiert.

Ich sage an dieser Stelle: Natürlich sind die Finanzierungsbestimmungen im Kita-Bereich keine einfache Materie - das gestehe ich der Landesregierung durchaus zu -, aber gerade deshalb hätte ich erwartet - auch angesichts einer solchen zeitlichen Verzögerung, wie wir sie jetzt haben; die Regelungen lagen eben nicht zum 1. Januar 2014 vor, sondern wir haben erst danach anfangen, überhaupt darüber zu diskutieren -, dass man wenigstens eine annehmbare Lösung vorschlägt - so, wie es das Urteil des Verfassungsgerichtes gesagt hat.

Nun müssen wir schauen: Was hat es denn gesagt? Es hat gesagt, dass das Heranziehen der Durchschnittssätze ohne eine fundierte Prognose über die durch die Aufgabenübertragung bei den Kommunen verursachten Mehrkosten nicht verfassungskonform sei, sondern man müsse die örtlichen Verhältnisse berücksichtigen. Die Richter haben also gesagt, dass für die Berechnung einer bedarfsgerechten Finanzierung die tatsächlichen Kosten berücksichtigt werden müssten.

Dass die Gemeinden in der Lage sind, die tatsächlichen Kosten für die Kindertagesstätten nachzuweisen, hat die Klage der kreisfreien Städte gezeigt, denn auch dort haben sie eine Kostenermittlung vorgenommen, dem Gericht vorgelegt, und das hat auf dieser Grundlage sein Urteil gefällt. Das heißt, es wäre für die Landesregierung durchaus möglich gewesen, diesen Weg zu gehen - man hätte diese Kosten einfach nur abfragen müssen. Das hat man aber nicht getan.

Spätestens mit der Vorlage und Verabschiedung des Nachtragshaushaltes war klar, dass die Landesregierung auch gar nicht gewillt ist, hier tatsächlich bedarfsorientiert vorzugehen, sondern man hat von vornherein gesagt: Wir werden nicht mehr Geld ausgeben, sondern wir werden das, was wir jetzt machen müssen, einfach durch eine Umstrukturierung im System hinbekommen.

Bei dem, was die Landesregierung heute dem Landtag vorlegt, werden sich die Gemeinden bzw. die Kommunen gewiss die Augen reiben; denn die Landesregierung hält trotz des Urteils des Landesverfassungsgerichts daran fest, die Kita-Finanzierung weiterhin über eine Pauschalierung ohne echte Bedarfsermittlung zu regeln. Das entspricht nicht dem Urteil des Landesverfassungsgerichts. Aber es ist eben hier nicht anders als bei den Anhörungen: Sie machen es immer so, wie Sie es für richtig halten, ohne auf die anderen Rücksicht zu nehmen.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Büttner [FDP])

Deshalb beruht auch der vorgelegte Entwurf auf der glorreichen Idee, die Ermittlungspflicht auf die Landkreise und Kommunen abzuwälzen, obwohl diese oftmals nicht Träger der Kitas sind. Damit erhoffen Sie sich, die Sache möglichst schnell

vom Tisch zu haben. Sie sind jedenfalls nicht daran interessiert, das Problem zu lösen und Ihrer verfassungsrechtlichen Verantwortung nachzukommen.

Deshalb kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien, dass es hier wenn es nicht maßgebliche Änderungen gibt - zu einer sogenannten Wiedervorlage kommt, weil Sie fahrlässig gehandelt haben und die Gemeinden bei einer Neugestaltung der Berechnungsgrundlage wieder außen vor lassen.

(Zuruf der Abgeordneten Muhß [SPD])

Ich glaube, wenn Sie hieran nichts ändern, riskieren Sie eine erneute Klage. Ich prophezeie Ihnen an der Stelle, dass es dann wieder so läuft, wie es immer läuft: Wenn sich das Ministerium für Bildung einem Rechtsstreit gegenübersieht, ist man zunächst sehr optimistisch und überzeugt, dass man es richtig einschätze. Nach dem Urteil ist man dann sehr kleinlaut, zerknirscht und räumt ein, dass man es nicht richtig eingeschätzt hat, weshalb man mühsam nachbessern muss.

Ich glaube, es kann nicht der Weg sein, dass wir hier regelmäßig sehenden Auges Situationen herbeiführen, die vor Gericht keinen Bestand haben. Insofern freue ich mich auf die Beratung in den Ausschüssen und hoffe, dass diesmal die Anregungen, die wir von den Menschen aus der Praxis bekommen, tatsächlich irgendwo berücksichtigt werden. - Vielen Dank.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Büttner [FDP])

Die Abgeordnete Lieske setzt die Debatte für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Gordon Hoffmann, wir stehen heute hier wegen des letzten Kita-Gesetzes - mit den Möglichkeiten der Personalverbesserung, die wir als Regierungskoalition für die Legislaturperiode gesehen haben -, das mit Wirkung zum 01.10.2010 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz wirkt nun schon vier Jahre.

Diesbezüglich gingen die vier kreisfreien Städte - dies wurde in der Runde schon mehrfach betont - und nicht die 14 Landkreise rechtmäßig vor das Verfassungsgericht, haben dort angerufen, ihre Rechte beansprucht und diese auch durchgesetzt.

Eine solche Urteilsverkündung ist durchaus eine Veranstaltung, die man sich auch als Abgeordneter einmal gönnen kann. Ich war persönlich anwesend und fand es sehr interessant, wie dezidiert unser Verfassungsrichter dort alles vorgestellt und die Gründe für das Urteil vorgetragen hat. Er hat gesagt - natürlich im Namen des gesamten Gerichts, das die Entscheidung gemeinsam getroffen hat -: Das, was an Finanzvolumen zur Verfügung steht, um die Verbesserung des Personalschlüssels zu tätigen, ist ausreichend. Die Art, wie wir es verteilt haben Pauschalen, unbesehen nach tatsächlich entstandenen Kosten -, gilt es zu beanstanden. Dafür ist ein neuer Schlüssel zu finden.

Der Schlüssel wird mit dem Gesetzentwurf entsprechend vorgelegt. Das Urteil wurde - um das in Erinnerung zu rufen - am

30. April 2013 verkündet, und spätestens zum 01.01.2014 sollte eine Neuregelung wirksam werden. Insofern haben die Kommunen - auch wenn wir erst jetzt in die Beratung einsteigen den Rechtsanspruch, bereits ab 01.01.2014 den finanziellen Ausgleich aufgrund der neuen Gesetzessituation zu bekommen.

(Senftleben [CDU]: Aber das Geld haben sie nicht!)

- Sie bekommen das Geld auch entsprechend zur Verfügung gestellt.