Protokoll der Sitzung vom 02.04.2014

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2012 zu Bestandsdatenauskünften festgestellt, dass die bisherigen Regelungen, auch die bisherigen Handhabungen, grundrechtswidrig waren, also bundesweit gegen Regelungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verstoßen worden ist und diese Regelungen so nicht fortbestehen können, sondern weitergehender gesetzlicher Anpassung bedürfen.

Bestandsdatenauskünfte sind eben Grundrechtseingriffe. Bei uns sollen diese Grundrechtseingriffe jetzt legitimiert, die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden - aber eben nur bei Notwendigkeit und nur in dem dazu zwingend erforderlichen Maße. Dazu hat im Land Brandenburg - hier im Landtag - eine Anhörung verschiedener Experten stattgefunden. Diese haben ausdrücklich anerkannt - das erkennen wir als Oppositionsfraktion auch an -, dass das Land Brandenburg bei diesen Grundrechtseingriffen auf der Grundlage des Polizeigesetzes zurück

haltender als andere Bundesländer ist, dass hier also weniger in unsere Grundrechte eingegriffen wird und die persönlichen Freiheiten und Grundrechte in stärkerem Maße gewahrt werden als in den meisten anderen Bundesländern.

Trotzdem haben die Experten nicht festgestellt, dass man es nicht besser machen könnte, sondern es gab eine Reihe von Anregungen dazu, wie auch hier die Grundrechtseinschränkungen weiter minimiert werden können, um das wirklich absolut notwendige Minimum - mehr aber eben auch nicht - zuzulassen. Genau das ist selbstredend unsere Position.

Kritikpunkte gab es unter anderem zur Einführung des Doppeltürmodelles. Doppeltürmodell bedeutet, dass, wenn man in Grundrechte eingreifen, Bestandsdaten abrufen will, doppelte Voraussetzungen erfüllt sein müssen - erstens für die Erhebung und zweitens für die Übermittlung der Daten -, um dieses Verfahren überhaupt durchführen zu können. Da sind Verbesserungen möglich, das ist deutlich geworden.

Deutlich geworden ist auch, dass eine Evaluierung dieser Grundrechtseingriffe erforderlich ist. Das wird desto deutlicher, weil das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom Januar 2012 eine Frist - bis zum 30.06.2013 - gesetzt hatte, um diese gesetzlichen Änderungen herbeizuführen. Das heißt, mit dem 01.07.2013 hat man diese Bestandsdatenauskunftsmöglichkeiten nicht mehr.

Insofern, Herr Kollege Dr. Scharfenberg, ist es falsch, dass wir etwas Neues nicht einführen würden. Es ist neu. Wir hatten es seit dem 01.07.2013 nicht, es war vorher schon einmal da und konnte dann nicht mehr angewendet werden. Jetzt soll es wiedergebracht werden. Wir hatten also einen Zustand, inzwischen sieben, acht Monate, in denen wir ohne diese Bestandsdatenauskünfte ausgekommen sind. Und nun steht natürlich die Frage, welche Verluste unserer Polizei inzwischen entstanden sind, welche Daten nicht erhoben werden konnten, welche Verbrechen in Brandenburg geschehen sind, weil diese Daten nicht zur Verfügung standen. Genau das ist doch Beleg für die Notwendigkeit einer Evaluierung - weil der Aufschrei eben nicht gekommen und nicht deutlich geworden ist, dass unsere Polizei nicht mehr in der Lage gewesen wäre, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Insofern hat Kollege Lakenmacher Recht, dass man natürlich Polizeibeamte braucht, um Aufgaben zu erfüllen, und man an Strukturreformen auch festmachen kann, was insgesamt an Leistungen erbracht werden kann. Es sind eben nicht Bestandsdatenauskünfte und Grundrechtseingriffe, es sind am Ende Beamte, die ihre Aufgaben erfüllen, die dafür Handwerkszeug brauchen. Das Handwerkszeug hilft aber nicht, wenn kein Beamter mehr da ist; der Einwand ist insofern berechtigt. Genau das ist hier ein Thema: das Handwerkszeug so auszugestalten und so zu begrenzen, dass bei optimaler Ausstattung unserer Polizei nur in absolut notwendigem Maße in Grundrechte eingegriffen wird.

Es gab Kritik bezüglich des Gefahrenbegriffs - auch da geht es konkreter. Wir haben gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN diese Anregung in einem Änderungsantrag aufgenommen, um dem Rechnung zu tragen.

Wir kritisieren die Stellen, wo Unklarheiten bestehen, und haben begrenzt, wo nach unserer Auffassung Grundrechtseingrif

fe nicht nötig sind. Schließlich ist es unklar, wenn gesagt wird: Änderungsdaten oder Bestandsdaten dürfen bei gesetzlichen Anforderungen abgefordert werden, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist doch absolut schwammig, weshalb man an dieser Stelle sehr viel konkreter werden muss. Genau das haben wir getan.

Darüber hinaus wollen wir evaluieren. Insofern kann ich Sie nur herzlich bitten: Stimmen Sie unserem gemeinsamen Änderungsantrag zu. Wenn das Gesetz am Ende in der Fassung des Änderungsantrages zur Abstimmung kommt, sind wir selbstverständlich begeistert und stimmen dann auch dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung zu. Ansonsten tun wir das nicht. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP, B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Dr. Ludwig [CDU])

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Es spricht die Abgeordnete Nonnemacher.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Das Brandenburgische Polizeigesetz ist mittlerweile an Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit nicht mehr zu überbieten. Hier tummeln sich in den vielen Absätzen der §§ 33a, 33b und 33c die unterschiedlichsten Befugnisse zur Datenerhebung. Zudem wird dort fröhlich untereinander hin und her querverwiesen, dass es einem schwindlig wird. Da sieht kein Mensch mehr durch - ob das nun ein Abgeordneter, eine Abgeordnete oder die Polizei selbst ist -, was auch in der Anhörung deutlich wurde. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter wünschte sich sogar ausdrücklich eine klarere Regelung, damit die Polizistinnen und Polizisten auch wissen, was sie unter welchen Voraussetzungen dürfen. Die Landesdatenschutzbeauftragte regte eine eigenständige Novellierung des Polizeigesetzes an, um die Gefahrenbegriffe zu konkretisieren und auf diese Weise für mehr Transparenz zu sorgen. Klarheit und Anwenderfreundlichkeit sieht anders aus.

Dies ist der Landesregierung offensichtlich nicht so wichtig. Fügt sie doch in ihrem Gesetzentwurf einen § 33c zur Datenerhebung durch Bestandsdatenauskunft ein, der rundum Verwirrung stiftet. Der Zugriff auf PIN und PUK soll möglich sein, „wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen“. Was hat das zu bedeuten? - Die Anhörung konnte dabei leider nicht weiterhelfen. Keiner der Experten konnte erklären, wie das zu verstehen sei.

Auch die Koalitionsfraktionen konnten keine Abhilfe schaffen. Sie dokterten zwar an der Formulierung herum, aber leider klingt es nur konkreter, wo es doch hätte tatsächlich konkreter sein sollen. Wie Herr Dr. Scharfenberg schon sagte: Wir versuchten es. - Bei dem Versuch ist es aber auch geblieben.

Ich darf an dieser Stelle aus einer Bewertung, die wir zum Gesetzentwurf eingeholt haben, zitieren:

„Die Landesregierung hat bei der Formulierung der Ermächtigungsgrundlage ohne Weiteres eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts im Leitsatz 1 der genann

ten Entscheidung übernommen. Dies dürfte auf einem Fehlverständnis der Entscheidung beruhen. Denn das Bundesverfassungsgericht verlangt - wie im Übrigen für alle Ermächtigungsgrundlagen, mit denen in Grundrechte von Bürgern eingegriffen wird …, eine hinreichende Bestimmtheit der Eingangsvoraussetzungen. Der Leitsatz 1 fasst insofern die Argumente des Gerichts zusammen. Eine ‚Formulierungsvorlage‘ bietet er nicht; er umreißt vielmehr die Aufgabenstellung für den Landesgesetzgeber.“

So weit der Kommentar eines Experten.

Leider hat der Landesgesetzgeber diesen Auftrag nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Je unklarer die Voraussetzungen solch eines Eingriffes sind, desto schwerer wird die Überprüfung fallen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Da wir wollen, dass unsere Polizistinnen und Polizisten wissen, was sie dürfen und was nicht, haben wir uns an einige Formulierungen gewagt. Neben den Eingriffsvoraussetzungen - die Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben oder die Freiheit einer Person muss aussichtslos oder wesentlich erschwert sein sollte klar sein, auf wessen PIN und PUK zugegriffen werden darf. Nur auf die desjenigen, der für die Gefahr verantwortlich ist, oder auch auf die PIN und PUK eines Unbeteiligten? Wenn ja: Unter welchen Voraussetzungen? - Schließlich öffnen diese Zugangscodes die Türen zu allen Inhalten auf Handys und Smartphones, was uns alle treffen kann.

Nun ja, ich weiß, dass unsere Brandenburger SPD-Fraktion diesbezüglich nicht besonders kritisch ist und nur allzu gern abnickt, was ihr das Innenministerium vorsetzt.

(Frau Stark [SPD]: Das stimmt nicht so ganz!)

Schade, denn die Bestandsdatenauskunft gibt es überhaupt nur in sechs Bundesländern. Insbesondere die SPD in Berlin hat sich dagegen ausgesprochen - mit dem Ergebnis, dass es diese Form der Datenerhebung in Berlin gar nicht geben wird. So viel auch zur Unverzichtbarkeit, Herr Lakenmacher.

So viel kritisches Urteilsvermögen einer Regierungsfraktion würden wir uns natürlich auch von der hiesigen SPD wünschen. Vielleicht schneiden Sie sich eine kleine Scheibe von Ihren Berliner Kollegen ab.

(Beifall B90/GRÜNE sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Um die Gretchenfrage - wer darf was - möglichst eindeutig zu beantworten, legen wir gemeinsam mit den Kollegen der FDPFraktion erneut aktualisierte Änderungsanträge vor. Darin ist auch eine Evaluierungspflicht festgehalten. Es dürfte klar geworden sein, dass wir ohne diese Änderung den Gesetzentwurf ablehnen werden, und zwar guten Gewissens. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Das Wort erhält nun die Landesregierung. Herr Minister Holzschuher spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Grundzüge dieses Gesetzentwurfs fraktionsübergreifend auf Zustimmung stoßen. Das ist etwas sehr Positives; denn es zeigt, dass das, was mit diesem Gesetzentwurf als Anliegen verfolgt wird - das muss ich, glaube ich, nicht wiederholen, da meine Vorredner das schon im Einzelnen dargelegt haben -, eine absolut sinnvolle und zweckmäßige Maßnahme ist und somit die Änderung unbedingt erforderlich und geboten erscheint.

Aus der Anhörung darf ich Ihnen zwei Zitate nennen, die belegen, dass wir uns, glaube ich, sehr große Mühe damit gegeben haben, alle im Vorfeld geäußerten Bedenken bei diesem Gesetzentwurf zu berücksichtigen. So hat die Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht, Frau Hartge, ausgeführt, dass die Regelung, die vorgelegt wird, im Vergleich mit den bereits bestehenden Regelungen zahlreicher anderer Bundesländer die engste und beste Lösung sei, um den Bereich Bestandsdaten zu regeln.

Der Sachverständige Prof. Dr. Albrecht vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht fasst in derselben Anhörung zusammen:

„Der Brandenburger Entwurf enthält einen hohen Standard an Sicherheit der Daten und an materieller und formeller Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Er geht über die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts teilweise noch hinaus.“

Wenn man das zugrunde legt, dann verwundert es, glaube ich, nicht, wenn ich sage: Ich sehe darüber hinaus keinen wesentlichen Änderungsbedarf. Wenn sich die SPD-Fraktion und ihr Koalitionspartner mit dem Änderungsantrag auf einen relativ kleinen Teilbereich beschränken, dann liegt das nicht daran, dass wir nicht offen und nicht kritisch miteinander umgehen könnten, sondern daran, dass dieser Entwurf tatsächlich rund und geschlossen ist, sodass nicht viel Änderungsbedarf besteht.

Insofern wundert es Sie, glaube ich, auch nicht, wenn ich sage: Ich sehe aus verschiedenen Gründen keine Veranlassung, dem Änderungsantrag Ihrer Fraktion, Frau Nonnemacher, mit dem Sie sich dem der FDP-Fraktion angeschlossen haben, zu folgen. Da muss ich Sie enttäuschen. Ich kann leider nicht die Empfehlung geben, dies umzusetzen.

Wenn wir uns nun darauf verständigen, dass dieser Entwurf Gesetz wird, dann erleichtert er die Bestandsdatenabfrage in Fällen konkreter Gefahr, wenn es darum geht, vermisste Personen und Suizidgefährdete zu finden oder vielleicht auch im Vorfeld gefährlicher Straftaten wie angekündigter Amokläufe tätig zu werden.

Die Bestandsdatenabfrage ist nicht dazu da, Herr Lakenmacher, die Statistik der Polizei zu verbessern. Der Respekt gegenüber dem Parlament und die Einhaltung der Tagesordnung verbieten es, näher auf das einzugehen, was Sie sonst noch aufgeworfen haben.

Herr Lakenmacher, ich weiß nicht, warum Sie während der Fragestunde nicht anwesend waren und mir jetzt auch nicht zu

hören. Hätten Sie vorhin die Gelegenheit genutzt, angesichts der Frage von Frau Nonnemacher klärende Nachfragen zu stellen, hätten wir uns Ihren Exkurs erspart. Das scheint Sie alles schon nicht mehr zu interessieren. Daraus entnehme ich, dass das Thema auch für Sie erledigt ist. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Damit sind wir am Ende der Debatte angelangt, meine Damen und Herren. Es stehen die Abstimmungen an. Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab, der Ihnen in der Drucksache 5/8807 vorliegt. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag ohne Enthaltungen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Nun stimmen wir über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses ab, die Ihnen in der Drucksache 5/8772 vorliegt. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Wiederum ohne Enthaltungen mit deutlicher Mehrheit angenommen.

Wir schließen Tagesordnungspunkt 4 und ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erstes Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/8124

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 5/8773