Meine Damen und Herren, im Bundesvergleich haben die Brandenburger Landkreise derzeit den niedrigsten Schuldenstand bei der Kernverwaltung - ohne Fonds, Einrichtungen und Unternehmen. Hier liegt kein Strukturdefizit vor, sondern es sind insbesondere die unterfinanzierten Aufgaben, auch bei den Sozialleistungen, die erheblich zu den Schuldenständen der Landkreise und kreisfreien Städte beitragen.
Aus diesen Gründen ist auch in Brandenburg mit hohen Effizienzgewinnen durch die Kreisgebietsreform zu rechnen. Demzufolge sind gemäß Artikel 98 der Brandenburgischen Verfassung hohe Anforderungen an die Gemeinwohlgründe für eine solche Gebietsreform zu stellen, und die müssen die bestehenden Nachteile wesentlich überwiegen. Eine solche Abwägung findet in Ihrem Leitbildentwurf überhaupt nicht statt. Insbesondere im Hinblick auf die angestrebte Einwohnerzahl und eine noch praktikable Flächengröße fehlt eine solche Abwägung völlig. Die eintretenden Nachteile blenden Sie völlig aus. Ich helfe Ihnen dabei gerne auf die Sprünge: Demokratieverlust und Abbau von Daseinsvorsorge, unzumutbar weite Fahrwege für Bürger und ehrenamtlich tätige Kommunalpolitiker, Rückzug der Hauptverwaltung aus den berlinfernen Regionen, Etablierung unwirtschaftlicher Außenstellen, Leerstand ehemaliger Kreisverwaltungsgebäude, finanzielle, infrastrukturelle und wirtschaftliche Schwerpunktsetzung verlagert sich noch stärker ins Berliner Umland, Kreisfusionen und Zerschneiden von Landkreisen führen zu einem Identitätsverlust. Aufgrund der genannten erheblichen Nachteile und der kaum vorhandenen Vorteile von Regionalkreisen muss das Leitbild erheblich überarbeitet werden.
Das mit Beschluss des Landtags vom 17. Dezember 2014 geforderte Finanzierungskonzept möchte ich hier nur am Rande streifen; denn es ist im Kern im Leitbildentwurf nicht enthalten. Uns muss klar sein, dass die Strukturreform in erster Linie mehr kostet, als sie uns im Endeffekt einbringt.
Wir möchten deshalb mit Ihnen - das ist eben nicht die fundamentale Ablehnung, Herr Ness - in den nächsten Monaten über eine Änderung dieses Leitbildes diskutieren. Wir wollen, ähnlich wie in Sachsen, freiwillige Landkreisfusionen, die durch eine angemessene Anschubfinanzierung in Höhe von mindestens 10 Millionen Euro für jeden beteiligten Landkreis und jede beteiligte kreisfreie Stadt gefördert werden. Das Prinzip muss lauten: Freiwilligkeit statt Zwang, Kooperation statt Fusion.
Schauen Sie doch mal nach Prignitz und Ostprignitz-Ruppin, wo Ansätze zu einer freiwilligen Fusion schon erkennbar sind. Darüber hinaus muss die Teilentschuldung der Kommunen durch Landesmittel möglich sein, und nicht unter Einbeziehung der Verbundmasse.
Letztlich kommen wir um eine Neubewertung des kommunalen Finanzausgleichs anhand der Aufgabenverteilung und einer Aufstockung der Verbundmasse nicht herum.
Meine Damen und Herren, ich habe nur noch knapp zwei Minuten Redezeit, aber eines muss ich doch noch ansprechen: Den härtesten Schlag führt die Landesregierung gegen die schwächsten Glieder der kommunalen Familie, gegen die Städte und Gemeinden. Gemeint sind die in dieser Legislaturperiode als freiwillig deklarierten Verwaltungszusammenschlüsse zu Gemeinden von mindestens 10 000 Einwohnern bezogen auf das Jahr 2030. Hierbei handelt es sich um nichts anderes als eine verkappte Gemeindegebietsreform, die in der nächsten Legislaturperiode durch Zwang vollendet werden soll. Das läuft nach dem Motto: Wer nicht fusioniert, verliert.
Womit begründen Sie überhaupt die neue Mindesteinwohnerzahl von 10 000? Die 5 000-Einwohner-Grenze, die unter Minister Schönbohm im Jahr 2013 festgeschrieben wurde, hat sich doch bewährt.
Warum wird sie nicht fortgeschrieben? Durch Ihre Einwohnergrenze und den Umstand, dass keine Flächenobergrenze im Leitbildentwurf beschrieben wird, können Gemeindeflächenriesen mit mehr als 600 Quadratkilometern entstehen. Dass diese Flächenriesen ihren örtlichen Charakter verlieren, was auch der kommunalen Selbstverwaltung, der Daseinsvorsorge und der Demokratie vor Ort schadet, ist wohl unbenommen.
Es gäbe noch viel zu dem Leitbild zu sagen, aber die Zeit verrinnt sehr schnell. Deswegen komme ich zu meinem Fazit: Sie dürfen bei allen Reformplänen die Aufgabenkritik in der Landesverwaltung nicht außer Acht lassen. Nehmen Sie es zur Kenntnis, dass die Mehrheit der kreisfreien Städte und Landkreise ihre Aufgaben effizient erledigt. Seien Sie redlich, denn Ihren finanziellen Rechtfertigungen sind nicht haltbar. Sorgen Sie bitte für einen angemessenen Finanzausgleich. Dann sind Zwangsvereinigungen unnötig.
Stellen Sie den Kommunen in einem „Werkzeugkoffer der Möglichkeiten“ auch Kooperationsmodelle zur Verfügung! Hören Sie den Bürgern und kommunalen Vertretern in dem anstehenden Dialog zu, denn sie wissen am besten, wo es Probleme gibt und wo es gut läuft. Hören Sie ihnen aber nicht nur zu, sondern nehmen Sie ihre Ratschläge auch an. Haben Sie vor allen Dingen auch - das ist mein letztes Fazit - den Mut, zu ermitteln, ob Sie die Brandenburger überzeugen konnten. Haben Sie den Mut zu einer Volksbefragung parallel zur Bundestagswahl 2017, wie sie die CDU bereits im Januar dieses Jahres gefordert hat. - Vielen Dank!
(Anhaltender Beifall CDU sowie des fraktionslosen Ab- geordneten Hein - Zuruf des Abgeordneten Königer [AfD])
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Gäste! Lassen Sie mich zu Beginn auf zwei Sachverhalte aufmerksam machen: Erstens. Wir entscheiden heute nicht über die Verwaltungsstrukturreform, sondern wir entscheiden über die Überweisung eines Entwurfes an den Ausschuss - nicht mehr und nicht weniger.
Zweitens, meine Damen und Herren: Niemand stellt die Kompetenz und Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung in den Städten und Kommunen zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Frage. Das Problem, welches wir nur haben, ist: Wie sichern wir diese Kompetenz und Leistungsfähigkeit in der Zukunft? Das ist die entscheidende Frage!
Lassen Sie mich deshalb zunächst mit einem Dank an die kommunalen Verwaltungsangestellten und Mitarbeiter beginnen, die in einem auch für sie nicht ganz einfachen Prozess täglich aufs Neue beweisen, dass sie handlungsfähig und kompetent sind.
Insofern, meine Damen und Herren, geht es hier nicht in irgendeiner Form um Schuldzuweisungen oder darum, Unfähigkeit festzustellen, sondern es geht um einen politischen Punkt: Sind wir für 2030 tatsächlich gewappnet? Da gibt es einen Verfassungsanspruch. Dieser besagt, dass in allen Landesteilen gleichwertige Lebensbedingungen zu gestalten sind. Da müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich im Gegensatz zu 1990 oder 1995 die Bedingungen 2030 sehr verschieden entwickeln werden. Wir reden hier nicht nur von einem Land mit möglicherweise zwei Geschwindigkeiten, sondern wir reden von Lebensbrüchen und Lebensumständen, die sich zum Nachteil der Brandenburgerinnen und Brandenburger verändern werden, wenn wir jetzt nicht Reformen angehen.
Hierbei geht es um mehr als nur die kreisfreien Städte. Selbstverständlich bieten sich Einzelaspekte einer möglichen Reform immer an, politische Wertigkeiten sehr deutlich zu machen.
Aber, Frau Richstein, vielleicht darf auch ich einmal ein Zitat eines Ihrer Parteikollegen verwenden: Der Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte hat in einer Veranstaltung sehr deutlich gemacht, um was es aus seiner Sicht geht.
Er sagte: „Man hat immer zwei Möglichkeiten: Man redet den Reformprozess schlecht und startet mit einem negativen Gefühl - das wird schwer -, oder man stellt sich einem Prozess und prüft dessen Chancen, was es letztendlich ermöglicht, ihn zu gestalten.“
Dabei darf ich vielleicht einmal deutlich machen, vor welchem Hintergrund wir agieren. Was die Frage der öffentlichen Daseinsvorsorge angeht - Schulen, Gesundheitsvorsorge, Mobilität -, so ist dieser Prozess schon lange im Gange. Ich darf an die letzte Legislaturperiode erinnern, wo wir vom Stadt-Umland-Prozess bis hin zu Veränderungen im Gesundheitscluster im Land Brandenburg die ersten Schritte gegangen sind, um uns auf diese Entwicklung einzustellen. Natürlich müssen wir diese Schritte ausbauen und sicherstellen. Das werden wir auch weiterhin mit einer Diskussion über Inhalte und Strukturen einer notwendigen Verwaltungsreform im Land Brandenburg untersetzen.
Das Zweite ist Folgendes: Meine Damen und Herren, wir haben alle in der Enquetekommission mitgearbeitet.
Da gab es verschiedene Vorschläge. Da können wir doch jetzt nicht so tun, als ob vier Jahre Arbeit in einer Enquetekommission, die zu Vorschlägen geführt haben, die von einem Minderheitenvotum der CDU-Fraktion nicht mitgetragen worden sind, umsonst gewesen seien. Dass wir sie jetzt untersetzen wollen, dass wir sie diskutieren wollen, finde ich daher völlig legitim.
Mit diesem politischen Anspruch, den die Koalition damit erhebt - auch das will ich so deutlich sagen -, gehen wir einen besonderen Weg. Nennen Sie mir ein Bundesland, wo man sich ein Jahr lang Zeit genommen hat, um gemeinsam mit allen Akteuren nicht nur über das Leitbild zu reden, sondern über weitere notwendige Schritte, die notwendig sind, um das Land nicht nur zu reformieren, sondern auch zukunftsfähig zu machen - auch mit einer neuen Verwaltungsstruktur. Ich kenne keines!
Sie können uns glauben: Wir sind doch keine politischen Analphabeten. Wir wissen ganz genau, dass wir mit diesem Weg natürlich die Tür geöffnet haben, dass man jeden einzelnen Aspekt dieser Reform politisch instrumentalisieren kann. Das ist natürlich immer sehr verlockend, auch für eine Opposition. Das gebe ich gerne zu. Ich darf Sie an dieser Stelle nur auffordern, dass wir, so glaube ich zumindest, immer noch eine gemeinsame Verantwortung haben. Hier will niemand irgendjemandem die Uckermark wegnehmen.
Sondern es geht hier schlicht und ergreifend darum: Gerade damit die Uckermark das Lebensgefühl behalten kann, das sie hat, muss man die Voraussetzungen schaffen, dass das auch in der Perspektive möglich ist. Denn schöne Landschaften allein reichen nicht aus. Wir sichern Lebensperspektiven der Betroffenen vor Ort und insofern glaube ich, dass diese Verwaltungsstrukturreform dazu eine Möglichkeit bietet.
Zweitens: Meine Damen und Herren, wir haben doch aus Mecklenburg-Vorpommern gelernt, einschließlich des Verfassungsurteils. Wir haben, was die Größe betrifft, eine ungefähre Vorstellung. Der Innenminister hat deutlich gesagt, dass das ein Vorschlag ist und eine Obergrenze, also nicht etwas, was aus diesem Prozess zwingend hervorgehen muss. Deswegen reden wir auch miteinander, was die günstigsten Varianten sind.
Wir hatten auch eine Funktionalreform verabredet. Meine Damen und Herren, man kann natürlich bei jedem einzelnen Vorschlag dafür oder dagegen sein; das will ich jetzt gar nicht im Einzelnen ausführen. Aber haben Sie ein anderes Bundesland gefunden, das in diesem umfassenden Sinne eine Funktionalreform definiert hat - mit einem Leitbild, wie wir es jetzt diskutieren?
Meine Damen und Herren, wir alle wissen doch, dass das die Grundlage dafür ist, eine Verwaltungsstrukturreform durchführen zu können. Insofern bitte ich einfach darum, dass wir uns ernsthaft über Inhalte dieser Funktionalreform einschließlich dessen, was wir im Leitbild definiert haben, dann auch tatsächlich politisch auseinandersetzen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt nennen: Sie alle wissen, dass die Diskussion über das Leitbild und die Überarbeitung des Landesentwicklungsplans sehr eng miteinander zusammenhängen. Das hat die Koalition im Koalitionsvertrag definiert. Natürlich geht es in dem eingeleiteten Überarbeitungsprozess um die Funktionalität von Städten. Welche Aufgaben werden sie in der Perspektive wahrnehmen - nicht nur Oberzentren, sondern auch Mittelzentren sowie Städte und Gemeinden im ländlichen Raum mit besonderen Funktionen in der öffentlichen Daseinsvorsorge?
Diesen Prozess zusammen zu gestalten wird eine Herausforderung, und zwar für uns alle. Denn wir werden als Parlament daran gemessen werden, welche abschließenden Entscheidungen wir hier tatsächlich herbeiführen können. Ich finde, diese Verantwortung ist eine, der wir uns stellen sollten. Wir sind als Fraktion DIE LINKE gern bereit, nicht nur Anregungen aufzunehmen, sondern einen offenen Diskussionsprozess zu führen. Das ist immer eine der Kernforderungen der Linken gewesen, die wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner festgeschrieben haben. Wir gehen in einen offenen Diskurs. Aber offener Diskurs bedeutet nicht, dass er beliebig ist. Ein offener Diskurs heißt, dass wir uns gemeinsam die Ergebnisse sowohl der Enquetekommission als auch die Aufgabendichte und die Aufgabenwertigkeit für eine Landesentwicklung bis zum Jahr 2030 vor Augen führen, um dann eine Entscheidung herbeizuführen.
Insofern, meine Damen und Herren, freue ich mich auf die Diskussion. Ich hoffe, dass wir im Parlament nach einem Jahr gemeinsam zu Entscheidungen kommen, die unserer politischen Verantwortung, Zukunftsfähigkeit zu gestalten, auch gerecht werden. - Vielen Dank!
Wir danken Ihnen. - Wir kommen damit zum nächsten Redner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Königer.