Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

Vielen Dank. - Der Abgeordnete Vogel setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grund für das Versagen bei der Verwirklichung des größtenInfrastrukturvorhabens Ostdeutschlands ist kein Wirken anonymer Mächte. Das Flughafenprojekt BER wurde unter Federführung der Herren Wowereit, Platzeck und Prof. Schwarz mit vollem Karacho gegen die Wand gefahren, und uns Parlamentariern fällt es nun zu, auf Basis unvollständiger Informationen die negativen Auswirkungen zu begrenzen und die Aufräumarbeiten zu begleiten, denn fertigbauen können wir den Flughafen in der Tat nicht.

Die Einsetzung des Sonderausschusses - das wurde mehrfach angesprochen - hatte das Ziel, Informationen zu und Diskussionen über das Flughafenprojekt zu bündeln. Wer sich erinnert, weiß: Vor Einsetzung des Ausschusses erfolgte diese Information zumeist im Hauptausschuss des Landtags. Wer damals anwesend war, weiß, dass der Ministerpräsident Matthias Platzeck sowohl im Hauptausschuss als auch in den ersten Sitzungen des neuen Flughafenausschusses fast immer persönlich anwesend war und sich auch der - für ihn häufig unvorteilhaften - Diskussion stellte. Sein Vorteil dabei allerdings war, dass er so zeitgleich mit uns unmittelbar die jeweils neuesten, teils skurrilen Ideen des von ihm eingesetzten Flughafenretters Hartmut Mehdorn hörte und sich sofort in interpretatorische Rettungsversuche stürzen konnte, ohne erst Anfragen irritierter Medienvertreter abwarten zu müssen.

(Heiterkeit bei der Fraktion B90/GRÜNE)

Der Sonderausschuss konnte allerdings nicht alle an ihn gerichteten Erwartungen erfüllen. Meine damals bei der Einsetzung geäußerte Befürchtung, dass mit dem Ausschuss das Thema BER ganz schnell aus der Zuständigkeit des Ministerpräsidenten auf die Staatssekretärsebene in Gestalt von Herrn Bretschneider heruntergezoomt würde, hat sich leider bewahrheitet, und das wird heute von Frau Gregor-Ness auch noch verteidigt.

In den Sitzungen des Ausschusses wurde zudem deutlich, dass wichtige Informationen nur dann übermittelt wurden, wenn dies durch vorherige Veröffentlichungen der Presse schon zu entnehmen war oder nachhakende Fragen der Ausschussmitglieder auch nicht mehr zu umgehen waren. Die Beratungen des Ausschusses wurden darüber hinaus häufig auf Neben

schauplätze abgelenkt, weil die Sitzungen von der FBB immer wieder als Podium genutzt wurden, um die Öffentlichkeit rhetorisch mehr oder weniger gekonnt mit halbgaren Vorschlägen zu unterhalten.

Dennoch möchte ich den Sonderausschuss heute nicht mehr missen. Er hat in der Tat den Blickwinkel auf das Projekt BER erweitert. Viele Informationen haben hier erstmals das Licht der Öffentlichkeit erblickt, auch wenn es nur die Demonstration völliger Unkenntnis war - auch dies ist eine für die Beurteilung eines Projekts relevante Information.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschäftsführung der FBB wird in diesen Tagen erklärtermaßen im Aufsichtsrat ein Finanzkonzept vorlegen. Der Ausruf „Zeit wird’s!“ bleibt einem im Halse stecken, denn schon die letzten Jahre wäre allerhöchste Eisenbahn für einen nachvollziehbaren Kassensturz gewesen. Dass er bis heute ausgeblieben ist, dass die im Oktober ins Amt berufene Finanzverantwortliche Frau Fölster mehr als sieben Monate brauchte, um überhaupt einmal an erste Zahlen zu kommen, spricht Bände. Frau Gregor-Ness, man kann nur Akten einsehen, die tatsächlich existieren; ansonsten ist das Akteneinsichtsrecht völlig unerheblich.

Das größte Infrastrukturprojekt im Osten Deutschlands ist im Lauf dieser Legislaturperiode zum größten politischen Desaster in der Geschichte des Landes geworden. Wenn der Geschäftsführer Mehdorn auf der letzten Sonderausschusssitzung feststellt, dass von einem funktionierenden Controlling bis dato nicht die Rede sein kann, wirft dies auch ein schlechtes Licht auf unsere Landesregierung. Denn nicht nur, dass das interne Controllingsystem der FBB direkt versagte, auch dem angeblich von der FBB unabhängigen Bürgencontrolling einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für unsere Regierung wird damit ein Armutszeugnis ausgestellt.

Dabei hätte die Landesregierung längst vorgewarnt sein können, weil der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2011 genau hier Zweifel an der Qualität dieses Controllings ausgeführt hatte. Bis heute können wir nicht verzeichnen, dass eine fachlich versierte Beurteilung der Geschäfte der FBB stattfindet - Herr Genilke hat es ausgeführt -, dies schon deswegen nicht, weil der Landesregierung genauso wenig wie uns nachprüfbare Zahlen vorliegen.

Allerdings, Herr Rechenkünstler Ludwig, ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie man zu solchen Thesen kommt, der Flughafen werde nicht überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert.

(Heiterkeit B90/GRÜNE)

Ich möchte nur erwähnen: Die Kredite in Höhe von 2,4 Milliarden Euro, auf die Sie Bezug nehmen, sind vollständig von der öffentlichen Hand verbürgt. Dafür stehen wir gerade.

(Zurufe von der CDU)

Die 0,5 Milliarden Euro an Rückstellungen der FBB werden langsam, aber sicher von den Jahresverlusten aufgezehrt. Auch das ist bekannt. Diese Rückstellungen sind mittelbar auch Mittel der Länder Berlin und Brandenburg und des Bundes, weil wir darauf verzichtet haben, sie uns als Rendite vom Flughafen zurückerstatten zu lassen. Insofern geht es hier auch um

Mittel der öffentlichen Hand. Nein, die Landesregierung hat es laufen lassen und darf nun ein ums andere Mal das Scheckbuch öffnen. Die Deckung erfolgt durch den Steuerzahler.

Wenn der Ministerpräsident die Forderungen, die wir die ganze Zeit erhoben haben, jetzt selbst erhebt, ist das positiv. Für mich ist aber schon ein Warnzeichen angesagt.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir haben am Mittwoch erlebt, dass es die Regierungsmehrheit abgelehnt hat, den Haushaltsausschuss einzubeziehen, bevor neue Mittel freigegeben werden. Wenn wir jetzt allerdings der Zeitung entnehmen, es sei wegen eines halbjährigen Notifizierungsverfahrens nötig, schnell Entscheidungen darüber zu treffen, ob diese 1,1 Milliarden Euro freigegeben werden, heißt es wieder: Man nutzt die Zeit zwischen den Legislaturperioden. Der Landtag hat nichts zu löten. Der nächste Landtag darf dann die Mittel herausrücken -

(Beifall B90/GRÜNE)

- und ist daran gebunden, dass vorherige Absichtserklärungen des Ministerpräsidenten, denen man natürlich nicht widersprechen wird, am Ende gelten sollen.

2012 belief sich der Verlust der FBB übrigens auf eine dreistellige Millionensumme. Nichts spricht dafür, dass sich diese Summe in Zukunft verringern wird. Das Passagierwachstum, lieber Ministerpräsident, wird eben nicht durch angemessene Flughafengebühren der Airlines finanziert, sondern durch den Steuerzahler. Auch das ist vielleicht einmal zu berücksichtigen. Ein Grund dafür, dass der Flughafen Tegel derzeit solche Passagierzahlen hat, sind die Dumpingpreise.

(Beifall B90/GRÜNE)

Der BER wurde an der falschen Stelle geplant - ja. Der Standort des Flughafens wurde politisch bestimmt - ja. Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens wurde ignoriert und auf den Standort Schönefeld festgelegt. Das ist klar. Damit stehen wir besonderen Herausforderungen beim Lärmschutz gegenüber.

(Bischoff [SPD]: Die Grünen waren ja auch gar nicht be- teiligt!)

- Ich kann mich nicht entsinnen, dass Bündnis 90/Die Grünen während der Entscheidung für diesen Standort in diesem Landtag vertreten waren. Daher können wir das jetzt einfach einmal beerdigen.

(Zuruf von der SPD)

Ministerpräsident Stolpe hat sich durch Herrn Minister Wissmann von der CDU und den Regierenden Bürgermeister Diepgen von der CDU dahinbringen lassen, dem Standort Schönefeld zuzustimmen. Jetzt müssen wir damit leben und damit umgehen. Sie können ihn doch auch nicht wieder wegdiskutieren oder, Herr Bischoff, sind Sie jetzt der Auffassung, er soll überhaupt nicht erst in Betrieb genommen, sondern in Sperenberg neu errichtet werden?

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Dann stellen Sie sich hin und erklären Sie das für die SPD. Das ist bestimmt eine interessante Information für die Bürgerinitiativen draußen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Es ist aber nicht die Position, die vernünftigerweise von uns vertreten werden kann.

Das heißt: Wir müssen uns mit dem Fluglärm auseinandersetzen. Wir müssen uns mit einem Gesundheitsrisiko für viele Menschen auseinandersetzen. Man kann davon ausgehen, dass die Landesregierung das ernst nimmt und sich nicht nur auf halbgare Kompromisse einlässt oder, was viel schlimmer ist, öffentlich so redet und hinten herum etwas ganz anderes macht.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich möchte einen Kompromiss in Erinnerung rufen, der hier schon mehrfach eine Rolle gespielt hat: Brandenburg schlug vor, wenigstens zu prüfen, ob man nicht in der Zeit von 5 Uhr bis 6 Uhr freiwillig auf einen Flugbetrieb verzichten könne. Das war öffentlich angekündigt - und damit von vornherein wirkungslos. Es war doch klar, dass damit überhaupt nichts zu erzielen ist: Man bekommt eine Abfuhr, schlägt einen Kompromiss vor, der auch abgelehnt wird, kommt dann zurück und bedauert, nicht mehr erreicht zu haben. Das müsste einem doch wirklich peinlich sein!

(Beifall B90/GRÜNE - Lachen bei der SPD)

Erwartet denn irgendjemand außerhalb der Landesregierung ernsthaft, dass dieser als scheinheilig empfundene Versuch, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, im Lande tatsächlich ernst genommen wird?

Zur PlaKo: Ein von der Landesregierung mit beauftragter Rechtsanwalt stellte fest, dass es unzulässig sei, in § 19 Abs. 11 Landesentwicklungsplan ein erweitertes Nachtflugverbot zu verankern. Das hat die Regierung gleich eingesehen. Denn der anschließende Beschluss, in welchem sich die PlaKo die Position des Rechtsanwaltes zu eigen machte, fiel einstimmig aus. Danach ist man wieder zum Tagesgeschäft übergegangen.

Die Landesregierung hat alle Möglichkeiten genutzt, mit eigenen Rechtsanwälten alle alternativen Vorschläge der Bürgerinitiativen zu zerlegen und ihnen nicht nachzukommen. Damit hat sie das ganze Volksbegehren ad absurdum geführt.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich komme zum Schluss meiner Ausführungen. Die EU will aus wettbewerbsrechtlichen Gründen die Subventionierung von Flughäfen verbieten. Für uns Grüne müssen die Subventionen für Flughäfen und Airlines darüber hinausgehend angesichts der gesundheitlichen und ökologischen Schäden ein Ende finden. Flugtickets müssen einen Preis bekommen, der die gesellschaftlichen Folgekosten mit abbildet. Nicht der Steuerzahler muss für den Lärmschutz der Anrainer bezahlen, sondern Airlines und Flugpassagiere. Nicht so unsere Landesregierung, die immer neue Anläufe zur Abschaffung der Flugticketsteuer unternommen hat und jetzt wieder bei der EU für eine Aufstockung der Zuschüsse für den BER streiten wird.

Einem Land wie Brandenburg stünde es gut zu Gesicht, seine Steuergelder in Bildung und soziale Aufgaben zu investieren und nicht in einen überkandidelten Flughafen zu stecken. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall B90/GRÜNE)

Meine Damen und Herren, die Redeliste ist erschöpft. - Wir kommen zur Abstimmung über die drei Entschließungsanträge.

Als Erstes steht der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 5/9287 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen, aber merklicher Anzahl Gegenstimmen ist der Entschließungsantrag mehrheitlich angenommen.

Zweitens steht der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/9288, zur Abstimmung. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Drei Enthaltungen und eine merkliche Anzahl Ja-Stimmen, aber nicht ausreichend. Also ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Drittens steht der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/9270, zur Abstimmung. Wer diesem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist der Antrag mit ganz großer Mehrheit abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich schließe Tagesordnungspunkt 3. Wir wollen uns um 13:45 Uhr nach der Mittagspause wieder hier treffen. - Und jetzt die Fraktionsvorsitzenden zum Foto.

(Unterbrechung der Sitzung: 13.08 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.45 Uhr)