Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir vom Thema des Handwerks direkt zum Handwerk der Kultur kommen können, und bedanke mich ausdrücklich für die weitreichende Antwort zur „kulturellen“ Großen Anfrage 31.
Verehrte Damen und Herren, vor zwei Jahrzehnten stand auch das Bundesland Brandenburg vor der Herausforderung der Umwandlung des zentral gesteuerten Kulturbetriebs in die föderale Struktur von Ländern und Kommunen. Ohne den festen Willen von Abgeordneten und des Parlaments als Souverän jeder Regierung erreicht man auch in der Kultur wenig. Mit ihrer Hilfe ist ein Land auch kulturell stark. Ich finde, dass es gelungen ist, den Anteil der Kulturausgaben in Brandenburg beständig zu gewährleisten.
Dabei war uns natürlich immer bewusst: Öffentliche Ausgaben müssen sich rechtfertigen, Kulturausgaben auch. Bis zu 1 % des Gesamthaushalts in Brandenburg wurde jährlich - und auch mit einer gewissen Kontinuität in einem Haushaltsjahr - praktisch von einer Allparteienkoalition in Brandenburg investiert. Auch die Kooperation zwischen dem Bund und dem Land Brandenburg ist im Kulturbereich, gemessen an den getätigten Investitionen, eine große Bereicherung.
Gemessen an den Ausgangsbedingungen von 1990 ist der kulturelle und kulturpolitische Umgestaltungsprozess weitestgehend gelungen. In diesen zwei Jahrzehnten ist der Erfolg in den Bereichen des Städtebaus sichtbar geworden. Viele Baudenkmale konnten erhalten werden. Zahlreiche Investitionen erfolgten in das Kulturleben, in Theater, Musik und Kunst. So war es eine gesamtgesellschaftliche Leistung von Land, Bund, Kommunen, Stiftungen, Verbänden, Vereinen und privaten Initiativen, die viel dazu beigetragen haben, die kulturelle Substanz in Brandenburg zu bewahren und zu sichern, aber auch zu initiieren bzw. vieles neu zu schaffen.
Von der Gründung des Landes Brandenburg bis zum Jahr 2012 wurden Investitionen in die kulturelle Infrastruktur von etwa einer Milliarde Euro getätigt, davon waren Landesgelder 550 Millionen, Bundesgelder 215 Millionen und EU-Gelder 276 Millionen. Das sollte man nicht geringschätzen. Stolze Zahlen also, die aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es natürlich Probleme gibt, die auch offensichtlich bleiben, zum Beispiel die Verteidigung der Kultur als öffentliches Gut im fiskalischen Verteilungskampf.
Kultur ist ein Standortfaktor und als solcher längst herauf- und herunterdiskutiert. Die Attraktivität von Städten und Regionen stützt sich immer stärker auf ihre Kunst- und Kulturszene, nicht nur für Touristen, sondern vor allem für die Menschen, die dort leben und arbeiten.
Rechnet man die öffentlichen, privatrechtlichen und gemeinnützigen Aktivitäten zusammen, erzielt der Kultursektor in Deutschland pro Jahr eine stolze Wertschöpfung von geschätzt weit mehr als 30 Milliarden Euro. Dennoch darf man nicht unterschätzen, dass auch bei schrumpfenden öffentlichen Kassen ein nahezu trotziger kultureller Aufbruch neue Wege der
Kultur hervorbringt. So erleben wir nicht selten, dass es in schwierigen Wirtschaftssituationen einer Region durchaus zu einem Bedeutungszuwachs der Kultur kommt und damit nicht nur die Frage im Raum steht, wie viel Kultur sich eine Gesellschaft leisten kann und will, sondern welche Funktion gerade Kultur in einer sich verändernden Gesellschaft einnimmt.
Ohne kulturelle Beiträge, ohne die Sprache der Kunst, der Farbe und der Musik sind politische Zukunftsaufgaben schwerer zu bewältigen - ob es die wechselseitige Beziehung zwischen Kunst und Wirtschaft ist, die Notwendigkeit der kulturellen Gestaltung schrumpfender Städte, die Bewahrung von Traditionen und Identität oder die Zukunft der Jugend in einer alternden Gesellschaft. Das sind nicht zuletzt kulturelle Fragen, Fragen von zumindest erheblicher kulturpolitischer Brisanz.
Nicht nur in den berlinnahen Räumen, sondern auch in der Peripherie, dort, wo der Staat keine Hochkultur inszenieren kann, traf ich an vielen Orten Künstler und Kulturschaffende. Das Besondere an ihnen sind nicht nur die außergewöhnlich schlechten Rahmenbedingungen, sondern das bewusste Engagement, mit Mitteln der Kunst Problemen, beispielsweise der Abwanderung, etwas entgegenzusetzen.
Im Gegenzug zu den gut ausfinanzierten Kulturprojekten, die sich an Touristen und am Image orientieren und auf erprobte Konzepte und Formate zurückgreifen können, nehmen diese Künstler bewusst Bezug auf den konkreten Ort und die Region, in der man Kultur macht. Ich denke dabei zum Beispiel an den Atelierhof Werenzhain, an das Opernfestival des Vereins „FestLand e. V.“ in der Prignitz oder auch an das Senftenberger Theater. Diese Künstler wollen nicht in erster Linie sich selbst verwirklichen, sondern mit den ihnen gegebenen kulturellen und künstlerischen Instrumentarien vor Ort etwas positiv verändern. Entscheidend ist, dass sie nicht einfach nur Kunst machen, sondern durch die Einbeziehung der Bevölkerung, durch Impulse und Angebote verlorengegangene Räume für Miteinander, für Kommunikation erzeugen.
Welches sind die zukünftigen kulturpolitischen Herausforderungen? Ich stelle diese Frage auch mit dem Blick darauf, dass viele jener Akteure mit einem schmalen Budget auskommen müssen und aus der Perspektive betrachtet werden, Kultur sei etwas Freiwilliges, Entbehrliches, etwas, worauf Gesellschaft aus finanzpolitischer Sicht verzichten könne. Auch wenn ich hier im Saal ein Wohlwollen wahrnehme, ändert dies nichts daran, dass unser Handeln und unsere parlamentarischen Entscheidungen erstens nicht immer wohlwollend und zweitens nicht immer handlungsweisend waren. Ich kann es daher den Regierungsfraktionen nicht ersparen: Das bestehende Musikschulgesetz bzw. dessen Novellierungsergebnis und die völlige haushalterische Neuausrichtung der Kunstschulen erachte ich nach wie vor als Fehlentscheidung.
Und weil ich es als so wichtig erachte, halte ich an der Erweiterung und Förderung des Musik- und Kunstschulnetzes unbedingt fest.
Gerade Frau Ministerin Kunst hätte unserem Vorschlag Folge leisten können, neben der „Klasse: Musik“ die „Klasse: Kunst“ in den Schulen zu initiieren, was ihr nicht nur aufgrund der Namensgleichheit viel Wertschätzung eingebracht hätte.
Gerade diese Entscheidung bestärkt mich darin, dass wir weniger institutionelle Debatten im Kulturbereich führen sollten. Zu schnell befinden wir uns in einem Diskurs pauschaler Heilserwartungen. Ist kulturelle Bildung tatsächlich auf Kunst- und Musikschulen als Heilsbringer beschränkt? Ist der Musik- und Kunstunterricht ausreichend, um Kinder und Jugendliche zu kreativem Handeln und Denken zu führen? Ist unsere Förderung von besonders Begabten und von Kindern mit Handicap ausreichend, damit sie die Welt als Bereicherung erfahren und in die Lage versetzt werden, Gesellschaft und menschliches Handeln kritisch zu hinterfragen, zu kommunizieren, sich zu artikulieren und kreativ etwas positiv zu verändern? Ist unsere kulturpolitische Ausrichtung in Brandenburg mehr als nur eine Evaluierung um unserer selbst willen, um kulturelles Handeln als Dienstleistung zu degradieren, oder finden wir Wege, die kulturellen Angebote in Brandenburg so zu unterstützen, dass die Kulturpolitik Kultur als zivilgesellschaftlichen Motor der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Bildung und der Innovationen versteht?
Umso befremdlicher erscheint mir die pseudokünstlerische Diskussion um das Brandenburger Wappentier. Worauf es heute wirklich ankommt, ist, über kulturpolitische Inhalte zu sprechen und Brandenburger Kulturpolitik nicht als Auseinandersetzung um Ansprüche zu betrachten. Wir wollen nicht, dass sich nur durchsetzt, was der Markt bestimmt, sondern wir wollen weitreichende kulturelle Teilhabe sowie kulturelle, generationenübergreifende Bildung und Vielfalt.
Dazu zählen neben den großen Projekten - wie die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, das Kloster Neuzelle oder unsere Hochschul- und Landesbibliothek - eben auch der hohe Sanierungsbedarf der Kirchen. Etwa 50 sind in Brandenburg bestandsgefährdet, und bei 200 besteht hoher Sanierungsbedarf. Aber darauf komme ich später, beim nächsten Antrag, noch zu sprechen.
Verehrte Damen und Herren! Nirgendwo, in keinem anderen Bereich der Gesellschaft, ist die Distanz zum Staat so groß und so demonstrativ und zugleich die Erwartung der Alimentierung durch den Staat so ausgeprägt wie in Kunst und Kultur. Das erscheint weder besonders originell, noch ist es moralisch verwerflich. Wir tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass Museen, Ausstellungen, Musikschulen, Kunstschulen, Bibliotheken, Archive, Orchester, Theater, Gedenkstätten und Kreativzentren auch in Zukunft Brücken zwischen Kulturen und Generationen bauen können. Wir dürfen nie vergessen, dass wir nur auf Zeit Hüter des kulturellen Erbes sind und es selbst angesichts von Sparzwängen nicht leichtfertig preisgeben dürfen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Heinrich. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Theiss hat das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin! Werte Abgeordnete! Beim wiederholten Lesen der von der CDU am 17.09.2013 gestellten Großen Anfrage zur Situation und Zukunft der Kultureinrichtungen und der kulturellen Infrastruktur in Brandenburg habe ich mich immer wieder gefragt: Ist an den Einbringern des Antrages die Veränderung in unserem schönen Brandenburg vorbeigegangen? Sind sie mit Scheuklappen durch das Land galoppiert? Liebe Anja Heinrich, du belehrtest mich gerade eines Besseren. Du hast die Antwort auf die Große Anfrage intensiv gelesen. An dieser Stelle ein Dankeschön an die Landesregierung für die 100-seitige Beantwortung der gestellten Fragen!
Meine Damen und Herren der CDU, ist Ihnen wirklich bewusst, welche grandiosen Leistungen im vergangenen Vierteljahrhundert - die Betonung liegt auf Vierteljahrhundert - auf dem Gebiet der Kultureinrichtungen und der kulturellen Infrastruktur erreicht wurden? Haben wir oder Sie vergessen, welch großer Schaden an vielen historischen Gebäuden durch den Zweiten Weltkrieg, aber auch durch Desinteresse am Wiederaufbau und einer entsprechenden Nutzung in der DDR entstanden war? Grau, kaputt - so haben wir das Jahr ‘89 erlebt. Ich habe es nicht vergessen, deshalb schaue ich mit Stolz auf das Erreichte und mit Optimismus auf die Aufgaben, die noch vor uns liegen. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, und die große Vielzahl von historischen und geschichtsträchtigen kulturellen Einrichtungen, die in altem Glanz und alter Schönheit wiedererstrahlen, eine Vielzahl von Projekten, die den Prozess begleitet haben und immer noch begleiten, sprechen für sich.
Wenn ich mich nur einmal in meiner Heimatregion umschaue, möchte ich nur einige wenige kulturelle Einrichtungen herauspicken und benennen. Da sind die fast zerfallenen mittelalterlichen Stadtkerne von Ruhland und Ortrand, die heute wieder in alter Schönheit erstrahlen. Da sind das märchenhafte Wasserschloss in Großkmehlen, das Kunstgussmuseum in Lauchhammer als technisches Denkmal, die Festung Senftenberg und das Schloss Doberlug-Kirchhain, in der die erste Brandenburgische Landesausstellung bald ihre Türen öffnet.
Nun könnte ich die Liste fortsetzen und damit ein abendfüllendes Programm darbieten - geschichtsträchtige Orte, die nach nur 25 Jahren in alter Pracht und Schönheit als kulturelle Einrichtungen für die Menschen in unserem Lande wieder offenstehen. Das ist eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Unstrittig ist, dass es noch eine Vielzahl zu retten und zu sanieren gibt. Aber alles auf einmal geht eben nicht.
Deshalb möchte ich mit dem Blick auf das Wasserglas betonen: Optimisten wissen, dass das Glas halb voll ist. Pessimisten glauben, dass das Glas halb leer ist. Als Realisten, die wir Sozialdemokraten alle sind, sage ich Ihnen, dass ein so volles Glas unter den vorgefundenen Bedingungen wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. - Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Theiss. - Wir setzen mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Lipsdorf erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegt eine Große Anfrage vor. Frau Heinrich, Sie haben eine wunderbare Rede gehalten - eine Antrittsrede als Kulturstaatssekretärin, wie man sagen könnte.
(Beifall FDP - Senftleben [CDU]: Was? - Bretz [CDU]: Das war mindestens eine Antrittsrede als Ministerin!)
Aber auf die einzelnen Fragen sind Sie hier nicht so richtig eingegangen. Ich möchte trotzdem auf die Antworten eingehen, die uns hier vorliegen.
Ich habe den Eindruck, alles dreht sich um die Frage 45 nach den Voraussetzungen für den Abriss eines Gebäudes. Darauf wird in dieser Antwort hingearbeitet. Da liegt wahrscheinlich auch das Problem einiger Leute.
Am 24.03.1914 ist das Preußische Ausgrabungsgesetz verabschiedet worden. Gestern fand eine Feierstunde dazu statt. Der Kulturausschuss war minimal vertreten - leider -, aber Frau Ministerin hat eine wunderbare Rede gehalten. Auf dieses Preußische Ausgrabungsgesetz gründet sich unser Denkmalschutzgesetz. Das war der Anfang in diesem Bereich.
Wenn in der Antwort auf die Große Anfrage davon gesprochen wird, dass in den 90er-Jahren große Kulturinvestitionsprogramme aufgelegt wurden, kann ich nur voller Stolz sagen: Ja, damals gab es auch einen FDP-Minister, der das initiiert hat.
Ich komme auf die Beantwortung der einzelnen Fragen zu sprechen. In der Antwort auf Frage 11 fehlt mir die Garnisonkirche, Frau Ministerin. Die fehlt dort. Wenn ich auf die Homepage des MWFK schaue, stelle ich fest, dass bereits 2009 2 Millionen Euro für diese Kirche gegeben werden sollten. Dieser Hinweis fehlt mir in dieser Antwort auf die Große Anfrage. Das sollte man noch einmal prüfen. Deswegen gibt es von uns die Kleine Anfrage dazu.
Wobei ich dazu sagen muss: Wiederaufbau ist finsterster Eklektizismus und Historismus. Das ist Legoland. Ich frage mich, ob wir das brauchen oder ob wir das Geld nicht lieber dafür nutzen sollten, die Kirchen, die sanierungsbedürftig sind, endlich zu sanieren.
Zum Förderbedarf - Fragen 23 und 24 - vor allem bei Denkmalen ohne konkreten Nutzungsbedarf: Genau das ist das Problem. Wir müssen Denkmale einer Nutzung zuführen, denn jedes Denkmal, das nicht genutzt wird, wird nicht saniert, ist eine Ruine und wird irgendwann abgerissen. So einfach ist das im Leben. Denn das Denkmalschutzgesetz steht in der Wertigkeit der Gesetze ganz weit unten. Gehen Sie einmal auf eine Baustelle, auf der Archäologen und Denkmalpfleger zugange sind. Sie kommen immer als Letzte dran. Denkmalpflege wird immer zuletzt bewertet.
Zur Antwort auf die Frage 31: Kultureinrichtungen unter Denkmalschutz. Ich hoffe doch, dass unsere Kultureinrichtungen
noch nicht so alt sind, dass sie unter Denkmalschutz stehen. Allerdings ist es in der Tat so, dass gerade unsere Kultureinrichtungen die Gebäude nutzen, die unter Denkmalschutz stehen, damit einen ganz wertvollen Beitrag leisten und diese Gebäude auch retten.
Zu den Fragen 42 bis 44, die die Abrissanträge betreffen. Wer stellt denn diese Abrissanträge, meine Damen und Herren? Das ist doch nicht das Landesamt, auch nicht das Ministerium. Das sind die unteren Denkmalschutzbehörden im Auftrage ihrer Abgeordneten vor Ort.
- Ja, ja, ja, doch! So ist das. Gehen Sie bitte einmal zu den Mitarbeitern der unteren Denkmalschutzbehörde, die schon in Rente sind. Die sagen ihnen nämlich ehrlich, wie oft sie vor ihren Bürgermeister oder Landrat zitiert wurden, damit sie eben genau diesen Antrag stellen.