Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Deswegen haben wir diesen Entschließungsantrag formuliert, um zu sagen: Lassen Sie uns eine Informationskampagne vorschalten und dann auf der Grundlage des Votums gut infor

mierter Pflegekräfte eine Entscheidung treffen. Das hat nichts mit Verzögerungen zu tun; wir wollen es auch nicht auf die lange Bank schieben. Das Geld ist eingeplant für den Haushalt 2015/2016. Insofern ist hier eine Eingrenzung ohnehin schon vorgenommen.

Man muss einfach wissen: Eine Pflegekammer gibt es nicht zum Nulltarif. Sie finanziert sich aus den Pflichtbeiträgen der Mitglieder, und alle Pflegekräfte wären - übrigens die Pflegehilfskräfte nicht - Mitglied einer solchen Kammer, egal, ob sie es wollen oder nicht. Sie müssten daher auch zahlen, ohne zu wissen, ob am Ende das Ergebnis steht, welches sie sich wünschen, nämlich eine Besserstellung ihres Berufszweiges.

Die Pflegekammer ist entgegen mancher Auffassung kein Instrument zur Fachkräftesicherung. Es ist immer noch so, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass man Fachkräfte am besten durch sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen, durch bessere Bezahlung, durch Tarifverträge, familienfreundliche Arbeitszeiten und personelle Mindestbesetzung bzw. bessere Personalschlüssel sichert, und zwar sowohl in stationären wie auch ambulanten Einrichtungen. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Gewerkschaften zuständig. Sie handeln Arbeitsbedingungen und Tarifverträge aus, und das soll auch so bleiben.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernig [DIE LINKE])

Das ändert auch ein wenig die Debatte. Frau Nonnemacher und ich versuchen dadurch auch deutlich zu machen, dass wir ein wenig skeptisch sind und gewisse Bedenken haben, aber trotzdem auch offen sind für den Versuch, bezüglich der Pflegekammer etwas weiterzukommen. Wir glauben aber, dass manches, was in der Diskussion eine Rolle spielt, die Rechte und Möglichkeiten einer solchen Kammer übersteigt.

Wir betonen daher nochmals: Informationen sind an dieser Stelle wichtig. Frau Nonnemacher und ich haben zusammen erlebt, wie innerhalb einer Besuchergruppe plötzlich eine Diskussion losging, und das zeigte uns, dass der Informationsbedarf doch erheblich ist.

Kurzum: Wir richten uns keineswegs gegen eine solche Befragung und auch nicht gegen die Errichtung einer Pflegekammer. Wir wollen aber, dass gut informierte Pflegekräfte darüber selbstbestimmt entscheiden und wir nicht die gleichen Fehler machen wie andere Bundesländer in der Vergangenheit. Wir wollen diesen Prozess im Fachausschuss weiterhin sehr konstruktiv und zügig begleiten - das nur einmal als ganz klare Ansage und klares Bekenntnis zu Ihrer Fragestellung. Die Landesregierung hat mit der Einstellung von entsprechenden Mitteln in den Haushaltsplanentwurf Vorsorge getroffen. Insofern sind alle von Ihnen erhobenen Vorwürfe und Vorhaltungen, es sei doch nicht so ernst gemeint, unzutreffend. Denn wenn schon Geld eingestellt ist, dann zeigt das doch, dass es da tatsächlich Offenheit und den guten Willen gibt.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hoffe, damit manches ein wenig klargestellt zu haben, was in der Debatte bei uns eine Rolle gespielt hat und warum wir diesen Entschließungsantrag für wichtig und richtig halten. Daher bitten wir um Ihre Zustimmung. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der AfD spricht der Abgeordnete Königer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben die aktuelle Situation in der Pflege hinreichend beschrieben. Die Tatsachen und Prognosen bestehen bereits seit Jahren, inzwischen sogar seit Jahrzehnten. Als ob es nicht genügend Analysen der Pflegesituation und Vorschläge zur Problemlösung gäbe, hat sich die rot-rote Landesregierung die bekannten Tatsachen mit der Pflegestudie aus dem Jahr 2014 bestätigen lassen.

Es gibt in diesem Bereich jedoch kein Erkenntnis-, sondern eher ein Handlungsdefizit. Der vorliegende Antrag wird diesem Handlungsdefizit leider nicht gerecht, weil er lediglich einen weiteren Prüfauftrag vorsieht. Auch das, was geprüft werden soll, nämlich die Errichtung einer Pflegekammer, ist aus Sicht der Fraktion der AfD bereits hinreichend durchleuchtet und für nicht hilfreich befunden worden.

(Zuruf von der SPD: Sie haben keine Ahnung!)

Vielleicht hätten sich die Antragsteller einmal vorab mit dieser Berliner Studie zur Pflegekammer tiefergehend beschäftigen sollen, bevor man sich auf sie bezieht. Es sind nämlich nur 25 Seiten in 20-Punkt-Schrift, also nicht schwer zu lesen. Statt immer neuer Studien und Prüfungen brauchen wir konkrete Maßnahmen, um die stiefmütterliche Behandlung der Pflegeberufe in unserem Gesundheitssystem und dem System der Selbstverwaltung zu beenden. Wir müssen das Berufsbild aufwerten und die Leistungen dieser wichtigen Berufsgruppe anerkennen. Ich halte es für unfair, dass wir den Pflegekräften einen Großteil der Last des demografischen Wandels aufbürden, ihnen aber die gebührende Anerkennung verweigern.

(Beifall AfD)

Ein Zeichen der mangelnden Anerkennung sind solche Placebos in Form von Studien und Prüfaufträgen, die man statt inhaltsreichem Wirkstoff in Form von konkreten Verbesserungen der Situation verabreicht. Ich halte die Berliner Umfrage eher für einen Beleg der Nichtakzeptanz einer Pflegekammer. Sie zitierten richtig, Frau Nonnemacher: 58,8 % Zustimmung sind auch aus meiner Sicht kein berauschender Wert. Dass die Regierungskoalition die Bevölkerung mit 23 % Zustimmung auch ausreichend repräsentiert sieht, ist natürlich ein anderes Thema. Diese 58,8 % entsprachen konkret 703 Befragten, die einer Pflegekammer zustimmen. Von diesen 703 Personen äußerten aber 79 den Wunsch bzw. forderten, keine Beiträge für die Kammer zahlen zu müssen. Damit führen sie die Befürwortung einer Pflegekammer aber ad absurdum. Wenn man diese 79 Personen von der Summe der Befürworter abzieht, kommt man auf eine Zustimmungsrate von unter 50 %.

In der Tat müssen wir für eine Qualitäts- und Personalentwicklung in der Pflege sorgen. Wir haben bereits eine so unübersichtliche Struktur in der Pflege. Eine zusätzliche Institution wie eine Pflegekammer ist aus unserer Sicht dabei eher hinderlich. Ein Teil der Anerkennung ist der Preis, mit dem eine Leistung abgegolten wird. Dieser ist im Bereich der Pflege leider

unangemessen niedrig. Es kann nicht sein, dass unsere gesundheitspolitischen Verantwortungsträger in Sonntagsreden den Wert und die Wichtigkeit der Pflegekräfte beschwören, gleichzeitig aber akzeptieren, dass sie teilweise in prekären und unterbezahlten Beschäftigungsverhältnissen tätig sind.

Gleichzeitig müssen wir von dem Bild wegkommen, dass Pflegekräfte Hilfskräfte der Ärzteschaft seien. Egal ob im Krankenhaus oder in der Altenpflege: Pflegekräfte sind keine ärztlichen Assistenten, sondern üben neben dem Arzt eine eigenständige und gleichwertige Tätigkeit aus. Dies muss endlich auch im Bereich der gesundheitlichen Selbstverwaltung besser berücksichtigt werden. Eine eigenständige Pflegekammer ist dabei eher kontraproduktiv, da sie diese Stellung eher zementieren würde.

Wir sind uns einig darin, dass die Pflegekräfte Anerkennung und Wertschätzung benötigen. Was sie nicht brauchen, ist eine Zwangsmitgliedschaft in einer Pflegekammer mit Zwangsbeitrag, um den Wasserkopf dieser Kammer zu finanzieren.

(Beifall AfD)

Für eine Pflegehilfskraft in prekärer Beschäftigung können selbst 5 Euro Pflichtbeitrag schmerzlich sein. Dass Sie das nicht betrifft, wundert mich nicht. Sie haben ja, wie wir gestern erfahren haben, wahrscheinlich sogar Konten im Ausland, die auch noch Zinsen abwerfen, Herr Vogel. All das haben die Antragsteller leider nicht berücksichtigt, und deshalb müssen wir den vorliegenden Antrag ablehnen bzw. im zuständigen Ausschuss genauer behandeln. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort erhält die Landesregierung. Frau Ministerin Golze, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Pflegekammer ja oder nein - diese Frage wird seit mehreren Jahren diskutiert. So kontrovers, wie diese Debatte verläuft, so differenziert ist auch das Engagement der einzelnen Bundesländer bei dieser Frage. Während es Bundesländer gibt, die mit der Errichtung einer solchen Pflegekammer schon sehr weit sind, lehnen andere eine solche Struktur grundsätzlich ab.

Die brandenburgische Landesregierung hat das Thema aufgegriffen und im Haushaltsentwurf 2015/16 Mittel für eine Informationskampagne und eine Befragung zum Thema Pflegekammer eingestellt. Insofern, liebe Frau Nonnemacher, verstehe ich die Schärfe in Ihrer Rede nicht. Denn Sie wären die Erste, die mir gegen das Schienbein treten würde, wenn ich anfinge, eine Informationskampagne zu starten, ohne dafür die vom Landtag freigegebenen Mittel zu haben. Niemand spielt hier auf Zeit. Ich kann erst anfangen, wenn ich das Geld habe.

Frau Schier, Sie sagen, Sie könnten dem Entschließungsantrag zustimmen, weil darin von einem „breiten Konsens mit den Betroffenen“ die Rede ist. Sie haben ja selbst die Tour gemacht,

Sie haben gesagt, Sie seien in 40 Einrichtungen gewesen. Sagen Sie mir nicht, Sie hätten das in fünf Minuten geschafft.

Herr Königer meint, in dem Antrag stehe etwas von Prüfaufträgen und zu erstellenden Studien. Dazu kann ich nur sagen: Ich hätte Ihnen empfohlen, den Antrag einfach zu lesen. Das Wort „prüfen“ kommt nicht ein einziges Mal darin vor. Ich würde doch darum bitten, zum Kern der Sache zurückzukommen und unser Engagement zur Kenntnis zu nehmen.

Die Ergebnisse der Umfrage zur Pflegekammer in Berlin liegen inzwischen vor, und wir müssen daraus Schlüsse ziehen. Die Erfahrungen der Bundesländer, in denen solche Befragungen durchgeführt wurden, zeigen: Ohne eine breite Information vor der Befragung der Betroffenen geht es nicht. Wenn etwa in Niedersachsen 30 % der Befragten sagen, dass sie bei der Befragung das erste Mal überhaupt etwas von so einer Pflegekammer gehört haben und es selbst in Berlin trotz einer breit angelegten Informationskampagne noch 18,1 % der Betroffenen so erging, dann muss uns das zu denken geben und in unserem Handeln leiten.

(Beifall der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Die Errichtung einer Kammer hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Lebenssituation der Pflegenden. Deshalb hat auch die Konzeption einer solchen Informationskampagne eine zentrale Bedeutung. Wir haben es mit einer Berufsgruppe zu tun, die nirgendwo registriert ist und deren einzelne Fachkräfte nirgendwo zentral erfasst sind. Das macht es natürlich schwieriger, möglichst viele der Betroffenen zu erreichen. Zum einen leben wir in einem Flächenland, zum anderen haben wir innerhalb des Landes Brandenburg unterschiedliche Voraussetzungen und Arbeitsbedingungen: auf der einen Seite größere Städte und den berlinnahen Raum, auf der anderen Seite die Uckermark, die Prignitz oder Elbe-Elster mit völlig anderen Bedingungen. Diese regionale Vielfalt müssen wir auch in die Informationskampagne einbeziehen. Sie bietet eine gute Möglichkeit, mit den Betroffenen in die Diskussion zu treten und - das ist mir das Wichtigste - sie in diesem Prozess mitzunehmen.

Bisher war eine solche Diskussion innerhalb der Berufsgruppe in der brandenburgischen Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar. Das scheint sich jetzt zu ändern, und das ist gut so. Denn dies muss durch die Betroffenen aktiv mitgestaltet werden. Deshalb sind alle Pflegenden in Brandenburg eingeladen, sich in diese Debatte einzubringen, Befürworter wie Kritiker. Denn wir müssen die Kontroverse in dieser Phase austragen. Ich bin sicher, dass alle Beteiligten, so verschieden ihre Sicht auf die Bildung einer Pflegekammer auch ist, ein gemeinsames Ziel haben: eine gute Versorgung der Menschen in Brandenburg, die der Pflege bedürfen, sei es in Krankenhäusern und RehaEinrichtungen, sei es im häuslichen Umfeld oder in Alten- und Pflegeheimen.

Die Entscheidung über die Errichtung einer Pflegekammer darf deshalb nicht über die Köpfe der Pflegekräfte hinweg erfolgen. Eine Befragung ist deshalb auch ein probates Mittel, um ein Meinungsbild der Betroffenen einzuholen. Auch hier gilt es die Erfahrungen der anderen Bundesländer aufzunehmen und davon zu profitieren. Bei der Konzeption der Befragungen sind die Länder sehr unterschiedliche Wege gegangen. In den meisten Ländern wurden repräsentative Umfragen mit sehr umfangreichen, jeweils unterschiedlichen Fragen durchgeführt.

Jede dieser gewählten Vorgehensweisen bietet Vor-, aber auch Nachteile. Daher muss eine breite Diskussion unter Einbindung aller Akteure stattfinden, wie die Befragung durchgeführt werden soll. Denn auch das zeigen die bisherigen Erfahrungen: Sowohl die kritisierende als auch die befürwortende Seite interpretiert die Ergebnisse einer Befragung jeweils in ihrem Sinne. Umso mehr gilt: Eine Befragung muss sorgfältig konzipiert werden, und es müssen Pro- und Kontrastimmen im Vorfeld gehört werden.

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sicher, dass wir nicht das letzte Mal über eine brandenburgische Pflegekammer diskutieren.

(Frau Schier [CDU]: Das glaube ich auch!)

Ich habe aus den vorliegenden Anträgen herauslesen können, dass dem Parlament die Frage, wie die Pflegelandschaft Brandenburgs in der Zukunft gestaltet werden soll, sehr wichtig ist. Darum werbe ich auch bei den antragstellenden Abgeordneten der CDU-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für den Weg, den SPD und Linke hier vorschlagen: erst eine gute Information der Betroffenen, dann die Befragung. Und der Fachausschuss ist in alle Schritte mit einbezogen; er ist immer mit dabei. Lassen Sie uns eine Diskussion in der Sache führen, statt Schnellschüsse zu machen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht noch einmal Kollegin Nonnemacher.

Ich möchte auf verschiedene Einwände eingehen. Frau Lehmann, erst einmal zu dem Selbstständigen- und Angestelltenstatus. Ich glaube, Sie sind von Herrn Prof. Schierack schon auf Folgendes hingewiesen worden: Es gibt ungefähr 130 000 angestellte Krankenhausärzte und -ärztinnen. Auch nicht berufstätige Ärzte und Ärztinnen sind Zwangsmitglieder einer Ärztekammer. Dieses Argument ist also so nicht stichhaltig.

(Frau Lehmann [SPD]: Ein bisschen schon!)

Ich habe hier das Leitbild einer selbstbewussten und starken Pflege vorgestellt. Da ist es doch selbstverständlich, dass hier nichts über die Köpfe der Betroffenen hinweg passiert, sondern diese sollen sich doch gerade äußern können.

(Beifall des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE] und der Abgeordneten Schier [CDU])

Eine umfangreiche Information ist doch eine Selbstverständlichkeit; das ist genau unser Anliegen. Natürlich muss eine ordentliche Information auch darüber aufklären, dass die Mitgliedschaft in einer Kammer eine Pflichtmitgliedschaft ist und einen Beitrag kostet. Das alles ist völlig unstrittig: das haben wir doch nie bestritten, sondern genau dies möchten wir.

Frau Ministerin Golze, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in meinem Vortrag eine ungebührliche Schärfe an den Tag gelegt habe. So habe ich es nicht empfunden. Sollte es so gewesen sein, täte es mir ausgesprochen leid. Ich finde, es geht hier um die Sache.

Ich sehe auch durchaus, dass wir hier im gemeinsamen Prozess eine große Annäherung im Vergleich zu vor zwei Jahren erreicht haben, dass wir auf einem ganz guten Weg sind. Aber ich sehe weiterhin bei dem Zeitfaktor, also der Frage, wie lange wir uns damit beschäftigen wollen, erhebliche Unterschiede.