Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

Das sehen wir, mit Verlaub, nicht so. Wir als CDU sehen Reformbedarf, vor allem deshalb, weil die demografische Entwicklung zuschlägt und die finanziellen Ressourcen knapper werden. Ich sage aber auch deutlich: Diese Verwaltungsreform darf kein Selbstzweck sein,

(Frau Melior [SPD]: Eben!)

auch wenn es mir manchmal so vorkommt. Es geht um gleichwertige Lebensverhältnisse in unseren Regionen. Wir sind ein Land der Regionen und wollen den Zusammenhalt dieses Landes weiter voranbringen. Es geht um die Tradition und um die Identität der Menschen in diesem Land. Deshalb haben wir immer gesagt: Am Anfang einer Reform muss eine Funktionalreform stehen.

(Beifall CDU und FDP)

Zudem haben wir gesagt: Die gewachsene regionale Identität muss eine Rolle spielen.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Am Ende muss die kommunale Selbstverwaltung gestärkt werden. Das Prinzip der Freiwilligkeit steht vor dem Fusionszwang.

(Beifall CDU und FDP)

Deshalb sollen Zusammenschlüsse in der Regel freiwillig erfolgen und nur dann unter Zwang, wenn nach einer Kostenanalyse wirklich klar ist, dass eine bessere Qualität in der Verwaltung entsteht - wirklich nur dann - und dass Kosten gespart werden. Davon bin ich in den meisten Fällen nicht überzeugt.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ja, wir bekennen uns zu einer gemeindlichen Funktionalreform, auch zum Gemeindemodell, so wie es in der Enquetekommission steht. Aber wir haben uns entschieden dagegen ausgesprochen, hier eine Mindesteinwohnerzahl von 10 000 festzulegen. Wir sind bei 5 000 - das hat sich unserer Meinung nach bewährt, auch durch die Schönbohm’sche Reform, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU - Lachen und Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Schauen Sie sich das einfach einmal an. Wenn wir sagen: 5 000 Einwohner bis zum Jahr 2030, dann hätten schon heute 14 Ämter Reformbedarf. Ich sage: 2030 wären es bereits 26. Aber wenn Sie 10 000 Einwohner als Kennzahl nähmen, dann wäre es weit über das Doppelte und wir hätten riesige Verwaltungseinheiten. Das wollen Sie doch bestimmt nicht, meine Damen und Herren. Dies ist ehrenamtlich nicht mehr zu schaffen.

(Starker Beifall CDU)

Nur ein Beispiel: Bei unserem 5 000er-Modell würden in der Prignitz Groß Pankow und Gumtow fusionieren. Dann wären dort im Jahr 2030 5 500 Einwohner bei einer Fläche von immerhin 460 km2. Nimmt man aber Ihr 10 000er-Modell als Grundlage, müsste die Stadt Karstädt noch zusätzlich fusionieren. Wir hätten dann im Jahr 2030 10 500 Einwohner und immerhin 712 km2. Das wäre schon fast der gesamte Landkreis. Das wollen Sie doch nicht im Ernst, meine Damen und Herren?

(Starker Beifall CDU)

Deswegen stehen wir zu dem Reformbedarf in diesem Land, aber mit Augenmaß. Verwaltungsreform darf kein Selbstzweck sein. Die Regionalidentitäten müssen gewahrt bleiben, wir stehen für ein Land der Regionen. Das haben wir am Anfang der Legislaturperiode gesagt, das haben wir in der Mitte der Legislaturperiode gesagt, und das sagen wir heute wieder.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Und das werden wir in Zukunft erneut sagen. - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Ludwig spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist wirklich ein wunderbares Thema, das heute für die Aktuelle Stunde gewählt wurde. Es gibt mir vor der Kommunalwahl hervorragend Gelegenheit zu zeigen, wie sich die Linke-Fraktion im Landtag Brandenburg seit Beginn der Legislaturperiode für die Stärkung unserer Kommunen eingesetzt hat.

Interessant war eben aber auch, zu erfahren, dass nach 10 Jahren Schönbohm‘scher Reform die CDU nunmehr das Prinzip der Freiwilligkeit entdeckt hat

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Bravo!)

und hier vehement verteidigt. Ich als ehemaliger Bürgermeister einer Stadt, die ein ganzes Kragenamt gegen den erklärten Willen der dortigen Einwohner eingemeinden durfte, kann Ihnen sagen, dass die Einwohnerinnen und Einwohner das vor 10 Jahren anders wahrgenommen und auch beim Verfassungsgericht Rechtsschutz gesucht haben. Aber es freut mich ja, wenn wir heute gemeinsam einen anderen Weg gehen wollen.

Trotz mancher Problemlage, die auch FDP-Vorgänger in der Landesregierung zu verantworten haben, konnten wir gerade für die Kommunen in den bisherigen viereinhalb Jahren viel tun und manches geraderücken. Manches ist heute schon selbstverständlich und gerät vereinzelt in Vergessenheit.

Ich denke als Erstes an das Finanzausgleichsgesetz. Es ist eine große Erleichterung für die Kommunen, vom sogenannten Vorwegabzug wegzukommen. Darum haben wir uns gemeinsam in

der Koalition entschieden, ihn stufenweise abzuschaffen. In den nächsten Jahren wird dies in jährlichen Schritten von 10 Millionen Euro fortgeführt, sodass er ab 2016 auf null gestellt ist. Sehr geehrte Damen und Herren, 50 Millionen Euro mehr in der kommunalen Schlüsselmasse, das ist kein Pappenstiel.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Uns ist ebenso wichtig, einen Finanzausgleich in der kommunalen Familie zu haben. Das gibt es nicht überall. Wer viel mehr Einnahmen als andere hat und dies nicht vor allem durch eigenes herausragendes Handeln erreicht, kann gut abgeben. Davon profitieren Kommunen, die nicht in der Lage sind, Einnahmen in Größenordnungen zu erzielen. Das verstehe ich auch unter starken Kommunen. Diesen Weg wollen wir weitergehen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

10 Millionen Euro im Jahr 2014 und 20 Millionen Euro im Jahr 2015 werden über das Finanzausgleichsgesetz in einem weiteren Soziallastenausgleich unter den Landkreisen und kreisfreien Städten bedarfsorientiert verteilt. Das gab es bislang auch nicht. Hinzu kommt: Die positive Entwicklung bei den eigenen Steuereinnahmen der Kommunen führt in Brandenburg nicht zu einer Verringerung der Finanzzuweisung. Per saldo haben wir heute im Finanzausgleichsgesetz mehr zur Verteilung an die Kommunen. Schauen wir nach Thüringen, sehen wir, dass es dort genau andersherum gemacht wird: Thüringen orientiert sich an einem Mindestansatz für den Finanzausgleich und zieht den Kommunen bei eigener verbesserter Steuerkraft Geld ab. Brandenburg bleibt verlässlicher Partner seiner Kommunen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Noch nie wurden Kommunen von Landesseite so unterstützt. Gerade dies ist aber der richtige Weg.

(Lachen bei der CDU)

Das belegt auch, liebe Kollegen von der CDU, eine Untersuchung des Bundesministeriums der Finanzen. Kein Bundesland - das ist im Internet alles abrufbar - überweist an seine Kommunen so hohe Mittel wie Brandenburg.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das gehörte und gehört zu den Schwerpunkten der Arbeit der Koalition, die wir in Brandenburg haben.

Ich will als Zweites hervorheben, dass das Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Tätigkeit bei den Kommunen sehr gut angekommen ist und wir dadurch kommunale Selbstverwaltung gefördert haben. Hier sind Rahmenbedingungen verbessert worden, um kommunale Potenziale besser zu nutzen. Die kommunalen Entscheider können nun selbst die Dinge in die Hand nehmen oder private Dritte beauftragen. Wir haben Gleichberechtigung hergestellt. Sehr geehrter Herr Goetz von der FDP, das ist eben der Zug der Zeit: dass man entscheiden kann, ob man private Dritte herbeizieht oder ob man nur die beauftragen kann. Das ist der Zug der Zeit, und das hat diese Koalition ins Gesetz geschrieben.

(Beifall DIE LINKE)

Daseinsvorsorge überall im Land zu gewährleisten - und dies in sicherer kommunaler Hand - ist für uns ein wichtiges Gut. Der neoliberale Zug mit Privatisierung kommunaler Leistungen ist längst abgefahren. Der Trend geht in Richtung Rekommunalisierung, und das ist auch gut so.

(Beifall DIE LINKE)

Diese Koalition hat zur Verstetigung dieses Trends durch gesetzliche Veränderung der Kommunalverfassung die Rahmenbedingungen verbessert, und das geschah gegen den Willen der FDP, wenn ich es richtig im Protokoll gelesen habe.

Gestern haben wir uns, um einen dritten Punkt zu nennen, mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit befasst. Das ist Zukunftssicherung für die Brandenburger Kommunen und schafft Voraussetzungen für die nachhaltige Entwicklung auf kommunaler Ebene überall im Land - im berlinnahen Raum und in den berlinfernen Räumen. In dieser Hinsicht Kommunen weitsichtig und nachhaltig zu gestalten bedeutet reale Stärkung der Kommunen. Damit setzen wir ein weiteres Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Diese Koalition arbeitet. Während andere die neue MMM-Bewegung der Neuzeit betreiben - also dieses „Man müsste mal“ formulieren -, bringen wir das Land weiter voran.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

In den Kommunen selbst wird viel geleistet, um große Aufgaben zu lösen. Hier arbeiten nicht nur unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister und die Landrätinnen und Landräte mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Leben in den Kommunen und vor allem das in starken Kommunen - ist durch ehrenamtliche Arbeit geprägt. Ohne das Ehrenamt wäre ein starkes Gemeinwesen nicht denkbar. Deshalb gilt unser Dank vor allem den Tausenden ehrenamtlichen Mandatsträgerinnen und -trägern, die in den Gemeinden, Städten und Landkreisen arbeiten. Hier wird Arbeit geleistet, die sehr von Heimatverbundenheit, Bodenständigkeit und dem Willen, etwas für das Gemeinwesen zu tun, getragen ist. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir wissen aber auch, dass die jetzt zu Ende gehende Wahlperiode sehr lang war und so manchem vieles abverlangt hat. Zugleich gilt Dank den vielen Ehrenamtlichen in Vereinen und Verbänden, beim Sport, in der Kultur und im sozialen Bereich. Es gibt meines Erachtens noch zu wenig Gelegenheit, dieses Ehrenamt angemessen zu würdigen. Wir sollten überlegen, ob der jetzt angebotene Ehrenamtspass ausreichend ausgestaltet ist, da wir künftig in verstärktem Maße auf die Ehrenamtler angewiesen sein werden. Wir wollen das Ehrenamt - auch das ist eine Feststellung aus der Enquetekommission, die wir gemeinsam getroffen haben.

Wenn sich so hauptamtliche und ehrenamtliche Arbeit vor Ort finden, kann man vieles erreichen, auch Preiswürdiges. So hat Wiesenburg/Mark mit Bürgermeisterin Barbara Klembt an der Spitze mehrere - auch europäische - Preise errungen.

Lychen mit Bürgermeister Sven Klemckow wurde als familienund kinderfreundliche Gemeinde geehrt. Eisenhüttenstadt hat nach 23 Jahren - nun mit Bürgermeisterin Dagmar Püschel

den Einwohnerverlust aufgehalten. Nicht zuletzt hat der Kreistag Teltow-Fläming - mit der landesweit einzigen Landrätin, Kornelia Wehlan - einstimmig ein Haushaltssicherungskonzept und den Kreishaushalt beschlossen und sich damit wieder zukunftsfähig gemacht.