Protokoll der Sitzung vom 26.02.2014

Drucksache 5/8480

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Günther von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sich die Zeiten doch ändern: In der ersten Pressemitteilung der frisch wieder in den Landtag gewählten FDP lautete es noch: Schulämter abschaffen! - Herr Büttner wird sich noch erinnern. Vor fünf Jahren schrieb die CDU Brandenburg - damals noch eine Regierungspartei - folgenden Satz in ihr Wahlprogramm:

„Die Aufgaben und Strukturen der staatlichen Schulämter sind … grundsätzlich zu überprüfen, um die … Serviceleistungen für die Schulen zu verbessern.“

(Beifall SPD - Büttner [FDP]: Was wollt Ihr denn verbes- sern?)

Genau das ist passiert, und der Evaluationsbericht, den es damals gab, feiert übrigens bald seinen vierten Geburtstag. In der Zwischenzeit gab es aber nicht nur diesen Bericht, sondern auch unzählige Gespräche, Workshops und Verhandlungen. Aber es gibt nun seit einigen Monaten - Gott sei Dank! - auch ein Ergebnis. Dieses Ergebnis - ich habe nachgeschaut - haben die Grünen jüngst in einer Pressemitteilung als „überstürzt“ bezeichnet. Diese Aussage ist angesichts einer vierjährigen Entwicklung doch sehr wagemutig. So bringen Sie das Land nicht voran, wie es in Ihrem Wahlprogramm vorwärts gehen soll.

(Senftleben [CDU]: Sie haben nicht verstanden, was die Grünen damit gemeint haben!)

Meine Damen und Herren! Es hat sich in Brandenburg einiges getan. Es hat auch nicht nur diesen Bericht und die Workshops gegeben, es hat auch eine Vereinbarung mit den Bildungsgewerkschaften gegeben, und darüber bin ich sehr froh. Die Vereinbarung stellt fest:

„… dass eine Reform der staatlichen Schulaufsicht erforderlich ist, um den zukünftigen pädagogischen, demografischen und fiskalischen Herausforderungen an die Bildungslandschaft Brandenburgs gerecht zu werden.“

Es hat lange gedauert, zu dieser Vereinbarung zu kommen, aber ich bin froh, dass es dazu gekommen ist. Das heißt für mich, dass die Personalvertretungen sich den Veränderungen stellen und konstruktiv an Lösungen mitarbeiten. Das heißt auch, dass die allermeisten Beschäftigten - natürlich - nie begeistert über Veränderungen sind, sich aber gegenüber diesen Veränderungen - der Veränderung ihrer Aufgaben und möglicherweise auch ihres Arbeitsortes - offen gezeigt haben. Das ist eine Notwendigkeit, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes von vielen Menschen in unserem Land jeden Tag wahrgenommen wird.

Dass man innerhalb der Schulaufsicht Arbeit auch anders aufteilen kann, hat in der Anhörung das Land Sachsen-Anhalt gezeigt. Es ist nämlich machbar, dass mit dieser Neuverteilung von Aufgaben und der Nutzung moderner technischer Möglichkeiten die Schulrätinnen und Schulräte sogar mehr Zeit für die Betreuung der Schulen vor Ort haben, und genau das wird in anderen Bereichen der Verwaltung auch als Antwort auf die demografische Entwicklung gesucht und ausprobiert. Nicht Bürger sollen durchs Land reisen, sondern Verwaltung.

Die Arbeit der Schulämter ist eine gute und wichtige Serviceleistung für die Schulen, besonders im schulrechtlichen Bereich. Aber damit stehen die Schulämter bei Weitem nicht alleine da. Wir haben, wie ich finde, kurioserweise in der gleichen Ausschusssitzung, in der wir die Anhörung zum Schulbehördenreformgesetz gemacht haben, auch über das Beratungs- und Unterstützungssystem für die Schulen und die regelmäßige Schulevaluation geredet. Auch das sind zwei ganz wichtige Institutionen, um die Schulqualität zu sichern.

Schlussendlich soll also eine einheitliche Landesschulbehörde gegründet werden. Die bisher eigenständigen Schulämter sollen durch vier Regionalstellen, die die Präsenz im Land sichern sollen, ersetzt werden. Dadurch wird es insgesamt weniger Leitungsstellen geben, und ich finde, das ist - wenn man im Schulbereich schon sparen muss - genau die richtige Stelle. Ich spare lieber dort als bei Lehrerinnen und Lehrern.

(Bretz [CDU]: Wir sprachen nicht vom Schulbereich!)

Meine Damen und Herren! Die Schulaufsicht selbst muss sich den Herausforderungen der Zukunft stellen, und ich bin der Meinung, mit diesem Schulbehördenreformgesetz tut sie das auch. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Hoffmann spricht zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Günther, es ist natürlich Ihre Aufgabe - auch als Teil der regierungstragenden Fraktionen -, dieses Gesetzesvorhaben irgendwie zu verteidigen, aber jetzt einmal ganz im Ernst: Außer der Ministerin - und selbst da bin ich mir nicht ganz sicher - glaubt doch niemand, der etwas mit der Sache zu tun hat, dass mit der Verabschiedung dieses Gesetzes irgendetwas für die Bildungslandschaft in Brandenburg besser werde.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Das ist doch nicht Ihr Ernst!

Daher ist es eigentlich umso trauriger, dass Sie heute schon wieder ein willfähriges Instrument der Regierung sind, um dieses unnütze, voreilige und vor allen Dingen auch schlecht gemachte Vorhaben hier abzunicken. Ich sage Ihnen eines: Sie zerschlagen mit dieser Reform Porzellan. Das wird sich nachhaltig negativ auf die Bildungsqualität in Brandenburg auswirken, denn von dieser Reform werden weder die Schulen noch die Schulämter profitieren. Stattdessen, glaube ich, wird das genaue Gegenteil der Fall sein.

Wir wissen, dass wir in diesem Jahr 1 000 neue Lehrer einstellen müssen, dass 1 000 Lehrer fehlen und nachbesetzt werden müssen. Das ist eine Riesenaufgabe: Es ist erstens wahnsinnig schwierig, die überhaupt zu finden; es ist aber nachher auch eine Menge Verwaltungsaufwand, diese Einstellungen tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Das müssen die Leute machen, die in den Schulämtern arbeiten. Wenn sie denen zusätzlich zu dieser Aufgabe, die so groß ist wie nie zuvor, jetzt auch noch so eine grundlegend vermurkste Strukturreform überhelfen, bin ich nicht sicher, ob das tatsächlich dazu beiträgt, dass wir den Bedarf an Lehrkräften decken können. Selbst wenn es gelingen sollte, die zu gewinnen, die zu haben - wer soll denn die Verteilung übernehmen, wenn die staatlichen Schulämter durch Umstrukturierung blockiert sind? Wer stellt dann sicher, dass die überhaupt da ankommen, wo sie in den Schulen gebraucht werden? Ich glaube, da sind Sie einfach ein bisschen zu voreilig und gutgläubig. Das wird sich am Ende rächen, und die Leidtragenden sind Lehrer, Schüler und Eltern.

Ich sage Ihnen auch: Da wird es nicht reichen, wieder eine Werbekampagne anzuzetteln. Ich frage mich manchmal: Womit wollen Sie denn überhaupt werben? Sie brauchen doch auch ein Produkt, für das Sie werben können, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das haben Sie nicht. Da brauchen Sie auch kein Geld für eine Kampagne auszugeben.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Wissen Sie, diese Reform der staatlichen Schulämter kommt nicht nur zur Unzeit, sie ist auch noch total unpraktikabel. Das Bedauerliche ist eigentlich, dass Sie hier auf einen bundespolitischen Zug aufgesprungen sind, den andere Länder auf die Gleise gesetzt haben. Dann haben Sie sich als blinder Passagier auf dem Klo versteckt und deswegen nicht mitgekriegt, dass die meisten längst ausgestiegen sind. Das ist das Problem.

(Heiterkeit und Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Andere Bundesländer, die diesen Weg zur Zentralisierung gegangen sind, sind längst auf dem Rückmarsch und haben bereits beschlossen, dass es abgeschafft werden soll: BadenWürttemberg und genauso Hessen.

Herr Günther, jetzt sage ich noch etwas: Sie haben vorhin aus unserem Wahlprogramm zitiert und gesagt, wir forderten eine kritische Überprüfung. Genau das steht da drin. Genau das wurde gemacht, und das haben wir auch begrüßt. Aber dass ausgerechnet Sie diesen Evaluationsbericht hier ansprechen und das auch noch abfeiern wollen, ist ja wohl ein Treppenwitz! Dieser Evaluationsbericht lag doch erst einmal acht Monate im Ministerium, ohne dass er uns zugeleitet wurde. Sie selbst haben sich darüber aufgeregt, dass wir ihn nicht gekriegt haben. Das zeugt einfach davon, dass hier nicht mit offenen Karten gespielt wird. Das zeigt auch, dass man hier einfach mit einer unglaublichen Ignoranz gegenüber den Sachargumenten und den Rechten der Abgeordneten vorgeht.

Kommen wir einmal zu dem Bericht: Es liegt also ein Evaluationsbericht vor, und der benennt tatsächlich eine ganze Menge Probleme, wobei man sagen muss, dass diese Probleme eigentlich hausgemacht sind, nämlich in diesem Haus gemacht sind im MBJS. Das war nicht das Verschulden der Schulämter, sondern das war Führungsschwäche im MBJS, und das hätte man auch genau so korrigieren können. Dann gibt es in diesem Bericht Handlungsoptionen, Empfehlungen, was man tun könnte, um es besser zu machen. Und dann legen Sie ein Gesetz vor, in dem sich alles wiederfindet, nur nicht ein einziger Punkt aus diesen Handlungsempfehlungen.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Das ist genau das Problem: dass Sie die Kritik der Fachleute genauso wie in der Anhörung komplett ignorieren!

Sie ignorieren nicht nur die Kritik, Sie ignorieren selbst die eigenen Erfahrungen, die man gemacht hat. Wir haben ja schon einmal eine Schulämterreform gemacht und von 18 auf 6 zentralisiert. Dabei gab es genau die gleichen Zielstellungen wie jetzt: Es sollte effizienter, billiger und besser werden. Nichts davon haben wir erreicht! Es wurde teurer, weniger effizient, und es wurde schlechter. Ich sage Ihnen: Genau das Gleiche werden wir mit dieser Reform erreichen. Wir schlagen die gleiche Richtung ein, und wir werden die gleiche Bruchlandung hinlegen. Die Verantwortung, Herr Günther, tragen Sie mit

Ihrer Koalition. Sie müssen das nachher den Menschen erklären. Wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen, und ich hoffe, dass Sie es auch nicht machen. - Danke schön.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Wir setzen mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Frau Abgeordnete Große spricht.

Herr Präsident! Herr Kollege Hoffmann, die Hoffnung stirbt zuletzt - die Hoffnung, dass wir nicht zustimmen werden.

Ich habe natürlich tiefes Verständnis dafür, dass in Zeiten eines Übermaßes an Diskontinuität eine ganz tiefe Sehnsucht nach Ruhe da ist.

(Zuruf des Abgeordneten Hoffmann [CDU])

Ich kann mich in meinen 24 Jahren Politikerinnendasein nach der Wende auch wirklich nicht daran erinnern, dass es irgendeine Reform gegeben hätte, die zunächst positiv gesehen worden oder erwünscht gewesen wäre. Ich halte es also für durchaus normal, dass jede Reform - noch dazu eine, die durchaus auf haushalterische Parameter zielt - letztendlich einen gewissen Aufregungsgrad hat. Das ist einfach so. Und weil das so ist, lieber Gordon Hoffman und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wird sich jede Regierung genau überlegen, sehr genau überlegen, ob und wie sie eine solche Reform angeht.

Auch wir haben uns zum Beispiel diese Fragen gestellt: Brauchen wir diese Reform? Brauchen wir sie jetzt, brauchen wir sie so? Vor allem: Wird sie die Qualität in Schulen verbessern? Na klar haben wir uns diese Fragen gestellt.

(Hoffmann [CDU]: Wie habt ihr sie euch beantwortet?)

Diese Frage wird durch die Akteure, die sich in diesem Bereich tummeln, natürlich sehr unterschiedlich beantwortet.

Gordon Hoffmann, bezogen auf die Lehrerinnen und Lehrer, die in unser Land kommen wollen - nicht in ausreichendem Maße usw. -: Die kommen doch nicht wegen irgendeiner Struktur von Schulämtern hierher. Das wissen Sie auch. Die kommen doch wegen ganz anderer Dinge zu uns, wenn sie denn hoffentlich kommen.

Aber ich sage trotzdem noch einmal etwas: Wir haben uns zu Beginn dieser Legislaturperiode - mit Klara Geywitz, die heute nicht da ist - mit den Schulräten zusammengesetzt. Das war noch vor diesem EVA-Teil. Die Schulräte selbst haben auch Reformierungsbedarf im Zuge auch der Schulaufsicht gesehen, weil sie ihrer Aufgabe einer zunehmend besseren Beratungsfunktion aufgrund dessen, dass ihre Kernkompetenz im Bereich des Einstellungsbedarfs sie derart beansprucht hat, gar nicht nachkommen konnten. Insofern gab es Reformbedarf auch vonseiten der Schulräte, die ja in das Ganze einbezogen waren.

Nun komme ich noch einmal zu den Akteuren: Die Lehrkräfte sehen das ganz unterschiedlich. Und ich sage Ihnen: Die Lehrkräfte in Oranienburg sind sehr froh, dass sie jetzt nicht mehr nach Perleberg ins Schulamt fahren müssen.

(Zuruf von der CDU: Könnte das am Nahverkehr liegen?)

Und ich sage Ihnen auch, dass die Eltern - siehe diese Elternbriefe vom Elternkreis, Elternrat Eberswalde; das nehme ich sehr ernst - natürlich auf Bewährtes setzen. Natürlich hat das Schulamt Eberwalde im Bereich der Mitwirkungsgremien Eltern/Schüler eine sehr gute Arbeit geleistet. Ich bin davon überzeugt, dass sie die auch weiter in dieser neuen Struktur leisten werden, denn es bleiben doch dieselben Menschen, die als Schulrat dafür zuständig sind.

Ich sage auch: Die Schüler sehen das natürlich ganz entspannt. Die sollten wir bei dieser ganzen Angelegenheit auch im Blick behalten.

(Zuruf: Was ist mit den anderen Fragen?)

Wir haben uns die Frage gestellt - das ist die zweite -, ob diese Reform zum richtigen Zeitpunkt kommt. Und, Gordon Hoffmann, da bin ich ganz bei Ihnen: Ja, es ist ein Problem. Wir haben zur gleichen Zeit die Inklusion auf den Weg gebracht, wir haben zur gleichen Zeit den riesigen Einstellungskorridor im nächsten Schuljahr und in darauffolgenden Jahren mit etwa 700 oder 800 einzustellenden Lehrkräften. Ich sehe hier auch mit Sorge, dass das innerhalb einer Strukturveränderung gewährleistet werden muss.

(Wichmann [CDU]: Aha!)