Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Große.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! So viel Wohlfühlen ist wirklich selten in diesem Parlament. Vielen Dank, Herr Hoffmann, für Ihre versöhnliche große Rede. Ich denke wirklich, dass wir heute eine gute und richtige, hoffentlich gemeinsame Entscheidung treffen werden für die Kinder zwischen null und drei Jahren in diesem Land, die dann unter etwas besseren Bedingungen bezüglich der geplanten Personalschlüsselverbesserung gebildet, betreut und geliebt werden können, aber auch für die Erzieherinnen, die ihrem eigenen Anspruch auf mehr Qualität dann besser entsprechen können, für die Eltern in diesem Land, die genau diese bessere Qualität auch erwarten dürfen, und für die künftigen Erzieherinnen in Ausbildung, die dann möglicherweise für den schönsten Beruf dieser Welt eine Einstellung erhalten werden.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Ich bin sicher, dass das auch für uns alle gut ist. Vor allem bin ich sehr froh darüber, dass wir es gemeinsam hinbekommen haben, dass bei allem, was Eltern betrifft, Eltern auch mitsprechen dürfen in diesem Land. Für DIE LINKE ist und bleibt die Beteiligung und Mitwirkung die Basis jeglicher Demokratie. Genau das machen wir mit diesem Gesetz. Ich finde es ehrlich gesagt enttäuschend, dass Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund hier so vehement dagegen argumentiert haben und die AfD, die selbsternannte Volksversteher-Partei, auch noch darauf angesprungen ist. Die Elterninitiativen haben sich die Augen gerieben und sich sehr gewundert, dass ausgerechnet die AfD einen Antrag eingebracht hat, dass diese Elternbeiräte auf Kreisebene und Landesebene nicht stattfinden sollen - das haben Sie in dieser irrlichternden Partei jetzt glücklicherweise zurückgenommen. Ich hoffe, dass auch anderes noch zurückgenommen wird.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Im Übrigen macht sich auch Sachsen-Anhalt auf den Weg: Mit seinem neuen KiföG hat es als zwölftes Land diese Elternbeiräte auf Landes- und Kreisebene eingeführt. Wir sind also nicht allein mit diesem Thema. Wir werden uns alle bemühen müssen, dies in den Kreisen auch auf den Weg zu bringen, weil wir ja wissen, wie belastet Eltern von Kita-Kindern ohnehin schon sind.

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, internetbasierte Fachforen als eine Form von Mitwirkung einzurichten, trifft

natürlich auf unsere Sympathie; das ist ganz klar. Wir sehen ihn auch gut aufgehoben bei dem, was wir machen. Genauso hätten wir gern dem Antrag auf gesundes Mittagessen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugestimmt. Zum Thema Konnexität hat Gordon Hoffmann schon etwas gesagt. Hier war es auch die kommunale Selbstverwaltung, die uns das leider unmöglich gemacht hat. Trotzdem sind wir alle angehalten, möglichst bald ein elternbeitragsfreies Mittagessen einzuführen. Dieses sollte dann natürlich gesund sein und den DGEStandards entsprechen.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Es gab ja schon einige Kontroversen zu dem von Gordon Hoffmann angesprochenen Thema im § 16a Abs. 3. Es geht hier ganz klar um eine Auslegung des Kita-Gesetzes hinsichtlich des Ausgleichs von Mehrbelastung. Die Regelung diente aber schon immer - und da hat Gordon Hoffmann Recht - zur Restfinanzierung. Es gibt Kommunen, die sich vor genau dieser Restfinanzierung drücken, weil sie die Betriebskosten ganz eng auslegen. Es hat sich also wirklich vereinzelt eine Praxis entwickelt, die eben nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht. Das haben wir hier klargestellt. Wir wollen deutlich machen, dass für uns der Betrieb einer Kita sehr viel mehr bedeutet als die Finanzierung von Strom, Wasser und Miete.

Ich werbe also für die Zustimmung zu diesem Gesetz. Demnächst werden wir uns dann auch mit dem von Gordon Hoffmann angemahnten zweiten Schritt beschäftigen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Damit kommen wir zur nächsten Rednerin. Für die Fraktion der AfD spricht die Abgeordnete Bessin zu uns.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Auch ich möchte heute zum Wohlfühlen beitragen. Frau Große, Sie haben es schon angesprochen: Wir haben unseren Änderungsantrag zurückgezogen. Wir haben ihn aber nicht zurückgezogen, weil wir ihn unsinnig fanden, sondern wir haben diesen Änderungsantrag, was das Mitbestimmungsrecht der Eltern und Elternbeiräte angeht, in der Hoffnung gestellt, dass wir über dieses Thema vielleicht noch einmal etwas intensiver sprechen können.

Nichtsdestotrotz unterstützen wir auch das Kita-Gesetz, welches heute auf den Weg gebracht werden soll. Wir freuen uns darüber, dass die Landesregierung wenigstens in Trippelschritten vorwärtsgeht und den Kinderbetreuungsschlüssel und damit die Defizite in der Kindertagesbetreuung aufarbeiten möchte. Wenn auch vielleicht etwas verspätet, aber immerhin kommen wir damit einen Schritt voran.

Ratlosigkeit ist trotzdem bei uns vorhanden, weil es bei diesem Thema ziemlich lange bis zur Umsetzung gedauert hat. Die Anpassung des personellen Betreuungsschlüssels und der damit verbundenen Finanzierung ist eine mehr als überfällige Maßnahme. Sie ist mitnichten eine sozialpolitische Errungenschaft, wie es die Regierungsfraktionen so begeistert darstel

len. Wir hatten auch in der letzten Plenarsitzung schon intensiv über dieses Thema gesprochen. Ich hatte damals schon auf die Unterschiede hingewiesen, die es beim Betreuungsschlüssel zwischen Statistik und Realität gibt.

Die Erzieher haben bei ihren Demonstrationen auch schon länger darauf hingewiesen, dass sie nicht nur eine Verwahranstalt sein, sondern ihre Bildungsaufgabe wahrnehmen wollen. Deswegen ist es für mich heute auch ein positiver Schritt, dass das Kita-Gesetz in diesem Punkt auf den Weg gebracht wird. Vielleicht können wir da in Zukunft auch noch weiter gehen, wenn wir uns einmal ansehen, welche Bundesländer wie viel Geld in den Kinderbetreuungsplatz investieren. Das Land Berlin investiert 8 868 Euro pro Kinderbetreuungsplatz. Baden-Württemberg ist bei 6 700 Euro und deutschlandweit haben wir einen Durchschnitt von 6 385 Euro.

(Frau Große [DIE LINKE]: Und Brandenburg?)

Wenn wir uns Brandenburg anschauen, müssen wir da wirklich noch einmal nachlegen und uns im Bildungsausschuss noch einmal darüber unterhalten. Hier sind wir bei 4 423 Euro - das ist leider relativ weit unten am Ende der Tabelle.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Ich möchte jetzt auch gar nicht allzu viele Worte darüber verlieren. Wir unterstützen das Kita-Gesetz; wir haben unseren Änderungsantrag zurückgezogen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass im Kita-Gesetz in § 23 in der Durchführungsvorschrift auch geregelt wird, wie Elternbeiräte einberufen werden sollen und wie sie sich zusammensetzen. Wir hoffen, dass das Ganze positiv umgesetzt wird, sehen dem positiv entgegen und werden diesem Antrag heute zustimmen. - Danke.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Wir kommen zur nächsten Rednerin. Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!

„Bei der Betreuungs- bzw. Versorgungsquote fahren wir einen Mercedes, beim Betreuungsverhältnis einen Trabant.“

So wird in der Auswertung der Regionalkonferenzen der LIGA eine Kitaleiterin zitiert. Peer Straube findet in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ - Bezug nehmend auf die Auswertung der KiTa-ZOOM-Studie - noch deutlichere Worte. Er schreibt:

„Wenn eine Erzieherin in der Realität nicht für höchstens sechs, sondern 17 oder mehr Kinder zuständig ist, bleibt die pädagogische Arbeit auf der Strecke. Da geht es dann nur noch ums reine Aufpassen, eine kindliche Frühförderung findet nicht mehr statt.“

Heute beschließen wir die schrittweise Verbesserung des KitaBetreuungsschlüssels - des theoretischen Schlüssels - auf 1:5 in zwei kleinen Trippelschritten. Und wir wissen: 1:5 ist tatsächlich nur eine theoretische Rechengröße. Die Realität ist weit davon entfernt. Im Rahmen der KiTa-ZOOM-Studie sind die kreisfreien Städte Potsdam, Brandenburg an der Havel und der Landkreis Märkisch-Oderland untersucht worden, und dabei ist herausgekommen, dass die tatsächliche Zahl von Kindern pro Krippengruppe im Mittel zwischen 8 und 12 rangiert. Da hat die „PNN“ schon Recht: Das sind Ressourcen fürs Aufpassen und nicht für frühkindliche Förderung. Daran wird auch diese heutige Novelle nicht viel ändern. Das macht klar - auch wenn wir heute alle zustimmen -: Es ist nicht alles zum „Wohlfühlen“, worüber wir hier reden.

Deshalb haben wir in der letzten Legislaturperiode sechsmal und in dieser auch wieder beantragt, den Betreuungsschlüssel schneller zu verbessern und gleichzeitig eine Perspektive für mehr Qualität zu entwickeln, weil diese Jahre so wichtig sind für die Kinder. Deshalb geht es heute auch um mehr als nur den Betreuungsschlüssel.

Wir legen den örtlichen Trägern der Jugendhilfe auch die Einrichtung von Elternbeiräten nahe und schaffen einen Landeselternbeirat. Wir haben also endlich eine Landesebene der Eltern für die Diskussion der Fragen rund um die Kindertagesstätten. Wir begrüßen auch, dass unsere Anregung eines internetbasierten Fachforums aufgegriffen wurde, weil wir wissen, dass man im Verlauf des Lebens selten so wenig Zeit hat, jede Minute so verplant ist wie in der Zeit, wo die Kinder im Kindergartenalter sind.

Dass aber selbst diese weiche Regelung, diese Kann-Regelung, die wir jetzt bei der Einrichtung der Elternbeiräte einführen, vom Landkreistag mit der Bemerkung abgelehnt wurde, der Landkreistag sei nach dem Kita-Gesetz nur für die Kinder zuständig und nicht für die Eltern, ist mir ziemlich unverständlich. Selbst wenn es dabei nur ums Geld geht, ohne Interesse an der Sache, darf man doch anmerken, dass Beteiligungsgremien oft mehr Geld sparen, als sie kosten.

(Beifall der Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE] und Frau Dannenberg [DIE LINKE])

Noch ein Punkt: Das Essen gehört zum gesunden Großwerden dazu. Spätestens seit dem Sodexo-Skandal vor zwei Jahren weiß auch der letzte „schlafende Hund“, dass das Essen, das in Kitas und Schulen angeboten wird, nicht immer das gesündeste ist: tiefgefrorene Erdbeeren aus China, zu viel Fleisch, zu wenig Gemüse, zu lange warm gehaltenes Essen, zu wenig Frischobst usw. Wie man es besser machen kann, zeigt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Deren Standards hätten wir gerne in das Gesetz aufgenommen.

Dazu noch ein Wort zu Frau Koß: Uns ging es nicht darum, Eltern zu zwingen, das gegen ihren Willen zu tun, sondern wir wollen genau an diesem Punkt die Elternbeteiligung stärken, wir wollen mit Eltern darüber diskutieren und sie zusammen mit den Trägern entscheiden lassen, wie die Essensversorgung in den einzelnen Einrichtungen geregelt wird. Dass die Koalitionsfraktionen aus Angst vor der Konnexitätskeule diesen Punkt abgelehnt haben, war zu erwarten. Schade, dass es so

schnell ging, trotzdem vielen Dank für das Wohlwollen, das wir rundum zu hören bekommen haben. Das ist immerhin ein kleiner Trost.

Erfreulich ist auch, dass das Thema gesundes Essen Eingang in die landesweite Arbeitsgruppe der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege finden soll, die eine Empfehlung für Qualitätsund Betreuungsstandards entwickeln will. Im Rahmen des landesweiten Qualitätsmonitorings muss das Thema gesundes Essen genauso wie die Frage nach einer Neustrukturierung der hochkomplexen und eigentlich viel zu komplizierten Kitafinanzierung Eingang finden. Auch wenn ich als Bündnisgrüne eigentlich nicht die richtige Person für Autometaphern bin: Den Mercedes haben unsere Kinder allemal verdient.

Unsere Kritik ist bei diesem Thema also nicht aus dem Weg geräumt, und das neue Gesetz ist weit davon entfernt, zufriedenstellend zu sein. Wir stimmen trotzdem zu.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Wir kommen zum nächsten Redner. Der Abgeordnete Schulze spricht für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das KitaGesetz ist kein politischer Selbstzweck, sondern im Mittelpunkt des Anliegens des Gesetzes stehen die Eltern und ihre Kinder. Hintergrund ist, dass wir mit dem Gesetz den Eltern ermöglichen wollen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, arbeiten zu gehen, Sinnstiftung zu finden und für sich selbst zu sorgen.

Deshalb muss man sich fragen: Was ist das Maß der Dinge? Sind es die Eltern, die Kinder? Oder sind es andere Eckpunkte, auf die ich gleich noch kommen werde und die hier schon angesprochen worden sind? Ist das Gesetz eine Verbesserung der realen Situation? Da muss man ganz deutlich sagen: Ja. - Ist es ein großer Wurf? Nein. Es wird besser, aber es wird leider noch nicht gut.

Wenn wir die verschiedenen Studien zur Familienpolitik und zur sozialen Situation von Familien in Deutschland lesen und zur Kenntnis nehmen, müssen wir feststellen, dass Kinder immer noch das Armutsrisiko Nummer 1 in Deutschland sind. Diese Tatsache ist nichts als eine Schande.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, B90/GRÜNE und AfD)

Wir diskutieren über demografische Entwicklung, über Bildung, darüber, dass Kinder das Wichtigste wären - ich will jetzt nicht die Zitate, die man aus 20 Jahren Landtag zusammentragen könnte, bringen. Aber man muss feststellen, dass wir von der Lösung des Problems weit entfernt sind. Die Frage ist: Löst dieses Gesetz Probleme der sehr großen und immer größer werdenden Gruppe von Alleinerziehenden oder von Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeitern? Da muss man sagen: Dieses Gesetz löst die Probleme leider nicht, wir haben enormen Handlungsbedarf.

Zu den Fragen der Elternbeiräte, die schon angesprochen wurden: Das hat auch etwas mit Transparenz und Mitbestimmung zu tun, und wir bedauern ausdrücklich, dass hier eine Kannund keine Sollregelung gefasst worden ist. Das zeigt wieder einmal ein ambivalentes Verhalten beim Umgang mit Eltern und, wo man sie verortet.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Mitbestimmung ist eben keine Verhandlungsfrage, sondern sollte ein zentraler Punkt unserer gemeinsamen Politik sein.

Hier ist erwähnt worden, dass von Vertretern des Landkreistages gesagt wurde, die Eltern seien nicht ihre Sache. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich darauf erwidern: Eltern und Kinder sind keine Sache, sie sind der Kernbestandteil und der Mittelpunkt dieses Landes und sollten auch Kernbestandteil unserer Politik sein. Das muss man Leuten, die solche Dinge sagen, einmal zurufen. Einige wissen offensichtlich noch nicht, wo genau das Zentrum dieses Landes ist, nämlich bei den Familien, bei den Kindern.

Meine Damen und Herren! Das Maß der Dinge sind Kinder und Eltern und nicht der Wille von Mitarbeitern, Gemeindevertretungen, Jugendämtern und erst recht nicht unsere Haushaltslage. Wenn wir feststellen, dass 8 Millionen Euro im Jahr 2015 und 32 Millionen Euro im Jahr 2016 verwendet werden, hört sich das erst einmal nach viel Geld an. Ich gestatte mir aber Sie werden es mir verzeihen -, darauf hinzuweisen: 30 Millionen Euro werden jeden Monat für den Flughafen Schönefeld „verascht“, ein Drittel davon ist sozusagen unseres - da relativieren sich die Beträge doch ganz erheblich.